IASLonline

Bemerkungen eines Fernstehenden

  • Karl Bertau: Schrift - Macht - Heiligkeit. in den Literaturen des jüdisch-christlich-muslimischen Mittelalters. Berlin / New York: Walter de Gruyter 2005. XXXIII, 678 S. 47 s/w Abb. Gebunden. EUR (D) 98,00.
    ISBN: 3-11-017468-5.
[1] 

Einleitende Würdigung

[2] 

Das Werk, das auf einem mehrjährigen Vorlesungszyklus basiert, stellt eine umfassende Einführung in die lateinischen wie volkssprachlichen mittelalterlichen Literaturen der europäischen Länder unter gelegentlicher Einbeziehung der jüdischen und der islamischen Literatur auch außerhalb Europas dar. Den Schwerpunkt bilden Deutschland und Frankreich; aber auch England, Spanien, Italien und der byzantinische Kulturraum erfahren Berücksichtigung. Dem Leser werden eine Fülle von Namen und Biographien präsentiert; die Literaturgeschichte wird in die Herrscher- und allgemeine Geschichte des Mittelalters inklusive der Wirtschaftsgeschichte und der Kirchengeschichte integriert. Der Autor demonstriert eine gewaltige Detailkenntnis und die Fähigkeit, die Einzelheiten in die größeren Zusammenhänge einzuordnen. Das präsentierte Werk, das sich auch mit den antiken Voraussetzungen der mittelalterlichen Literatur befaßt, stellt eine umfassende einleitungswissenschaftliche Studie vornehmlich zum Schrifttum des mittelalterlichen West- und Mitteleuropas dar, die sich von der vorkarolingischen Zeit bis zur Zeit des beginnenden Buchdrucks im ausklingenden Mittelalter erstreckt.

[3] 

Da der Rezensent eigentlich nur für den Bereich der jüdischen Literatur (unter Ausschluß der jüdisch-deutschen Literatur!) zuständig ist, beschränken sich seine Bemerkungen notgedrungen zumeist auf dieses Randgebiet in der monumentalen Darstellung des Autors. Folgende Richtigstellungen und Präzisierungen, die in eine Neuauflage einfließen mögen, seien hier nach der Reihenfolge der Stellen, zu denen sie nötig sind, vorgenommen.

[4] 

Richtigstellungen im Einzelnen

[5] 

Auf S. 23, Anmerkung 6 schreibt Bertau:

[6] 
In der Hexapla standen in den Spalten 4. die Symmachos-Übersetzung, 5. die LXX, 6. die Übersetzung des Theodotion. Die berühmteste Übersetzung ins Arabische schuf vor 942 der jüdische Gelehrte Saadja ben Josef al Fajjumi Gaon in Ägypten, auch die des NT umfassend.
[7] 

Richtig ist, daß Saadja Gaon im 10. Jahrhundert nur Teile des AT aus dem Hebräischen ins Arabische übersetzt hat, ganz gewiß aber nicht das NT. Was in die 6. Kolumne der Hexapla hineingeraten ist, kommt bei den kleinen Propheten und in großen Teilen von Samuelis-Könige nicht von Theodotion; für den Rest ist Theodotions Autorschaft noch nicht geklärt. Deswegen sollte in einer Neuauflage von Bertaus Buch hinter dem Namen Theodotion ein Fragezeichen (?) als Hinweis für den Leser auf ungeklärte Probleme der Hexapla-Forschung gesetzt werden.

[8] 

Auf S. 27 schreibt Bertau:

[9] 
In den Jahren nach der 1. Deportation 733 und in den Jahren des Exils von 597 bis 520 wurde das Gedächtnis an die Offenbarung vom Sinai und an den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten der Schrift zur Bewahrung anvertraut.
[10] 

Hier wird die Darstellung der Geschichte Israels in biblischer Zeit arg ungenau präsentiert. Um 722 vor Chr. sind große Teile der Bevölkerung des vernichteten Nordreiches Israel von den Assyrern unter Sargon II. deportiert worden. Aus dem Südreich Juda werden in zwei Schüben, nämlich 597 und 586, durch die Babylonier Deportationen vorgenommen, wobei die staatliche Eigenständigkeit Judas erst mit dem Jahre 586 erlischt und die Exilszeit erst ab diesem Datum gerechnet wird. Was Bertau hier andeutungsweise über die Entstehung des Pentateuchs ausführt, verkennt total die Ergebnisse der Pentateuchforschung der letzten zwei Jahrzehnte, die das Fünfbuch Mosis mehr oder minder komplett ins 5. und 4. Jahrhundert vor Chr. datiert

[11] 

Weiter unten auf derselben Seite schreibt Bertau den Gottesnamen von Exodus 3,14 sowohl im Hebräischen als auch in seiner Transkription falsch, weil er die im Hebräischen graphisch ähnlichen Buchstaben H und CH miteinander verwechselt hat. Statt ›Echjeh‹ (=»Ich lebe!«) muß es richtig ›Ehjeh‹ lauten, um zu Bertaus Übersetzung »Der Ich-(bin-)da« zu gelangen. Der hebräische Text ist entsprechend zu korrigieren. Derselbe Fehler findet sich noch einmal auf S. 486.

[12] 

Auf S. 46 schreibt Bertau über die Makkabäer:

[13] 
Die Bücher, die ihren Kampf glorifizierten und in die LXX Aufnahme fanden, sind griechische Erzählungen von um 110 v.Chr., keine jüdische Literatur. Ein viertes Makkabäerbuch (LXX) entstand später, gleichzeitig mit erster frühchristlicher Literatur bis gegen 100 n.Chr.
[14] 

Dies ist einigermaßen falsch. Alle Makkabäerbücher sind jüdischen Ursprungs! Das 1. Makkabäerbuch stellt die griechische Übersetzung einer hebräischen Vorlage aus dem 2. Jahrhundert vor Chr. dar; das 2. Makkabäerbuch ist ein Auszug aus dem Geschichtswerk des jüdischen Historiographen Jason von Kyrene aus dem 2. Jahrhundert vor Chr.; das 3. Makkabäerbuch entstand in der alexandrinischen Judenschaft im 1. Jahrhundert vor oder nach Chr., das 4. Makkabäerbuch ist das Werk eines hellenistischen Juden unbekannter Herkunft aus dem 1. Jahrhundert vor oder nach Chr.

[15] 

Auf S. 72, Anmerkung 8 schreibt Bertau:

[16] 
Schabbat für Schabbat wurde ein Abschnitt aus der Tora von einem Gemeindemitglied verlesen, dergestalt, daß in einem Jahr, in 52 Wochen, die ganze Tora vollständig zu Gehör gebracht war.
[17] 

Da sich Bertaus Anmerkung auf einen Haupttext (S. 63 f.) bezieht, in dem augenscheinlich palästinensisch-jüdische Verhältnisse beschrieben werden, ist seine Aussage falsch. Der 54-wöchige (!) Zyklus stammt aus der babylonischen Diaspora und ist der im Judentum heute übliche Lesungszyklus. Im antiken und frühmittelalterlichen palästinensischen Judentum war ein dreijähriger Lesezyklus üblich, der die Tora in mehr als 150 Wochenabschnitte aufteilte.

[18] 

Teilweise drastische Unkenntnis dogmengeschichtlicher Begriffsbildung demonstriert Bertaus Darstellung christologischer Lehrstreitigkeiten in der alten Kirche auf S. 87 f. Unter Monophysitismus versteht man zum einen die Mia-Physis-Lehre des Eutyches (Vergottung des Körpers Christi, der wie ein menschlicher Körper aussah, aber keiner war), der von Bertau unter der entsprechenden Oberkategorie gar nicht erwähnt wird. Zum andern gehört die alexandrinische Lehre des Patriarchen Kyrill dazu, die die Gottheit und Menschheit Christi zu einer Einheit werden läßt, in der die menschliche Natur in der göttlichen untergeht. Die Einordnung Kyrills als Dyophysit durch Bertau ist unzutreffend. Die beiden Abschnitte mit der Darstellung der altkirchlichen Lehrstreitigkeiten müßten bei einer Neuauflage unter Hinzuziehung eines patristischen Fachmannes gründlich überarbeitet werden.

[19] 

Auf S. 175, Anmerkung 16 schreibt Bertau:

[20] 
Die Dogen hatten ihren Regierungssitz von Torcello und Malamocco zum Rialto verlegt. Dort wurde jetzt ihr Palast und daneben der Markusdom als byzantinische Kuppelkirche gleich 832 begonnen.
[21] 

Nach dem Kenntnisstand des Rezensenten bekam der Markusdom nachweislich erst bei seiner Erneuerung unter dem Dogat des Dogen Domenico Contarini ab der Mitte des 11. Jahrhunderts die Kuppeln verpaßt, und zwar nach dem Vorbild der gigantischen Kirche der Zwölf Apostel in der Nordwestecke des byzantinischen Konstantinopel. Wie die vorherigen Baulichkeiten von San Marco ausgesehen haben, liegt doch wohl im Dunklen.

[22] 

Auf S. 195 schreibt Bertau:

[23] 
So bezeichnet denn auch mit seiner einen Silbe das hebräische Wort für Macht das, was man zu fürchten, vor dem man sich in die Knie zu werfen hat. Die Silbe ist sowohl Negationspartikel als auch Name für den gemeinsemitischen Gott El.
[24] 

Dies ist nicht richtig. Das Wort ›El‹ steht für Gott, Macht und Stärke. Die Negationspartikel für den Prohibitiv lautet im Hebräischen ›Al‹. Beide Worte teilen miteinander denselben Konsonantenbestand, sind aber in der Vokalisation unterschiedlich und haben etymologisch nicht das Geringste miteinander zu tun!

[25] 

Auf derselben Seite vollbringt Bertau auch noch einen arabistischen Fehlschuß, wenn er schreibt:

[26] 
Das arabische Wort für ›sein‹, ›existieren‹ (kam, yakum, kawwan) heißt soviel wie colligere, ›ansammeln‹ [...].
[27] 

Die Verbalwurzel mit der Bedeutung ›sein / existieren‹ lautet nicht ›kam‹, sondern im Perfekt ›kana‹ und im Imperfekt entsprechend ›yakunu‹, beidemale mit n und nicht mit m geschrieben. Das von Bertau völlig sinnlos zitierte Faktitiv ›kawwan‹, richtig: ›kawwana‹, bedeutet ›zum Sein bringen / erschaffen‹. Die Verbalwurzel für ›ansammeln‹ lautet im Perfekt des Faktitivstamms ›kawwama‹, mit m und nicht mit n geschrieben. Bertau wirft hier zwei deutlich distinkte Verbalwurzeln der Verba mediae infirmae hoffnungslos durcheinander.

[28] 

Die Beschreibung des islamischen Staates auf S. 208 ff. durch Bertau ist in den Einzelheiten gar nicht so schlecht getroffen, bringt aber die Sache nicht auf den entscheidenden Punkt: Recht, Religion und Staat bilden im Islam ideologisch eine Einheit. Es gibt dort keine Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Macht. Die Unterscheidung von Sacerdos und Potens, des Vertreters der Heiligkeit und des Vertreters der Macht, die Bertau auf S. 208 zur theoretischen Grundlegung seiner Beschreibung des islamischen Regierungssystems macht, verkennt die weltanschauliche Basis des islamischen Staatsaufbaus fundamental.

[29] 

Auf S. 219 ist das von Bertau angegebene Schreibdatum des berühmten Aleppo-Codex von 916 auf ca. 925 zu korrigieren. 1

[30] 

Auf S. 250 schreibt Bertau:

[31] 
Unberührt von den politischen Wandlungen Andalusiens zeigen sich gegen 1020 geborene jüdische Gelehrte und Dichter, die um die Jahrhundertmitte und darüber hinaus wirken und meist Arabisch, aber auch Talmud-Hebräisch schreiben: Der jüdische Dichter und Philosoph Avicebron, der sternkundige Ibrahim az-Zarqali [...], und der oder die Verfasser des Talmud aus Kairuan (um 1050, Alfasi).
[32] 

Diese Darstellung ist korrekturbedürftig. Einen Talmud von Kairuan gibt es nicht, wohl aber eine Talmudexegetenschule von Kairuan, die in dem gewaltigen, großteilig hebräischen Talmudkommentar Chananel Ben Chuschiels von Kairuan (gegen 1050) gipfelte. Isaak Al-Fasi aus Marokko hat einen Aramäisch geschriebenen, kommentierten Auszug aus dem Babylonischen Talmud verfaßt, »Sefer ha-Halakhot« genannt, der in der mediterranen Judenheit kanonische Geltung erlangte, den er aber nicht in Kairuan erstellte.

[33] 

Auf S. 250f ist Bertau bei der Beschreibung des literarischen Werkes von Salomon Ibn Ga-birol (= Avicebron) ein arger Fehler unterlaufen. Er schreibt:

[34] 
Als Ibn Gabirols Hauptwerk gilt ein Lobpreis Gottes, Die Königskrone: [...].
[35] 

Nach einigen Bemerkungen zu diesem Werk fährt er fort:

[36] 
Zunächst einmal ist das Werk Ibn Gabirols nur in lateinischer Übersetzung des Johannes Hispanus erhalten und dort bereits auf eine Sprache mit Sein-Kopula hin umgeformt worden.
[37] 

Was Bertau hier ausführt, gilt nicht für die ›Königskrone‹, die ein liturgisches Gedicht in hebräischer Sprache darstellt und nie ins Lateinische übersetzt wurde! Diesen Eindruck bekommt man aber aus seinen Darlegungen. In lateinischer Übersetzung ist das philosophische Hauptwerk Ibn Gabirols überliefert, nämlich die »Fons vitae«, die auf einem arabisch geschriebenen Original beruht. Der entsprechende Satz müßte bei einer Neuauflage von Bertaus Werk entsprechend korrigiert werden:

[38] 
Das Hauptwerk Ibn Gabirols, die »Fons vitae« ist vollständig nur in lateinischer Übersetzung (des Johannes Hispanus?) erhalten [...].
[39] 

Auf S. 286 schreibt Bertau zum berühmten Bibelkommentator und Talmudausleger Raschi:

[40] 
Zwischen 1040/55 (?) in Troyes geboren, soll er dort zunächst Weinbauer gewesen sein und in Metz studiert haben. Seine Schule in Worms hatte mit ihrem Talmud-Studium eine bedeutende Ausstrahlung.
[41] 

Raschi wurde 1040 oder 1041 geboren und hat keine Schule in Worms begründet, sondern dort (und in Mainz) mehrere Jahre bei bedeutenden jüdischen Gesetzeslehrern nur studiert. Sein Lehrhaus war in Troyes, wo er nach seiner Rückkehr aus Deutschland im Alter von ca.30 Jahren zu unterrichten anfing, und wo er auch starb. Was Bertau nachfolgend als Raschis Todesort angibt, nämlich Worms, ist falsch. Völlig unrichtig ist auch das, was Bertau auf derselben Seite einige Zeilen später schreibt:

[42] 
Daß in Worms der große RaSCHI 1096 die Horden des Grafen Emicho von Leiningen überlebte, ist ein Wunder. Davon berichten lateinische wie hebräische Quellen.
[43] 

Raschi befand sich im Jahre 1096 schon lange wieder in Troyes und war in Worms zur Zeit der Ausschreitungen des 1. Kreuzzuges überhaupt nicht anwesend. Welche lateinischen oder hebräischen Quellen von Raschis Errettung zu Worms berichtet haben sollen, bleibt mir unerfindlich. Die auf S. 291, Anmerkung 7 von Bertau genannten hebräischen Quellen berichten darüber ganz gewiß nichts.

[44] 

Auf S. 289 äußert sich Bertau zu Jehuda ha-Levi wie folgt:

[45] 
Er wurde kurz vor der Ankunft der Almoraviden geboren und schrieb, wie in Spanien und im provenzalischen Raum üblich, sephardisches Talmud-Aramäisch, Hispano-Jüdisch. Welches die Bühne für seine weltliche Lyrik war, weiß ich nicht, für seine religiöse Poesie (Pijjutum) war es wohl der Betsaal.
[46] 

Dazu ist zu bemerken, daß Jehuda ha-Levi seine Dichtungen in biblisch-hebräischer Sprache schrieb, nicht aber in talmudisch-Aramäisch oder gar Judenspanisch. Die nachfolgenden, hier nicht referierten Ausführungen zum Sefer ha-Kuzairi sind korrekt.

[47] 

Einem Irrtum unterliegt Bertau auch in der Beschreibung des gesetzesgelehrten Werks des Moses Maimonides, zu dem er sich auf S. 342 wie folgt äußert:

[48] 
Schon mit 23 Jahren hatte er seine eigene Halacha zur Mischna des Talmud in 14 Bänden geschrieben. Da die Zahl 14 auf Hebräisch Jod-Dalet ist, was sich als Wort JaD aussprechen läßt, wird das ganze Werk so genannt.
[49] 

Bertau wirft hier den im Alter von 30 Jahren vollendeten, arabisch geschriebenen Kommentar des Maimonides zur Mischna mit dem hebräisch geschriebenen 14-bändigen riesigen Gesetzbuch »Mischneh Torah« durcheinander, einem deutlich späteren Werk des Maimonides. Die Mischneh Torah enthält eine systematische Darstellung des gesamten talmudischen und nachtalmudischen Rechts in übersichtlich klarer Form, wie es sie bis zu seiner Zeit noch nicht gegeben hatte. Bertau fährt dann fort:

[50] 
Auch er kannte Aristoteles und suchte in arabisch geschriebenen Werken den Philosophen und die offenbarte Religion miteinander zu verbinden, was in vielem Thomas von Aquin vorwegnehmen soll. Das Werk erregte Bewunderung und Mißtrauen, fand erst spät größte Anerkennung.
[51] 

Die Formulierungen sind einigermaßen unscharf und im Übergang von mehreren Werken zu einem einzigen Werk auch sprachlich mißglückt. Es geht in der Tat nur um ein einziges Werk des Maimonides, auf das die Schilderung Bertaus zutrifft, nämlich den in der Tat auf arabisch geschriebenen »Führer der Verwirrten«, das philosophische Hauptwerk dieses Autors

[52] 

Auf S. 564 schreibt Bertau:

[53] 
Trotz aller Talmudverbrennungen [...] lebt handschriftliches Talmudaramäisch bei dem jüdischen Humanisten Abravanel aus Portugal, der die Methoden christlicher Textauslegung in einem Bibelkommentar kritisierte. Er mußte und konnte schließlich nach Venedig flüchten und ist dort 1508 gestorben.
[54] 

Diese Präsentation von Isaak Abravanel ist stark korrekturbedürftig. Abravanel schrieb eine Fülle von Bibelkommentaren, und zwar in einem spezifisch spätmittelalterlichen, mit stark philosophischer Terminologie durchsetzten Hebräisch, nicht aber auf Aramäisch. Zum andern zeichnet sich Abravanel gerade dadurch aus, daß er in seinen exegetischen Werken christliche Autoritäten (Augustinus, Hieronymus und andere) auch lobend erwähnt und damit einen Bruch mit der bisherigen jüdischen Bibelauslegung vollzieht. Es verhält sich also genau umgekehrt zu den Angaben Bertaus!

[55] 

Auf S. 605 ist Bertau bei der Entzifferung der hebräischen Inschriften auf der Tafel von S. 604 ein Fehler unterlaufen. Statt »Gidwl ha-Habah« muß es richtig heißen: »Giddul ha-Ahabah«.

[56] 

Soweit die Randglossen des Rezensenten zu einigen Stellen, die ihm gleich beim ersten Blick als korrekturbedürftig erschienen. Seine Bemerkungen zu einem eher marginalen Thema Bertaus sind geeignet, den Blick auf das Gesamtwerk zu torsionieren, dessen Kompetenz sich augenscheinlich auf ganz anderen Gebieten manifestiert. Es müßte jetzt eigentlich auch noch ein Kenner der islamischen Literaturen das Opus auf eventuelle Irrtümer hin durchforsten und entsprechende Berichtigungen schreiben.

[57] 

Dem Anspruch des Titels seines Werkes, nämlich die Literaturen der drei monotheistischen Religionen des Mittelalters unter den im Buchtitel aufgeführten Leitbegriffen abzuhandeln, hat Bertau wegen der teilweise dramatisch fehlenden Sachkunde nicht erfüllen können. Was er sich an Namen und Werken herausgesucht hat, wirkt im Bereich des Judentums doch eher zufällig und unsystematisch eklektisch. Beim Judentum ist etwa die ganze kontroverstheologische Literatur mit dem Christentum weggefallen; und eine Darstellung der wichtigen jüdischen Bibelexegese mit ihren mittelalterlichen Brüchen würde Sprach- und Quellenkenntnisse erfordern, die durch keinen Lexikonartikel ersatzweise vermittelt werden können. Daß Bertau mit dem Versuch, auch Judentum und Islam in die Literaturgeschichte des Mittelalters zu integrieren, den richtigen Weg eingeschlagen und einem wichtigen allgemeinen Bedürfnis nachzukommen versucht hat, steht außer Frage. Ein Werk wie das hier vorliegende müßte aber wohl unter Mitwirkung von Spezialisten aus dem Bereich des mittelalterlichen Judentums und des Islams in den beiden genannten Bereichen gänzlich neu konzipiert werden, was den schon jetzt großen Umfang der vorliegenden Studie wohl unvermeidlich weiter vergrößern würde.



Anmerkungen

Vgl. Emanuel Tov: Der Text der Hebräischen Bibel. Stuttgart u.a. 1997, S. 36 f.   zurück