Geier über Heipcke: Weibliche Autorschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert

IASLonline


Andrea Geier

"Weibliches Genie" und "Sonntagsautorschaft":
Autorschaftsentwürfe von Frauen
im späten 18. Jahrhundert

  • Corinna Heipcke: Autorhetorik. Zur Konstruktion weiblicher Autorschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert (Studien zur neueren Literatur 11) Frankfurt / M. u.a.: Peter Lang 2002. 183 S. Kart. EUR (D) 35,30.
    ISBN 3-631-38935-3.


Autorschaft ist eines der großen Themen in der literaturwissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre. Vom boomenden Interesse an der "Rückkehr des Autors" 1 als Gegenstand theoretischer Überlegungen wie literaturhistorischer Untersuchungen zeugte nicht zuletzt das DFG-Symposion im Jahr 2001. 2 In der Frauen- und Geschlechterforschung werden seit den 1980er Jahren Fragen nach den historischen Bedingungen, Möglichkeiten und Erscheinungsformen der Autorschaft von Frauen intensiv behandelt. Dabei veränderte sich sowohl der Blick auf den vorgeblichen >Dilettantismus< und die >Trivialität< weiblichen Schreibens als auch die jeweiligen Entwürfe von weiblicher Autorschaft.

In diesem vielbeachteten und bereits in vielfältigen Facetten bearbeiteten Forschungsfeld siedelt sich Heipckes Monographie (Diss. Kassel 2000) an, die sich mit Erzähltexten, Herausgeberschaften von Zeitschriften und Lyrik von Autorinnen des späten 18. Jahrhunderts beschäftigt. Die weibliche Autorschaft bedarf im zeitgenössischen Autorschaftsdiskurs einer besonderen Begründung, und die Schriftstellerinnen selbst verhandeln diese Problematik in Darstellungen von schreibenden Frauen. Heipcke vertritt die These, dass die Autorinnen als Gegenentwurf zum >männlichen< Modell eine "Autorinnenfunktion" entwerfen, mit der sie ihre eigene Autorschaft zu legitimieren versuchen. Der Begriff "Autorhetorik" bezieht sich in diesem Sinne auf unterschiedliche Verfahren, durch Bilder von weiblicher Autorschaft das eigene Schreiben und damit die eigene Rolle zu legitimieren.

Das >Paradox< weiblicher Autorschaft

Im ersten Teilkapitel "Autorschaft als soziales Konstrukt im 18. Jahrhundert" (Kap. I.1.) ruft Heipcke kurz die Annäherung von Autorität und Autorschaft als historische Voraussetzung für den Autorschaftsdiskurs ins Gedächtnis: Die Genderisierung von Autorschaft bedeutete, dass "die Rolle des Dilettanten, eines passiven Nachschöpfers, wie geschaffen für die Frauen ist, da sie dank ihrer natürlichen Beschaffenheit nur über >passive Kraft< verfügen." (S. 21)

Es folgen Ausführungen zu den sich verfestigenden Vorstellungen einer Geschlechterdichotomie und ihren Auswirkungen auf die Beurteilung von Autorinnen in Rezensionen. Werden Autorinnen gelobt oder getadelt, kann der Hinweis auf die >natürlichen Unterschiede< in den Vermögen der Geschlechter verschiedenen Zwecken dienen: Als Beweis der >natürlichen< Unmöglichkeit weiblicher Autorschaft im Tadel, als Lob, der einer Ausnahme gilt, oder auch als Entschuldigung von >Fehlern<. Dabei rückt vielfach der Körper der Autorin in den Blick der Rezensenten, und es zeichnet sich eine Identifizierung von Autorin und Werk ab (S. 25). Das Bewusstsein, dass die Beurteilung von Literatur von einem >Wissen< um geschlechtsspezifische Autorschaft geleitet wird, hat wiederum (Rück-)wirkungen auf das Schreiben von Texten. Damit hat Heipcke das Paradox weiblicher Autorschaft und zugleich das zentrale Thema ihrer Arbeit benannt:

Für die Autorinnen, zu denen in diesen frühen Jahren auch die Herausgeberinnen von Zeitschriften zählen, weil sie die meisten der in ihren Periodika erscheinenden Artikel selbst verfaßten, wurden die Konstruktion der eigenen Autorschaft und die Selbstautorisierung, d.h. die Ausstattung der eigenen Autorschaft mit Autorität, zum vordringlichen Problem (S. 26).

Es wäre schön gewesen, wenn Heipcke diesem auf ein "Paradox" zugespitzten Aspekt noch breiteren Raum gegeben hätte und auf die dabei entstehenden Ambivalenzen eingegangen wäre: Von Autorinnen wurde etwa erwartet, dass sie sich nur mit bestimmten >weiblichen< Sujets beschäftigen; dies stellte, so Heipcke, für viele Schriftstellerinnen ein Problem dar (S. 26). Wie Silvia Bovenschen in ihrer Studie Die imaginierte Weiblichkeit (1979) anmerkte, wurde die Kreativität von Frauen "auf das Häuslich-Private zugeschnitten". 3 In dem Maße, in dem etwa der Roman als Kunstform anerkannt und "zwischen seinen trivialen und seinen künstlerischen Ausprägungen unterschieden wurde, waren es wiederum die Bereiche des Trivialen, des >nur< Unterhaltsamen, auf die die Frauen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – verwiesen waren." 4 >Trivialität< wurde auf diese Weise zu einem zeitgenössischen Verdikt für die Produktion von Schriftstellerinnen, das sich im Zusammenhang mit der Genie-Diskussion, der zunehme^^nden Dichotomisierung in >hohe< und >niedere< Literatur und der damit verbundenen Abwertung der Unterhaltungsliteratur etablierte.

Umgekehrt aber lag eben darin – und dies blieb im Blick auf das unbestritten repressive Element des >Trivialen< lange unbeachtet – auch ein produktives Moment, nämlich eine Chance zur Autorschaft: Sowohl im Hinblick auf die Publikationsmöglichkeiten als auch den Erfolg beim Publikum war es für Autorinnen attraktiv, >weibliche< Sujets zu bedienen, die vorwiegend ein weibliches Lesepublikum ansprachen. Da es Heipcke gerade um die Frage nach den Möglichkeiten der Autorisierung und den Strategien von Autorinnen im Umgang mit dem zeitgenössischen Autorschaftsdiskurs geht, hätte es sich angeboten, den Diskurs um das >Triviale< aufzugreifen, um die Doppelfigur von Produktion und Repression in solchen Diskursfigurationen zu diskutieren.

Autorschaft und Autorität

Der knappe Abriss über "Autorschaft als Forschungsgegenstand" (Kap. I.2) thematisiert das berechtigte Interesse der feministischen Forschung an der Untersuchung konkreter Autorschaft (jenseits der Frage nach "weiblichem Schreiben" oder der Rede vom "Tod des Autors"), um dann zu Foucaults Begriff der "Autorfunktion" überzuleiten, den Heipcke als ein Phänomen der Rezeption und zugleich als ein produktives Moment für das Schreiben auffasst. Damit ist der grundsätzliche methodische Zugriff der Studie geklärt. Heipcke verzichtet allerdings darauf, den Begriff "Autorhetorik", der ihrer Arbeit den Titel gibt, in diesem Kontext zu erläutern, und dies gibt Anlass zu einer grundsätzlichen Überlegung:

Sehr schade ist nämlich, dass sie den allgemeineren Forschungskontext "Autorschaft" kaum streift; unterschiedliche theoretische Ansätze werden nicht diskutiert. Das Referat der wichtigen Arbeiten zur Konstruktion weiblicher Autorschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert (S. 34–46) ist so knapp, dass Bernhard J. Dotzlers Aufsatz über Ausschließungsstrategien des Autorschaftsdiskurses um 1800 fehlt, der die >männliche< Codierung der "Funktion Autor" (!) und deren Verunmöglichung für Schriftstellerinnen beschreibt. 5

Man vermisst Anmerkungen zum Wandel der Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung hinsichtlich des Themas "weibliche Autorschaft" und Erläuterungen zur Wirkmächtigkeit der diskursiven Verbindung zwischen >Weiblichkeit< und >Dilettantismus< / >Privatem< / >Trivialem<. Bemerkenswert ist ja, wie lange sich die feministische Forschung – insbesondere unter Hinweis auf die sozialhistorisch schwierigeren Voraussetzungen (Bildungschancen etc.) für eine Autorschaft von Frauen – an der vermeintlichen oder tatsächlichen Trivialität von Frauenliteratur >abarbeitete<. Erst allmählich wurde sichtbar, dass die Literaturproduktion von Frauen vielseitiger war, als es zeitgenössische Verdikte vermuten ließen. So hat etwa Susanne Kord auf die erstaunlichen Parallelen zwischen dem Diskurs über die Kunstproduktion von Frauen im 18. Jahrhundert und den Erklärungsmustern der feministischen Forschung für die angebliche Bevorzugung "trivialer Genres" durch Autorinnen hingewiesen. 6 Schließlich verschob sich die Aufmerksamkeit auf die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten und Strategien der Autorinnen innerhalb der diskursiv abgewerteten Genres. 7

Erstaunlich an Heipckes Überblick ist außerdem, dass wichtige internationale Forschung zur Autorschaft fehlt, obwohl Heipcke selbst Amerikanistik / Anglistik im Ausland studiert hat und dort auch lehrt. Für den zentralen Zusammenhang von Autorität und Autorschaft ist diese Leerstelle besonders deutlich: Beispielsweise erwähnt Heipcke eine so wichtige Studie wie Fictions of Authority von Susan Sniader Lanser, 8 die sich mit dem Phänomen narrativer Autorität und rhetorischen Textstrategien beschäftigt, nicht. 9 Ebenso wenig diskutiert sie Unterschiede zwischen ihrem methodischen Ansatz und den Beiträgen in dem von Ina Schabert und Barbara Schaff herausgegebenen Band Autorschaft. Genus und Genie in der Zeit um 1800. 10

Die Erkenntnis, dass sich aufgrund der zeitgenössischen Vorstellung von Autorschaft "Unterschiede in der Textgestaltung [zwischen Texten von Männern und Frauen] ergeben" (S. 34), wie Heipcke selbst unter Hinweis auf die Forschung erklärt, wird deshalb vorwiegend als Phänomen diskutiert, das im zeitgenössischen poetologischen Diskurs selbst eine Rolle spielt. Durch diese weitgehende Konzentration auf Autorinnenportraits und Bilder von Autorschaft wird ein spannendes Untersuchungsfeld ausgeblendet, an das gerade der Titel "Autorhetorik" auch denken lässt.

Entwürfe weiblicher Autorschaft

Heipcke untersucht Erzähltexte von Maria Anna Sagar und Sophie Helmine Wahl (Kap. 2), die Veröffentlichungspraxis der Zeitschriftenherausgeberinnen Sophie von La Roche und Marianne Ehrmann (Kap. 3) und "Selbstdarstellungstexte" – "poetische Lebensläufe" (S. 48) – der Lyrikerinnen Anna Louisa Karsch, Philippine Engelhard und Susanne von Bandemer. "[D]ie Thematisierung von weiblicher Autorschaft in veröffentlichten literarischen und journalistischen Texten" (S. 47) und damit in der Zusammenschau unterschiedlicher Gattungen zu untersuchen, hebt Heipcke als Desiderat der Forschung und als ihren Neuansatz hervor (S. 46). Die Zusammenstellung der Texte innerhalb jedes Kapitels ist gut gewählt, so dass in der direkten Gegenüberstellung die Gemeinsamkeiten und die Differenzen in den Selbstdarstellungen weiblicher Autorschaft sichtbar werden. Dabei bleibt Heipcke ihrem knappen Darstellungsstil treu und führt die Leser / -innen zielstrebig zu ihren Ergebnissen.

Autorisierung / Deautorisierung:
Unterschiedliche Reaktionen auf Erwartungen

Sowohl Maria Anna Sagars Roman Karolinens Tagebuch ohne ausserordentliche Handlungen oder gerade so viel als gar keine, erschienen mit dem Kryptonym "M.A.S.", als auch Sophie Helmine Wahls anonym publizierte Erzählung Die junge Schriftstellerinn, oder Sophie als Mädchen und Frau interpretiert Heipcke als Reaktionen der Autorinnen auf die Kritiken zu ihren jeweils anonym veröffentlichten Debuts (Kap. 2). Während sich bei Sagar Passagen finden, in denen die zeitgenössischen Erwartungen an Frauenromane sowie die Vorbehalte gegenüber schreibenden Frauen süffisant aufgegriffen und letztlich durch Übererfüllung der Erwartungen (S. 65) ironisiert werden, verfasst Wahl eine "Apologie weiblicher Autorschaft", deren Rechtfertigungsstrategien zwar ihre eigene Autorschaft begründen können, aber letztlich in eine "Deautorisierung weiblicher Autorschaft kippen" (S. 73).

Bei Sagar werden im Spiel mit fingierten Lebensgeschichten typische Handlungselemente des Frauenromans so umgedeutet, dass Schreiben als "Werkzeug der Selbsterforschung" (S. 61) vorgeführt wird: Die Tatsache, dass die Protagonistin Karoline lieber schreibt als sich mit Hausarbeit zu beschäftigen, wird auf diese Weise im Erzähltext selbst legitimiert. Innerhalb eines romanpoetologischen Diskurses, u.a. über ihren Roman Die verwechselten Töchter (1771) und deren Kritiken, wird Karoline "zur Stimme der Autorin Maria Anna Sagar" (S. 63 f.), die sich auf eine ">frauenzimmerliche Logik<" beruft, und das Schreibprojekt Karolines mit seiner Überfülle von Handlungssträngen bereits zutreffend als Satire auf Kritiken an der "Handlungsarmut" von Sagars Erstling bezeichnet (S. 64). Karolines Hochzeit bedeutet das Ende des Schreibprojekts. Auf diese Weise spiele Sagar, so Heipcke, mit dem "Textbegehren" (S. 71) der Leser / -innen.

Demgegenüber entwirft Wahl mit ihrem auktorialen Text eine Protagonistin, die Objekt der Erzählung ist, so dass das Ende ihres eigenen Erzählens nicht zugleich das Ende der Erzählung bedeutet. Die junge Sophie erfüllt das bürgerliche Frauenideal und betrachtet ihr Schreiben lediglich als Freizeitbeschäftigung, die sie zugunsten von Mutterschaft und Ehe aufgibt. Wahls Text, in dem das Geschriebene selbst gar nicht zum Thema wird, legitimiert also das Schreiben nur, weil es Sophies Entwicklung nicht schadet. Da in beiden Texten das Verschwinden der Protagonistinnen als Schriftstellerinnen ein zentrales Moment ist, deutet Heipcke dieses als "Paradigma weiblicher Autorschaft" (S. 71).

Gegenseitige Autorisierung:
Weibliche Autorschaft in Zeitschriften

Weibliche Autorschaft wird in Zeitschriften für das weibliche Publikum sowohl verhandelt als auch durch das Genre selbst erst ermöglicht (S. 76 f.). Die Zeitschriften sind an der Entwicklung weiblicher Autorschaft beteiligt (S. 109), indem sie ein publizistisches Forum für Schriftstellerinnen zur Verfügung stellten. Zugleich zeichnen sie sich durch einen engen Bezug zum Publikum aus; dessen Stellungnahmen konnten die Herausgeberinnen wiederum zur "Selbstautorisierung" nutzen (S. 77). Heipcke konzentriert sich auf die unterschiedliche Kommunikation der beiden Herausgeberinnen mit ihren Leserinnen und ihren Umgang mit Texten unbekannter Autorinnen. Diese Differenzen resultieren vor allem aus "verschiedenartigen Konzepten literarischer Wirkung" (S. 108) innerhalb ihres jeweiligen Bildungs- und Erziehungsprogramms:

Heipcke bescheinigt La Roche in Pomona für Teutschlands Töchter eine Tendenz zum vorsichtigen und vor Kritik beschützenden Umgang mit ihren Leserinnen, während Ehrmann in Amaliens Erholungsstunden. Teutschlands Töchtern geweiht und Einsiedlerinn aus den Alpen die Satire bevorzugt und zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Publizierten aufruft. Im Ergebnis zeigen sich deutliche Unterschiede: Charakteristisch für Ehrmann sind eine höhere Selbstverständlichkeit der eigenen Autorschaft, eine "schärfere Trennung zwischen Herausgeberin und Publikum" (S. 108 f.) und klare Formulierungen eines Geschlechterkampfes (S. 97). Demgegenüber stehen auf Seiten La Roches ein vertrauteres, innigeres Verhältnis zwischen Leserinnen und Herausgeberin, ein breites Spektrum von Aussagen zum Geschlechterdiskurs bis hin zur teilweisen "Selbstknebelung" (S. 87) und ein erhöhter Legitimationsbedarf der eigenen Rolle (S. 108 f.).

Formulierungen eines >weiblichen Genies<

Im vierten Kapitel untersucht Heipcke die immanente Poetik der Lyrikerinnen Anna Louisa Karsch, Philippine Engelhard und Susanne von Bandemer, die zugleich die in der Spätaufklärung sich verändernde Haltung gegenüber schreibenden Frauen spiegelt:

Anna Louisa Karsch präsentiert sich als Genie und thematisiert unter Verweis auf ihre geringen Bildungsmöglichkeiten stolz ihre Erfolgsgeschichte (S. 128); dadurch bestätigt sie im wesentlichen Sulzers Vorrede (im gleichen Band von 1764), der Karsch als >Naturgenie< bezeichnet und damit bereits alle zentralen Topoi für die Beurteilung nachfolgender Lyrikerinnen formuliert. In diesen Katalog schreibt sich Philippine Engelhard ein (1778), doch das lyrische Ich ihres "poetische[n] Lebenslauf[es]" zweifelt an seinen Fähigkeiten und zeigt, dass es sich seiner im Vergleich zu den männlichen Dichtern "geringeren Kraft bewußt ist" (S. 133) – eine Reaktion auf die neue >Fragwürdigkeit< weiblichen Dichtens (S. 132). Susanne von Bandemer versucht, zwei kontrastierende Bilder zu vereinen: Sie bedient zunächst das empfindsame Frauenideal, zeigt dann jedoch den "Entwurf einer selbstbewußten Dichterin", die Anspruch auf Professionalität erhebt (S. 136). Bei Bandemer wird "der Austritt aus der >Weiblichkeit< Voraussetzung der Autorschaft", während die Weiblichkeitsvorstellungen selbst affirmiert werden (S. 136 f.).

In den Werken der drei zeigen sich sehr verschiedene Facetten ihrer jeweiligen "Einordnung in die Hierarchie der Dichter". Während Karsch Genialität als "durchaus angemessen für Frauen" behauptet (S. 142), eine Genealogie von Homer, Sappho und Horaz bis zur eigenen Person entwirft und Spottgedichte auf Konkurrenten schreibt, verwendet Engelhard eher >private< Bilder der Autorschaft, indem sie Metaphern der Elternschaft (S. 144) und des >kühnen< Kindes benutzt (S. 145). Letztlich aber formuliert sie eine Absage an die eigene Autorschaft, die mit einem Wechsel zu Nachdichtungen korrespondiert (S. 148). In Susanne von Bandemers Gedichten an befreundete Autor / -innen sieht Heipcke ein "Kontrastprogramm" zu Karschs Entwurf (S. 149), da sich hier eine "Deautorisierung" weiblicher Autorschaft abzeichne (S. 150). Mit dem Tod ihres Mentors Ramler und der weitgehenden Rücknahme seiner Korrekturen wandelt sich dieses Bild, und es zeigt sich eine Art >Potpourri< unterschiedlicher zeitgenössischer Autorschaftsentwürfe aus Empfindsamkeit und Genieästhetik (S. 151 f.).

Fazit und Ausblick

Diese Inszenierungen weiblicher Autorschaft können, so Heipcke, als "Versuch zu einer beruhigend gemeinten rhetorischen Bestätigung der Geschlechterhierarchie aufgefaßt werden" (S. 161). Gerade eine Strategie der >Verharmlosung< konnte daher zur Entwicklung weiblicher Autorschaft beitragen und die spezifische "Autorinnenfunktion" das Schreiben der Frauen autorisieren. Heipckes Arbeit zeigt ein breit gefächertes Spektrum der Selbstpositionierungen von Autorinnen im Umgang mit divergierenden Zuschreibungen im Geschlechter- und Autorschaftsdiskurs. Mit ihren Bildern von weiblicher Autorschaft versuchten sie, in (scheinbarer) Anpassung oder auch Ironisierung von Erwartungshaltungen die eigenen Spielräume zu erweitern.

Löst man sich aus dem engeren literarhistorischen Kontext, der solche Strategien des bloßen Sich-Behaupten-Könnens wie des Erfolges erforderlich machte, zeigt sich einmal mehr die Wirkmächtigkeit solcher Bilder bis in die unmittelbare Gegenwart hinein: Zum Beispiel die wichtige Rolle, die Weiblichkeitsbilder in der positiven wie negativen Qualifizierung von Schriftstellerinnen in der Literaturkritik immer noch spielen. 11 So entrüstete sich etwa Marlene Streeruwitz über einen Kritiker, der ihre Frankfurter Poetikvorlesungen als "Gulasch" bezeichnet hatte. 12 Spannend an solchen Assoziationen ist, wie sich auch Gegenwartsautorinnen wie Streeruwitz oder Elfriede Jelinek noch mit den offensichtlich diskursmächtigen Zusammenhängen von >Weiblichkeit< und >Häuslichkeit< sowie >Weiblichkeit< und >Trivialität< auseinandersetzen, wie sie sie mit neuen, postmodern codierten Formen des >Trivialen< in Beziehung setzen und dabei spezifische Schreibstrategien entwickeln.


Dr. des. Andrea Geier
Eberhard Karls Universität Tübingen
Graduiertenkolleg "Ars und Scientia
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit"
Liebermeisterstr. 12
DE-72076 Tübingen

E-Mail mit vordefiniertem Nachrichtentext senden:

Ins Netz gestellt am 19.11.2003
IASLonline

IASLonline ISSN 1612-0442
Copyright © by the author. All rights reserved.
This work may be copied for non-profit educational use if proper credit is given to the author and IASLonline.
For other permission, please contact IASLonline.

Diese Rezension wurde betreut von unserem Fachreferenten Dr. Dietmar Till. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Katrin Fischer.


Weitere Rezensionen stehen auf der Liste neuer Rezensionen und geordnet nach

zur Verfügung.

Möchten Sie zu dieser Rezension Stellung nehmen? Oder selbst für IASLonline rezensieren? Bitte informieren Sie sich hier!


[ Home | Anfang | zurück | Partner ]

Anmerkungen

1 Fotis Jannidis / Gerhard Lauer / Matias Martinez / Simone Winko (Hg.): Die Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999. Siehe auch den Band: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hg. u. kommentiert von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart: Reclam 2000.   zurück

2 Autorschaft. Positionen und Revisionen. Hg. von Heinrich Detering (Germanistische Symposien, Berichtsbände 24) Stuttgart u.a.: Metzler 2002.    zurück

3 Silvia Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1979, S. 210.   zurück

4 Silvia Bovenschen (Anm. 3), S. 215.   zurück

5 Bernhard J. Dotzler: "Seht doch wie ihr vor Eifer schäumet...". Zum männlichen Diskurs über Weiblichkeit um 1800. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 30 (1986), S. 339–382, hier S. 358.   zurück

6 Susanne Kord: Sich einen Namen machen. Anonymität und weibliche Autorschaft 1700–1900 (Ergebnisse der Frauenforschung 41) Stuttgart u.a.: Metzler 1996, S. 62.   zurück

7 Siehe hierzu z.B. Eva Kammler: Zwischen Professionalisierung und Dilettantismus. Romane und ihre Autorinnen um 1800 (Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur) Opladen: Westdeutscher Verlag 1992.   zurück

8 Susan Sniader Lanser: Fictions of Authority. Women Writers and Narrative Voice. Ithaca u.a.: Cornell University Press 1992.   zurück

9 Wie fruchtbar erzähltheoretische Fragestellungen für das Thema Autorschaft sind, hat in den letzten Jahren insbesondere Ina Schabert aufgezeigt; vgl. Dies.: The authorial mind and the question of gender. In: Elmar Lehmann / Bernd Lenz (Hg.): Telling stories. Studies in Honour of Ulrich Broich on the Occasion of his 60th Birthday. Amsterdam u.a.: Grüner 1992, S. 312–328.   zurück

10 Ina Schabert und Barbara Schaff (Hg.): Autorschaft. Genus und Genie in der Zeit um 1800 (Geschlechterdifferenz und Literatur 1) Berlin: Schmidt 1994.   zurück

11 Siehe z.B. die Arbeit von Christine Flitner: Frauen in der Literaturkritik. Gisela Elsner und Elfriede Jelinek im Feuilleton der Bundesrepublik Deutschland (Frauen in der Literaturgeschichte 3) Pfaffenweiler: Centaurus-Verlags-Gesellschaft 1995.   zurück

12 Marlene Streeruwitz: "Hexen" heute. Und. Warum es nicht lustig geht. In: Gisela Wysocki / Birgit Vanderbeke / Marlene Streeruwitz: Hexenreden (Göttinger Sudelblätter) Göttingen: Wallstein Verlag 1999, S. 21–27, hier S. 25.   zurück