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Arma et litterae

Neue Beiträge zu Karriere und Selbstpositionierung oberrheinischer Humanisten

  • Sven Lembke / Markus Müller (Hg.): Humanisten am Oberrhein. Neue Gelehrte im Dienst alter Herren. (Schriften zur südwestdeutschen Landesgeschichte 37) Leienfelden-Echterdingen: DRW-Verlag 2004. VIII, 320 S. 4 Abb. Gebunden. EUR (D) 46,00.
    ISBN: 3-87181-437-7.
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Zum 60. Geburtstag des Freiburger Spätmittelalterhistorikers Dieter Mertens im Jahre 2000 haben zwei seiner Schüler ein Kolloquium veranstaltet, dessen Beiträge jetzt in einem Sammelband vereint vorliegen. Die Aufsätze, durch Einleitung und Resümee programmatisch verklammert, verstehen sich als sozialhistorisch fundierte Untersuchungen zur Rolle der frühen Humanisten des Oberrheingebietes im Kontext der von allen Seiten erwünschten, dabei jedoch nicht unproblematischen Integration eines neuen Gelehrtentyps in die sich gleichfalls wandelnden Strukturen der höfischen Eliten.

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Der Jubilar, die Bandherausgeber und die meisten der Beiträger sind Fachhistoriker. Eine Rezension, die von einem Literaturwissenschaftler für Literaturwissenschaftler geschrieben wird, muß – bei aller interdisziplinären Verflechtung gerade in der Humanismusforschung – die Akzente anders setzen, als es in Historikerkreisen womöglich erwartet wird. So kann der nach Umfang und Anspruch gewichtigste, geradezu monographischen Charakter aufweisende Beitrag von Markus Müller (S. 9–147), in dessen Zentrum eine außerordentlich gründliche Analyse der sogenannten ›Bischofsspiegel‹ und ihrer Tradition seit der Spätantike steht, hier nicht mit der angemessenen kritischen Ausführlichkeit gewürdigt werden. Stattdessen wird zu fragen sein, inwieweit die einzelnen Beiträge das genuin ›literarische‹ Selbstverständnis der behandelten Humanisten thematisieren und was sich hinsichtlich der Funktionalisierung einzelner Textsorten aus den Untersuchungen entnehmen läßt.

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Humanismus und Humanisten:
Absage an ein überholtes Autonomiekonzept

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Mehr als die Literaturwissenschaftler haben die Historiker offenbar noch heute auf die fundamentale Differenz zwischen der frühneuzeitlichen Epoche des Humanismus und dem ›Neuhumanismus‹ der Zeit um 1800 samt dessen Nachwirkungen aufmerksam zu machen. Unter Hinweis auf die neueste Auflage des Brockhaus wird kritisch vermerkt, daß Erasmus und seine gelehrten Zeitgenossen »für die programmatische Idee eines europäischen Humanismus, den Toleranz, umfassende intellektuelle Selbstbildung und persönlicher Emanzipationsdrang auszeichnen sollen« (S. 304), vereinnahmt würden. Diesem Konzept einer emanzipatorischen »Bewegung« (S. 307) halten die Herausgeber des Bandes ihre – zutreffende – Einschätzung entgegen, daß die Humanisten »sich selbst und ihr intellektuelles Potential erst in der Nähe zur gesellschaftlichen Macht entfalteten und nicht etwa dorthin durch Not oder unmittelbare Abhängigkeit gezwungen wurden. [...] Humanisten wollten eine Funktion im System der zeitgenössischen Herrschaften übernehmen« (ebd.).

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Die ambivalente Position des Gelehrten im Einzugsbereich höfischer Macht zwischen »Instrumentalisierung« und »Identität« (S. 309) – was freilich nicht in modernem Sinne als unvereinbar gesehen wurde – durchzieht leitmotivisch den gesamten Band, die einzelnen Beiträge ebenso wie die Rahmenpartien. In der Einleitung wird die generelle Position der Herausgeber thesenhaft zusammengefaßt:

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Herrschaftsnähe entmündigte humanistische Gelehrte nicht, sondern eröffnete ihnen ein Feld, in dem sie sich eigene Möglichkeiten für die gelehrten Kontroverse und Autoritätsbildung eigener Machart schufen. [...] Und dennoch sind solche Koryphäen, die eigenständig Beziehungen eingehen und beenden, wenn es um die soziale Relevanz ihres Denkens und Tuns geht, von den herrschaftlichen Formen der Vergemeinschaftung und Verwaltung abhängig oder zumindest strukturell festgelegt. (S. 5 f.)
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Humanistische Literaten
in sozialgeschichtlicher Perspektive

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Wir wenden uns den einzelnen Beiträgen zu, und hier besonders denjenigen, in denen funktionale Aspekte genuin literarischer bzw. paraliterarischer Texte eine Rolle spielen. Unter dem Titel »Die zwei Leben des Heinrich Glarean. Hof, Universität und die Identität eines Humanisten« (S. 237–254) untersucht Albert Schirrmeister im Rückgriff auf Pierre Bourdieus Feldtheorie zwei autobiographische Texte und einige Widmungsvorreden des Freiburger Professors. Ausgangspunkt ist der Sachverhalt, daß Glarean in den beiden späten Lebensrückschauen völlig unterschiedliche Gewichtungen in seiner Vita vornimmt: Im publizierten Gedicht tritt die eigene Leistung ganz hinter der Kaiserpanegyrik zurück, während der private Brief eine selbstbewußte Darstellung seiner akademischen Lehrtätigkeit gibt.

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Dieser symptomatische Befund führt Schirrmeister weiter zu einer subtilen Analyse diverser Paratexte aus der Feder Glareans, an denen sich jeweils die konkrete gesellschaftliche Funktionalisierung seiner gelehrten Tätigkeit nachweisen läßt. Dies geschieht nicht zuletzt dadurch, daß neben den Vorreden auch die Gegenstände der betreffenden Werke selbst (Editionen und Kommentare klassischer Autoren) auf ihre intendierte Beziehung zum Widmungsempfänger hin untersucht werden. Daneben geraten auch die Bemühungen Glareans um den Aufbau persönlicher Beziehungen jenseits der literarischen Zueignung in den Blick. So wird ein komplexes Geflecht von Interessen der an der gelehrten Kommunikation beteiligten Personen erkennbar, die dem ›Feld der Macht‹ bzw. dem ›Literarischen Feld‹ angehören und mit dem jeweils verfügbaren ›ökonomischen‹, ›sozialen‹ oder ›kulturellen Kapital‹ operieren. Wenn am Ende des Beitrages das Schlagwort von der »Autonomisierung des Literarischen Feldes« (S. 254) fällt, so ist das nicht im Sinne einer modernen ›Autonomisierung der Literatur / Wissenschaft‹ mißzuverstehen. Es geht hier lediglich um die fachliche Einschätzung von Glareans Tätigkeit als Philologe, wie sie nur von Fachgenossen geleistet werden kann. Doch auch dieses fachliche Urteil kann in jeweils unterschiedliches ›Kapital‹ umgemünzt werden.

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Ganz im Bereich der Literaturwissenschaft bewegt sich Theodor Verweyens Beitrag mit dem langen Titel »Epische ars narrativa im Kontext der städtischen Kultur des oberrheinischen Humanismus und des landesfürstlichen Absolutismus der Barockepoche: Wickrams Goldtfaden und Opitz’ Argenis« (S. 267–302). Verweyen stellt die etwas boshafte Frage, »ob der sog. ›Barockroman‹ am Ende ›humanistischer‹ sei als der im Horizont des ›städtischen Humanismus‹ entstandene deutsche Prosaroman Mitte des 16. Jahrhunderts« (S. 269). Die Frage ist – für diesen speziellen Fall! – natürlich zu bejahen, da Opitzens Kulturprogramm durch und durch humanistisch und der des Lateins unkundige Wickram kaum den ›Humanisten‹ im üblichen Verständnis des Wortes zuzurechnen ist. Beeindruckend an Verweyens Ausführungen ist denn auch weniger die Antwort auf seine Leitfrage als das Verfahren, mit dem er die beiden Romane untersucht: Auf der Grundlage einer traditionellen, rhetorisch fundierten Erzähltheorie vergleicht er das narrative Verfahren der Texte und kann bei Opitzens Roman diverse komplexe Techniken wie die Anwendung des ›ordo artificialis‹, den Einsatz von Digressionen, in denen »gelehrte Gegenstände aller Wissensbereiche« (S. 272) präsentiert werden, sowie den Rückgriff auf einen antiken Prätext (Heliodors Aithiopika) nachweisen, während der Goldtfaden linear und generell weitaus schlichter strukturiert ist und auf das »bibeltheologisch begründete Stoffmotiv vom Aufstieg des Geringen zu Ehren und Macht« (S. 281) zurückgreift.

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Verweyens nachfolgende Gegenüberstellung der »soziokulturellen Kontexte« beider Romane führt auf den naheliegenden Befund, daß die Argenis ein »Staatsroman«, ja ein »kommunikativer Faktor des im Entstehen begriffenen Fürstenstaates« (S. 284) sei, während der Goldtfaden seine Leser unter den Verfechtern des reichsstädtischen »regiments« (S. 286) zu suchen hat. Dem Beitrag Verweyens ist eine Reihe von präzisen Schaubildern beigegeben, die die Erzählstrategie der Romane visualisieren und – jenseits einer gewissen Scheinproblematik des ganzen Ansatzes – die hübsche Gegenüberstellung der Erzählmuster zweier frühneuzeitlicher Prosatexte gut verdeutlichen.

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Der dritte Beitrag, den man als ›literaturwissenschaftlich‹ im engeren Sinne bezeichnen könnte, stammt von Frank Wittchow: »Satis est vidisse labores, quos patior propter labentis crimina mundi. Lochers Ausstand« (S. 209–235). Jakob Locher gehört, dem Verfasser zufolge, »zu den wenigen frühen gekrönten Dichtern, welche ihre gesamte Existenz auf dieser herrschaftlichen Auszeichnung aufbauten« (S. 210). Auch bei einer durch und durch ›poetischen‹ Existenz wie Locher geht es freilich – wie stets in diesem Band – um die »verschiedenen Heteronomien [...], denen der Dichter ausgesetzt ist« (S. 211). Wittchow zeigt an ausgewählten Beispielen Lochers Bemühung um Dichterkrönung und kaiserliche Gunst auf und fokussiert dabei seine Beobachtungen auf die »Technik Lochers, bestimmte Literaturgattungen mit propagandistischem Material zu kontextualisieren« (S. 219).

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Den Schwerpunkt legt der Verfasser, wie schon der Titel des Beitrages zeigt, allerdings auf den allmählichen Rückzug des Dichters, der auf dessen wachsende Einsicht in die relative Folgenlosigkeit seines poetischen Wirkens zurückzuführen sei. Dies mochte damit zu tun haben, »daß innerhalb der Regierungszeit Maximilians eine Herabstufung des gekrönten Dichters vom Herrn des Ruhmes zum dienenden Herold des Ruhmes stattgefunden hat« (S. 223) und obendrein nur noch eine Verherrlichung der kriegerischen Taten des Kaisers gewünscht wurde. Wittchow nimmt inbesondere Lochers moralisierendes Poemation de Lazaro mendico (1510) in den Blick, in dem er »vielleicht nicht [...] einen regelrecht subversiven Diskurs« (S. 233) ausmacht, gleichwohl jedoch eine subtil aufgebaute Spannung zum beigefügten Carmen inauguruale auf Maximilian erkennt.

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Der Verfasser fordert, inspiriert wohl durch entsprechende Passagen bei Locher selbst (zitiert S. 227, Anm. 84), die »Vermeidung von Eindeutigkeiten« (S. 234) als dichtungskonstitutiv anzuerkennen und leistet sich damit eine partielle revocatio des im ganzen Band propagierten Untersuchungsansatzes:

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Wenn wir das gesamte Projekt des Humanismus nur von seinem Funktionszusammenhang in der sich ausbildenden Landesherrschaft verstehen, entgehen uns bei der Beschreibung humanistischer Praktiken gewisse Abweichungen, welche die Indienstnahme des Humanismus zwar nicht in Frage stellen, aber doch nicht in ihr aufgehen. (S. 235)
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Zwischen Theologie, Jurisprudenz und Gelehrtenschule:
humanistische Karrieren und ihr Scheitern

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Auf die übrigen Aufsätze des Bandes sei im folgenden nur kurz eingegangen. Der großangelegte Beitrag von Markus Müller mit dem Titel »Fürstenspiegel und Bischofsspiegel: der Beitrag Jakob Wimpfelings« (S. 9–147) nimmt, wie bereits erwähnt, in seinem darstellenden Teil weniger ausführlich auf Wimpfeling als auf die Tradition einer ganzen Textsorte, eben des ›Bischofsspiegels‹, Bezug (vgl. den selbständigen Abschnitt II, S. 19–59). Wimpfeling selbst spielt in dem Beitrag insofern eine wichtige Rolle, als er im Jahre 1512 im Zuge seiner Bemühungen um eine Reform des Klerus einen Bischofsspiegel edierte, den Heinrich Fuller bereits 1305 verfaßt hatte. Die Gründe für seinen Rückgriff gerade auf diesen Text, »der von der bischöflichen Seelsorge mit keiner Silbe sprach, geschweige denn vom bischöflichen Lehramt« (S. 11), werden aus einer profunden Kenntnis kirchenrechtlicher und theologischer Entwicklungen heraus erläutert (S. 61, sehr luzide auch Müllers eigenes Resümee S. 310). Im Anhang (S. 62–147) wird Fullers Opus de moribus prelatorum präsentiert (lateinische und deutsche Fassung jeweils nach den Handschriften); der Apparat gibt die Änderungen und Ergänzungen Wimpfelings an.

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Zwei vergessene Vertreter des oberrheinischen Humanismus werden von Felix Heinzer (»Cod. Donaueschingen 285 der Württembergischen Landesbibliothek – eine unbeachtete Quelle zur Karriere des Rastatter Humanisten Johannes Müller, gest. 1491«; S. 149–173) und Klaus Graf (»Der Straßburger Gelehrte Johannes Hug und sein vergessenes Werk Quadruvium ecclesiae; Straßburg: Johann Grüninger 1504«; S. 175–187) vorgestellt. In beiden Fällen erläutern die Verfasser die Umstände, die den betreffenden Figuren eine einflußlose Existenz unterhalb der standesspezifisch wünschbaren ›Karriere‹ bescherten – womit ein anschaulicher Kontrast zu denjenigen Protagonisten des Bandes hergestellt wird, die die »unmittelbare Affinität humanistischen Wissens zur Macht« (S. 3) mehr oder minder überzeugend repräsentieren.

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Überaus erfolgreich gestaltete sich in dieser Hinsicht der Wechsel des Basler Juraprofessors Sebastian Brant in das Amt eines Syndikus der Stadt Straßburg. Antje Niederberger geht in ihrem Beitrag »Sebastian Brant, das Reich und die Eidgenossen« (S. 189–208) auf die Umstände dieses Karrieresprungs ein und zeigt insbesondere auf, daß es Brant immer auch um die Anknüpfung von Verbindungen zum kaiserlichen Hof ging. Dafür gab es nach dem Anschluß Basels an die Eidgenossenschaft (1500) keine günstigen Voraussetzungen mehr. Hingegen förderten Brants starke Position in der reichsstädtischen Verwaltung und sein Ansehen bei Hofe einander gegenseitig. Einen Blick bis weit ins 17. Jahrhundert hinein gewährt – konzentriert auf das Herzogtum Württemberg – Sabine Holtz (»Beata est Respublica, ubi plus valent boni mores, quam bonae leges. Melanchthons Bildungsideale im Dienst neuer Herren«; S. 255–266). Ihr geht es vor allem um den Nachweis, daß die pädagogischen Konzepte des ›praeceptor Germaniae‹ grundsätzlich ihre Aktualität über die gesamte Frühe Neuzeit hin behalten hätten. Historisch notwendige Reformen etwa hinsichtlich des Realienunterrichts oder der Adaptation der Lehrinhalte an die Bedürfnisse einer effizienten Beamtenausbildung seien nicht durch seine Prinzipien behindert worden, die ja »Anschlüsse auch für zukünftige Erfordernisse« geboten hätten, sondern durch die »Kirchenordnungen [...], die im Laufe der Zeit gleichsam sakrosankt wurden« (S. 264).

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Nutzen und Nachteile des Sammelbandes

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Den größten Nutzen aus den durchweg gründlich recherchierten und detailgenauen Beiträgen wird derjenige Leser haben, der – möglichst mit dem wissenschaftlichen Instrumentarium des Historikers – sowohl die Sozial- und Ideengeschichte des Frühhumanismus als auch die besonderen regionalen Bedingungen der oberrheinischen Städte und deren Verbindungen zu Kaiser und Reich bereits erforscht hat und mit der Ereignisgeschichte gut vertraut ist. Aus personengeschichtlicher Perspektive können die gut lesbaren Artikel des vor rund zehn Jahren ebenfalls von Freiburg aus erarbeiteten Bandes Humanismus im deutschen Südwesten 1 den Zugang erleichtern, im Falle der Spezialstudie Müllers zu den Bischofspiegeln wird man ohne theologische, speziell kirchenrechtliche Spezialkenntnisse kaum die gesamte Argumentation durchdringen können.

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Angesichts der interdisziplinären Ausrichtung des Bandes und der Schwierigkeiten, die gerade frühhumanistische Texte bieten, hätte man sich vollständige Übersetzungen der zum Teil umfangreichen lateinischen Zitate (vor allem im Beitrag von Wittchow) gewünscht. Im Kontrast zu der philologischen Gründlichkeit, mit der die editorischen Partien des Bandes gearbeitet sind, fällt die Nachlässigkeit beim Gebrauch der Interpunktion der modernen Standardsprache etwas unangenehm auf; auch sonst sind eine ganze Reihe von Druckfehlern zu beanstanden.

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Schließlich noch ein Wort zum Untertitel des Bandes, der in schöner antithetischer Formulierung lautet: »Neue Gelehrte im Dienst alter Herren«. Die Herausgeber beziehen sich hier auf das »bereits gesellschaftlich eingespielte Verhältnis von Patron und Klient« (S. 3), das sich insofern gewandelt habe, als für repräsentative und verwaltungsspezifische Aufgaben nun nicht mehr in erster Linie »Angehörige der klerikalen Kultur« herangezogen worden seien, sondern »Personen, die ihre Ansammlung von Kenntnissen als Inbegriff einer Bildung deklarierten, die wohl christlich, aber nicht klerikal sein müsse« (ebd.). Außerdem habe sich ein »Wandel der Zugangsbedingungen zum höfischen Herrschaftsraum« (ebd.) vollzogen, indem der Typus des unsteten Wanderhumanisten durch den wie auch immer geförderten, womöglich durch eine Professur an der Landesuniversität abgesicherten Gelehrten abgelöst worden sei.

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Derlei Statusfragen sind für die Analyse der humanistischen Kultur von eminenter Bedeutung, und sie werden in den meisten Beiträgen auch deutlich angesprochen. Allein die im Untertitel suggerierte epochenspezifische Situierung der einzelnen ›Fälle‹ kommt teilweise etwas zu kurz, und gerade der Frühneuzeitforscher, dessen Blick weniger zurück auf das Mittelalter als auf den sozialen Wandel innerhalb der nachfolgenden späthumanistischen und barocken Epoche zielt, hätte sich gelegentlich eine konkretere Beschreibung der spezifischen »Funktionsangebote« (S. 7) gewünscht, die den behandelten Figuren in einer um 1500 offenkundig neuartigen historischen Konstellation gemacht wurden.

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Alles in allem ist der Sammelband freilich ein beeindruckender Beitrag zur regionalen Humanismusforschung, zugleich eröffnet er methodische Perspektiven, ohne den Leser mit ausschweifenden theoretischen Prolegomena zu langweilen. Für den Literaturwissenschaftler bieten die Beiträge zahlreiche Anregungen, die sich für detaillierte Textanalysen bestens nutzen lassen.



Anmerkungen

Paul Gerhard Schmidt (Hg.): Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Im Auftrag der Stiftung »Humanismus heute« des Landes Baden-Württemberg. Sigmaringen 1993; vgl. hier die Beiträge zu Wimpfeling (Dieter Mertens), Sebastian Brant (Hermann Wiegand) und Jakob Locher (Bernhard Coppel).   zurück