IASLonline

Faszination zweier Schlüsselkonzepte der Frühen Neuzeit

  • R. J. W. Evans / Alexander Marr (Hg.): Curiosity and Wonder from the Renaissance to the Enlightenment. Aldershot: Ashgate 2006. 265 S. 46 s/w Abb. Hardcover. GBP 55,00.
    ISBN: 0754641023.
[1] 

Mit ihrer viel beachteten Studie Wonders and the Order of Nature 1 haben Lorraine Daston und Katherine Park 1998 belegt, dass man Wissens- und Wissenschaftsgeschichte auch über den Blick auf das Außergewöhnliche einflussreich schreiben kann. Seitdem ist das Wunderbare als Forschungsgegenstand in verschiedenen Disziplinen wieder im Aufwind. Im gleichen Jahr erschien Neil Kennys Monographie Curiosity in Early Modern Europe 2 , die mit der Neugier ein zweite, der Fähigkeit sich zu wundern eng verwandte Leidenschaft in ihrer schillernden Bedeutungs- und Bewertungsgeschichte rekonstruierte. Wunder und Neugier sind für die Herausgeber des vorliegenden Bandes, Richard Evans und Alexander Marr, bereits zu Schlüsselkonzepten (»basic concepts«, Preface) der Frühen Neuzeit geworden.

[2] 

Geschichte(n) von Wunder und Neugier

[3] 

Wunder und Neugier tragen – das haben neuere Forschungen gezeigt – keinen überzeitlichen, fixen Bedeutungskern und lassen sich ebenso wenig schlüssig in den Mantel eines linear und bruchlos verlaufenden ›Meisternarrativs‹ zwängen, wie dies noch Hans Blumenbergs klassischer Prozess der theoretischen Neugier 3 getan hat. Als ›Konzepte‹ verstanden, sind sie vielmehr historisch instabil und inkonsistent. »(T)o provide a number of local narratives rather than a single, unified grand narrative« (S. 8) ist, wie Alexander Marr in der Einleitung erklärt, eines der Hauptanliegen des Bandes. Gleichwohl sind die übergreifenden Qualitäten der Phänomene als heuristische Instrumente für die Herausgeber unbestritten: Treffend betont Marr, dass Neugier und Wunder »vantage points« seien, »from which to view the intersections and divergences of a host of currents, motifs and sensibilities in early modern cultural and intellectual life« (S. 4). Die immer wieder betonte Diversität und Widersprüchlichkeit in den historischen Verstehensweisen und Manifestationen beider Phänomene reflektiert sich, so Marr, in der Vielzahl der Aufsatzthemen im vorliegenden Sammelband. Die Beiträge des chronologisch weit perspektivierten Bandes seien dadurch zusammengehalten, dass sie Fallstudien zu vertrauten Topoi der Diskurse von Wunder und Neugier darstellten (»a number of familiar topoi from the canon of curiosity and wonder«, S. 6) – so unter anderem für das Reisen, das Sammeln, die Naturphilosophie. Die pointiert geschriebene Einleitung Alexander Marrs ist vielleicht der größte Gewinn dieses Unterfangens, erstmals eine Synthese des aktuellen Forschungsstands zu beiden Themen zu repräsentieren. Auf knappem Raum bietet Marr einen konzentierten »guide« (S. 4) durch die angewachsene Literatur, der hauptsächliche Fragen, Probleme und unterschiedliche Ansätze bündelt und auf mögliche zukünftige Wege hin prospektiv ausrichtet.

[4] 

Gefährliche Neugier: Innerweltliche Räume

[5] 

Der einführende Beitrag von Wes Williams (»›Out of the frying pan…‹: Curiosity, danger and the poetics of witness in the Renaissance traveller’s tale«) greift mit der Skizze der Neugier im Kontext frühneuzeitlicher Reiseberichts-Narrative eines der prominenteren Felder der Forschung auf. Williams streicht mit der »congruence of curiosity with danger« (S. 24) ein topisches Motiv des Genres hervor – im Sinne der Pilgerreise eine zweifache Bedrohung: eine konkret physische durch die in der Fremde zu durchstehenden Gefahren sowie eine spirituelle, indem sich der neugierige Reisende Erfahrungen jenseits religiöser Andächtigkeit öffnete. Jedoch wurde, wie Williams zeigt, die Reise zunehmend zum Selbstzweck, das konkrete Er-fahren ›säkularer Räume‹ setzte sich durch; auch bei zwei der einflussreichsten Reisenden der Frühen Neuzeit, bei Jean de Léry und André Thevet, denen sich Williams im zweiten Abschnitt widmet, stand die eigene Neugier als Motor und neuer Modi der Welterschließung mit im Vordergrund, während noch im 17. Jahrhundert Leitfäden für Pilgerreisende vor »eitler und bösartiger Neugier« warnten (»vain and vicious curiosity«, S. 29). Anschaulich entwickelt Williams an die Neugier gekoppelte Aspekte der Narrative von Thevet und Léry; so etwa den, dass die Augenzeugenschaft ihrer Berichte aus fremden Welten erst durch überstandene, als existentiell hingenommene Gefahrensituationen beglaubigt wurde, die bei anderen als Ergebnisse einer »excessive curiosity« (S. 33) gefürchtet worden wären. Auf diese Weide würde etwa der Text von Thevet als ein »cabinet of singular wonder« (S. 34) lesbar.

[6] 

Neugier in materiellen und
metaphorischen Sammlungen

[7] 

Einen aktualisierten Ausschnitt aus seinen innovativen jüngeren Beiträgen zur Geschichte der Neugier bietet Neil Kennys Essay »The metaphorical collecting of curiosites in early modern France and Germany«. Die Originalität und heuristische Griffigkeit von Kennys Ansatz liegt in seinem linguistisch-pragmatischen Zugriff: Kenny geht von der rein lexikalischen Ebene (»the ordinary language«, S. 52) aus und entschlüsselt durch die exakte Analyse des Wortgebrauchs in seinen europäischen Varianten (»Curiosity«, »Curiosität«, »Curiosité« etc.) die historischen Dimensionen des Neugier-Begriffs auf nahezu anatomische Weise. Er identifiziert zwei semantische Hauptlinien: zum einen die tendenziell positive Konnotation der Neugier in diversen säkularen Diskursen des 17. Jahrhunderts (in Akademien, bei Reisenden, Sammlern, in Netzwerken), zum anderen der überzeugend wie dicht argumentierend entwickelte Befund, dass die Zeit materielle Objekte als »Curiositäten« oder »curiosities« nicht nur in den Wunderkammern anhäufte. Vielmehr habe sich die Metapher des Sammelns auch auf textuell-metaphorische Sammlungen von Kuriositäten (»discursive collections«, S. 44) ausgedehnt und auf diese Weise entscheidend zur Strukturierung des Wissens beispielsweise in wissenschaftlichen Journalen beigetragen.

[8] 

Zu den materiellen Wunderkammern kehrt der Beitrag von Adriana Turpin zurück (»The New World collections of Duke Cosimo and their role in the creation of a Kunst- und Wunderkammer in the Palazzo Vecchio«). Turpin geht es vor allem um die Korrektur des Paradigmas der Kunstkammern als vor allem nordalpines Phänomen. Am Beispiel von Artefakten aus der Neuen Welt, die seit dem 16. Jahrhundert in die Sammlungen der Medici-Fürsten einflossen, rekonstruiert Turpin quellennah (vor allem über Inventare) Aspekte der Sammlungsgeschichte, ihrer Organisation und Ordnungskriterien. In einem zweiten Schritt zieht Turpin einen exemplarischen Vergleich mit der Kunstkammer Albrechts V. in München. Einen grundlegenden Unterschied streicht die Autorin deutlich heraus: Während in München die zeittypische Tendenz enzyklopädischer Sammlungsprogrammatik überwogen habe, hätten die Medici eher an ihre eigene, bereits im 15. Jahrhundert fußende Sammlungstradition im Raumtypus des studiolo angeknüpft. Ein wenig zu kurz kommt bei Turpin die Frage nach den spezifischen Sammlungsintentionen.

[9] 

Von unsinniger Neugier
zur wunderbaren Gottesweisheit

[10] 

Dass die manisch-exzessiven Blüten der Neugier im späten 17. Jahrhundert nicht ohne Kritik blieben und zumindest in England ein eigenes Genre hervorbrachten, entwickelt Claire Preston am Ausschnitt literarischer Parodien auf die mit dem Sammeln befassten virtuoso und curiosi (»The jocund cabinet and the melancholy museum in seventeenth-century literature«). An zentralen Texten wie Thomas Shadwell’s The Virtuoso (1676) zeigt Preston die vielfältigen Angriffe, die sich gegen die »whole range of disciplines and practices connected with curiosity« (S. 88) richtete. Wiederkehrender Gegenstand satirischer Kritik auch der naturphilosophischen Praxis war etwa die Sammlung haarsträubender, fragmentierter Zwecklosigkeiten und deren absurde Wertschätzungen durch einen chaotischen, ungezähmten Sammler. Gegenüber den Akzenten der bisherigen Forschung zeigt Preston schlüssig, dass die Parodien jedoch auch ernsthaftere Anliegen transportierten: So sah man den virtuoso oder curioso unter anderem durch richtungsloses, besessenes Experimentieren in die soziale Isolation abdriften.

[11] 

Peter Forshaw verortet mit Heinrich Khunrath einen der »most remarkable« (S. 108) Theosophen und Alchimisten des späten 16. Jahrhunderts innerhalb der zwei Hauptdiskurse des Sammelbandes (»Curious knowledge and wonder-working wisdom in the occult works of Heinrich Khunrath«). Obwohl sich Khunrath in seinem okkulten Oeuvre an keiner Stelle der näher zur Neugier auslässt, hätten spätere Autoren, so Forshaw, seine Werke zweifellos zur Kategorie des »curious knowledge« zählen müssen. Besonders aus der Skizze von Khunraths theosophischem Selbstverständnis heraus entwickelt Forshaw eine faszinierende Facette der Wunderkultur: So sei Khunrath zufolge der Mensch nicht zum passiven, sondern zum aktiven Bewundern von Gottes Werken aufgerufen. Den methodischen Führer zu diesem Ziel entwarf Khunrath, wie Forshaw eingehend darlegt, vor allem über seine christliche Lesart der Kaballa in seinem als Sammlung angelegten alchimistischen Frühwerk Amphitheatrum Sapientiae Aeternae (1595). Hier sollte der Leser vom passiven Zuschauer des Amphitheatrums zu dessen Akteur werden – etwa durch die Kontemplation wundervoller Bilder. Wenn am Ende dieser alchimistischen Ambitionen das Ziel stand »no less than to emulate God’s power of creation« (S. 126), dann vor allem, so Forshaw, um über die Potenz des eigenen »wonder-working wisdom« den christlichen Glauben noch zu stärken.

[12] 

Wie sehr religiöser Enthusiasmus – besonders jener des radikalen Protestantismus – und eine partiell von magischen und okkultistischen Färbungen geprägte Neugier ineinander griffen, thematisiert Stephen Clucas (»Enthusiasm and ›damnable curiosity‹: Meric Casaubon and John Dee«). Clucas zieht über eine Analyse der Vorrede des englischen Gelehrten Casaubons zur der von ihm herausgegebenen Edition der spirituellen Tagebücher des Mystikers John Dee Parallelen zu anderen Schriften Casaubons. Vor allem gegen drei zeitgenössische Tendenzen habe sich Casaubon mit der Publikation der Tagebücher von Dee richten wollen: erstens gegen die religiöse Enthusiasten und Widertäufer, deren Lehren Casaubon als Missverständnisse im Zuge ›privater Offenbarung‹ (»private revelations«, S. 132) oder als »damnable curiosity« diskreditiert. Zweitens Casaubon nutzt Dees Werk, um sich gegen Atheismus und drittens gegen eine Neugier zu wenden, die sich okkulter Philosophie und Magie zuwendet. Deutlich wird, dass nach Casaubon gerade der religiöse Enthusiasmus eine Gefahr für eine leichtgläubige Öffentlichkeit darstellte, deren irriger Wunder- und Prodigienglauben insgesamt destabilisierende Effekte hervorbrächte.

[13] 

Mechanische und physiologische Neugier:
Der Blick ins Innere

[14] 

Alexander Marr verdeutlicht die zunehmend positiven Konnotationen der Neugier und des Wunderbaren im 17. Jahrhundert am Beispiel des Automaten-Diskurses der Zeit (»Gentile curiosité. Wonder-working and the culture of automata in the late Renaissance«). Koppelte sich an die die Grenzen von Natur und Kunst durch die Suggestion künstlichen Lebens überschreitenden mechanischen Kunstwerke im Mittelalter noch die überkommene Assoziation der Neugier als verbotenes Wissen, symbolisierte die »culture of automata« des 17. Jahrhunderts zumindest in der Auseinandersetzung der Gelehrten mehr und mehr eine »noble curiosity (gentille curiosité)« (S. 151). Doch auch hier zeigt sich kein eindimensional-linearer Umbruch: Für einige Kommentatoren verkörperte die erschöpfende, perfekte Detailarbeit an luxuriösen Automaten und der daraus resultierende Stolz des Handwerkers die in den Jahrhunderten vorher gegeißelte, alte Form der negativ interpretierten Neugier. Entscheidend für die »transformation of self-moving machines from vice to virtue« (S. 169) ist nach Marr jedoch die dramatische Aufwertung der mechanischen Künste im 17. Jahrhundert. An zentralen Texten rekonstruiert er auf klare Weise die Hauptlinien der Debatte. In ihr sei etwa der von Daston/Park akzentuierte Gegensatz von Neugier und Nützlichkeit durchbrochen worden: Indem etliche Apologeten der frühneuzeitlichen Mechanik im Kontext der Automaten-Konstruktion ausdrücklich eine Rhetorik der Nützlichkeit (des künstlichen Wunders) bemüht hätten.

[15] 

Dass die sich von Frageverboten emanzipierende Neugier nicht nur ein erweitertes Wissen über die äußerliche Welt beförderte, sondern auch jenes über die ›innere Welt‹ des menschlichen Körpers, verdeutlicht Deborah Harkness in der beeindruckenden Fallstudie der »therapeutic culture« im England des späten 16. und frühen 17. Jahrhundert (»Nosce teipsum. Curiosity, the humoural body and the culture of therapeutics in the late sixteenth and early seventeenth-century England«). Ausgangspunkt von Harkness ist ein bemerkenswerter Befund: Anders als in Kontinentaleuropa habe in England das Theatrum Anatomicum als der hervorgehobene öffentliche Ort, an dem der Zusammenhang von Körper und Neugier durch das Spektakel der Leichensektion paradigmatisch erprobt wurde (»culture of dissection«, S. 177), nicht Fuß fassen können. In einer »culture of therapeutics« habe sich zumindest innerhalb literater Eliten das Gegenteil etabliert – statt zumindest nominell ›objektiver‹ Augenzeugenschaft in der Öffnung eines fremden Körpers vollzog sich ein von Ärzten auch explizit eingefordertes, höchst subjektives Studium – »close reading« (S. 177) – des eigenen Körpers. Im Mittelpunkt stand die Humoralpathologie oder Viersäftelehre vor der revolutionären Entdeckung des Blutkreislaufs durch Harvey in den 1620er Jahren. Quellennah, etwa entlang der Aufzeichnungen Francis Bacons, rekonstruiert Harkness ein ganzes Spektrum frühneuzeitlicher medizinischer Selbsttherapie, über die der eigene Körper zum »ideal object for the curious mind« (S. 178) wurde.

[16] 

Die Spätzeit: Wunder der Experimentalkultur
und der Mensch als größte Kuriosität

[17] 

Die beiden letzten Beiträge schlagen den Bogen ins Aufklärungsjahrhundert. Seinen Beitrag »Back from wonderland: Jean Antoine Nollet’s Italian tour (1749)« will Paola Bertucci als Ausnahme zu der von Daston/Part formulierten Annahme über den Status des Wunderbaren in der Elitenkultur des 18. Jahrhunderts verstanden wissen, derzufolge »Leading Enlightenment intellecutals did not so much debunk marvels als ignore them« (S. 195). Jean Antoin Nollet, Star der experimentellen Physik seiner Zeit, sei gerade mit dem programmatischen Vorsatz in die »open-air Wunderkammer« (S. 195) Italien aufgebrochen, zahllose vermeintliche natürliche Wunder mit den neuesten experimentellen Methoden öffentlich zu entlarven und auf diese Weise in die gewöhnliche Ordnung der Natur zu reintegrieren. Entlang der ›wunderbaren‹ Karriere Nollets und seines Geschicks als brillanter Netzwerker und Wissenschaftsunternehmer zeigt Bertucci jedoch eindrücklich, dass Wunder und Neugier signifikante Faktoren blieben: Zum einen galt Nollet den höheren Kreisen, denen er sich europaweit empfahl, selbst als eine »curiosity not to be missed« (S. 204). Zum anderen war er involviert in eine junge Wissenschaft des 18. Jahrhunderts, die ihrerseits für viele Begeisterte wunderbare Züge trug: die Elektrizität.

[18] 

Auch der schließende, gleichzeitig als Epilog zum Gesamtthema gedachte Aufsatz von George Rousseau (»Curiosity and the lusus naturae: The case of ›Proteus‹ Hill«) widmet sich der Verzweigung des Wunderbaren und der Neugier am Beispiel einer einzelnen Biographie des späten 18. Jahrhunderts. Vor allem in einer Hinsicht nimmt Rousseau die vom vorangehenden Beitrag Bertuccis eröffnete Perspektive auf: Die schillernde Figur John Hills (1716–1775), derer sich Rousseau in einer »miniature« (S. 218) annimmt, sieht dieser als exemplarisch dafür, dass »during the Enlightenment curiosity could attach to persons as well as objects and things« (S. 214). Spätestens zu diesem Zeitpunkt im Transformationsprozess der Neugier sei das Ich der menschlichen Psyche ebenso der Erklärung und Faszination für wert befunden worden wie vordem primär all die naturalia und artificialia. John Hill, gleichermaßen unermüdlicher, wie vielseitiger und narzisstischer Autor, erschien seinen Zeitgenossen selbst als lusus naturae, als natürliches wie unerklärliches Wunder. In seinem kenntnisreichen Portrait entwirft Rousseau Hill in allen Facetten als einen exzessiven Outsider, dem an Produktivität und marktschreierischer Selbstanpreisung kaum jemand aus der Gelehrtenrepublik das Wasser reichen konnte. In Kritik und Satire richtete sich eine öffentliche Neugier auf den als ›Proteus‹ stilisierten Hill.

[19] 

Maßgeblicher Neuzugang der Diskussion

[20] 

En gros stellt der vorliegende Sammelband einen unentbehrlichen, interdisziplinären Neuzugang zur Diskussion dar. Kenntnis- und facettenreiche Einzelstudien führen in den aktuellsten Forschungsstand zur Rolle der Neugier und des Wunders nicht nur in bekannteren Terrains wie dem Reise- oder dem Sammlungsdiskurs ein. Vielmehr wird die Rolle beider Phänomene auch in bislang weniger erschlossenen Kontexten wie der Theosophie oder der »culture of therapeutics« erörtert. Die Heterogenität der Beiträge fängt die Vielschichtigkeit und Verknüpfung beider Themen vorbildlich ein und zeigt, dass das heuristische Potential der ›Konzepte‹ von Wunder und Neugier noch lange nicht ausgereizt ist; vielmehr bleiben beide für kultur- und wissensgeschichtliche Prozesse wichtige Interpretamente. Die Beiträge wirken über ihre lose chronologische Reihung hinaus zwar etwas willkürlich gewählt und unverbunden; angesichts der Bedeutungsvielfalt von Wunder und Neugier wäre ein kohärentes, geschlossenes Gesamtkonzept allerdings, wie die Einleitung auch betont, ohnehin anachronistisch gewesen. Allenfalls eine stärkere terminologische Schärfe, wie sie Kenny in seinem Beitrag demonstriert, wäre für manchen der Aufsätze wünschenswert gewesen; ebenso die Berücksichtigung eines Desiderats, das Marr selbst benennt: das Überlappen on Eliten- und Laienkultur in der neugierigen Faszination für alles Wunderbare. Keiner der Beiträge wendet sich populären Diskursen zu.

 
 

Anmerkungen

Lorraine Daston / Katharine Park: Wonders and the Order of Nature 1150–1750. New York: Zone Books 1998.   zurück
Neil Kenny: Curiosity in Early Modern Europe. Word histories. Wiesbaden: Harrassowitz 1998.   zurück
Hans Blumenberg: Der Prozess der theoretischen Neugierde. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1973.   zurück