Ahrens über Scholze: Kunst als Kritik

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Jörn Ahrens

Künstliche Kritik.
Adornos Ästhetik als Modell einer philosophischen Kritik

  • Britta Scholze: Kunst als Kritik. Adornos Weg aus der Dialektik. (Epistemata. Reihe Philosophie 283). Würzburg: Königshausen & Neumann 2000. 370 S. Kart. DM 86,-.
    ISBN 3-8260-1828-1.


Zwei Philosophien von Einfluß und von Rang hat die deutsche Philosophie des 20. Jahrhunderts hervorgebracht: Heideggers Existentialontologie und die Kritische Theorie, terminologisch von Horkheimer erfunden, als bleibender Wert aber vor allem durch Adorno gesichert. Beide Spielarten wähnen sich weit voneinander entfernt und unvereinbar. Trotzdem haben sie Gemeinsamkeiten: immer wieder reiben sie sich an der Metaphysik, die sich ihnen als Problem stellt, immer wieder versuchen sie zu formulieren, wie Philosophie Kritik einlösen kann, ohne sich dabei politisch als Partei zu positionieren. Beides fordert die fortlaufende Auseinandersetzung heraus.

Ein neuer Beitrag in dieser Rezeptionsgeschichte ist Britta Scholzes Buch Kunst als Kritik. Adornos Weg aus der Dialektik. Scholze verfolgt einen eigentümlichen Ansatz: sie möchte zeigen, daß Adorno, der als Dialektiker schlechthin gilt, "nicht nur ein Kritiker von Kunsttheorien [ist], sondern auch ein Dialektikkritiker par excellence" (S. 11). Was sie damit meint gewinnen zu können, ist eine Distanznahme vom Wahrheitsgestus der Dialektik als Erkenntnisverfahren. Was diese nun mit der Kunst verbinde, sei gerade der Aspekt der Vorläufigkeit, und so wie der Kunst immer ein Moment des Vorscheins eigen sei, ringe auch Dialektik mit ihrem Vorgriff auf eine erste oder letzte Vermittlung.

Kritik ohne Dialektik

Daher, das ist die weitere Stoßrichtung der Arbeit, sei eindeutig erkennbar, daß es für Adorno nur möglich sei, Philosophie als Kritik zu konstituieren, indem diese auf Kunst und deren Ästhetiken reflektiere. Kunst sei im Sinne Adornos das genuine Reflexionsmedium der Philosophie. Indem Adorno Kunst als das "Ding an sich" restituiere und als Bedingung ihrer Möglichkeit an Philosophie anbinde, gewinne er die Möglichkeit zurück, Philosophie als eine Praxis der Kritik zu praktizieren, die dem Wahrheitsgestus (also dem Ideologieproblem) entkomme und trotzdem in der Lage sei, gegenwärtig zu sein.

Das ist ein befremdlicher Ansatz, und er nötigt offenbar zu einer befremdlichen Arbeit. Daß Adorno spätestens mit der Ästhetischen Theorie (um die es ja auch Scholze geht) das Gewicht der Philosophie und der Kritik auf die Kunst gelegt hat, ist bekannt und wird wohl nirgends bezweifelt. Erstaunlicher ist der Kontext, in den Scholze diesen zunächst wenig überraschenden Befund bettet. Wenn sie festlegt, die Negative Dialektik sei, weil als negativ konnotiert, in ihrer Absicht keine Dialektik, sondern geradezu deren Überwindung, dann ist Scholzes Verständnis von Dialektik fragwürdig. Zwischen keiner Dialektik und einer negativen besteht, wie Adorno formulieren würde, ein Unterschied ums Ganze. Was die Kritik am Wahrheitsbegriff angeht, so trifft sie auf Adorno sicher zu. Mit ihrer Thematisierung findet sich Scholze in einer derzeit modernen Debatte wieder, die zumindest teilweise auch an Adorno anknüpft: die Diskussion um Kontingenz.

Scholze geht es aber erst ganz zuletzt um das Kontingenzproblem – obschon sie es zu Anfang bereits prominent plaziert. Zuvor arbeitet sie sich noch einmal durch die ganze Palette von Adornos ästhetischer Theorie, nur um zu beweisen, daß Kunst und Philosophie für Adorno dasselbe sind, daß der modernen Kunst das Privileg zufalle, Philosophie als Ideologiekritik einzulösen. So arbeitet man sich durch Textgebirge über die Negativität der Kunst, über Mimesis oder um das Verhältnis von Symbol und Allegorie, bevor zu guter Letzt durch die Verhandlung von Darstellung und Kritik doch noch eine gute Portion Originalität in das Buch kommt.

Abwehr des Mythos

Allerdings übt Scholze den langen Vorlauf nicht ohne Grund. Sie möchte alles aus dem Weg räumen, was nur irgend nach Ideologie und Wahrheitsverhaftung im Denken Adornos aussehen kann – die Geschichtsphilosophie genauso wie den Mythos, Metaphysik oder das Verhältnis zu religiösen Sedimenten. Gegen all dies steht die Kunst, genauer: "das Potential, Kunst zu produzieren und zu deuten" (S. 21). Wenn Scholze dann Adorno einem theologisch / metaphysischen Verständnishorizont entreissen möchte, wird einem bange angesichts der in diesem Sinne zweifellos messianischen Aufgabe, die Adorno – ihr zufolge – der Kunst zuweist. In Scholzes Perspektive nimmt Kunst für die Philosophie den Stellenwert eines Absoluten in einer Intensität ein, daß es schon fast komisch wirkt, wie sehr sie bemüht ist, den messianisch / theologischen Gestus seines Denkens zu eskamotieren. Hier handelt es sich schließlich um eine Metaphysik der Kunst, die den einzigen Vorteil hat, sich ihrer Verbindung zum Schein bewußt zu sein. Das entläßt die Kunst aber nicht aus dem Vorwurf, das Potential von Metaphysik und sogar des Mythos nur beerbt und keineswegs überwunden zu haben.

An diesen Stellen zeigt sich, daß Scholzes rein immanenter Ansatz, sich Adornos Philosophiekonzeption zu nähern, fatale Schwächen hat. Der Mythos etwa gilt ihr, wie schon Adorno, als reines Instrument zur Bilder- und somit zur Ideologieproduktion. Was sie, wie auch Adorno, völlig übersieht, ist die emanzipatorische Leistung des Mythos, wie sie etwa Blumenberg herausgestrichen hat: die Entfernung von einem "Absolutismus der Wirklichkeit", die erste Ermöglichung von Subjektivität. Die eindeutige Dichotomisierung von einem der Ideologie verhafteten Mythos und einem autonomen und deshalb freien Kunstwerk ist aber überhaupt nicht dialektisch. Sie ist auch keine Überwindung von Dialektik, sondern macht eine starre konzeptionelle Frontstellung auf, die sich der Reflexion verwehrt. Auch wenn sich Adorno der Geschichtsphilosophie im klassischen Sinne versagt: seine Operationalisierung des Mythos erlaubt es ihm doch, eine höchst einfache Geschichtsteleologie aufzubauen, die zwischen Odysseus und dem kapitalistischen Unternehmer keinen Unterschied zu machen braucht. Aber eine so simpel negative Geschichtsphilosophie bleibt eben auch Geschichtsphilosophie, bloß als Verfallsgeschichte – und verbindet sich darin mit verfemten Ansätzen, wie Spenglers Untergang des Abendlandes.

Scholze ist nicht wirklich gegen das Bildermachen. Wichtig ist ihr gerade hervorzuheben, daß die Fähigkeit zum Bildermachen eine zentrale anthropologische Bedingung ist: sie erst setzt Geschichte in Gang. Es ergebe sich dann jedoch ein Repräsentationsproblem, worin die Bilder mit dem Abgebildeten verwechselt und projektiv würden. Das soll das Merkmal des Mythos sein. Damit das Kunstwerk nun nicht selbst mythisch wird und pausenlos Bilder produziert – wie man das geläufig von ihm erwartet –, muß Scholze sich auch sehr eng an die in der Dialektik der Aufklärung aufgemachte Trennung zwischen Kulturindustrie und Kunstwerk anschließen. Denn: "Im Gegensatz zu einem Produkt der Kulturindustrie steht das Kunstwerk für die Differenz" (S. 69). Aus diesem Grunde gründe sich auch im Kunstwerk die "Hoffnung auf eine Wendung des Ganzen zum Besseren" (Ebd.). Wenn also auch der Mythos und die Metaphysik verschwinden soll – auf die Utopie, die von beidem zehrt, möchte man nicht verzichten. Hier offenbart sich ein Mangel an Reflexion der Begriffe. So schlicht gestrickt muß das Kunstwerk (nicht: die Kunst) immer der Sieger sein.

Die Asozialität der Kunst und Metaphysik

Doch Scholze schafft es, sich aus dieser Positionierung herauszuarbeiten, wenn sie daran geht, die Negativität der Kunst näher zu bestimmen. Die bestimmt sie zunächst als eine bloß "negative Beziehung von Kunst auf andere Bereiche der empirischen Wirklichkeit" (S. 97). So abgegrenzt, kann sie gerade die Asozialität von Kunst als deren soziale Funktion ausmachen und damit den utopischen Gestus entschärfen. Kunst so verstanden ist schon deshalb Kritik, weil sie sich negativ zur Funktionalität der Gesellschaft verhält.

Indem er Kunst durch ihre Form auszeichnet, gelange Adorno – so Scholze – zu einem metaphysisch konnotierten Formbegriff. Indem Metaphysik in die Form der Kunst eingeht, kann Adorno noch hier als Materialist erscheinen und die Kunst sozial einsetzen: "Die Freiheit zur Formgebung ist für Adorno die Freiheit zur Veränderung bestehender empirischer Anordnungen" (S. 109). Scholze gelingt es auf diese Weise, die starre Dichotomie zwischen Adornos Ästhetik und jeder Art von Metaphysik, Mythos o.ä. aufzubrechen und das kritische Potential, das bspw. in der Metaphysik liegt, zu verdeutlichen. Das hat seinen Preis in der Hermetik des modernen Kunstwerks, das sich Adorno zufolge endgültig den sozialen Vermittlungsbemühungen verweigert. Verzicht auf Affirmation bedeutet den auf ein breites Publikum; die Nähe zur Wahrheit erzeugt die Einsamkeit der bedeutenden Kunst. Treffend spricht Scholze diesbezüglich von einer Aufgabe der Utopie zugunsten des "schwache[n] Glück[s] des Solipsismus" (S. 120). Wenn dann noch vom "Untergang der Metaphysik" als dem Ausgangspunkt der Philosophie Adornos die Rede ist, muß man das beinah schon als ein Bedauern auffassen.

Mimesis und Allegorie beim Kunstwerk

Mimetisch schreibt sich die Autorin also an Adorno heran und rückt gleichzeitig das Verfahren der Mimesis in den Blickpunkt. Deren Pointe liegt im Falle der Kunstwerke in ihrem negativen Einsatz: sie bildet Gesellschaft nicht ab, sondern zeigt ihre Mechanismen auf. Das adelt die Mimesis und ihren Bezug zur Form des Kunstwerks vor der Allegorie und dem Symbol. Letztere gelten beide als Ausdrucksweisen mythischer und metaphysischer Formen. Sie haben Teil an der Konstitution einer Wirklichkeit, der vorrangig Bildcharakter zukommt, die also ideologisch ist. Anhand von Adornos Rezeption von Cassirer und seiner Philosophie der symbolischen Formen versucht Scholze das zu verdeutlichen. Die Reflektionsfähigkeit des Subjekts, die Cassirer als Medizin gegen mythologisierende Symboliken einfordert, verschwindet für Adorno freilich im gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang. Auf der Strecke bleibt dabei allerdings wieder einmal die Unterscheidung von Mythos und Metaphysik; beides wird pejorativ zusammengezogen und einem fiktiven Gehalt wirklicher Vernunft entgegengestellt. Scholzes Mimesis an das Denken Adornos macht dieses zwar klar, übernimmt aber zwangsläufig auch dessen Idiosynkrasien. An diesen zeigt sich dann gerade nicht die Überwindung der Dialektik durch Adorno, sondern vielmehr, daß auch er ihr zuweilen gar nicht Genüge tut.

Nun ist Widersprüchlichkeit nichts schlechtes an sich, und so macht auch Scholze für Adorno (und Horkheimer) eine Praxis auf, die schließlich an Cassirers Reflexionsfähigkeit ziemlich dicht heran kommt. Obschon noch die Reflektion Projektion sei, sei sie doch bewußt zu halten. Scholze nennt das eine "reflektierte Projektion" (S. 220), wodurch die Projektion selbst bedingt hintergehbar werde und den Weg frei mache für erkenntnistheoretische Gelassenheit. Projektion wäre die Praxis des Subjekts, worin es zwar vergesellschaftet bliebe, sich darüber aber Rechenschaft ablegte. Originäres Mittel dazu ist, wie könnte es anders sein, das Kunstwerk, das sich als Objekt eben auf dieser Grenzmarkierung bewegt.

Etwa so konstatiert Adorno auch für die Allegorie die Bindung an die mythische Natur: als "Ausdruck einer realen Gefangenschaft des Individuums und der Freiheit seiner Imagination, nicht Ausdruck einer realen Freiheit" (S. 256). Darüber was im Verhältnis des Kunstwerks zur Gesellschaft, und in dieser Perspektive in der Gesellschaft selbst, der Fall ist, gibt Scholze so wenig Auskunft wie Adorno – trotz aller Hypostase des Kunstwerks. Über eine detailreiche Darstellung der Adorno'schen Termini hinaus erfährt man wenig über deren Gehalt, wird die Kunst und eine über sie ermöglichte Freiheit in der Uneindeutigkeit der Aussagen höchstens selbst zum Mythos stilisiert.

Und wie überall in der Ästhetik ist es auch Scholze nicht möglich, die Radikalität ihrer Begriffsbildungen durchzuhalten – obschon das nötig wäre für eine stringente Argumentation. Die Allegorie, die eben noch in einem ganzen Kapitel gemeinsam mit dem Symbol als dem Mythos verhaftet abgeschrieben wurde, avanciert am Ende trotzdem als kardinale Kategorie einer Ästhetik als Kritik nach Adorno. Das Kunstwerk selbst sei allegorisch; dies sei das Kennzeichen von Ästhetik: "Nur über das Kunstwerk, und genauer noch: über dessen allegorische >Verwandlung<, ist in der Geschichte noch etwas von >der Wahrheit< zu erfahren, um die sich nach Adorno die bisher entwickelten Philosophien drehen" (S. 283). Nach soviel Rettung des Kunstwerks vor der Allegorisierung weckt das, selbst wenn es stimmen mag, Erstaunen.

Letzte Wahrheiten

Das Kunstwerk selbst erhält demnach eine allegorische Funktion, die es dem Mythos wieder anverwandelt: es fungiert als Orakel und als Mnemosyne. Immer verweist es auf etwas oder deutet einen Sachverhalt an, doch es spricht nichts aus, weil es sich nicht mit dem Benannten gemein machen will. Deshalb bleibt als einziger Versuch für Adorno – aber genauso für Scholze –, philosophisch noch "die Spur von Wahrheit in der Geschichte zu >retten<", die Ästhetik (S. 283). Sie taugt deshalb dazu, weil sie die einzige Wahrheitsproduzentin ist, die zugleich immanent darauf hinweist, daß ein solches Anzeigen von Wahrheit immer schon falsch ist. Wahrheit gibt es also nur in der permanenten Annäherung, und diese Annäherung als Versuch – der "Essay als Form" –, sedimentiert sich in der Ästhetik.

Scholze versucht dieses Motiv noch weiter zu treiben, indem sie meint, Adorno gebe der Philosophie die Rolle eines weisen Narren, der sozusagen die sokratische Tugend des Nichtwissens bis weit hinein ins Nichtidentische treibt. Adorno selbst hätte das wohl abgestritten; stärker als die Identifikation mit Sokrates war für ihn sicher die mit Nietzsche. Trotzdem kann in der Negation, wo nichts der identischen Definition unterliegt, seine Wahrheit eine letzte Behausung finden. In der Gesellschaft ist sie immer schon gescheitert und muß sie scheitern; doch in der Vorläufigkeit der Kunst darf sie sich einrichten. Kunst, Philosophie und Geschichte haben laut Scholze nach Adorno gemeinsam, daß ihre Wahrheit nie als ganze erkennbar sei, sondern stets latent metaphysisch bleibe. Um den Begriff der Wahrheit, und den ihm verwandten der Freiheit, kreist letztlich Scholze zufolge das ganze Denken Adornos und folglich auch indirekt ihr ganzes Buch

Rückkehr der Dialektik

Aus diesem Grunde muß Scholze am Ende auch wieder von Dialektik reden, und sie muß es sogar emphatisch tun. Die Austreibung der Dialektik aus der dialektischen Philosophie bleibt eine müßige Angelegenheit. Ebenso wie negative Dialektik als Erkenntnismethode für eine ausbleibende gesamtgesellschaftliche Erlösung einstehe, nehme sie diese dialektisch auch schon vorweg und schließe sie in sich ein. Das ist dann weniger ein Versuch der Überwindung von Dialektik, als vielmehr deren prononcierte Spielart. Es bleibt die Frage offen, weshalb zuvor in langen Überlegungen die negative Dialektik dem Versuch einer Eskamotierung unterworfen werden muß, wenn sie am Ende doch als Phönix aus der Asche steigen darf.

An diesem Punkt, der Thematisierung eines diffundierenden Wahrheitsbegriffes, geht Scholze sogar noch einmal in die Offensive. Sie votiert für eine von Adorno angeleitete Handlungstheorie des Subjekts (S. 332). Denn wo es keine Geschichtsphilosophie gibt, da es keine Wahrheit der Geschichte geben kann, bedarf es der handelnden und in ihrem Handeln wagemutigen Subjekte. Geschichte als Sozialgeschichte sei für Adorno, führt Scholze aus, ateleologisch und Herrschaftsgeschichte zugleich, da die Herrschaft sich ihrer bemächtigt und sie mit Sinn anzufüllen sucht. Dahingegen bestehe "geschichtliche Freiheit" in der Form der Kontingenz. Sie sei "Nichtnotwendigkeit und Offenheit, eröffnet den Spalt, durch den Mögliches zum Wirklichen gemacht werden kann" (S. 335). Der Anschluß an Foucault ist hier nicht fern: nicht die Geschichte untersuche Adorno, sondern deren Diskurs.

In der Geschichte selbst sei nichts mit sich identisch, was dazu nötigt, ein aporetisches Modell von ihr zu entwickeln, eine negative Dialektik der Geschichte, einen Kontingenzrahmen. Die Form dafür finde sich in der Allegorie, die somit aus dem Mythos wieder in die Handlungsmächtigkeit und in das symbolische Repertoire der Subjekte zurückkehrt. Verwirklichte Metaphysik als das absolute Wissen bleibe dagegen unmöglich; in ihm spiegele sich höchstens das Bild des Nichtidentischen. Auf sympathische Weise zeigt Scholze so noch, wie Adorno die zuvor abgehakten Begriffe doch wieder aufsaugt, ihnen einen materialen Anstrich zu geben versucht und sich aufgrund seiner Illusionslosigkeit doch weiterhin mit der Metaphysik zusammen tun muß. Am Begriff einer umfassenden Wahrheit hält er zweifellos fest, aber er unterminiert ihn zugleich beständig dadurch, daß er ihn für uneinholbar und für ideologisch besetzt erklärt. Als "aporetischer Wahrheitsbegriff" ist er von Scholze zweifelsohne gut bezeichnet.

Nachdem dies im letzten Kapitel eines viel zu umfänglichen Buches erkenntnisreich dargestellt ist, hätte man sich wohl noch gewünscht, auf dieser Grundlage etwas über das Verhältnis von Kritik und Ästhetik zu erfahren. Doch dazu war der Vorlauf zu weitschweifend, zu umständlich, zu sehr sich in Exkurse verzweigend, die wenig ertragreich sind. Es bleibt der Eindruck, daß hier eine Möglichkeit verschenkt wurde.


Dr. Jörn Ahrens
Meyerheimstr. 7
D-10439 Berlin

Ins Netz gestellt am 21.08.2001
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