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Lebendige Masken

Ole Frahm zur Genealogie des Holocaust
in Spiegelmans MAUS

  • Ole Frahm: Genealogie des Holocaust. Art Spiegelmans MAUS - A Survivor's Tale. München: Wilhelm Fink 2006. 301 S. Broschiert. EUR (D) 34,90.
    ISBN: 978-3-7705-4145-4.
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Art Spiegelmans MAUS gehört sicher zu den Graphic Novels mit dem höchsten Wiedererkennungswert. Die Erzählung von Vladek Spiegelmans Überleben in Auschwitz und seinem Zeugnis gegenüber seinem Sohn Art fordert nicht nur durch die formale Gestaltung als Comic mit tierköpfigen Protagonisten zu anspruchsvollen Auseinandersetzungen heraus. Ole Frahms Dissertation untersucht Spiegelmans Umgang mit Historiographie, Erinnerung und der Darstellung von individueller Identität in der Spannung zum rassistischen Diskurs des Nationalsozialismus als eine spezifische Art der Genealogie: Als Umgang mit Identität, mit Geschichte und mit Erinnerung. Dies geschieht stets unter genauer und kenntnisreicher Analyse der Comicform, aber ohne aus der Untersuchung einen bloßen Beitrag zur Comicforschung zu machen. Zahlreichen anderen Publikationen über MAUS hat seine Arbeit damit die doppelte Kompetenz voraus, mit der er die Besonderheiten der Form weder zugunsten einer Auseinandersetzung mit dem Inhalt ignoriert, noch über dem innovativen Einsatz von Comicmitteln die gesamte Komplexität von MAUS aus den Augen verliert.

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Tierköpfe als lebendige Masken

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Die anthropomorphisierten Mäuse stellen MAUS in zwei Verweisungszusammenhänge: Einerseits schließen sie an bekannte Verfahren der Bildung von Comicfiguren an und weisen insbesondere eine Verwandtschaft mit Disneys Mickey Mouse auf, andererseits stehen sie im ambivalenten Bezug zur realen Tiergattung und zur nationalsozialistischen Metapher, die in der Maus den beschimpften Juden referenziert. Frahm konzentriert sich gezielt auf letztere Ambivalenz, der auf der Seite der impliziten Rezeption eine dazu querliegende Doppelung zwischen dem Blick der Judenverfolger und dem Blick der Fragen stellenden jüngeren Generation begegnet, vom zeichnenden ›Artie‹ auf der Handlungsebene bis zum Betrachter des Comics.

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Frahm entwickelt nun einen differenzierten Begriff der lebendigen Maske, um der vieldeutigen Verwendung der Tiercartoons in MAUS beizukommen. Er stellt dazu eine Serie von theoretischen Abgleichen an, die mit einem Blick auf Tierfabeln beginnen: Gegenüber dem allzu uneinheitlichen Begriff der Fabel als solcher verspricht die Suche nach ihrem spezifischen Objektbezug mehr Erfolg. Dem folgt der Blick auf die Rasse, die von den Nationalsozialisten als Genotyp – als ›Blut‹ – phantasmatisch definiert wurde, während sie in MAUS gerade phänotypisch behandelt wird. Damit droht MAUS zunächst »den Rassismus des Nationalsozialismus [zu] bestätigen.« (S. 30) Besonders eindeutige Stellen für diese Lesart sieht Frahm jedoch als »Einzelfall« (ebd.), demgegenüber andere Stellen explizit nach der authentischen, individuellen Identität hinter den Masken fragen: In Szenen, in denen die Tierköpfe wie Masken mit Schnüren befestigt scheinen, wird aus dieser Identität ein problematisches ›Zwischen‹ erster und zweiter Maske. Da die Maskiertheit in MAUS allgemein ist, erscheine sie schließlich in einer dritten Gruppe wieder anderer Stellen als »unzulässige Aufspaltung des Menschen« (S. 30) und verweise damit umgekehrt auf einen »universale[n] Humanismus« (S. 34).

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Diesen drei Deutungen folgend weist Frahm letztlich nach, dass die Tierköpfe als »Metaphern und nicht als Metaphern« fungieren (S. 37), was hier keine vage Ausflucht ist, sondern in eine scharfe Bestimmung mündet: Als Metaphern erscheinen die Tierköpfe, insofern sie das Individuum rassistisch entfremden. Diese Interpretation wird sich vor allem auf jene vielfach bemerkenswerte Sequenz im zweiten Band berufen, in der Art Spiegelman als der Autor von MAUS zeichnend, in Interviews und beim Therapeuten gezeigt wird. Frahm weist hier nicht auf die zweite Metapher hin, die gerade diese Sequenz ordnet, indem sich der Mausmensch Art mitsamt seiner Tiermaske in Interviews in ein hilfloses Kind verwandelt und erst im Verlauf der Therapiesitzung wieder langsam zum Erwachsenen wird. 1 Gerade diese zweite, vergleichsweise einfache Metapher könnte Frahms These zusätzlich stützen, wonach es sich im Gegensatz dazu bei dem Mauskopf noch um etwas anderes als eine reine diskursive Metapher handeln müsse! Denn nicht als Metaphern sind die Masken zu lesen, weil sie nie ganz abgelegt werden können – und weil die angeführten drei Gruppen divergierender Stellen unvereinbar bleiben. Dem entspricht »die konstitutive Unentscheidbarkeit des Nebeneinanders, die durch die Masken selbst entsteht.« (S. 41)

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Eine solche Maske, so Frahm, gehört genuin gerade ins 20. Jahrhundert: Als moderne Maske, die nach Bachtin anders als die grotesken Masken des mittelalterlichen Karnevals nicht auf Individualität verzichtet, aber eher den »tauben Flächen der Körper dient« (S. 45). Und als heutige Maske, nach Caillois als das »bloße Gesicht« (ebd.), dem jene Freiheiten hinter der Maske nicht zu Gebote stehen, die zu den primitiven Masken des Rausches gehören. Gegenüber der Taub- und Bloßheit bringt Frahm schließlich Adornos Maske des Tonfilms ins Spiel, die als Erstarrtes, Totes eine Lebendigkeit erwirbt, indem sie die Zuschauer zur Assimilation unterwirft. Nicht aufgelöst, aber zusammengefasst wird diese dreifache Bestimmung der Identität im 20. Jahrhundert unter Rückgriff auf Nietzsches Bewußtsein vom Scheine als durchaus existentialistische lebendige Maske, für die das »Lebende kein weiteres X hinter den Masken, sondern [...] die Masken selber [ist]: als Schein und dessen Prädikate – als Werden. [...] Das Sein ist damit nicht verloren, es darf nicht als Mangel begriffen werden, sondern als Effekt.« (S. 51) Dieser genau strukturierte Begriff wird nun für Frahm Ausgangspunkt der weiteren Analysen.

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Gegenüber der sonst mehrfachen theoretischen Rezeption und Absicherung kann es hier überraschen, dass Frahm seine neue Konzeption der lebendigen Masken nicht mehr in den Kontext der Comicforschung stellt. Insbesondere findet kein Abgleich mit Scott McClouds einflussreicher Definition des ›Cartoons‹ als zentralen Comiczeichens statt, 2 das sich gerade durch eine besonders ästhetisierende Körper- und Gesichtsdarstellung auszeichnet: Individuelle Unterschiede werden beim Cartoon nivelliert und von der Gesichtsgestalt auf Accessoires wie Hüte, Brillen und Hemdskragen verlagert, Gesichter werden vereinfacht und karikierend überzeichnet: Dies alles sind auch Erkennungsmerkmale der lebendigen Masken bei Frahm. Diese Zurückhaltung entspricht zwar Frahms Entscheidung, in seiner Untersuchung den mehrdeutigen Realitätsbezug über den Gattungsbezug zu anderen Comics und Comicfiguren zu stellen. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Frahms an kritischer Theorie und Diskursanalyse orientierter Konzeption und der anthropologischen Beschreibung bestimmter Zeichentypen und ebenso die Frage nach der Stelle der MAUS-Ästhetik im Kontext übergreifender Comic-Ästhetik bleiben damit jedoch offen. Anders geht Frahm später mit der Struktur der Makropanels, mit dem Rinnstein zwischen den Panels und mit der weißen Folie unter und hinter den Panels um, deren Rolle als Gestaltungselement in Comics er ausführlicher bespricht. – Gerade weil die lebendigen Masken einen spannenden und anschlussfähigen Entwurf darstellen, wäre hier von einer Fortsetzung der Untersuchung noch einiger Gewinn zu erhoffen.

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Individuen mit Masken

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Frahm zeichnet nun die verschiedenen konstitutiven Aspekte der lebendigen Masken in einer Serie von genauen Analysen einzelner Sequenzen in MAUS nach. Dabei ist jede dieser kleinen Lektüren mit der Aufnahme einer weiteren etablierten theoretischen Perspektive verbunden, die jeweils zielsicher auf den Rahmen der Untersuchung beschränkt und geschickt fruchtbar gemacht wird.

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So sind die lebendigen Masken unter anderem in Verfolgungsszenen einer ideologischen ›Anrufung‹ – im Sinne Althussers – ausgesetzt, jedoch deren konventioneller Kraft nicht völlig unterworfen: Gerade dadurch decken sie die besondere Setzung der rassistischen Konvention durch den Nationalsozialismus auf. Sie sind von der Selbst- und Fremdkonstitution der Individuen durch Sprechakte abhängig und gehen diesen – nach Butler – als körperlich präfiguriertes Vorher nur scheinbar voraus. Schwerer wiegt – mit Foucault – die Macht einer autorisierten Sprecherrolle, besonders die der Nationalsozialisten in Konkurrenz zum Individuum, das Selbstbestimmung anstrebt.

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Das historisch wandelbare Dispositiv der lebendigen Masken korrespondiert zwei komplementären graphischen Grundlagen. So unterscheiden sich Juden durch die Kontur der Mäuse von polnischen Schweinen und amerikanischen Hunden, während ein Schwarzamerikaner durch die schwarze Füllung der Hundemaske zwar als Amerikaner bestimmt wird, aber aus den national verschieden konturierten Identitäten der weißen westlichen Tradition ausgeschlossen ist.

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Schließlich kann Frahm nachweisen, wie das Dispositiv der lebendigen Maske über das Moment der Maskierung schlechthin bereits mit rassistischen Denkmustern korrespondiert, die immer wieder eine rassische Essenz hinter Masken, etwa eine jüdische Natur hinter vorgetäuschten Identitäten durch Taufe, Nationalismus usw. zu entlarven vorgeben. Damit ist ein naiver Abschied von Masken als Rückkehr zum essentiell allgemein Menschlichen ausgeschlossen: Die »Befreiung der Menschen von der Herrschaft der Tiermasken« (S. 89) würde so nur deren Projektion wiederholen. Wie eine »Gesellschaft aussähe, in der sich keine Gruppe im Namen der Menschheit zum Menschen erhebt, um andere als Tiere auszuschließen, und ob eine solche Gesellschaft möglich ist [...], das sind Fragen, die MAUS mit seinen lebendigen Masken den Leserinnen und Lesern stellt und sie zu einer politischen Positionierung auffordert.« (S. 90)

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Mit dem Lektüre- und Analyseinstrument, das der Begriff der lebendigen Maske hergibt, wendet sich Frahm nun den beiden weiteren Determinanten der Genealogie zu, die MAUS über den Holocaust schreibt: Zunächst der Genealogie als und durch Geschichte, dann der Genealogie im Prozess der Erinnerung.

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Geschichte jenseits der Masken

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Als Geschichtsschreibung wird MAUS unter fünffacher Perspektive beleuchtet: Als Autobiographie Art Spiegelmans; in Relation zu dem Zeugnis, das Vladek vom Holocaust und seinem Überleben ablegt; unter Berücksichtigung der Einarbeitung von historischen Dokumenten; als selbständige Historiographie des Holocaust; und in jeder dieser Darstellungsweisen darüber hinaus als Comic.

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Als Autobiographie Art Spiegelmans steht das Buch in einer Spannung zwischen dem klassischen autobiographischem Pakt und der Präsenz der lebendigen Maske. Frahm geht in einer genauen Analyse und klaren Argumentation all den verstreuten Signifikanten nach, durch die Art Spiegelman im Text auf verschiedene Art und Weise und nie ganz referenziert wird. Dazu gehören unter anderem die Spannungen im Text rings um den in ihn aufgenommenen früheren Comic Spiegelmans Prisoner on the Hell-Planet, der seine Reaktion auf den Selbstmord seiner Mutter zeichnet, sowie die intertextuellen Spannungen zur früheren kürzeren Veröffentlichung Maus, die die Gemachtheit der einzelnen Erinnerungsszenen nicht nur ausstellen, sondern geradezu zelebrieren. Das Nebeneinander dieser verschiedenen Signifikanten lässt keine klare Referenz ins Außerhalb des Textes und keine einfache Sinnbildung zu. Das Paradox sieht Frahm als eine Absage an eine einheitliche autobiographische Identität, die vielmehr verschiedenen ›Heimsuchungen durch Tote‹ ausgesetzt ist: Nicht allein durch die Toten von Auschwitz, sondern auch durch Arts verstorbenen Bruder Richieu. Die Pluralität der Autorinstanzen trifft sich so mit der Pluralität ihrer (toten) ersten Adressaten.

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Gerade nicht als Autobiographie Vladeks, sondern als dessen Zeugnis konkurriert der Text von MAUS mit den Tonbandaufzeichnungen von Arts Gesprächen mit Vladek. Frahm warnt davor, die Aufzeichnungen als Original oder als Vorlage für Art Spiegelmans Arbeit anzusehen. Arts zweite Zeugenschaft als erster Zuhörer Vladeks lässt sich in ihrer Inszenierung um so genauer vor der Folie der Transkriptionen der Interviews nachzeichnen, die inzwischen auf CD-ROM vorliegen und die Frahm heranzieht und umfangreich zitiert. Zentrales Ergebnis ist das Gewicht der stillschweigenden historischen Korrekturen an Vladeks Erzählungen, durch die das von ihm Erinnerte nicht als das alleinige Zentrum des Comics gelten kann. Indessen wird die Struktur des Comics vielfach von den Brüchen und Wiederholungen in Vladeks Rede bestimmt: »Das Zeugnis ist weniger als ein Original, weil MAUS nicht einfach daraus hervorgeht, und es ist mehr als eine Vorlage, weil es die Darstellung in MAUS strukturiert.« (S. 138)

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Damit rücken die Dokumente ebenso ins Blickfeld wie die Geschichte, die beide als Korrektive von Vladeks Zeugnis wirksam werden. Wenn die Dokumente in Foucaults Sinn durch ihre Aufnahme und Umarbeitung in MAUS in Monumente transformiert werden, so ist das Verhältnis zwischen Comic und Geschichte noch komplizierter. Die Geschichte des Holocaust erscheint immer wieder unter- und in den Lebensgeschichten der Protagonisten abgebrochen. Insbesondere ist sie keine Entwicklung, was sich in der entwicklungslosen Erzählung von ihrer Erzählung in der Gegenwart zwischen Art und Vladek spiegelt und fortsetzt. Damit kommt der Gleichzeitigkeit der Panelfolge auf der Comicseite besondere Bedeutung zu: Anstelle von Prozessen dominieren Variationen.

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Alle diese diskursiven Elemente werden in MAUS als Comic umgesetzt. Was das heißt, will Frahm schließlich in einer Analyse untersuchen, die nichts weniger verspricht, als jene »Besonderheit von MAUS als graphic novel« zu behandeln, die »in Rezensionen und Artikeln oft bemerkt, aber nie analysiert« wurde (S. 196). Frahm konzentriert sich auf die Struktur der Makropanels, die von Seite zu Seite wiederholt werden und die die einzelnen Panels verorten. Spiegelmans virtuoser Umgang mit diesen Makrostrukturen als ›Rahmen‹ wird im Kontext des Genres aufgezeigt und als Mechanismus zur Herstellung eines Schemas vorgeführt, das Disruptionen erst ermöglicht: »Die Erzählung ist Panel für Panel unterbrochen, aber hier wird eine Unterbrechung erzählt.« (S. 207) Ein wesentliches unterbrechendes Element, die aus Panels heraus- und in Panels hineinragenden Schornsteine, werden in einer ausführlichen tour de force in verschiedensten Kontexten und realen wie intertextuellen Bezügen beleuchtet: Eine spannende und involvierende Lektüre, die außer der Unabschließbarkeit des formal geschlossenen Comics zwar keine griffige Abschlussthese, aber zahllose aufschlussreiche Beobachtungen zu den Funktionen des Comics in der Erzählung von MAUS bietet.

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Masken und Nacherinnerung

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Nach der Geschichte wendet sich Frahm in fünf kürzeren Betrachtungen als letztem der drei Konstitutive der Genealogie der Erinnerung und ihrer Beziehung zu den lebendigen Masken der Identität zu. Arts Vater hat die Tagebücher seiner ersten Frau verbrannt, die als Bericht über das Überleben des Holocausts für den Sohn bestimmt waren. Frahm geht den verschiedenen Assoziationen dieser Verbrennung als wiederholter Verbrennung nach und kommt zu einem Schluss, der Genealogie und Comicform in markanter Weise verbindet: »[...] Deshalb hat der Autor keine Kontrolle über sein Material. Es gibt keine Kontrolle über die nicht beendete Geschichte der Vernichtungen. Deshalb raucht der Sohn in allen Panels, in denen von den Tagebüchern die Rede ist [...]. Ihm ist die Macht über die Darstellung entzogen.« (S. 247 f.)

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Mit der Vernichtung der Erinnerung rückt der Begriff der Erinnerung schlechthin in den Blick. Gegenüber einer möglichen Gleichsetzung der vernichteten Erinnerung mit der Vernichtung von Menschen macht Frahm Marianne Hirschs Begriff der ›post-memory‹ stark, der Nach-Erinnerung einer zweiten Generation, die gerade ans visuelle Medium der Photographie gebunden ist und damit auch Affinität zum Comic MAUS zeigt. Gemeinsam mit weiteren Spuren verbindet sie sich mit einer Macht und einer Scham der Nach-Erinnerung, mit deren Skizze Frahm wieder zu Nietzsche und Foucault und zur ästhetischen Bedeutung der lebendigen Masken zurückkehrt. Die Auseinandersetzung mit dieser Ästhetik endet schließlich in einer Verbindung des Weiß der Comicseite, auf der MAUS schwarz ohne Grautöne gezeichnet ist, mit der Struktur seiner besonderen Genealogie: Sie beruht auf einer »Lektüre«, die »notwendig gespenstisch wird«, und in der sich »die LeserInnen mit ihrem Blick auf den Comic zu Auschwitz, zu jeder Enthistorisierung von Auschwitz verhalten« müssen (S. 272).

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Comiczitate

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Publikationen über Comics müssen besondere technische Schwierigkeiten lösen. Genealogie des Holocaust enthält zahlreiche, gut ausgewählte und je genau analysierte Abbildungen als Zitate; die Druckqualität ist nicht ganz einheitlich, aber durchwegs gut bis sehr gut. So sehr diese Auszüge für MAUS werben, so sehr erlaubt es ihre Menge und Ausdehnung, vor allem aber die ausführliche explizite Analyse aller besprochenen Passagen einem interessierten Publikum, dieses Buch ohne, das heißt sicher: vor dem Comic zu lesen.

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Fazit

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Frahms Argumentationen überzeugen sowohl in der Genauigkeit der einzelnen Analysen, die die comicspezifischen Aspekte der Form nicht weniger verständig deuten als die verschiedenen Gestaltungsmomente der Erzählung und des Erzählten, als auch in den stets konzentrierten und zielführenden Auseinandersetzungen mit vorausgegangenen Theoremen und den hier vorgestellten neuen Entwürfen. Für das Verständnis der ästhetischen wie historiographischen Verfasstheit von MAUS leistet Frahms Arbeit Erhebliches. Zugleich führt sie in zentrale Methoden einer avancierten Comicanalyse ein und beweist immer wieder die Möglichkeit, Comicpassagen mit ihrem medial verschiedenartigen Vokabular und ihren auf der Comicseite vielfach, teils widersprüchlich, aufeinander bezogenen Elementen genau zu lesen. Der hier (weiter)entwickelte Begriff der lebendigen Maske sollte sich für zahlreiche weitere Analysen als anschlussfähiges Instrument erweisen.

 
 

Anmerkungen

Viel später, im Kontext der Erinnerung, geht Frahm dann ausführlich auf diese Metapher ein (S. 244 ff.).   zurück
Vgl. Scott McCloud: Understanding Comics. The Invisible Art. New York: HarperCollins 2004, bes. S. 28 ff.   zurück