Haug über Popularisierung der Wissensvermittlung

Christine Haug

Popularisierung der Wissensvermittlung
und Revolutionierung der Wahrnehmung

Essay anlässlich zweier Neuerscheinungen zum Thema Illustration und Massenmedien im 19. Jahrhundert




  • Johann Jakob Weber (Hg.): Illustrirte Zeitung. 1843-1944. Mikrofiche-Edition. Hg. von Alfred Estermann. (Satirische Zeitschriften 4) Erlangen: Harald Fischer 2001. 2596 Mikrofiches, 150000 S. EUR 10.382,00.
    ISBN: 3-89131-349-7.
  • Wolfgang Weber: Johann Jakob Weber. Der Begründer der illustrierten Presse in Deutschland. Leipzig: Mark Lehmstedt 2003. 128 S. 70 s/w Abb. Kartoniert. EUR 14,90.
    ISBN: 3-937146-03-2.


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Der jüngst gegründete Verlag Mark Lehmstedt in Leipzig, dessen Verlagsprogramm sich auf Regionalia von überregionaler literarisch-kultureller Bedeutung mit dem Themenschwerpunkt Leipzig spezialisiert hat, ist allein schon wegen der traditionellen und herausragenden Bedeutung der Stadt Leipzig als Zentrum des deutschen Buch- und Verlagshandels und eines facettenreichen kulturellen, literarischen und künstlerischen Lebens mitnichten nur ein Regionalverlag im üblichen Sinne. Lehmstedts Programmgestaltung orientiert sich häufig an bedeutsamen Jubiläen kulturhistorischer oder literarischer Ereignisse, die Leipzig wie kaum eine andere Stadt aufzuweisen vermag, denn die Messestadt galt sei jeher als Drehscheibe politisch progressiver wie auch literarisch wirkungsmächtiger Ideenströme und war allein schon wegen der in Sachsen weniger rigoros praktizierten Zensurpolitik (z.B. im Vergleich zum benachbarten Preußen) prädestiniert für die Umsetzung innovativer Verlagsprojekte und erschien daher fortschrittlichen, ideenreichen und risikofreudigen Verlegern, wie es z.B. Carl Berend Lorck, Friedrich Arnold Brockhaus oder Johann Jakob Weber waren, als idealer Ort für eine Existenzgründung.

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Zum 200. Geburtstag des Leipziger Verlegers Johann Jakob Weber (1803–1880) legt Lehmstedt mit dem Band Johann Jakob Weber. Der Begründer der illustrierten Presse in Deutschland eine überarbeitete und reich illustrierte Neuauflage einer Verlagschronik vor, die erstmals 1928 unter dem Titel Johann Jakob Weber. Ein Beitrag zur Familiengeschichte erschienen war. Der Verfasser dieser Verlagschronik ist Wolfgang Weber (1879–1938), Schriftsteller, Redakteur und Mitarbeiter der von seinem Großvater gegründeten Verlagsbuchhandlung J. J. Weber in Leipzig. Diesen (augenscheinlich nur neu aufgelegten) Verlagsartikel dennoch ausführlich zu besprechen, bedarf sicherlich einer Erklärung, die ich deshalb hier in drei Punkten kurz skizzieren möchte:

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Erstens ist die Bedeutung des Leipziger Verlegers Johann Jakob Weber als Buch- und Verlagshändler mit internationalen Geschäftskontakten wie auch als entscheidender Förderer auf dem Sektor der populären Massenpresse kaum zu überschätzen. Webers Engagement für die Einführung und massenhafte Verbreitung von illustrierten Presseartikeln und Verlagswerken auch auf dem deutschen Buchmarkt sowie für die technische Weiterentwicklung der Illustrationsverfahren und nicht zuletzt für eine qualifizierte Ausbildung von Holzstechern steht noch im krassen Gegensatz zur gegenwärtigen Forschungssituation über dieses Verlagsunternehmen und seinen Gründer. So gibt es bislang noch immer keine erschöpfende Verlagsmonographie über das einflussreiche Verlagshaus, ein Befund, der allerdings keinesfalls die Qualität einer Vielzahl von Studien über Einzelaspekte des Tätigkeitsfeldes Johann Jakob Webers schmälern soll. Stellvertretend seien hier nur die Untersuchungen von Hartwig Gebhardt genannt, der sich mit der Pfennigpresse unter dem Gesichtspunkt der historischen Bildforschung beschäftigte oder die Arbeiten von Bernd Weise, der die Bildberichterstattung der illustrierten Presse des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Entwicklung der Photographie untersuchte. 1 Doch gerade deshalb gebührt die ungeteilte Aufmerksamkeit der einzigen Publikation, die anlässlich des 200. Geburtstags Johann Jakob Webers erschienen ist.

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Zweitens erschien kürzlich im Erlanger Verlag Harald Fischer beinahe zeitgleich eine Mikrofiche-Ausgabe der Leipziger Illustrirten Zeitung, im Verbund mit anderen bedeutenden Zeitschriftenunternehmen des 19. Jahrhunderts. Hierbei handelt es sich um eine Reproduktionsleistung, die erstmals wieder einen unkomplizierten Zugriff auf diese Zeitschriftengattung ermöglicht; die auf diese Weise zugänglich gemachten Familienblätter und Illustrierten des 19. Jahrhunderts stellen einen bislang längst nicht ausgeschöpften Fundus für interdisziplinäre Forschungsvorhaben dar: gleich ob es sich um Fragen der populären Vermittlung von modernen Wissenschaften und Technik oder der zeitgenössischen Kriegsberichtserstattung, um Fragen der Entwicklung des Sports oder andere kulturhistorische Fragestellungen handelt, z.B. die 1999 von Andreas Schmidt 1999 vorgelegte Studie »Wolken krachen, Berge zittern und die ganze Erde weint ...«: zur kulturellen Vermittlung von Naturkatastrophen in Deutschland 1755 bis 1855, die auf einer systematischen Auswertung auch dieses Zeitschriftentyps basiert. 2 Allein schon die Illustrirte Zeitung des Verlegers Johann Jakob Weber, deren ungebrochene Popularität auf dem deutschen Buchmarkt sich in ihrer langen Erscheinungsdauer überzeugend widerspiegelt (sie erschien bis 1944), bietet sich als unerschöpfliche Quelle interdisziplinärer Forschungsansätze an.

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Drittens scheint es mir angesichts dieser beiden Werke und vor dem Hintergrund des Geburtstagsjubiläums dieses wirkungsmächtigen Verlegers als legitim, das Verlagsprofil des erst im Frühjahr 2003 von einem ausgebildeten Buchwissenschaftler und Germanisten gegründeten Unternehmens besonders hervorzuheben, das sich nicht als rein wissenschaftlicher Fachverlag versteht, sondern mit seinen kulturgeschichtlichen und literarischen Ambitionen auch interessierte Nichtakademiker überzeugen möchte, wie das vorliegende Verlagsprogramm zeigt (vgl. die Homepage des Verlags: http://www.lehmstedt.de/).

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Erstens: Johann Jakob Weber –
Begründer des Pfennig-Magazins und
Förderer des illustrierten Buches in Deutschland

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Wie kein anderes Medium entwickelte sich die Presse in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einem Massenkonsumartikel. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Modernisierung und Kommerzialisierung des Buch- und Pressebetriebs entstand eine neue Form von Massenpresse, die neue Zeitschriftentypen hervorbrachte.

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Das journalistische Konzept:
Entpolitisierung zugunsten von
Unterhaltung und Information

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Den Beginn der modernen Massenpresse markierten die in den 1830er Jahren zunächst in England entstehenden Pfennigmagazine. Hier gründete der englische Buchhändler und Schriftsteller Charles Knight gemeinsam mit der »Society for the diffusion of useful knowledge« den Zeitschriftentyp »Penny Magazine«, der sich von anderen Zeitschriften hauptsächlich durch seine reichhaltigen Illustrationen abhob. Das englische Penny Magazine löste den Gründungsboom dieses Mediums aus und diente auch als Vorbild für das 1833 erstmals in Deutschland erscheinende Pfennig-Magazin, das in nur kurzer Zeit sensationelle Auflagenhöhen von bis zu 60.000 Exemplaren erreichte. Das neue Medium entwickelte sich schnell zu einem internationalen Phänomen: 1833 kamen das Magasin pittoresque (Paris), das Magasin universel (Paris), das Musée des familles (Paris), das National-Magazin (Leipzig), das Heller-Magazin (Leipzig), das Nederlandsch Magazijns (Amsterdam) heraus; in den Vereinigten Staaten folgten in den 1840er Jahren die Zeitschriften Putnam’s Magazine (New York) und Frank Leslie’s Illustrated Newspaper (New York). Die äußeren Kennzeichen aller dieser Magazine waren ihre inhaltliche Universalität, die erstmals in den Text gedruckten Abbildungen, ein Quartformat sowie besonders moderate Verkaufspreise.

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Weiteres Merkmal aller in Europa wie auch in Übersee erscheinender Pfennigmagazine war ihre Tendenz zur Entpolitisierung zugunsten von Belehrung, schöngeistiger wie auch pikanter Unterhaltung und Information; lediglich von einer Tendenz zur Entpolitisierung zu sprechen, scheint angemessener, denn in der fundamental politisierten Gesellschaft des Vormärz’ besaß im Grunde jedes Medium auch eine politische Konnotation. Die Pfennigmagazine reagierten damit auf die von Napoleon initiierte Kulturdebatte, die eine thematische Schwerpunktverlagerung auf belehrend-unterhaltende Aspekte und damit einen Prozess fortschreitender Entpolitisierung dieses Mediums zu forcieren suchte. Diese Entwicklung ging einher mit innovativen Unternehmenskonzepten, Verkaufsstrategien und effizienten Werbekampagnen. Ziel war eine allmähliche Ablösung des politischen und kulturellen Räsonnements durch ein facettenreiches Unterhaltungsangebot, ein Kurswechsel, der zudem zur Erschließung neuer Leserschichten beitragen sollte. 3

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Hauptintention des Mediums war es, eine sozial und politisch heterogene Leser- und Käuferschicht zu erreichen. Dieses Konzept kommt bei der Berichterstattung über die Entwicklung der Industrie und die technischen Fortschritte und Erfindungen im 19. Jahrhundert besonders augenfällig zum Ausdruck, da in diesem Kontext niemals über die zeitgenössischen Produktions- und Arbeitsbedingungen geschrieben wurde. 4 Der Verzicht auf eine tagespolitische Berichterstattung korrespondierte allerdings nicht nur mit den volkserzieherischen Ambitionen der europäischen Staaten während der Revolutionsunruhen, sondern besaß auch ein ökonomisches Moment. In England z.B. umging der Herausgeber durch den konsequenten Ausschluss politischer Themen die gesetzlich verpflichtende Stempelsteuer von bis zu vier Cent pro Heft, die den Verkaufspreis der Zeitschrift beträchtlich erhöht hätte. 5

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Die kommerziellen Erfolge in England und Frankreich auf dem Sektor der Pfennigpresse ermutigte den Pariser Buchhändler und Verleger Martin Bossange père (1766–1865), neben seinem bereits in Frankreich erscheinenden Magasin Pittoresque (1833–1900) 6 in Leipzig ein deutsches Pendant zu gründen, zudem Bossange in der Messestadt bereits eine Niederlassung unterhielt, die von Johann Jakob Weber geleitet wurde. Bossanges Engagement auf dem Sektor des illustrierten Buches, der Schwerpunkt seiner 1785 in Paris gegründeten Buchhandlung, förderte die Einführung von Holzstichillustrationen in die populäre periodische Presse in Deutschland erheblich. Doch folgt man dem Verleger Carl Berend Lorck – langjähriger Teilhaber des Verlagshauses Johann Jakob Weber und wichtiger Chronist der Weberschen Unternehmungen –, so regte der Geschäftsführer der Leipziger Niederlassung selbst die Herausgabe eines deutschen Pfennigmagazins an. 7 Wie auch immer: Der noch junge Johann Jakob Weber nahm diese Herausforderung an und wird sich nur wenige Jahre später als selbständiger Verleger auf dem Sektor der illustrierten Presse und Bücher profilieren und entscheidende Impulse für die Qualitätssteigerung im Bereich des Holzstichverfahrens liefern, die nicht zuletzt dazu führte, dass Deutschland sich auf dem Gebiet des Illustrationswesens zunehmend von den Fachkräften des europäischen Auslands unabhängig machen konnte. Die zielstrebige Kommerzialisierung der illustrierten Presse war sicherlich nicht nur das Ergebnis einer Verbesserung des Holzstichverfahrens, sondern fand vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Buchmarkts in dieser Zeit statt. Dennoch: die neuen Technologien waren eine unverzichtbare Voraussetzung für diese mediengeschichtlichen Entwicklungen.

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Technologische Innovationen
im Druckgewerbe des 19. Jahrhunderts

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Eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung und Verbreitung von preiswerten und auf Massenabsatz zielenden Verlagsartikeln waren technische Neuerungen im Bereich der Herstellung. Auch auf diesem Gebiet war das deutsche Druckgewerbe auf den Import von Drucktechnologie aus dem benachbarten Europa angewiesen. 1819 kamen die Papiermaschine und 1823 die ersten Schnellpressen in Deutschland zum Einsatz. Gerade der Schnellpressendruck wirkte sich unmittelbar auf die Wahl der Illustrationsverfahren aus, denn mit den Schnellpressen war zunächst nur die Xylographie als Hochdruckverfahren kompatibel.

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Die technischen Neuerungen im Druckgewerbe, in der Papierherstellung und auf dem Gebiet der Illustrationsverfahren sowie der Farbtechnik korrespondierten mit einem zunehmend ausgebauten Vertriebssystem im deutschen Buchhandel, das mit der fortschreitenden Expansion der Eisenbahnen eine maßgebliche Optimierung erfuhr, und dadurch den Vertrieb von Büchern und Presseartikeln zügiger und einfacher gestaltete – Voraussetzungen, die sich auch günstig auf den Ladenpreis auswirkten. Die Herstellung und der effiziente Vertrieb von Massenauflagen setzte die Einführung neuer Organisationsformen im Buchgewerbe voraus. Verlagshäuser, die auf dieses Marktsegment setzten, gingen dazu über, ihren Unternehmen eigene Druckereien, Buchbindereien sowie Illustrationsateliers und Werkstätten anzugliedern. Die Durchführung aller Arbeitsschritte in der eigenen Firma bot den Verlegern eine verlässliche Kostenkalkulation und sie waren von Zulieferern unabhängig. 8 Flankiert wurden diese primär marktorientierten Arbeitsbedingungen von einem neuen und stark ausgeprägten Visualisierungsbedürfnis, dem zunächst die Zeitschriften gerecht zu werden suchten, dadurch aber auch die Sehgewohnheiten der Konsumenten so veränderten, dass die illustrierte Presse sich auf einen von einer im Vorfeld gezielt stimulierten Marktnachfrage abhängigen Konsumartikel reduzierte. 9

[16] 

Die Schaffung der technologischen Voraussetzungen im Druckgewerbe ermöglichte es nunmehr auch deutschen Verlagsunternehmen in nur kurzer Zeit Anschluss an die Entwicklung der englischen Presse zu finden. So verwundert es nicht, das die in den frühen 1830er in England entstandene illustrierte Pfennigpresse mit nur einem Jahr Verzögerung auch in Deutschland den Buchmarkt eroberte. Ein Jahr nach Erscheinen des Londoner Penny Magazine erschien 1833 in Leipzig das deutsche Pendant Pfennig-Magazin, mitinitiiert von Johann Jakob Weber, zunächst erschienen im Verlag Martin Bossange, anschließend von 1833 bis 1840 im Leipziger Verlag Brockhaus.

[17] 

Man nannte ihn den »illustrirten« Weber
– eine beispiellose Verlegerkarriere
im 19. Jahrhundert

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Die entscheidenden Weichen für die bemerkenswerte Verlegerkarriere Johann Jakob Webers (geboren am 3. April 1803 in Basel, gestorben am 16. März 1880 in Leipzig) wurden bereits in seinen Ausbildungsjahren gestellt. Den Buch- und Verlagshandel erlernte Weber in der Firma Emanuel Thurneisen in Basel, danach wechselte er zunächst nach Genf und schließlich nach Paris. Er sammelte in den renommiertesten Verlagshäusern des Auslands Erfahrungen, erweiterte seine Kenntnisse der französischen Sprache und studierte intensiv das europäische Kultur- und Literaturleben wie auch den Literaturbetrieb anderer Länder. Neben der Erweiterung seines Erfahrungs- und Wissenshorizontes profitierte Weber vor allem in seinen Jahren als selbständiger Verleger von den vielfältigen Geschäftskontakten im europäischen Ausland. Als besonders hilfreich erwies sich sein enger Kontakt zu Pariser Kollegen, die für Webers Schwerpunktsetzung auf illustrierte Literatur wichtige Hilfestellungen anboten, und gerade auf dem Sektor des Illustrationswesens unverzichtbares Fachpersonal empfahlen und einen regen Austausch und Handel mit Klischees aufrecht erhielten.

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Nach seinen Auslandsaufenthalten kehrte Weber 1832 nach Deutschland zurück und wählte Leipzig, Messestadt und Zentrum des deutschen Buch- und Verlagshandels, als neue Wirkungsstätte. Zunächst war er als Geschäftsführer der Leipziger Niederlassung des Londoner Verlegers und Schriftstellers Charles Knight für den reibungslosen Vertrieb des Penny Magazine verantwortlich. Mit dem Wechsel zu Martin Bossange père wurde er mit der Herausgabe des deutschen Pfennig-Magazins beauftragt. Bereits ein Jahr später, im August 1834, gründete Johann Jakob Weber sein eigenes Geschäft, zunächst auf der Basis von diversen Verlagsartikeln, die ihm Martin Bossange überlassen hatte. Weber war ein aufmerksamer Beobachter des europäischen Buch- und Zeitschriftenmarktes und sein von Anbeginn an großes Interesse an Illustrationstechniken bestärkte ihn, einen Verlagsschwerpunkt auf die Herstellung von illustrierten Werken zu legen. Zu einem seiner größten Verlagserfolge entwickelte sich das Buchprojekt Geschichte Friedrichs des Großen (1840) von Franz Kugler mit Illustrationen von Adolph Menzel. 10

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Wie hoch Johann Jakob Webers Verdienste für die Entwicklung des Illustrationswesens in Deutschland von den Zeitgenossen eingeschätzt wurden, zeigte die Würdigung seiner Leistungen in einem eigens dem Verleger gewidmeten Artikel im Brockhausschen Conversations-Lexicon von 1868, in dem Johann Jakob Weber attestiert wurde, an der »Belebung und Förderung der deutschen Holzschneidekunst wesentlich mitgewirkt zu haben«. 11

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Die Pfennigpresse:
»Anfang einer neuen Aera
auf dem Gebiete der Journalistik«

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Am 4. Mai 1833 erschien erstmals das Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse in Leipzig. Das wöchentlich erscheinende Magazin hatte einen Umfang von 16 Seiten und bot einen facettenreichen Inhalt, der von bildlichen Darstellungen bis zu einer bunten Mischung von Kurzgeschichten, Rätseln sowie Berichte aus Technik und Wissenschaft reichte. Allerdings hatte Weber mit ungleich rigideren Presseeinschränkungen als seine englischen Kollegen und mit einer geringeren Kaufkraft der deutschen Käufer sowie einem eklatanten Mangel an kompetenten Mitarbeitern zu kämpfen. Unter der Überschrift Was wir wollen stellte Weber in der ersten Ausgabe Konzept und Programm seines Magazins vor, nämlich »die innige Verbindung des Holzschnittes mit der Druckpresse zu benutzen, um die Tagesgeschichte selbst mit bildlichen Erläuterungen zu begleiten und durch eine Verschmelzung von Bild und Wort eine Anschaulichkeit der Gegenwart hervorzurufen, von der zu hoffen ist, daß sie das Interesse an derselben erhöhen, das Verständnis erleichtern und die Rückerinnerung um vieles reicher und angenehmer machen wird«. 12 Weber bemühte sich darum, die zunehmende Lust von nichtakademischen Lesern nach Bildungserwerb und Bildungserweiterung mittels visueller Darstellung professionell zu bedienen; Weber gelang es nicht, seinem Pfennigmagazin ein übergreifendes didaktisches Konzept zu geben, aber er bot seinen Lesern durch die Kombination von Belehrung und Unterhaltung und die Wahl von Themen, z.B. illustrierte Berichte über Sehenswürdigkeiten, Erfindungen, exotische Pflanzen und Tiere, eine Erweiterung ihres Wissenshorizontes. 13 Und der Verleger versäumte es nicht, in der Eröffnungsnummer seines Magazins explizit auf den neuartigen und für sein Presseunternehmen konstitutiven Programmpunkt, nämlich eine effektvolle Verbindung von Text und Bild, hinzuweisen. Das nachhaltige Visualisierungsbedürfnis veränderte im Laufe der Zeit die Sehgewohnheiten der Konsumenten, und Weber, der diese Trendwende frühzeitig erkannte, passte sich mit seinem Pfennig-Magazin diesem Trend nach einer zunehmenden populärwissenschaftlichen und bildgestützten Aufbereitung von Wissen an.

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Für den Vertrieb des Pfennig-Magazins beschritt Weber neue Wege: Der Verlag arbeitete nicht nur mit Werbeprospekten und Werbeinseraten, einer großzügigen Freiexemplarregelung und lukrativen Staffelrabatten, sondern er beschäftigte darüber hinaus Werbekolonnen, die das Pfennig-Magazin gerade in den abgelegenen Provinzen und Regionen Deutschlands bekannt und zugänglich machten. 14 Für sein gesamtes Verlagsprogramm warb Weber mit originellen Anzeigen, erstmals mit Bebilderung, ein Novum im Anzeigenwesen, und forcierte durch gezielte Anfragen Rezensionen in deutschen Zeitschriften. 15

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»Illustration als Hebel der Volksbildung«
oder »Volksverdummung«?

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Die illustrierte Pfennigpresse markierte aber nicht nur den »Anfang einer neuen Aera auf dem Gebiete der Journalistik«, 16 sondern auch die verstärkte visuelle Vermittlung von populärwissenschaftlichen Informationen und Themen durch Bild und Text. Der Frage nach dieser Form der Wissensvermittlung ging erst jüngst Angela Schwarz in ihrer Studie Populärwissenschaftlich in Text und Bild. Zur Visualisierung in der britischen Wissenschaftsvermittlung des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Kinder- und Jugendliteratur nach. 17 Die Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die Ausweitung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Ausdifferenzierung naturwissenschaftlicher Disziplinen korrespondierte mit dem Wandel zeitgenössischen Bildungsverständnisses, wonach Wissen und Bildung Allgemeingut aller Bevölkerungsschichten sein sollte und Allgemeinbildung eine pragmatische Ausrichtung erfuhr. 18

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Mit der Frage, ob der fortschreitende Trend zur Visualisierung nicht zuletzt auch dazu führte, komplexe Sachverhalte nur noch in reduzierter Form anzubieten, beschäftigt sich nicht erst die gegenwärtige Forschung; schon die zeitgenössischen Lesepädagogen, Schriftsteller und Publizisten, wie z.B. Friedrich Oldenberg (1820–1894), kritisierten den Drang nach Anschaulichkeit, der den »flüchtigen Genuss« fördere, denn »wie bequem ist das Bild, auch dem Halbschlafenden, dem interesselos Blätternden, dem Trägen und Uebersättigten ohne die lästige Arbeit des Lesens einen flüchtigen Genuß zu geben«. 19 Drastischere Worte fand Karl Ferdinand Gutzkow, einer der kritischsten Kommentatoren der Entwicklungen des zeitgenössischen Buchmarkts (1811–1878) und mutmaßlicher Verfasser des Beitrags »Illustration und Verdummung« (erschienen 1860 in der Zeitschrift Unterhaltungen am häuslichen Herd) wonach das Medium des Holzschnitts »nahezu an die Grenze des Blödsinns gekommen [sei]«. 20 Diese provokanten Äußerungen veranlassten Weber zu einer Erwiderung unter dem Titel »Illustration als Hebel der Volksbildung« in der Illustrirten Zeitung und entfachte damit eine kritische, jedoch auf Publizisten und Journalisten begrenzte, Debatte zu diesem Thema. 21

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Johann Jakob Weber
- Förderer der deutschen Holzschneidekunst

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Johann Jakob Weber leistete aber auch Beachtliches auf dem technischen Sektor der Illustrationsverfahren und trug mit seinem Engagement für die Xylographie maßgeblich zur Ausweitung und Qualitätssteigerung deutscher Illustrationen und nicht zuletzt zur Ausbildung eines neuen Berufsstandes auf dem Gebiet der illustrierten Werke in Deutschland bei. Mit seinen Verlagsprojekten – neben dem Pfennig-Magazin und der Illustrirten Zeitung müssen an dieser Stelle auch die deutsche Übersetzung des zuerst in Paris 1838 / 1839 im Verlag Jacques-Julien Dubochet erschienenen Geschichtswerks Histoire de l’empereur Napoléon sowie die Geschichte Friedrich des Großen (1840) genannt werden – gelang es dem ambitionierten Verleger, die technischen Schwierigkeiten und Defizite der deutschen Illustrationsverfahren gegenüber dem europäischen Ausland weitgehend zu überwinden.

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Schaffung eines neuen Berufsstandes im Buchgewerbe:
Die Ausbildung von Holzstechern in Deutschland

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Um 1840 verfügte der deutsche Verlagsbetrieb über nur wenige kompetente Holzstecher, vor allem deshalb, weil bis zum Ende der 1830er Jahre in Deutschland hauptsächlich der grobe Holzschnitt Anwendung fand. Bereits seit 1839 warben Leipziger Verleger systematisch im Ausland ausgebildete Fachkräfte an, die sich aber so schnell eine Monopolstellung erwarben, dass die Verleger, um dem damit verbundenen Preisdruck zu entgehen, vermehrt dazu übergingen, deutsche Illustratoren im Ausland aus- und fortbilden zu lassen; ein Konzept, das schon innerhalb kurzer Zeit Erfolg hatte, denn die Leipziger Verleger waren nunmehr von ausländischen Stechern weitgehend unabhängig.

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Auch Weber brauchte seit 1846 nicht mehr auf ausländisches Fachpersonal zurückgreifen, denn er hatte sich innerhalb von wenigen Jahren einen eigenen Mitarbeiterstamm aufgebaut, der hauptsächlich für die Illustrirte Zeitung arbeitete. Weber ging sogar soweit, ihm persönlich bekannte Holzstecher und Formschneider, u.a. Eduard Kretzschmar, der sich durch die engagierte Förderung Webers zu einem herausragenden Xylographen des 19. Jahrhunderts entwickelte, langfristig an seinen Verlag zu binden, indem er deren kostenaufwendige Ausbildung im Ausland finanzierte. Kretzschmar gründete mit Unterstützung Webers 1845 sein eigenes Xyolographisches Institut in Leipzig, das sich in nur kurzer Zeit zu einem der ersten Großateliers Deutschlands entwickelte. Webers eigennütziges Handeln war offensichtlich, denn die technische Ausstattung Kretzschmars wurde von Weber nicht nur finanziert und nach den Erfordernissen der Illustrirten Zeitung eingerichtet, sondern es war darüber hinaus vereinbart worden, dass das Atelier nach Kretzschmars Tod, der bereits 1858 eintrat, in den Besitz des Verlagshauses Weber überging. So wird am Beispiel des innovativen und risikofreudigen Verlegers Johann Jakob Weber nochmals besonders plastisch, dass illustrierte Verlagswerke im 19. Jahrhundert wie kein anderes künstlerisches Medium zunächst von technischen Voraussetzungen abhängig, aber auch unlösbar in kommerzielle Zusammenhänge wie auch Zwänge eingebunden waren. 22

[32] 

Diese herausragende Rolle des Leipziger Buch- und Verlagshändlers Johann Jakob Weber nicht nur auf dem deutschen Buchmarkt im 19. Jahrhundert rechtfertigt also durchaus eine ausführliche Besprechung des Bandes von Wolfgang Weber über die Gründung und Entwicklung des Verlagshauses in Leipzig. Zudem bietet die jetzt vorgelegte neu bearbeitete Ausgabe neben weiterführenden Erkenntnissen eine Vielzahl an zeitgenössischen Abbildungen. Der Neuauflage wurde außerdem eine Literaturauswahl am Schluss des Bandes beigegeben, so dass sich der interessierte Leser über die vorhandene Literatur einen ersten Eindruck verschaffen kann.

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Zweitens:
Die Mikrofiche-Edition Illustrierte Zeitschriften.
Verlag Harald Fischer GmbH Erlangen:
Die Leipziger Illustrirte Zeitung des Verlegers Johann Jakob Weber

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In den Jahren 1999 und 2002 präsentierte der Erlanger Verleger Harald Fischer eine Mikrofiche-Edition von Illustrierten Zeitschriften und bietet damit einen komfortablen Zugriff auf die wichtigsten Familien- und Unterhaltungsblätter des 19. Jahrhunderts: In nur kurzer Folge legte der Verleger die Zeitschriften Die Gartenlaube (1999), Die neue Gartenlaube (1999), Über Land und Meer (2000), Daheim (2002), die Illustrirte Zeitung (2001) und zuletzt im Jahr 2002 die Zeitschrift Jugend vor. Seit 2003 stellte der Verlag zudem eine ganze Palette von literar-historischen Zeitschriften des frühen 20. Jahrhundert auf Mikrofiche zur Verfügung, u.a. die Periodika Die Gegenwart (1872–1931), Europäische Revue (1925/26–1944) oder die Xenien (1908–1914). Der Verlag hatte sich bereits in den 1990er Jahren auf dem Sektor der Mikrofiche-Editionen wie auch in jüngerer Zeit der digitalen Editionen profiliert (vgl. die Homepage des Verlags: info@haraldfischerverlag.de). So bietet sein Verlagsprogramm Reproduktionen von Meisterwerken der deutschen Buchillustration vom Hochmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Einen Schwerpunkt setzt der Erlanger Verleger auf die Neuausgabe naturwissenschaftlicher Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die allein wegen ihrer Abbildungen noch heute große Relevanz besitzen, so z.B. Jacob Hübners Geschichte der europäischen Schmetterlinge mit 500 kolorierten Tafeln (1793–1842), die jetzt auf CD erworben werden kann. Doch in diesem Zusammenhang interessiert allein die Mikrofiche-Edition der Leipziger Illustrirten Zeitung.

[35] 

»Lokomotive zur Förderung des geistigen Verkehrs«
- Die Leipziger Illustrirte Zeitung (1843–1944)

[36] 

Zehn Jahre nach der Gründung des deutschen Pfennigmagazins importierte Weber einen weiteren Pressetyp – wiederum aus England – nach Deutschland. Mit seiner Illustrirten Zeitung, die erste Nummer erschien am 1. Juli 1843, schuf er ein deutsches Pendant zu der Zeitung Illustrated London News, die erstmals die aktuelle Bildberichterstattung in den Journalismus einführte. 23

[37] 

Zunächst verhinderte die rigide Pressepolitik in Deutschland die Aufnahme von tagespolitischen Berichten, doch die politische Stimmungslage wenige Jahre vor der 1848er Revolution schuf ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer Politisierung der Berichterstattung, dem Weber nachkam; sein neuer Presseartikel konnte schon im Dezember 1843 in einer Auflage in Höhe von 7.5000 Exemplaren problemlos abgesetzt werden. Nach dem Scheitern der Revolution setzte wiederum ein Trend zur Entpolitisierung dieses Pressemediums ein und den Untertitel »Illustrierte Zeitung« führten fortan hauptsächlich Familien- und Unterhaltungsblätter, die das populäre Schlagwort des besseren Werbeeffekts wegen favorisierten.

[38] 

Weber beschritt auch bei der Verwirklichung dieses Verlagsprojekts neue Wege. Sein persönlicher Ehrgeiz als Verleger war es, »wichtige tagesgeschichtliche Ereignisse, mögen sie sich wo immer zutragen, mit einer Schnelligkeit in Wort und Bild ihren Lesern vorzuführen, wie es bisher keiner anderen deutschen illustrierten Zeitung möglich ist«. 24 Er beschäftigte in zahlreichen Ländern Korrespondenten, die wichtige und erwähnenswerte Nachrichten sammelten, bereits vor Ort Zeichner für die Illustrationen rekrutierten, und diese Informationsbündel nach Leipzig lieferten. In den Anfangsjahren konnten zwischen Ereignis und Publikation in der Illustrirten Zeitung noch mehre Wochen liegen, doch die Aktualität der Nachrichtenpräsentation stieg in dem Maße, wie Europa durch Eisenbahnen und neue Telekommunikationssysteme erschlossen wurde. Weber bemühte sich aber auch als Verleger um eine Kompensation des Zeitverlustes und installierte ein europaweites Netz von Bild-Korrespondenten, die direkt am Ort des Ereignisses zeichneten. Die damit gewährte größere Authentizität der Bildveröffentlichung wurde durch den Vermerk »von unserem Spezialartisten« hervorgehoben. 25

[39] 

Es war ungewöhnlich, dass Redaktionen einen umfassenden Einblick in den Arbeitsalltag ihres Zeitschriftenunternehmens erlaubten. Daher ist die vollständige Wiedergabe des Jubiläumsartikels aus dem Jahr 1862 anlässlich des Erscheinens der 1000. Zeitschriftennummer in Wolfgang Webers Verlagsgeschichte eine informative Ergänzung der Mikrofiche-Edition. Der Artikel liefert auf über 20 Druckseiten bemerkenswert detaillierte Auskünfte über die Anlage und Ausstattung der Redaktionsräume und des Zeichnerateliers, die verlagseigene Xylographische Anstalt und Buchdruckerei sowie über die einzelnen Organisationseinheiten und Arbeitsabläufe in Herstellung, Vertrieb und Marketing des hocheffizienten Unternehmens. 26

[40] 

Die Illustrirte Zeitung zählte zu Webers erfolgreichsten und langlebigsten Verlagsunternehmen. Schon drei Jahre nach ihrer Gründung stieg die Auflagenhöhe auf 11.000 Exemplare. Mit ihrer Erscheinungsdauer von 1843 bis 1944 bietet die Illustrirte Zeitung einen sensationellen Quellenfundus: Die Zeitschrift brachte es auf 5.000 Ausgaben, die über einen Zeitraum von 100 Jahren kultur- und literarhistorische und gesellschaftspolitische Informationen sowie Entdeckungen und Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik archivierten. Zudem handelt es sich um ein einmaliges Bildarchiv mit über 300.000 Illustrationen, die eindrucksvoll Berichte über das zeitgenössische politische, wissenschaftliche, kulturelle und literarische Leben liefern.

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Das Verdienst, diesen immensen Quellen- und Bildfundus der Wissenschaft wieder zur Verfügung gestellt zu haben, gebührt zweifelsohne dem Erlanger Verleger Harald Fischer. Ergänzend zu dieser Edition kann die Publikation Johann Jakob Weber im Verlag Lehmstedt als »Appetithappen« verstanden werden. Lehmstedts Neuauflage ersetzt selbstverständlich keine wissenschaftliche Monographie. Sie drückt vielmehr die »Lust auf kleine Entdeckungen« aus: so charakterisiert das Leipziger Stadtmagazin anlässlich der Gründung des Verlags im Mai 2003 die verlegerischen Ambitionen Mark Lehmstedts treffend. Und vielleicht liefert diese Neuauflage (nunmehr flankiert von der Mikrofiche-Edition der Illustrirten Zeitung) entscheidende Impulse, dem innovativen und wirkungsmächtigen Verlagshaus Johann Jakob Weber vermehrt wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu schenken. Doch abschließend gilt das Augenmerk noch ein letztes Mal dem Verlagsprogramm von Mark Lehmstedt.

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Drittens:
Der Verlag Mark Lehmstedt in Leipzig

[43] 

Der Verlag wurde im März 2003 von dem Buchhistoriker und Germanisten Mark Lehmstedt gegründet und profiliert sich seitdem mit Erfolg mit kulturgeschichtlichen Büchern und das längst nicht mehr nur im Leipziger Raum. Die ersten Bücher befassen sich mit der Kulturgeschichte Leipzigs: So erschienen zunächst Das Alte Rathaus von Doris Mundus und Zum arabischen Kaffeebaum, verfasst von Hannelore Stingl. In nur kurzer Folge brachte Mark Lehmstedt auch über Sachsen hinaus Interesse erregende Bücher heraus, wie z.B. Hanskarl Hoernings Die Leipziger Pfeffermühle. Geschichte und Bilder aus fünf Jahrzehnten (2004) oder Alfred Richters Memoiren über das Leipziger Musikleben im 19. Jahrhundert unter dem Titel Aus Leipzigs musikalischer Glanzzeit. Erinnerungen eines Musikers (2004). Da Leipzig dauernde oder vorübergehende Wirkungsstätte vieler Künstler und Schriftsteller auch noch im 20. Jahrhundert war, gelingt es dem Verlag immer wieder, mit Büchern aufzuwarten, die bislang ungedruckte Texte längst im deutschen Literaturkanon etablierter Autoren einer interessierten Leserschaft erstmals in gedruckter Form zugänglich machen.

[44] 

Eine besondere literarische Entdeckung:
Essays und Glossen von Erich Kästner

[45] 

Eine nachdrückliche Hervorhebung verdient der soeben erschienene Band von Erich Kästner Der Karneval des Kaufmanns. Gesammelte Texte aus der Leipziger Zeit 1923–1927 (herausgegeben von Klaus Schuhmann), der erstmals Gedichte, Aphorismen, Erzählungen, politische Glossen und Leitartikel in einen Band fasst, sorgfältig zusammengestellt von dem Leipziger Germanisten Klaus Schuhmann, die bislang unbemerkt im »Zeitungsgrab« des Leipziger Tageblatt und der Neuen Leipziger Zeitung schlummerten. Bislang galt das Interesse der Erich Kästner-Forschung über lange Zeit dem erst in Berlin und hier vor allem mit seinen Kinderbüchern berühmt gewordenen Kästner. Seine produktiven Jahre in Leipzig, wo der Schriftsteller bei der Neuen Leipziger Zeitung zunächst als Kulturredakteur und schließlich als politischer Redakteur tätig war, bevor er 1927 nach Berlin ging, gerieten nicht in den Fokus der Forschung.

[46] 

Alle bislang vorgelegten Verlagsartikel von Mark Lehmstedt – und das sind mit Blick auf das Gründungsdatum des Verlags bereits beachtlich viele – sind profund und wissenschaftlich zuverlässig in der Themenpräsentation, ansprechend in der Buchausstattung (und dies nicht zuletzt durch die Übertragung von Gestaltung und Satz an den Berliner Graphiker Mathias Bertram, Sohn des Gebrauchsgraphikers Axel Bertram, der u.a. die Fernsehschrift des Fernsehens der DDR entworfen hat). Außerdem sind die Bücher gerade mit Blick auf die besondere Sorgfalt beim Buchdesign bemerkenswert moderat in der Preisgestaltung.

[47] 

Durchstöbert man die (übrigens mit nicht weniger Umsicht ausgestatteten) Verlagsprospekte des Verlegers Mark Lehmstedt, darf man die für Herbst 2004 angekündigten Titel zweifelsohne mit Spannung erwarten!


Dr. Christine Haug
Universität Mainz
Institut für Buchwissenschaft
Jakob-Welder-Weg 18 (Philosophicum)
DE - 55099 Mainz

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Ins Netz gestellt am 29.11.2004

IASLonline ISSN 1612-0442

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Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Lena Grundhuber.

Empfohlene Zitierweise:

Christine Haug: Popularisierung der Wissensvermittlung und Revolutionierung der Wahrnehmung. Essay anlässlich zweier Neuerscheinungen zum Thema Illustration und Massenmedien im 19. Jahrhundert. (Rezension über: Johann Jakob Weber (Hg.): Illustrirte Zeitung. 1843-1944. Mikrofiche-Edition. Hg. von Alfred Estermann. Erlangen: Harald Fischer 2001. – Wolfgang Weber: Johann Jakob Weber. Der Begründer der illustrierten Presse in Deutschland. Leipzig: Mark Lehmstedt 2003.)
In: IASLonline [29.11.2004]
URL: <http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/Haug3891313497_1167.html>
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Anmerkungen

Vgl. Hartwig Gebhardt: Die Pfennig-Magazine und ihre Bilder. Zur Geschichte und Funktion eines illustrierten Massenmediums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Rolf Wilhelm Brednich / Andreas Hartmann: Populäre Bildmedien. Vorträge des 2. Symposions für ethnologische Bildforschung, Reinhausen bei Göttingen 1986. Hamburg: Verlag Volker Schmerse 1989, S. 19–41; Hartwig Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. Zur Geschichte einer wenig erforschten Pressegattung. In: Buchhandelsgeschichte 2 (1983), S. B 41-B 65; Bernd Weise: Aktuelle Nachrichtenbilder »nach Photographien« in der deutschen illustrierten Presse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Charles Grivel / André Gunthert / Bernd Stiegler (Hgg.): Die Eroberung der Bilder. Photographie in Buch und Presse (1816–1914). München: Fink 2003, S. 62–101.   zurück
Andreas Schmidt: »Wolken krachen, Berge zittern, und die ganze Erde weint ...«: zur kulturellen Vermittlung von Naturkatastrophen in Deutschland 1755 bis 1855. Münster: Waxmann 1999.   zurück
Vgl. hierzu Kai Lückemeier: Information als Verblendung. Die Geschichte der Presse und der öffentlichen Meinung im 19. Jahrhundert. Stuttgart: ibidem Verlag 2001, S. 204–207.   zurück
Lückemeier: Information als Verblendung, S. 209–211.   zurück
Vgl. hierzu Eva-Maria Hanebutt-Benz: Studien zum deutschen Holzstich im 19. Jahrhundert. Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung 1983, Sp. 692.   zurück
Hier sei auf eine Untersuchung verwiesen, die dieses Magazin zum Gegenstand einer Dissertation wählte: Johanna Köster: Le Magasin pittoresque: zur Industrialisierung von Bild und Bildung in der französischen Presse des 19. Jahrhundert (1833–1890). Universität Mannheim, Dissertation, Mikrofiche-Ausgabe 1997.   zurück
Vgl. Viola Düwert: Geschichte als Bildergeschichte? Napoleon und Friedrich der Große in der Buchillustration um 1840. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 1997, S. 146.   zurück
Hanebutt-Benz: Studien zum deutschen Holzstich, Sp. 681–683.   zurück
Vgl. hierzu Düwert: Geschichte als Bildergeschichte, S. 32–34.   zurück
10 
Vgl. Karl Friedrich Pfau: Johann Jacob Weber. In: Gerhard Menz: Deutsche Buchhändler. Vierundzwanzig Lebensbilder führender Männer des Buchhandels. Leipzig: Verlag Werner Lehmann 1925, sowie die zahlreichen Jubiläumsartikel über das Verlagshaus im Börsenblatt und in diversen Leipziger Zeitschriften; diese Artikel sind sämtlich in dem hier besprochenen Band von Wolfgang Weber bibliographisch ausgewiesen.   zurück
11 
Hier zit. n. Düwert: Geschichte als Bildergeschichte, S. 144.   zurück
12 
Hier zit. n. Düwert: Geschichte als Bildergeschichte, S. 148.   zurück
13 
Vgl. Hannebutt-Benz: Studien zum deutschen Holzstich, Sp. 695–698.   zurück
14 
Hannebutt-Benz: Studien zum deutschen Holzstich, Sp. 699.   zurück
15 
Vgl. auch Düwert: Geschichte als Bildergeschichte, S. 167–170.   zurück
16 
Hier zit. n. Lückemeier: Information als Verblendung, S. 64.   zurück
17 
Angela Schwarz: Populärwissenschaftlich in Text und Bild? Zur Visualisierung in der britischen Wissenschaftsvermittlung des 19. Jahrhunderts: Das Beispiel der Literatur für Kinder und Jugendliche. In: AGB 56 (2002), S. 179–201.   zurück
18 
Schwarz: Populärwissenschaftlich in Text und Bild, S. 183.   zurück
19 
Friedrich Oldenberg: Ein Streifzug in die Bilderwelt. Hamburg: Rauhes Haus 1859, S. 25.   zurück
20 
Illustration und Volksverdummung. In: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Leipzig. N.F. Bd. 5, Nr. 51, [15.09.] 1860, S. 816.   zurück
21 
Vgl. hierzu Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften in Deutschland, S. B 51.   zurück
22 
Vgl. hierzu grundsätzlich Düwert: Geschichte als Bildergeschichte, hier S. 10, 149–157.   zurück
23 
Vgl. Hannebutt-Benz: Studien zum deutschen Holzstich, Sp. 709.   zurück
24 
Hier zit. n. Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften in Deutschland, S. B 50.   zurück
25 
Vgl. hier Weise: Aktuelle Nachrichtenbilder, S. 71.   zurück
26 
Weber: Johann Jakob Weber, S. 81–108.   zurück