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Von Sträußen und Gärten
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Daß der Empfängerin der Festschrift zu ihrem 65. Geburtstag und zum Abschied aus dem aktiven Dienst mehr als ein »Blumenstrauß« gebühre, betont der Herausgeber des in jeder Beziehung gewichtigen Bandes gleich zu Anfang. Renate Baumgärtel-Fleischmann, trotz der ›falschen‹ Konfession langjährige (nominell kommissarische) Leiterin des Bamberger Diözesanmuseums, hat die von ihr geführte Institution auf konsequente Weise zu einer angesehenen Ausstellungs- und Forschungsstätte auf- und ausgebaut; sie ist zudem als überaus kundige Verfasserin zahlreicher Ausstellungskataloge und Untersuchungen zu Detailproblemen sakraler Kunst, durch ihre generöse Unterstützung von Forschungsprojekten aus der Kunst- und Kulturgeschichte, durch ihre immer wieder bewiesene Organisationsfähigkeit und die menschliche Anteilnahme an Ratsuchenden weit über die Grenzen der Bischofsstadt hinaus bekannt geworden.
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So hat sich der Dank von Freunden und Kollegen denn auch nicht auf ein buntes und rasch vergängliches Sträußchen beschränkt. Wissenschaftler aus allen Teilen Deutschlands und aus Österreich haben vielmehr ein regelrechtes Gärtlein (oder hier passender: »Gärtel«) angelegt, in dem Blumen unterschiedlicher Provenienz und Art gleichermaßen zum Blühen gebracht wurden. Überwacht von Obergärtner Werner Taegert, der von der Staatsbibliothek Bamberg aus die Beete einteilte, für (finanziellen) Dünger sorgte und das Gedeihen beförderte, bietet der »Hortulus« reichen Ertrag insbesondere in den Feldern Baugeschichte und Kunstgeschichte, daneben auch in der Liturgie- und Zeremonialwissenschaft, Volkskunde und Religionswissenschaft, in Angewandter Emblematik und Kodikologie, Bibliotheksgeschichte und Inschriftenkunde.
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Trotz ihrer thematischen, argumentationstechnischen und darstellerischen Vielfalt lassen sich die meisten Aufsätze um einige thematische Schwerpunkte gruppieren, die eng an die Arbeitsgebiete der Jubilarin anschließen, und teilen auch deren methodisches Insistieren auf einer soliden quellenkundlichen Basis, die der stilkritischen Analyse erst festen Boden verschafft. Kristallisationspunkt ist einmal der Bamberger Dom als Baukunstwerk, als Aufbewahrungsort vielfältiger sakraler Kunstgegenstände, als Kultstätte und als Ort zeremonieller Handlungen, mit dem sich nicht weniger als sieben Abhandlungen beschäftigen. Vom Seitenumfang etwa gleichrangig thematisiert wird das gegenüberliegende Kloster auf dem Michelsberg, zu dem vier Autoren Beiträge geliefert haben.
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Ganz Franken, ja ganz Süddeutschland (neben Bamberg auch Nürnberg, Coburg, München, Regensburg, Himmelkron und Walsdorf) deckt ein weiterer Komplex von neun Darstellungen ab, die sich mit Schöpfungen der Baukunst, der Malerei und der graphischen Künste sowie mit bibliotheksgeschichtlichen und sozialgeschichtlichen Fragestellungen beschäftigen. Vier Untersuchungen widmen sich schließlich kodikologischen Beschreibungen und Analysen im weiteren Sinne, zwei dem volkskundlichen Niederschlag der Heiligenverehrung von Heinrich und Kunigunde, dem Kaiserpaar, dem Bamberg seine kulturelle Zentralstellung verdankt. In einem abschließenden Aufsatz wird anhand eines Bamberger Treffens von 1934 den Anfängen des Deutschen Inschriften-Unternehmens nachgegangen, das seit über 50 Jahren von den Akademien der Wissenschaften im deutschen Sprachraum getragen wird. Dem Interessenschwerpunkt des IASL entsprechend sollen hier nur einige wenige Sachkomplexe herausgegriffen werden.
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Emblematischer »Himmelsgarten«
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Gleich zwei Aufsätze widmen sich dem »Himmelsgarten« in der Bamberger Michaelskirche, einer bemerkenswerten Deckenbemalung mit floralen Motiven und Emblemen, die in den Jahren 1614/17 entstanden ist. Werner Dressendörfer geht der Bedeutung der 578 erhaltenen Pflanzendarstellungen im einzelnen nach und kann in manchen Fällen auch die graphischen bzw. literarischen Vorlagen in Pflanzen- oder Kräuterbüchern bzw. einschlägigen Einblattdrucken benennen. Verständlicherweise bleibt häufig freilich nur der Verweis auf zeitgenössisches botanisches Wissen bzw. verbreitete Vorstellungen, die heute zwar noch in disparater Überlieferung greifbar sind, aber nicht auf eine einzige Quelle zurückgeführt werden können.
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Ohnehin kommt den Motiven neben der botanischen Identität auch ornamentale Funktion und sinnbildliche Bedeutung zu, die im einzelnen auf ganz verschiedene Bereiche Bezug nehmen und darüber hinaus durchaus mehrdeutig sein kann. Eine umfassende Systematik der Darstellungen im Sinne eines geschlossenen mundus symbolicus ist dabei nicht zu erkennen. Überzeugend wendet sich Dressendörfer gegen die Auffassung, derartige Pflanzendarstellungen könnten als Markierung altkirchlicher Orientierung verstanden werden. Immerhin waren es doch nicht zuletzt protestantische Autoren, die die allegorisch-theologische Ausdeutung von Pflanzen und Pflanzennamen breitenwirksam vertraten.
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So erweist sich die Ausschmückung von Sakralbauten mit floralen Darstellungen als eine Modeerscheinung der Zeit um 1600, die Dressendörfer auch an zahlreichen anderen Kirchenbauten namhaft machen kann.
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Mit der gleichen Kirchendecke, allerdings mit den dort an dem Scheitelkappen zwischen den Gewölbejochen eingemalten und in der Sockelzone des Schutzengelaltars enthaltenen emblematischen Darstellungen beschäftigt sich die Untersuchung Werner Taegerts. Sie sind im Zuge der Neuausstattung unter Abt Anselm Geisendörfer entstanden und damit deutlich später als der »Himmelsgarten«, nämlich um 1724/26, zu datieren. Taegert gelingt es dabei zum einen, die wichtigsten literarischen Vorlagen bzw. Vorbilder und Anregungen namhaft zu machen. Wieder einmal handelt es sich überwiegend um vergleichsweise unbekannte Emblembücher, aus denen man Einzelembleme für die sinnträchtige Ausschmückung der Architektur verwendet hat. Dazu zählen die Abgetrockneten Thränen, die 1698 zu Ehren einer Marien-Ikone herausgegeben wurden, die zwei Jahre zuvor im ungarischen Pötsch (Máriapócs) mehrmals Tränen vergossen haben soll.
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Dem Kultbild, das 1697 nach Wien überführt wurde, schrieb man übrigens auch den Sieg Prinz Eugens über die Osmanen bei Zenta zu. Ihrerseits fußen manche der in dem anonym erschienenen Emblembuch enthaltenen Picturae auf dem Lust- und Artzeney-Garten des Königlichen Propheten Davids, den (der Protestant) Wolf Helmhard von Hohberg 1675 herausgegeben hatte. Weitere Motive sind Delle sacre imprese von Paolo Aresi (1630) und einem Schutzengel-Andachtsblatt aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts entnommen.
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Sind die Übernahmen in diesen Fällen eindeutig, so gelingt es Taegert mit beeindruckender Kombinationsgabe, auch entferntere Vorbilder für die Bamberger Picturae heranzuziehen und die Abwandlungen und Veränderungen mit genauem Blick zu analysieren und nach ihrer Funktion zu befragen. Überdies rekonstruiert er die z.T. verderbten Inscriptiones, die im Zuge einer Restaurierung 1889 sinnstörend entstellt worden waren. Seine Ausführungen sind ein schlagendes Argument für eine verstärkte Zugänglichmachung der kulturell ungemein wirksamen Emblematiken in einer öffentlichen Datenbank – ein Projekt, das über diverse Ankündigungen von verschiedener Seite und über einige vielversprechende Anfänge bis jetzt leider noch nicht hinausgekommen ist.
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Anders als der bisherigen Literatur zum Bamberger »Himmelsgärtlein« gelingt es Taegert weiter, die einzelnen Darstellungen in mehrere ›Programme‹ einzubinden. Er rekonstruiert vorsichtig und differenziert mehrere Serien, die zwar locker gereiht, aber nicht ohne Struktur geblieben sind. Einmal handelt es sich um ein Programm monastischer Lebensgestaltung, das der strenge Abt seinen Konventualen ›vor Augen gehalten‹ hat. Zum zweiten läßt sich in einer weiteren Serie ein mariologisches, in einer dritten Reihe ein christusbezogenes Programm erkennen. Taegert erörtert dabei die ›Leserichtung‹ der Embleme ebenso wie deren »Vernetzung durch Korrespondenzen« (S. 170), widmet seine Aufmerksamkeit den Bezügen zur übrigen Bemalung, zu Baukörper und Einrichtung. Überzeugend wird dargelegt, daß die einzelnen Darstellungen sehr viel mehr sind als zufällig zusammengestellte Einzelembleme. Das wohldurchdachte Programm steht in enger Korrespondenz mit den Zielen des damaligen Abtes, der den Konvent auf die Pfade strikterer Observanz und Disziplinierung zurückzuführen versuchte.
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Codices und Bibliotheken
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Einen weitere Teilschwerpunkt des Sammelbandes bilden kodikologische Analysen einzelner mittelalterlicher Handschriften überwiegend Bamberger Herkunft. Die Beiträge sollen hier nicht einzeln referiert werden. Gemeinsam aber ist ihnen das Bemühen, nicht nur ikonologische und stilistische Phänomene zu behandeln, sondern stets auch nach den Verwendungskontexten der besprochenen Manuskripte zu fragen. In Verbindung mit der umsichtigen Berücksichtigung historischer Quellen gelingt es auf diese Weise, in fremdem Zusammenhang überlieferte Blätter nach Herkunft, Geschichte und Funktion genauer zu bestimmen (Gude Suckale-Redlefsen, Franz Ronig) oder ungewöhnlich illustrierte Handschriften bestimmten Gebrauchssituationen zuzuordnen (Helmut Engelhart). Sozialgeschichtliche Einordnung haben nicht nur Texte vonnöten, sondern auch die unterschiedlichen Überlieferungsformen und -kontexte, in denen sie auf uns gekommen sind.
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Interessantes Material zur Einschätzung klösterlichen Buchbesitzes durch die Aufklärer und durch die Vollstrecker der Säkularisation bietet schließlich Bernhard Schemmel. Er geht vordergründig eigentlich der Geschichte der Bibliotheksregale nach, die den Weg aus der ehemaligen Dominikanerbibliothek in die kurfürstliche Bibliothek – die spätere Staatsbibliothek Bamberg – gefunden haben. In diesem Zusammenhang rekonstruiert er aber anhand des alten Standortkatalogs zugleich die ehemalige Systematik und Aufstellung der nur teilweise erhaltenen Klosterbibliothek; und er geht auch den Kriterien nach, die beim Aussortieren ›nutzloser‹ und ›unbrauchbarer‹ Werke einen nicht geringen Teil der Bestände zu Makulatur werden ließen. Daß die durchaus sachkundigen Kräfte damals den historischen Wert der Handschriften und Drucke nicht erkannten und stattdessen qualitative Einschätzungen vornahmen, die ganz deutlich auf die Verinnerlichung aufklärerischer Vorwürfe gegenüber den monastischen Büchersammlungen deuten, wird hier an einem gut dokumentierten Beispiel deutlich gemacht.
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Analyse und Kontextualisierung
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Die Aufsatzsammlung wartet mit einem Titel und Untertitel auf, der unverkennbar (und zutreffend) den fränkischen Bezugsrahmen der enthaltenen Untersuchungen herausstellt. Und doch handelt es sich bei den Beiträgen ganz überwiegend nicht um regionale oder gar lokale Geschichtsschreibung, die das allzu beliebte Verdikt des Provinziellen heraufbeschwören könnte. Genaue Analyse hat immer den Einzeltatbestand zur Grundlage. Und dieser ist in den kulturwissenschaftlichen Fächern in der Regel lokalisierbar und sinnvollerweise in einem engeren entstehungs- und verwendungsgeschichtlichen Kontext zu verorten. Daß die hier versammelten Untersuchungen immer wieder den Bogen schlagen zu überregionalen Phänomenen, daß sie Vernetzungen herstellen zu globalen Zusammenhängen, ohne den soliden Boden unter den Füßen zu verlieren, ist zweifelsohne ein Qualitätsmerkmal.
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Zusammengefunden haben sich die Beiträge in einem großformatigen, ebenso repräsentativ wie liebevoll ausgestatteten und brillant bebilderten Buch, dem man im Interesse angenehmerer Lesbarkeit nur Fußnoten (statt der unpraktischen Endnoten) gewünscht hätte. Aber letztendlich ist es bei der ambitionierten Buchgestaltung wie in der Gartenkunst: der optisch glanzvollen Erscheinung wird im Zweifelsfall der Vorrang vor leichterer Pfleg- und Handhabbarkeit eingeräumt. Das hat immerhin zur angenehmen Folge, daß aus dem Ergebnis aller Arbeit nicht nur ein ertragreicher Nutzgarten, sondern zugleich auch ein »erbaulicher Ziergarten« (S. 7) geworden ist.
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