- Josef Körner: Philologische Schriften und Briefe.
Hrsg. von Ralf Klausnitzer. Mit einem Vorwort von Hans Eichner (Marbacher Wissenschaftsgeschichte. Hrsg. von Christoph König und Ulrich Ott. Bd. 1.) Göttingen: Wallstein 2001. 480 S. Brosch. Eur (D) 39,-
ISBN 3-89244-458-7
1. Eine neue wissenschaftshistorische
Schriftenreihe – und ihr Start mit der Edition von Schriften Josef
Körners
Es ist eine wohl nicht ohne Bedacht
getroffene Entscheidung der beiden Herausgeber Christoph König und
Ulrich Ott gewesen, ihre neue Schriftenreihe der Arbeitsstelle für die
Erforschung der Geschichte der Germanistik im Deutschen Literaturarchiv
Marbach gerade mit einem Band Philologische Schriften und Briefe von
Josef Körner (1888–1950) zu eröffnen, einem Germanisten also,
dessen Name über einen engeren Kreis von kundigen Romantikforschern
hinaus wohl nur mehr als der des Verfassers jenes berühmten, seinerzeit
unentbehrlichen und auch heute noch immer mit Gewinn zu lesenden (keineswegs
nur >anzublätternden<) Bibliographischen Handbuchs des deutschen
Schrifttums 1 allgemeiner geläufig
sein dürfte.
Als Herausgeber, Kommentator, Bio- und
Bibliograph dieses mit einem würdigenden und empfehlenden Vorwort von
Hans Eichner einbegleiteten Bandes zeichnet Ralf Klausnitzer, fachkompetent
ausgewiesen vor allem durch eine wissenschaftsgeschichtlich wichtige
Monographie über Romantikforschung und -forscher in der Ära des
Nationalsozialismus 2 .
Die Publikation ist in vier Hauptteile gegliedert.
"(Philologische) Schriften" (S. 9–185) bezieht sich als
Sammeltitel
auf eine knappe Auswahl von 14 Texten aus einer Gesamtmasse von rund 350
Titeln, welche ein (leider nicht durchnumeriertes) "Verzeichnis der
Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 351) einzeln
aufzählt (einschließlich nicht immer vollständiger Listen von
Rezensionen der selbständig erschienenen Schriften). Diese Bibliographie
macht die erste Abteilung eines "Anhangs" (S. 349–476) aus,
dessen
zweite Abteilung ein "Nachwort" einnimmt, in dem der Herausgeber
Ralf Klausnitzer unter der programmatischen Überschrift "Josef
Körner – Philologe zwischen den Zeiten und Schulen. Ein biographischer
Umriß" (S. 385–461) eine lebens- und werkgeschichtliche
Gesamtwürdigung in zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen
Zusammenhängen zu bieten unternimmt. Den Abschluß bildet ein
"Personenregister" (S. 463–476), das sich allerdings an das
eingangs gegebene Versprechen, "alle Personen" zu erfassen,
"die im Text sowie im Anmerkungsapparat der Schriften, Briefe und des
Nachworts erwähnt werden" (S. 473), nicht nur nicht hält,
sondern auch bei manchen erfaßten Personen keineswegs alle
Erwähnungen berücksichtigt.
Etwa den gleichen Raum wie die Auswahl von
"Schriften" nimmt, an diese unmittelbar anschließend, eine
Abteilung "Briefe" (S. 187–348) ein, in der an die 65
Schreiben
abgedruckt sind, die Josef Körner von Anfang Januar 1946 bis Anfang Mai
1950 von seinem "Tomi" (S. 289) Roztoky bei Prag aus an die seit
November 1934 im schwedischen Exil zu Göteborg als Sprachlehrerin im
Schuldienst lebende bedeutende deutschjüdische
Literaturwissenschaftlerin und -theoretikerin Käte Hamburger (1896–1992)
gerichtet hat, deren Lebenslauf der Herausgeber offenbar für so
allgemein bekannt gehalten zu haben scheint, daß er meint, dem Leser
keinerlei biographische Informationen preisgeben zu müssen, nicht einmal
Geburts- und Sterbejahr.
Am chronologischen Leitfaden des "biographischen
Umrisses" sei im Folgenden eine kritisch referierende Würdigung
dieses thematisch so überaus wichtigen Bandes vorzunehmen versucht.
2. Zur Herkunft, weltanschaulichen Orientierung
und akademischen Ausbildung Körners
Das ein wenig pompös mit "Herkunft und
universitäre Sozialisation" (S. 389–399) überschriebene
erste
Kapitel des "biographischen Umrisses" ist den mährischen
Kindheits- und Schuljahren sowie den Wiener Studienjahren Josef Körners
gewidmet.
In Hinblick auf vermeintlich analoge
"Ausgangsbedingungen" (und wohl nicht nur auf die Gleichheit der
Vornamen) hat der Herausgeber an späterer Stelle eine Parallele zwischen
Josef Körner und Josef Nadler zu ziehen versucht:
In ihren Geburtsjahrgängen nur vier Jahre
voneinander
getrennt und dem tschechischen Teil der k. u. k. Monarchie entstammend,
erfuhren beide Germanisten ihre universitäre Sozialisation durch die
spätpositivistische Philologie österreichischer Prägung (S.
439–440).
Nicht in jedem dieser Punkte kann man indessen von Parallelen
sprechen. Gewiß kamen beide Josefs aus den böhmischen
Ländern, aber schon die Behauptung, beide wären "dem
tschechischen Teil der k. u. k. Monarchie" entstammt, ist
irreführend. Körner stammte aus dem südostmährischen Dorf
Rohatec (Rohatetz) bei Hodonín (Göding), das – ähnlich wie die
Gymnasialstadt Uherské Hradiště (Ungarisch Hradisch) – in
einer kompakt
tschechischsprachigen Region lag, die nur eine verschwindend geringe
deutschsprachige Minderheit aufwies; genau umgekehrt lagen die Dinge bei
Nadler, der in einer kompakt deutschsprachigen Gegend mit einer verschwindend
geringen tschechischsprachigen Minderheit aufwuchs. "Josef Nadler wurde
1884 im nordböhmischen Neudörfl [!] geboren" (S. 440),
stellt
da eine sehr unpräzise Information dar; denn allein
"nordböhmische Neudörf(e)l" dieses Ortsnamens gab es
nicht weniger als ein halbes Dutzend, von denen Nadlers Geburtsort, die
200-Seelen-Dorfgemeinde "Neudörfel" (so die offiziell
korrekte
Schreibweise) bei Hainspach, im sogenannten "Böhmischen
Niederland" ganz dicht an der böhmisch-sächsischen Grenze zur
Oberlausitz gelegen, fast ausschließlich deutsche Einwohner hatte.
Die sogenannte "universitäre Sozialisation"
vollzog sich dann gleichsam umgekehrt kontrastiv: bei Körner im so gut
wie kompakt deutschsprachigen Wien, bei Nadler innerhalb der Enklave eines
deutschsprachigen "Städtchens" (S. 55) inmitten der
"slawischen Großstadt" (ebd.) Prag. Während die
Kindheits- und Gymnasialjahre wie auch die Anfänge der
Universitätslaufbahn Josef Nadlers bis hin zu seiner Berufung nach
Königsberg (1925) stark konfessionell-katholisch geprägt oder
zumindest mitbestimmt waren, dürfte Körner schon sehr früh
einen nicht nur konfessionell, sondern auch allgemein religiös
indifferenten, rein "anthropologischen" bzw. anthropozentrischen
Standpunkt eingenommen haben, wie er dann in den Briefen an Käte
Hamburger mit wiederholtem Nachdruck dargelegt ist. Diesen Sachverhalt
verkennt der Herausgeber, wenn er schreibt, Körner haben den
"Glauben seiner Vorfahren" (S. 390, Hervorhebung K. K.) nicht
verleugnet. Woraus Körner nach eigenem Bekenntnis nie ein Hehl gemacht
hat, das war seine jüdische "Abstammung" (S. 189), seine
"Herkunft" (ebd.), aber jegliche "Gottesfiktion" (S.
239), also auch deren jüdisch-mosaische Spielart, war für ihn eine
nicht mehr nachvollziehbare "ideelle Kinderei" (S. 216), ein
"Atavismus des theologischen Zeitalters" (S. 196), das
endgültig vergangen sei.
Das nationale Identitätsbewußtsein Körners,
seines Elternhauses wie seiner später in nazistischen Vernichtungslagern
ermordeten Geschwister Erna Körner (1893–1941) und Dr. Max
Körner
(1882–1943) scheint sich nicht nur im Festhalten an der "deutschen
Sprache und Kultur" (S. 389) manifestiert, sondern in einem zwar nicht
"deutschradikalen", wohl aber "deutschliberalen" Sinne
auch eine historisch-politische Dimension umfaßt zu haben. So
schließt etwa die ausdrücklich den "geliebten Geschwistern
Erna und Max" gewidmete Schrift Das Nibelungenlied (Leipzig 1921)
mit einem rezeptionsgeschichtlichen Rück- und Ausblick, der zugleich ein
Geschichts- und Zeitgeschichtsbild erkennen läßt, das sonore
Töne eines auch politisch instrumentierten nationalen Pathos keineswegs
scheut und vermeidet:
Fragt man sich, [...] wie ein Werk von solcher Tiefe
der
Empfindung [...] dem eigenen Volk jahrhundertelang so gut wie verloren sein
konnte, dann muß der Hinweis auf den tragischen Verlauf der deutschen
Geschichte zur Antwort dienen, der innere Zusammenbruch der Nation im 16. und
17. Jahrhundert, durch den mit der politischen Macht auch die geistige Kultur
des Volkes verschüttet ward. Beide sind glanzvoll wieder
erstanden, und aus dem Nibelungenlied nicht zuletzt haben Kraft und Stolz und
Zuversicht jene Männer gesogen, die am Beginn des 19. Jahrhunderts dem
deutschen Geist und dem deutschen Schwert die ruhmvollen Wege wiesen,
die bis ans Ende des Säkulums immer höher und höher
hinanführten. Hat eine trauervolle Gegenwart die Nation von dieser
schon schwindligen Höhe nun jäh hinabgestürzt, – ihre
geistigen Güter, die kein Feind rauben kann, sind ihr geblieben; die zu
halten und zu hegen, an ihnen sich zu erraffen, sich zu erheben ist die
Forderung des Tages. Wieder kann werden, was einst war, und zum andernmal an
dem alten Gedichte sich ein Feuer entzünden, das alle Gewalt- und
Fremdherrschaft vernichtet. (Ebd., S. 121–122, Hervorhebungen K.
K.).
Nach Kenntnisnahme solcher Sätze erscheint einem die
wenige Jahre später von August Sauer kolportierte Bezichtigung, bei
Körner handle es sich um ein "übelbeleumdetes anationales
Individuum" (S. 425 und 439) als eine besonders böswillige
Verleumdung.
Besonderen Wert hat Josef Körner
stets auf die Feststellung gelegt, als Philologe und Literarhistoriker aus
der Schule Jakob Minors (1855–1912) hervorgegangen zu sein, in seinen
Studien
"vornehmlich von Jakob Minor geleitet, als dessen letzter namhafter
Schüler er zu bezeichnen ist", wie die offenbar auf Körner
selbst zurückgehende Formulierung in der ersten Auflage des Deutschen
Literatur-Lexikons 3 von Wilhelm Kosch
deutlich genug lautet. Und der dem Wirken Minors gewidmete
Passus in der wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung "Deutsche
Philologie", die Josef Körner für den von Eduard Castle
betreuten dritten Band der Deutsch-Österreichischen
Literaturgeschichte 4 beigesteuert hat,
bietet nicht nur eine Charakteristik der germanistischen Leistungen, sondern
auch eine einläßliche Schilderung der Vorlesungspraxis und
Vortragsweise des verehrten akademischen Lehrers aus eigener
Hörererfahrung.
Wie Jonas Fränkel (1879–1965),
der
Verfasser eines bedeutsamen Nachrufs 5 auf
Jakob Minor, so sah auch Josef Körner die Tugenden, Ansprüche und
Leistungsmöglichkeiten des spezifisch Philologischen von Poetik und
Historik in Minors Lehr- und Forschungstätigkeit weithin musterhaft
erfüllt. Nicht ohne Staunen wird man bei Körner – ein Jahr vor
seinem frühen Tode – einen aus dieser Tradition heraus zu
verstehenden
Satz lesen können, der Schlegelsche Gedanken von der Philologie als
Universalwissenschaft erneuern zu wollen scheint: "[...] jedenfalls kann
es nicht Aufgabe der Poetik sein, irgendeine [...] >Philosophie< auf
das Gebiet der Dichtung anzuwenden [...], vielmehr hat der Poetiker, als
Erforscher der dichtesten und deutlichsten menschlichen Ausdrucksgebilde,
eher selbst den Philosophen zu belehren" (S. 315).
3. Zu Körners Beschäftigung mit der
zeitgenössischen Gegenwartsliteratur
"Entdeckung der Gegenwartsliteratur"
"Als Redakteur der Zeitschrift Donauland in Wien:
Entdeckung der Gegenwartsliteratur" (S. 399–413) ist der
"zweite
Abschnitt" (S. 388) des "biographischen Umrisses"
überschrieben.
"Entdeckung der Gegenwartsliteratur" bezeichnet
hier einen Sachverhalt, mit dem Körner sich ebenfalls als Fortsetzer
eines Wirkungsbereichs Jakob Minors (und des von diesem habilitierten Oskar
Walzel) empfinden konnte. "Minors
lebhaftes Interesse für das dichterische Schaffen der Gegenwart"
hatte Jonas Fränkel 1912 in seinem Nekrolog für die Neue
ZürcherZeitung 6 mit
besonderem Nachdruck hervorgehoben, während dieses "lebhafte
Interesse" schon ein Jahrzehnt vorher von Karl Kraus in der Fackel
satirisch glossiert worden war als der Ehrgeiz des Wiener Ordinarius,
"im Germanistenseminar moderne Literatur zu züchten und als
Minordomus der deutsch-österreichischen Literatur seines Amtes zu
walten". 7
Der als erstes Zeugnis eines solchen lebhaften Interesses vom
Herausgeber in seine Textauswahl aufgenommene Aufsatz "Dichter und
Dichtung aus dem deutschen Prag" (S. 55–66) vom September 1917
darf zwar
als Beleg dafür gelten, daß Körner in der Tat als "einer
der ersten Literaturwissenschaftler [...] die Bedeutung Franz Kafkas"
"erkannte und benannte" (S. 386): aber eben nur
als einer von ihnen, und nicht einmal als der allererste; in der
Priorität war ihm da bereits mehr als ein Jahr zuvor sein Mentor Oskar
Walzel mit dem Aufsatz "Logik im Wunderbaren" im Berliner
Tageblatt 8 vom 6. Juli 1916 bahnbrechend
vorangegangen. Auch das an Körners Aufsatz so heftig von Max Brod
gerügte Gruppierungsverfahren, ihn selbst zum "Führer"
(S. 63) eines "Brodschen Kreises" (S. 65) Prager Autoren zu
erklären, war alles andere als neu; schon das Prager Tagblatt
vom 10. Februar 1912 hatte die Zeitschrift Herder-Blätter
(1911 / 1912) definiert als "Organ der jungen Prager Dichter, die um Max
Brod sich schließen", ohne damit bei diesem auf Widerspruch zu
stoßen. Ungewöhnlicher wirkte da schon die Erwähnung eines
etwas peripheren Autors wie Hans bzw. Johannes Thummerer
(1888–1921) im Kontext der Prager Werfel-Generation; aber absolute
Priorität darf erst die meines Wissens allererste und gleich auch sehr
nachdrückliche öffentliche Erwähnung und Hervorhebung eines
Prager Salons für sich beanspruchen, der seither wiederholt von sich
reden gemacht hat 9:
Einigte vordem in Berlin der Verein >Durch< die
Vorkämpfer des Naturalismus, blühte das junge Wien in der
Treibhausluft des Café Griensteidl auf, so fanden Prags jugendliche Dichter
vornehmlich in dem bescheidenen Salon einer hochgebildeten Dame den beliebten
Treffpunkt. Hugo Bergmann, der Herrin des Hauses nahestehend, ein
tüchtiger philosophischer Kopf und wahrer Edelmensch, führte dort
(der Krieg hat ja manches verändert) die geistvollen Debatten und von
seinem Wort und Wesen empfingen die versammelten Literaten mehr Anregung als
Fernstehende ahnen mögen. So geht etwa Max Brods bisher reifste
Schöpfung, der Roman Tycho de [sic!] Brahes Weg zu Gott in
der Grundidee auf eine Studie des bibelkundigen Philosophen zurück (S.
63).
Die hier so rühmend erwähnte, wenn auch nicht beim
Namen genannte "hochgebildete Dame" war die Apothekersgattin
Bert(h)a Fanta (1865–1918), welcher der "tüchtige
philosophische
Kopf und wahre Edelmensch" Hugo Bergmann (1883), einstiger
Klassenkamerad Franz Kafkas und späterer erster Direktor der National-
und Universitätsbibliothek in Jerusalem, als Schwiegersohn besonders
nahestand. Bergmanns Abhandlung "Die Heiligung des Namens (Kiddusch
haschem)" in dem Sammelbuch Vom Judentum (Leipzig 1913) hat
Max Brod selbst in seiner Autobiographie Streitbares Leben
(München 1960, S. 355) als ein "Schriftwerk" bezeichnet, das
wie kaum ein anderes auf ihn einen "erleuchtenden Eindruck" gemacht
habe, gerade in Bezug auf Tycho Brahes Weg zu Gott – nicht
Tycho de
Brahes Weg zu Gott, wie das offenbar schon Körner
unterlaufene, vom Herausgeber kommentarlos übernommene Fehlzitat des
Romantitels lautet.
Solche Errata vermögen bei aller Geringfügigkeit
gleichwohl als warnende Exempel dafür zu dienen, daß man selbst
Texte des mit Recht immer wieder als besonders akribisch gerühmten Josef
Körner nicht ohne kritische Wachsamkeit und Überprüfung
einfach nachdrucken kann, als seien sie gegen Fehlleistungen oder auch
sachliche Irrtümer grundsätzlich gefeit. Ab und zu wäre –
analog zu dem Körnerschen "Hier irrt Schlegel" (S. 144)
– auch
ein "Hier irrt Körner" angebracht gewesen: so etwa, wenn es in
dem hier erörterten Aufsatz heißt, "Männer wie Karl Egon
Ebert und Siegfried Kapper" hätten "in beiden
Landeszungen Zwiesprache mit ihrer Muse" (S. 55) gehalten (übrigens
eines der nicht ganz seltenen Beispiele für den "lebhaft bildernden
[...] Stil" (S. 87) des frühen Körner, den dieser wenig
später mit Recht der Schreibweise Josef Nadlers nachsagen wird.) In
"beiden Landeszungen" (also deutsch und tschechisch) hat indessen
nicht schon Karl Egon Ebert (1801–1882), sondern erst Siegfried Kapper
(1821–1879) publiziert; Friedrich Adler (1857–1938) erhielt
keineswegs als
der "einzige Österreicher Aufnahme in [...] die Modernen
Dichtercharaktere" (S. 58), sondern er war neben Richard Kralik
(1852–1934), Fritz Lemmermeyer (1857–1932) und Josef Winter
(1857–1916)
der vierte und, wenn man den aus dem Deutschen Reich "zugereisten",
in
Wien wohnhaften Oskar Hansen hinzurechnet, sogar der fünfte Autor aus
Österreich unter den insgesamt 21 Beiträgern der Modernen
Dichter-Charaktere von 1885; deren Mitherausgeber hieß nicht
"Henckel" (S. 58), sondern Henckell, und zwar war es Karl Henckell
(1864–1929), nicht aber "Henckel, Wilhelm" (S. 467), wie eine
–
leider nicht vereinzelte – Fehlattribuierung des
"Personenregisters" behauptet.
Zwar lautete der Titel der ersten Gedichtsammlung von Paul
Leppin Glocken, die im Dunkeln rufen (1903), aber sein "Prager
Gespensterbuch" von 1914 hieß nicht Severins Gang ins Dunkle
(S. 61), sondern Severins Gang in die Finsternis: eine
Titelkontamination, wie sie Körner gelegentlich auch sonst unterlaufen
ist, etwa in dem Brief an Käte Hamburger vom 6. April 1948, wo der Titel
der Schrift Umgang mit Dichtung (1936) von Johannes Pfeiffer
(1902–1970) kontaminiert erscheint mit den Gedanken über die
Dichtung (1941) von Gerhard Storz (1898–1983), dem dann auch die
so
entstandene Mischung Umgang mit der Dichtung (S. 276) als Autor (vom
Herausgeber ebenfalls unbemerkt und unberichtigt) zugeschrieben wird.
Gewiß ist in dem Aufsatz "Dichter und Dichtung aus
dem deutschen Prag" (wie auch in den übrigen thematisch verwandten
Donauland-Artikeln) von einem "Kulturkampf gegen die
tschechischen Einwohner der Moldaumetropole [...] nichts zu spüren"
(S. 401), doch sind die nationalen Stereotype deutschliberaler Sichtweise des
tschechisch-deutschen Neben- und Gegeneinander gleichwohl allerorten
präsent: von Prag als Stadt der "ersten deutschen
Universität" (S. 55) über die Bewertung der siebziger Jahre
des 19. Jahrhunderts als die "verhängnisvollen Jahre", welche
die "deutsche Stadt" Prag "endgültig zur slawischen
Metropole wandelten" (S. 60) und die Rede von einer dort einsetzenden
"tatsächlichen Bedrängnis des Volkstums" (S. 56) bis hin
zur Charakteristik von Fritz Mauthners Grenzlandroman Der letzte
Deutsche von Blatna (1887) als "typische Geschichte der
Verdrängung der Deutschen aus altangestammten Sitzen" (S. 57).
Mit dem markigen Vokabular von Feststellungen wie der,
daß auch im "deutschen Prag" als Literaturstadt "mit
deutschem Wesen allzeit deutsche Dichtung vereint bleibt" (S. 56), wird
nicht nur der Programmatik des Donauland, "heimisches
Schrifttum und Heimatkunst zu pflegen und hochzuhalten" (wie
es in einem Werbetext der Zeitschrift ausdrücklich heißt),
dienstpflichtgemäß Rechnung getragen, es scheint darüber
hinaus schon mit dem Titel "Dichter und Dichtung aus dem deutschen
Prag" auch ein kontrastiver Bezug auf Das jüdische Prag
beabsichtigt gewesen zu sein – Titel einer wenige Monate zuvor, an der
Jahreswende 1916 / 17 erschienenen, von der Prager zionistischen Zeitung
Selbstwehr herausgegebenen repräsentativen Sammelschrift, in der
bereits die meisten derjenigen Namen vertreten gewesen waren, die nun bei
Körner als Autoren des "deutschen Prag" nahezu vollzählig
figurierten: Alfred Klaar, Fritz Mauthner, Auguste Hauschner, Friedrich
Adler, Hugo Salus, Oskar Wiener, Oskar Baum, Hugo Bergmann, Franz Kafka, Max
Brod, Otto Pick, Rudolf Fuchs und Franz Werfel.
Dienstzeit im k. u. k. Kriegsarchiv
"Der zweite Abschnitt beleuchtet Körners
Tätigkeit als Redakteur der Monatszeitschrift Donauland zwischen
1916 und 1919" (S. 388) resümiert der Herausgeber, meint
damit aber wohl Körners gesamte dreijährige Dienstzeit im k. u. k.
Kriegsarchiv; denn als Redakteur der "Illustrierten Monatsschrift"
konnte er erst ab März 1917 tätig werden, als das erste Heft des
Donauland erschien.
Außer der recht wenig besagenden Feststellung,
daß er im Kriegsarchiv "Kanzleiarbeiten" (S. 399) zu leisten
hatte, wird von Körners Arbeit im Kriegsarchiv so gut wie nichts
"beleuchtet", obwohl er ja bereits "Anfang 1916" (S. 399)
in diese "Heldenbeschreibungsanstalt", wie Kraus sie in einem Brief
an Sidonie von Nádherny verächtlich nannte, versetzt worden war, also
genau zur gleichen Zeit wie Rainer Maria Rilke, der in einem "arg
bekümmerten" Brief vom 15. Februar 1916 an seinen Verleger Anton
Kippenberg über den dortigen "Dicht-Dienst" des
"Heldenfrisierens" zu berichten hatte. Der ehrgeizige und
umtriebige Oberst Alois Veltzé (1864–1927), in Personalunion
Mitherausgeber
des Donauland und Vorstand der "Schriftenabteilung" des k.
u. k. Kriegsarchivs, leitete auch deren Unterabteilung, die sogenannte
"Literarische Gruppe", der im Laufe der Kriegsjahre zahlreiche
namhafte Schriftsteller und erfolgreiche Journalisten angehörten, u. a.
Rudolf Hans Bartsch, Franz Karl Ginzkey, Paul Stefan Grünfeld, Geza
Silberer (Sil-Vara), Alfred Polgar, Franz Theodor Csokor und nicht zuletzt
der "Titularfeldwebel" Stefan Zweig, den Körner wohl erst seit
dieser Zeit "mein Freund" (S. 219) titulieren konnte.
Unbedingt bemerkt zu werden hätte auch verdient,
daß Donauland schon wenige Wochen nach seinem ersten Erscheinen,
bereits Mitte Mai 1917, zum Merkziel der Satire in der Fackel von Karl
Kraus geworden war und das bis in die ersten Nachkriegsjahre hinein auch
leitmotivisch blieb. "Donauland", so lautet gleich eingangs
die satirische Definition dieser Zeitschrift in der Glosse "Literaten
unterm Doppelaar", "Donauland betitelt sich die
Kriegsdienstleistung der zur Literatur Untauglichen, die jetzt in einem
Bureau der Mariahilferstraße – man gönnt's ihnen – die
Zukunft
Österreichs nebbich schmieden." 10 Es darf vermutet werden, daß der
Fackel-Leser Franz Kafka diese Kriegs-, Literatur- und
Kriegsliteratursatire zu Kenntnis genommen hatte, als er Ende 1917 eine
Mitarbeit an dieser Zeitschrift ablehnte (s. S. 403, Anm. 44.). Zu den
Gründen solcher Ablehnung gehörte auch, was er bereits Anfang 1917
in einem Briefentwurf zum Ausdruck gebracht hatte: "ich bin nämlich
nicht imstande, mir ein im Geiste irgendwie einheitliches
Groß-Österreich klarzumachen und noch weniger allerdings, mich
diesem Geistigen ganz eingefügt zu denken, vor einer solchen
Entscheidung schrecke ich zurück." 11
Studien zu Arthur Schnitzler
Nicht in der – erst 1925 von Willy Haas
begründeten –
Literarischen Welt (S. 405), wie es in diesem zweiten Abschnitt des
"biographischen Umrisses" irrtümlich heißt, sondern in
Ernst Heilborns Literarischem Echo (wie die dazugehörige
Anmerkung 49, ebd., richtig ausweist), ist am 1. April 1917 Josef
Körners erster Text zum Thema Arthur Schnitzler erschienen, die
kritische Studie "Arthur Schnitzler und Siegmund [!] Freud"
(S. 357). Sie sowie eine Ende 1917 im Donauland veröffentlichte
Besprechung der Schnitzlerschen Komödie Fink und Fliederbusch (S.
374) und schließlich die Ende 1918 ebenfalls im Donauland
publizierte, vom Herausgeber in seine "Schriften"-Auswahl
aufgenommene Abhandlung "Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme"
(S. 67–83) waren die "Aufsätze", die nach Josef Körners
–
ebenfalls in die Auswahl aufgenommenen – späteren
"Persönlichen Erinnerungen an Arthur Schnitzler" (S. 133–136)
"dann zu einem umfänglicheren Buche zusammenflossen, das
zufällig im Jahre seines 60. Geburtstages herauskam." (S. 133).
Es hätte laut Vorankündigung als XXIII. Band der Amalthea-Bücherei bereits im Herbst
1921 erscheinen sollen, wurde dann aber doch erst im März 1922
ausgeliefert, also annähernd sechs Monate vor der erst im September 1922
vorliegenden, Thomas Mann gewidmeten und von diesem empfohlenen, von Josef
Körner jedoch kritisch "abgelehnten" 12 Studie des mit Arthur Schnitzler eng befreundeten Richard
Specht, Arthur Schnitzler. Der Dichter und sein Werk, so daß es
als der Festbeitrag zum bevorstehenden Geburtstag des Dichters (13.
Mai 1922) gelten konnte. Die Bibliographie, die es nicht unter diesem
"Jahre des 60. Geburtstages", also nicht unter 1922, sondern nach
dem Copyright-Vermerk unter 1921 verzeichnet (S. 359), läßt solche
Zusammenhänge nicht erkennen, zumal da zu diesem Werk – anders als
bei
der Mehrzahl der übrigen – kein Verzeichnis von Rezensionen
angefügt ist.
Generell macht sich in dem bibliographischen
"Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S.
351–384) wie auch im Anmerkungsapparat des "biographischen
Umrisses" (S. 385–461) bisweilen ärgerlich störend
bemerkbar,
daß Texte, die in Periodica erschienen sind, fast stets nur mit
Seitenangaben innerhalb des jeweiligen Jahres-, Halbjahres- oder
Quartalsbandes registriert werden und darüber hinaus eine noch
präzisere Datierung, die oft sehr kontextrelevant sein könnte,
bedauerlicherweise nicht erlauben. Während z. B. Josef Körner
selber in seinem Handbuch (S. 502) die oben erwähnte Rezension
der Schnitzler-Monographie von Richard Specht in den Preußischen
Jahrbüchern konkret "November 1923" datiert, muß man
bei Klausnitzer aus der Quartalbandangabe "Oktober-Dezember 1923"
(S. 376) den Monat erraten, ohne sicher sein zu können, ihn auch richtig
getroffen zu haben.
Wie in der Reproduktion des Aufsatzes "Dichtung und
Dichter im deutschen Prag" (S. 55–66) so sind auch im Abdruck der
Studie
"Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme" (S. 67–83) aus dem
Donauland offenbar bereits dort unterlaufene Fehlzitate vom
Herausgeber unkorrigiert übernommen worden, also z. B. S. 74
Doktor
Gräßler anstatt Doktor Gräsler oder S. 78 Frau
Berta und ihr Sohn anstatt Frau Beate und ihr Sohn; ferner
S. 81–82 Abweichungen in Schnitzler-Zitaten von deren Textvorlage.
Mit der auf Wertungen (etwa der Dichtersprache Schnitzlers)
keineswegs verzichtenden Reminiszenz "Persönliche Erinnerungen an
Arthur Schnitzler" (S. 133–136) fanden nicht nur die
Schnitzler-Studien
Josef Körners, sondern auch dessen publizierte Beiträge zum Bereich
des "Gegenwartsschrifttums" (S. 364) ihren Abschluß.
Klausnitzer hat versucht, den Standpunkt, von dem aus Josef Körner seine
Wertungen zeitgenössischer Literatur vornahm, als Erscheinungsform einer
allgemeineren Generationssymptomatik zu deuten: "Als Angehöriger
dieser Generation [der zwischen 1880 und 1890 Geborenen, K. K.], die sich
nach dem expressionistischen Aufbruch in unterschiedlichen Lagern des
politischen Spektrums wiederfand, partizipierte Körner aber weit eher an
religiös begründeten Reintegrationsbemühungen als an den
exklusiven Entdifferenzierungsprojekten der völkischen Bewegung"
(S. 411). Deutlich werde das in Körners Aufsatz über Zacharias
Werner, "der eine Parallele zwischen romantischen und
expressionistisch-gegenwärtigen Heilserwartungen zog" (ebd).
Daß Körner diese Parallele zog, besagt indessen
keineswegs, daß er an einem der beiden Heilserwartungsphänomene,
zwischen denen diese Parallele gezogen wurde, in irgendeiner Form
"partizipiert" hätte. In Schnitzlers Tagebuch findet sich
unterm 22. Dezember 1924 die Notiz: "Prof. Körner [...] über
die Gottsucher (und dass ich >Gott sei Dank< keiner bin)." Und im
gleichen Sinne wird es in einem Brief an Käte Hamburger zwei Jahrzehnte
später explizit heißen:
Weder Werfels theologische Reaktion gegen den
>naturalistischen Nihilismus< unserer Zeit, noch Th. Manns
areligiöse Religiosität halte ich für mögliche Rettungen
aus einem (scheinbaren oder wirklichen) geistig-sittlichen Chaos. Wir
können nicht zurück (der klassische Versuch dieser Art innerhalb
der deutschen Geistesgeschichte heißt Friedrich Schlegel, und wie sehr
spricht dieser dagegen!), wir müssen weiter voran [...] Die
Gottesfiktion ist unhaltbar geworden [...], und darum gibt es kein
Zurück zur Theologie, sondern nur ein resolutes Weiterschreiten
innerhalb der Anthropologie (S. 238–239).
Klarer läßt sich die Ablehnung jeglicher Teilhabe
an "religiös begründeten Reintegrationsbemühungen"
wohl kaum formulieren.
4. Zu Körners Forschung und Lehre
1919–1939
Den umfangreichsten Teil des "biographischen
Umrisses" nimmt mit Recht dessen "dritter Abschnitt" ein,
überschrieben: "Gymnasialprofessor und Hochschullehrer in Prag:
Produktive Jahre 1919–1939" (S. 413–449).
Zwischen der Schilderung der "Bemühungen um
Friedrich Schlegel" (S. 415–423), d. h. vor allem um eine bereits
1928
in Aussicht gestellte "kritische Gesamtausgabe" dieses Autors, und
dem Bericht über den im Sommer 1929 geglückten "Fund von
Coppet" (S. 446–449), dem auch ein in die Textauswahl aufgenommener
Artikel Körners in den Münchner (nicht: Münche
ner
!) Neuesten Nachrichten gilt (S. 117–121: "Auferstehende
Romantik!"), steht im Zentrum die ausführlichste Darstellung, die
Josef Körners "Zweifacher Habilitationsversuch" (S.
423–445)
an der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität Prag
bisher in der Sekundärliteratur erfahren hat. Überaus wertvolle
Ergänzungen des zu diesem Thema – vor allem im Jubiläumsheft
1 /
1994 des Euphorion – wissenschaftsgeschichtlich bereits
Recherchierten
und Interpretierten erbringt hier vor allem die Auswertung einschlägigen
Materials aus dem Archiv der Prager Karls-Universität.
In der genetischen Darlegung dieser hochschulpolitisch so
besonders symptomatischen Affaire hätte ganz gewiß auch
Erwähnung (und entsprechende Berücksichtigung im
"Personenregister") der nicht unwesentliche Umstand verdient,
daß der im Zusammenhang mit Körners erstem Habilitationsversuch
von 1924 / 25 mehrfach erwähnte "Dekan" (vgl. S. 430, Anm.
115–116; S. 430, Anm. 120–122) der führende Slawist der
Prager deutschen
Universität gewesen ist, Franz Spina (1868–1938), der dann von
1926 bis
1938 auch als Minister der tschechoslowakischen Regierung angehörte,
während es sich bei dem "Dekan" (S. 445), der nach dem
Eintreten des Philosophen Oskar Kraus (1872–1942), des klassischen
Philologen
Siegfried Reiter (1863–1943) sowie des weltberühmten Orientalisten
und
Indologen Moritz Winternitz (1863–1937) für Josef Körner im
Sommer
1929 die Wiederaufnahme von dessen Habilitationsverfahren verfügte, um
Arthur Stein (1871–1950) handelte, der in Briefen an Käte
Hamburger als
"Althistoriker" (S. 303) und "einer der vordersten, wenn nicht
überhaupt der vorderste Epigraphiker unserer Zeit" (S. 292)
auftauchen wird, ohne beim Namen genannt, vom Herausgeber aber auch nicht
identifiziert und attribuiert zu werden, so daß er im
"Personenregister" ebenfalls nicht angeführt erscheint.
Zu den bedauerlichsten Lücken im Verzeichnis der
Rezensionen wie auch im Kontext des "biographischen Umrisses"
gehört in diesem Zusammenhang das Fehlen der ungewöhnlich
ausführlichen, sechs besonders kompress gedruckte Seiten umfassenden
Besprechung, die der germanistische Ordinarius der Prager tschechischen
Karls-Universität Josef Janko (1869–1947, nicht Janke, wie S. 359
zu
lesen!) in dem von ihm mitgeleiteten Neophilologen-Organ Časopis pro
moderní filologii im Juni 1926, also noch zu Lebzeiten August Sauers, der
von Josef Körner 1924 auch als erste Habilitationsschrift vorgelegten
Monographie Klassiker und Romantiker gewidmet hat. Mit dieser
vorbehaltlos zustimmenden Rezension, mit den gleichfalls durchwegs positiven
Würdigungen Josef Körners durch den jüngeren
literarhistorischen Ordinarius Otokar Fischer (1883–1938) sowie dessen
"Kronprinzen" Vojtěch Jirát (1902–1945, vgl. z. B. die
vom
Herausgeber ebenfalls nicht erfaßte Anzeige der "Krisenjahre"
in der Tageszeitung České slovo vom 4. Februar 1937) war die
Solidarität der Prager tschechischen Germanistik mit Körner
in dessen Kontroversen sowohl mit August Sauer als auch mit Sauers Prager
Nachfolger Herbert Cysarz deutlich genug markiert und artikuliert.
Gleichwohl wird man dem vom Herausgeber übernommenen
Urteil Konstanze Fliedls, die in Hinblick gerade auf August Sauer von einer
"kaum noch verhüllten antisemitischen Prager Institutspolitik"
(S. 425) gesprochen hat, so generell nicht zustimmen können; denn
schließlich war der von Sauer ganz dezidiert bevorzugte
Habilitationsanwärter Georg Stefansky (1897–1957) ebenso
jüdischer
Herkunft wie der ein Jahrzehnt ältere Körner, und Sauer selbst galt
bei völkischen Studenten wo nicht geradezu als Jude, so doch als
eindeutig philosemitisch. Auch das Fehlurteil, Sauers Werbungsruf von 1907
"Deutsche Studenten – nach Prag!" (S. 439) als Appell eines
"nationalkonservativen Aktivisten" (ebd.) zu interpretieren, zeugt
von einer gründlichen Verkennung der Prager politischen Konstellation um
1900, in der die Losung der radikalsten nationalistischen
"Aktivisten" – in bewußter Analogie zum antiklerikalen
"Los von Rom!" – vielmehr "Los von Prag!" lautete,
weil
man die Hauptstadt Böhmens nicht nur wegen ihrer erdrückenden
tschechischen Bevölkerungsmehrheit, sondern auch wegen der nach wie vor
ungebrochen liberalen kommunalpolitischen Dominanz innerhalb der
deutschsprachigen (weithin deutschjüdischen) Minderheit jederzeit
preiszugeben bereit war zugunsten eines Universitätsstandorts in einer
kompakt deutschsprachigen Region.
In einem Abschnitt des "biographischen Umrisses",
dessen Überschrift mit der Berufsbezeichnung
"Gymnasialprofessor" beginnt, hätte man gern auch etwas
über die im "Verzeichnis der Veröffentlichungen" durch
mehrere Beiträge ausgewiesene Wirksamkeit des Philologen als Lehrer,
Methodiker und Didaktiker im "höheren Schulwesen" erfahren, z.
B. über den auf S. 365 verzeichneten Aufsatz "Der Schüler
Gerber wird gerächt", mit dem Körner in die Debatten um
Friedrich Torbergs unmittelbar vorher erschienenen, auf Prager Realien
beruhenden, vieldiskutierten Erstlingsroman Der Schüler Gerber hat
absolviert (1930) eingegriffen hat.
In einem Brief Josef Körners an Käte Hamburger vom
25. Februar 1949 heißt es auf bezeichnende Weise: "einst war mir
Vortragen höchste Lust, ich verstand, Zuhörerschaft in Bann zu
schlagen und das Bewußtsein solcher Beherrschung der Masse zu
genießen." (S. 312). In der im Goethe-Jahr 1932 gehaltenen, unter
dem Titel Goethe und Ihr in der "Staatlichen Verlagsanstalt"
(nicht Versicherungsanstalt, wie es S. 367 unbegreiflicherweise
heißt)
veröffentlichten "Rede an die studierende Jugend" (gemeint ist
hier nicht Universitätsstudentenschaft, sondern nach
gesamtösterreichischem und auch tschechischem Sprachgebrauch die
Schuljugend höherer Lehranstalten) liegt in Gestalt einer Gedenk- und
Festansprache ein Zeugnis der Rhetorik gymnasialprofessoralen
"Vortragens" vor, das als offensichtlich einzige überlieferte
Probe dieser Textsorte schon deshalb (aber auch wegen des begrenzten Umfangs)
Aufnahme in die notgedrungen knappe Textauswahl des Bandes verdient
hätte, zumal da hier schon die in jedem Sinne "tiefe Skepsis"
(S. 190) zum Ausdruck kommt, mit der Körner bereits 1932 und seither
immer "realistischer" (S. 220) die zeitgeschichtlichen
Vorgänge auf dem abendländischen Kontinent beobachtet, beurteilt
und selber erlitten hat, "in dieser Epoche der Rebarbarisierung Europas,
der Atempause zwischen einem die europäische Gesittung untergrabenden
Weltkrieg und einem schon herandonnernden künftigen, der sie, ja die
physische Existenz der Kulturmenschheit überhaupt zu vernichten droht." 13
Nach Erlangung der venia docendi im August 1930 nahm
Körner mit dem Sommersemester 1931 als Privatdozent und Titularprofessor
am Seminar für deutsche Philologie der Deutschen Universität in
Prag seine nicht ganz 16 Semester währende Lehrtätigkeit auf, die
bereits vor Abschluß des Wintersemesters 1938 / 39 ihr erzwungenes Ende
fand. Als einziger Germanist jüdischer Herkunft unter seinen
Seminarkollegen war er von der wenige Wochen nach dem Diktat von München
(30. September 1938) einsetzenden nazistischen Gleichschaltung der Prager
Deutschen Universität unmittelbar betroffen und wurde schon "im
Herbst 1938, als das Reich deren Verwaltung übernahm, auf Grund des
Arierparagraphs (sic) aus dem Lehrkörper ausgeschieden" (S. 283),
also keineswegs erst nach dem "Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag
am 15. März 1939" (S. 449), wie der Herausgeber im Widerspruch zu
dem von ihm edierten Text behauptet. Nicht bloß eine "böse
Vorahnung des Kommenden" (S. 453, Hervorhebung K. K.) mußte
demnach "den Prager Germanisten erfüllt haben" (ebd.), als er
Mitte November 1938 seine "Autobibliographie 1911–1938" als
resümierenden "Schaffensbericht" verfaßte, sondern
bereits die schmerzliche Gewißheit des vorzeitigen Endes einer
ohnehin mißgünstig verzögerten und behinderten akademischen
Laufbahn. Der Periodisierungseinschnitt, von dem an der Herausgeber Josef
Körners "Bittere Jahre 1939–1950" (S. 449) beginnen
läßt, wäre infolgedessen auf 1938 vorzuverlegen.
"Literaturgeschichtliche Übersichtsvorlesungen
lehnte Körner ab" (S. 446) stellt Klausnitzer unter Hinweis auf
einen Brief an Bernhard Blume vom 15. Mai 1948 summarisch fest. Daß
Körner solche "Übersichtsvorlesungen" nicht sehr hoch
schätzte, besagt jedoch keineswegs, daß sie in seinem
Lehrveranstaltungsangebot gänzlich gefehlt hätten. Vielmehr las er
gleich in den ersten vier Semestern seiner Privatdozentur (Sommersemester
1931 bis Wintersemester 1932 / 33) über die Geschichte des deutschen
Romans im 18. und 19. Jahrhundert, und für die Wintersemester 1936 / 37
sowie 1938 / 39 war ein Kolleg über die "Geschichte der deutschen
Romantik in weltliterarischer Sicht" angekündigt:
Lehrveranstaltungen also, denen man den Charakter von
"literaturgeschichtlichen Übersichtsvorlesungen" kaum wird
absprechen können.
5. Zu Körners Isolation und Verfolgung 1938–1945
Hatte Körner alle Aussicht auf ein akademisches Lehramt
endgültig durch den Beschluß der tschecho-slowakischen Regierung
vom 27. Januar 1939 verloren, der die Zwangsentlassung aller
Staatsbediensteten jüdischer Herkunft verfügte, so war er durch die
bereits am 17. März 1939 erfolgte Übernahme aller seit 1933
angeordneten antijüdischen Diskriminierungs- und
Restriktionsvorschriften des Hitler-Regimes durch die Protektoratsregierung
darüber hinaus auch noch, wie Herbert Cysarz es überaus
euphemistisch formulierte, "in die einsame Studierstube gescheucht"
(S. 452), d. h., weniger verblümt ausgedrückt, von nun an –
genau
wie sein Dresdener Kollege und Korrespondenzpartner Victor Klemperer –
ebenfalls vor allem dem im "Großdeutschen Reich" bereits Ende
1938 erlassenen Verbot der Benutzung von Bibliotheken, Archiven und anderen
wissenschaftlichen Einrichtungen unterworfen.
Dank seiner nichtjüdischen
tschechischen Ehefrau, die ihn nicht verließ, blieb Josef Körner
–
anders als seine Fakultätskollegen Siegfried Reiter, Arthur Stein und
Emil Utitz, der "Goedeke"-Bibliograph Alfred Rosenbaum, der
"letzte große Meister deutscher Bücherkunde" 14 sowie der Nestor der Prager tschechischen
Germanistik Arnošt Kraus – von einer Deportation nach
Theresienstadt
einstweilen noch verschont und wurde erst am 4. Februar 1945 – zusammen
mit
anderen jüdischen Partnern sogenannter "Mischehen" – von
dem
zweiten der insgesamt neun "Arbeitseinsatztransporte"
("AE") erfaßt, die zwischen Ende Januar und Mitte März
aus Prag, Mährisch Ostrau (Ostrava), Olmütz (Olomouc) und Lípa nach
Theresienstadt abgingen, ohne daß es dann noch zu einem Weitertransport
der "arisch Versippten" (wie der LTI-Terminus lautete) in ein
Vernichtungslager gekommen wäre. Erst am Tage des Waffenstillstands, dem
8. Mai 1945, wurden Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt durch
sowjetische Truppen auf deren Vormarsch nach Prag befreit.
Seine Feststellung, daß "nach 1939 die offene
Erinnerung an die Leistungen des als Juden [sic] aus dem akademischen Diskurs
ausgegrenzten Körner unmöglich geworden war" (S. 453), hat der
Herausgeber selber durch die Anmerkung relativiert, daß Bernard von
Brentanos 1943 erschienene August-Wilhelm-Schlegel-Biographie eine
"Würdigung des Prager Philologen" sowie Hinweise auf
"Körners Briefausgaben und Monographien" (S. 454) enthalte.
Keineswegs systematisch angestellte Stichproben vermögen darüber
hinaus nachzuweisen, daß in dieser Zeit auch andernorts auf Josef
Körner mit voller Namensnennung Bezug genommen wurde, so z. B. durch Benno von Wiese im Kommentarband seiner Hebbel-Ausgabe
15 oder durch Julius Petersen in seiner
Methodenlehre "Die Wissenschaft von der Dichtung" (1939), auch noch
in deren von Erich Trunz besorgten 2. Auflage. 16 Es gehörte dazu offenbar nicht mehr,
aber eben auch nicht weniger als ein gewisses Mindestmaß an
intellektueller Redlichkeit und Zivilcourage, das freilich die Mehrzahl der
Zunftgenossen nach Körners harter, aber gerechter Einschätzung
damals vermissen ließ.
Bewundernswert und unvergessen verdient die geistige Energie
und Aktivität zu bleiben, die Josef Körner sich selbst unter den
extremsten Bedingungen repressiver Ab- und Ausgesperrtheit gleichwohl noch
bewahrt hat.
Zu der Arbeit an einer "geplanten großen
Poetik" (S. 209), die bereits 1937 unter ihrem hinfort beibehaltenen
Titel "Dichtung als Ausdrucksgebilde" in der methodologischen
"Einleitung" zu der Übungstextsammlung "Wortkunst ohne
Namen" (Prag 1937, S. 11) als "demnächst" erscheinend
angekündigt worden war, gesellten sich weitere Buchprojekte von zum Teil
ganz erstaunlicher Weite und Vielfalt des Gegenstandsbereichs wie der
Themenstellung: allen voran der Plan eines "Wertebuchs" (S. 238),
dessen Obertitel schon 1942 "ziemlich fest" (S. 454) stand, so
daß er 1946, lediglich ergänzt durch einen erläuternden
Untertitel, in unverändertem Wortlaut von neuem angeführt werden
konnte: "Wert und Werturteil in Wirtschaft, Wissenschaft, Sittlichkeit
und Kunst. Versuch einer Grundlegung von Ökonomik, Poetik, Ethik und
Ästhetik" (S. 194); ferner "noch ein anderer Plan: >Technik
und Politik, ein Versuch über den Lebenswert der
Geisteswissenschaften<" (S. 194), dem nach Kriegsende noch eine
weitere
">Staats<-Schrift" (S. 267) vorangehen sollte, eine
"politische Schrift" (S. 266) mit dem sprechenden Titel
"Schuld und Sühne", in mancher Hinsicht wohl eine Vorwegnahme
dessen, was Theodor W. Adorno später als "Aufarbeitung der
Vergangenheit" thematisiert und reflektiert hat.
An spezifisch literarhistorisch-monographischen, wie die
"große Poetik" ebenfalls bereits in die Zwischenkriegsjahre
zurückweisenden Arbeiten hat Körner neben dem ältesten,
bereits 1922 angekündigten Projekt dieser Art, "Der Dichter der
Lucinde / Friedrich Schlegel als Poet und Poetiker" (S.
200), 17 vor allem auf sein geplantes
"Heine-Buch" (S. 273) verwiesen sowie auf ein
"Schillerbuch" (S. 206) unter dem in Aussicht genommenen Titel
"Der unvollendete Schiller" (S. 193), von dem Körner noch in
seinem letzten Lebensjahr die Arbeit an einem Problemkomplex
beschäftigte, der die Überschrift erhalten sollte: "Die
ästhetische Erlösung. Schillers Denken und Dichten vom Lebenswert
der Kunst" (S. 326).
Alle diese größeren literaturwissenschaftlichen
Arbeiten standen im Zeichen, ja, man darf wohl sagen: geradezu im Dienste von
Bestrebungen, das Verfahren einer "integralen Motivanalyse" (S.
344) als die via regia literarischer Interpretation und Wertung zu erweisen
und zu erproben. Ein klärendes Wort darüber, was Körner
eigentlich begrifflich verstanden wissen wollte, wenn er diese Methode als
"meine Motivanalyse" (S. 277, Hervorhebung K. K.)
bezeichnete, wäre wohl im Nachwort am Platze gewesen, eventuell auch die
Aufnahme der ihrem Verfasser methodisch besonders "wichtigen
Einleitung" (S. 192) zu dem Band "Wortkunst ohne Namen" in die
Textauswahl.
6. Zu Körners letzten Lebens- und
Schaffensjahren
Von den "Briefen an Käte Hamburger" (S.
189–348) heißt es, sie gäben über die letzten fünf
Lebens- und Schaffensjahre Körners "bessere Auskunft als jeder
historische Berichterstatter es könnte." (S. 458). Das trifft wohl
zu, allerdings unter einer wichtigen Voraussetzung, die der erfahrene
Herausgeber Körner gelegentlich der umfangreichsten seiner eigenen
Briefeditionen, der "Krisenjahre der Frühromantik", gemacht
hat, daß nämlich deren "Textbände unverständlich
und wissenschaftlich unbenützbar" (S. 193) seien ohne einen
umfassenden und zuverlässigen Kommentar: eine Voraussetzung, die in
dieser Briefedition, wie an zahlreichen Beispielen zu zeigen wäre
und an einigen wenigen auch gezeigt werden soll, leider nur sehr unzureichend
gegeben ist.
Insgesamt gehören diese Briefe ohne Zweifel zu den
lebens-, zeit- und wissenschaftsgeschichtlich aufschlußreichsten, aber
auch bestürzendsten und erschütterndsten Zeugnissen aus den ersten
Prager (und nicht nur Prager) Nachkriegsjahren, die zugleich Körners
letzte Lebensjahre gewesen sind. Sie berichten davon, wie nach Kriegsende
"die radikale Lösung der Deutschenfrage hierzulande
rücksichtslos auch die (sei's noch so antinazistisch gesinnten und
tätigen) Juden deutscher Kulturzugehörigkeit einbegreifen"
wollte, was den Briefschreiber und "die (nichtjüdische,
tschechische) Gattin ernstlich an Selbstmord denken ließ" (S.
191); wie die Tschechen nach Aufhebung der Deutschen Universität Prag
"von den paar überlebenden jüdischen Dozenten [...] aus allen
möglichen (natürlich lauter unsachlichen Gründen) niemanden
an die Karlsuniversität übernommen" hätten (S. 283);
daß "der tschechische Nazismus, wie er seit Kriegsende hier
wütet [...], gewiß nicht so brutal wie der deutsche, aber
moralisch und intellektuell von derselben Faktur, [...] mit seinem Deutschen-
und Magyarenhaß jede europäische Friedens- und Zukunftspolitik im
voraus illusorisch" mache (S. 249).
Im Unterschied zu seinem Prager Fakultätskollegen und
Theresienstädter Schicksalsgenossen Emil Utitz haben bei Josef
Körner die Leidenserfahrungen von Krieg und Verfolgung zu keinerlei
linksorientierten Sympathien für sozialistische oder gar kommunistische
Gesellschaftskonzepte geführt. Mit den "ausgezeichneten Schriften
von Ludwig v. Mises" (1881–1973) war für ihn der
"theoretische
Nachweis der Unhaltbarkeit sämtlicher sozialistischer Doktrinen, der
tatsächlichen Undurchführbarkeit ihrer nicht durchdachten, aber
umso verführerischen [sic! muß wohl heißen:
verführerischeren] Programme" (S. 221) schon längst
unwiderleglich erbracht, und daß bei der "Neueinrichtung der
ČSR" (S. 247) nicht rechtzeitig Sorge getragen wurde, daß
nicht
"die Fahrt unter stürmischem Wind schon jäh in die
Totalität" (S. 266) des Kommunismus führe, erschien ihm kaum
weniger bedrohlich als der militärisch überwundene, aber nach
Körners Überzeugung aus den Köpfen noch keineswegs
verschwundene Geist des nazistischen Totalitarismus.
Wenn Körner 1948 die italienischen Wahlen zu den
"schweren Prüfungen" (S. 274) zählt, dann ist die darin
enthaltene Wertung nicht so zu verstehen und zu erläutern, wie
Klausnitzer das in seiner einschlägigen Anmerkung getan hat,
nämlich daß die Christdemokraten mit 48,5% der Stimmen die
Mehrheit erzielten, während Sozialisten und Kommunisten "zusammen
nur auf 31%" (S. 274, Hervorhebung K. K.) gekommen seien,
sondern
aus Körners Sicht mit genau der entgegengesetzten Akzentuierung:
daß nämlich die Christdemokraten mit nur 48,5% die absolute
Mehrheit verfehlt haben, während es der linken Volksfront
gelungen ist, einen bedrohlich hohen Stimmenanteil von 31% zu
erringen - nur so ergibt das den von dem dezidierten Antikommunisten mit den
"schweren Prüfungen" gemeinten Sinn.
Neben solchen Sinnverfehlungen stößt man, wie bei
dieser Gelegenheit vermerkt sei, auch auf Pseudokommentare des Herausgebers,
die Informationen bieten, welche mit dem zu erläuternden Sachverhalt
unmittelbar überhaupt nichts zu tun haben, wie z. B. die Mitteilung,
daß Léon Blum 1936 / 37 "der erste sozialistische (und
jüdische) Premierminister Frankreichs" (S. 232) gewesen sei, nicht
das Geringste zur Erklärung des am 31. August 1946 geschriebenen Satzes
beiträgt: "Eben lese ich Blums Niederlage" (ebd). Und auch die
Information, daß Thomas Mann 1949 in Frankfurt am Main und Weimar
gefeiert worden sei, ist völlig irrelevant für die Erläuterung
des Stichworts "Mann-Promotion" (S. 329), womit vielmehr die
Promotion Manns zum Ehrendoktor der schwedischen Universität Lund am 27.
Mai 1949 gemeint ist.
Gänzlich unkommentiert bleibt darüber hinaus die
Mehrzahl der Hinweise und Anspielungen auf aktuelle weltpolitische Ereignisse
des ersten Nachkriegsjahrfünfts, die dem Briefschreiber Körner zum
Anlaß seiner äußerst skeptischen Zeitgeschichtsdiagnosen und
-prognosen gedient haben, wie zum Beispiel der "Beginn der Pariser
Pourparlers" (S. 211, 04. 05. 1946); "die in mancher Hinsicht noch
die Nazis übertreffenden Judenmassakres in Polen" (S. 225, 16.
07.
1946); "die Radio-Nachricht, daß Tito das amerikanische Ultimatum
abgelehnt hat" (S. 229, 24. 08. 1946); "Churchill in
Zürich" (S. 242, 29. 09. 1946); das "geradezu furchtbare
Ereignis der Wallace-Rede" (S. 246, 02. 10. 1946); "die Moskauer
Konferenz" (S. 253, 16. 01. 1947) und die "Montgomery-Reise"
(ebd.); "Trumans überraschende Wiederwahl" (S. 302, 05. 11.
1948) oder der "unerwartete, in den Auswirkungen noch unabsehbare Sieg
Frankreichs in der Ruhrfrage" (S. 305, 09. 01. 1949).
Abgesehen davon, daß manche der in den Brieftexten
erwähnten Personen wie z. B. Eudo C. Mason (S. 318, s. Handbuch, S.
488
und 489) oder Charlotte Bühler (S. 339, s. Handbuch, S. 72) vom
"Personenregister" gar nicht erfaßt sind, kommt es dort auch
zu einigen Fehlidentifikationen bzw. -attribuierungen. 18 Eine "Editorische Notiz" (S. 188)
zum Abdruck der Briefe an Käte Hamburger spricht davon, es sei dabei
eine "Behebung offenkundiger Schreibfehler" erfolgt.
Entweder ist das nicht konsequent genug geschehen, oder aber es sind neue
Fehler begangen worden, die auf das Konto des Herausgebers gehen. 19 Auch den
Übersetzungskünsten des Herausgebers ist nicht ungeprüft
über die Gasse zu trauen. 20
7. Zur Edition und Kommentierung der Briefe
Körners
Mitteilungen wie "es ist der 5. Brief, den ich heute zu
fertigen habe" (S. 272), oder "dies ist heut mein 8. Brief"
(S. 274) vermitteln eine Vorstellung von der kaum glaublichen Extensität
und Intensität der "weltweiten Korrespondenz" (S. 262), die
Körner in den ersten Nachkriegsjahren (natürlich nicht
"Nachkriegsjahrzehnten", wie es S. 344 heißt) neben seiner
mühsamen Forschungs- und Manuskriptherstellungsarbeit noch
weiterzuführen vermochte und von deren Gesamtumfang man außer dem
Abdruck der Briefe an Käte Hamburger und gelegentlichen Hinweisen auf
wichtige Korrespondenzpartner wie Oskar Walzel, Arthur Schnitzler, Karl
Vossler, Walther Küchler, Paul Kluckhohn, Bernhard Blume, Erik Lunding,
Wolfgang Paulsen und einen vielzitierten "E.
Groosz" 21 (S. 391, 455, 456, 457),
dessen vollständigen Vornamen nicht einmal das
"Personenregister" (S. 466) verrät, leider nirgends einen
zusammenfassenden Überblick erhält, der z. B. auch Victor
Klemperers Tagebucheintragung vom 26. Januar 1947 einbeziehen könnte:
"Ich schrieb [...] an Josef Körner in Prag, der mich im
>Aufbau< entdeckt u. über die Aufbauredaktion zum Überleben
beglückwünscht hat." 22
Erklärungsbedarf ergibt sich bereits aus dem Wortlaut
der "Editorischen Notiz" (S. 188) zum Abdruck der Briefe an
Käte Hamburger. Wenn es dort heißt: "Die im Deutschen
Literaturarchiv Marbach lagernden Briefe Josef Körners an Käte
Hamburger sind nicht als Originale, sondern als Durchschläge im
Nachlaß Hamburger enthalten", dann wäre zu diesem doch
keineswegs selbstverständlichen Sachverhalt wohl ein Wort der
Erläuterung am Platze gewesen, und bei der Feststellung: "Bis auf
die Briefe vom 21. VII. 1946, 28. IX. 1949 und 5. V. 1950 [...] sind alle
Briefe maschinenschriftlich abgefaßt" wäre zu fragen, ob
diese drei genannten Ausnahmen originalhandschriftlich vorliegen oder aber
vielleicht ebenfalls als Durchschriften; wobei noch anzumerken bliebe,
daß es einen Brief vom "21. VII. 1946" unter den hier
abgedruckten Schreiben nicht gibt.
Auf den Seiten 272–273 wird ein undatierter Brief
abgedruckt
mit dem Herausgebervermerk: "Ohne Ort und Datum; in der Reihenfolge nach
Brief vom 15. III. 1948 und vor Brief vom 8. IV. 1948" (S. 272). Was
immer hier unter "Reihenfolge" verstanden worden sein mag, die
chronologische "Reihenfolge" ist es nicht; nach ihr
gehört dieser Brief nicht in das Frühjahr 1948, sondern in den
Frühling 1946, wie nicht nur inhaltlich-thematische Parallelen belegen,
sondern vor allem auch die Anrede "Liebe Frau Doktor" (S. 272), die
nach dem 23. II. 1946 das förmlichere "Sehr verehrte Frau
Doktor" (S. 195) ablöste, bis auch sie 1947 nach dem Prager
Sommerbesuch Käte Hamburgers endgültig durch "Liebe
Freundin" (S. 254) ersetzt wurde. "Liebe Frau Doktor"
wäre demnach im Jahre 1948 ein völlig unmotivierter Rückfall
auf eine längst überwundene Zwischenstufe von
Anredeförmlichkeit gewesen.
Über Käte
Hamburger, die Adressatin der abgedruckten Briefe, werden, wie bereits
angedeutet, außer Titeln einiger – keineswegs aller –
erwähnten
Bücher und Aufsätze keinerlei Auskünfte geboten, nicht einmal
einschlägige Hinweise auf Helmut Müsseners umfassende Monographie
"Exil in Schweden", 23 wo Leben und
Schaffen der Literaturwissenschaftlerin im schwedischen Exil bereits vor
nahezu drei Jahrzehnten detailliert und exemplarisch dargestellt worden sind.
24 "Im Handbuch sind so ziemlich alle
Ihre Arbeiten angeführt. Sie werden etwa 7 mal zitiert; aber nicht etwa
aus >Freundschaft<, sondern aus Pflicht" (S. 314), heißt es
in
Körners Brief vom 25. Februar 1949 an Käte
Hamburger, ohne daß der Herausgeber sich auch nur bemüßigt
gefühlt hätte, "aus Pflicht" diese sieben Titel ausfindig
zu machen und im "Handbuch" nachzuweisen. 25
Der ausdrücklich als "Körners bester
Freund" (S. 229, Anm. 19) bezeichnete Walther Küchler
(1877–1953)
wird ebenso beharrlich wie irreführend auf die Kennzeichnung
"Wiener Romanist" (S. 229 und 445) festgelegt, obwohl Küchlers
fünfjährige Wiener Lehrtätigkeit (1922–1927) nur die
Zwischenstation einer akademischen Laufbahn darstellte, die den aus Essen
stammenden Romanisten von Gießen und Würzburg über Wien
schließlich 1927 auf einen "Hamburger Lehrstuhl" (S. 217)
führte, von dem er dann 1933 zwangsweise entfernt wurde, weshalb er nach
1945 von seinem Wohnsitz Benediktbeuern (nicht "Benediktbeuren",
wie auf S. 256) aus "die Rückkehr auf seinen Hamburger
Lehrstuhl" (S. 217) betrieb.
Die Wichtigkeit des Korrespondenzpartners Paul Neuburger
(1881–1959) für den Bibliographen Josef Körner bestand wohl
nicht
so sehr darin, daß er der Verfasser der Dissertation "Die
Verseinlage in der Prosadichtung der Romantik" (S. 189 und
"Handbuch", S. 309) sowie der Bearbeiter des als
"trefflich" gerühmten Registerbandes zu der zehnbändigen
Walzelschen Heine-Ausgabe im Insel-Verlag gewesen war (1920, vgl.
"Handbuch", S. 372), als vielmehr in dem Umstand, daß er als
Inhaber und Leiter des 1924 gegründeten Genfer wissenschaftlichen
Nachrichtendienstes "Pallas" gerade auch für bibliographische
Zwecke zumal in den ersten Nachkriegsjahren eine schlechthin unentbehrliche
Informationsquelle darstellte.
Rein gar nichts – nicht einmal die Abkürzung eines
Vornamens – erfährt man über Carl Emil Lang
(1876–1963), der auch
im "Personenregister" (S. 469) lediglich als vornamenloser
"Lang, Dr." figuriert, obwohl er doch ebendort als eine der
meistgenannten Personen ausgewiesen ist und sicherlich das Hauptverdienst um
die Betreuung der im Francke Verlag Bern erschienenen Titel Körners
gehabt hat, auch und gerade um die ganz besonders arbeitsaufwendige und
kostspielige postume Edition des dritten, des "Kommentar"-Bandes
der "Krisenjahre der Frühromantik" (1958). Ein von Körner
mit solchem Nachdruck als "ein so feiner und bewundernswert sachlicher
Mensch" (S. 284) gerühmter leitender Verlagsmitarbeiter hätte
ein kommentierendes Wort ganz gewiß verdient.
Nicht unwichtig wäre es gewesen, Karl Schultze-Jahde
nicht erst als die Person zu entschlüsseln, die auf S. 347 hinter der
Abkürzung "Sch.-J." steht, sondern schon als den
"Görlitzer Freund" (S. 242) zu identifizieren (und im
"Personenregister" auch auszuweisen), der im Herbst 1941 "auf
dem Höhepunkt der Nazi-Erfolge darüber sein bißchen Verstand
verlor" (ebd.) sowie auch als den "Dr. Karl S." (S. 339),
dessen Görlitzer Adresse Körner seiner Korrespondenzpartnerin
mitteilt. Der von Körner als Schriftsteller wie als
Literaturwissenschaftler (nicht zuletzt als Theoretiker und Praktiker der
"Motivanalyse") geschätzte Schultze-Jahde wird im
"Handbuch" mit nicht weniger als fünf Titeln erwähnt 26 ; laut einer Tagebucheintragung vom 3.
September 1947 ist auch Victor Klemperer dem "Görlitzer
Studienrat" anläßlich eines Vortrags am dortigen Gymnasium
begegnet.
8. Zum Verzeichnis der Schriften Körners
Das "Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef
Körners" (S. 351–384), das sich für den Zeitraum bis
Herbst
1938 auf die Körnersche "Autobibliographie 1911–1938"
(S. 453,
s. auch S. 192, 196, 231, 233) stützen konnte und wohl auch
gestützt hat, scheint im wesentlichen vollständig zu sein,
zumindest in dem von Körner gemeinten Sinne, daß an
Primärtexten "kaum etwas Wichtiges" (S. 453) übersehen
ist. Erwähnung hätte allenfalls noch verdient, daß der
Körnersche Artikel "Konzeption" in einer bearbeiteten Fassung
des von Körner als "Motivanalytiker" hochgeschätzten
Willy Krogmann (1905–1967) Eingang auch in den 1. Band der 2. Auflage des "Reallexikons der deutschen
Literaturgeschichte" 27 gefunden hat.
Bei der postumen Neuausgabe der "Wortkunst ohne
Namen" ist die bloße Angabe "2., erw. Aufl. Bern: Francke
1954" (S. 369) auf mißverständliche Weise unvollständig.
Denn es handelt sich hier erst um "Heft 1: Gegenstücke" dieser
beträchtlich erweiterten Auflage, dem laut Ankündigung des
Herausgebers Wolfgang Kayser (1906-1960) noch zwei weitere folgen sollten:
"Heft 2: Doppelfassungen" und "Heft 3:
Übertragungen" – wozu es dann allerdings nicht mehr gekommen
ist.
Lücken weisen die den selbständigen Titeln
angefügten Verzeichnisse der Rezensionen auf. Das gilt, abgesehen davon,
daß bei der Schnitzler-Monographie, wie schon erwähnt, ein solches
Verzeichnis gänzlich fehlt (vgl. S. 359), vor allem für den
Zeitraum, der durch die "Autobibliographie 1911–1938" nicht
mehr
abgedeckt ist. So fehlen z. B. nicht wenige Rezensionen des
"Bibliographischen Handbuchs" (vgl. S. 371) und alle der
"Marginalien" (vgl. ebd.), obwohl es dazu im letzten der Briefe
Josef Körners an Käte Hamburger vom 5. Mai 1950 bereits
ausdrücklich heißt: "es sind auch schon Rezensionen
erschienen" (S. 348). Verzeichnet ist nicht einmal die "Anzeige der
>Poetik<" (S. 330), für die Körner bei deren Verfasserin
Käte Hamburger sich so herzlich bedankt. Daß darüber hinaus
die "Einführung in die Poetik" nur noch eine einzige Rezension
erfahren haben soll (s. S. 371), erscheint als in hohem Grade
unwahrscheinlich. Ganz gewiß nicht ohne kritisches Echo ist der 1958
postum erschienene Kommentarband zu den "Krisenjahren der
Frühromantik" geblieben oder die 1969 von Francke vorgelegte 2.
Auflage der Textbände 1 und 2, wahrscheinlich ebensowenig wie die
Reprints des "Bibliographischen Handbuchs" (1966), der
"Nibelungenforschungen" (1969), der "Botschaft der deutschen
Romantik an Europa" (1969) und der "Klassiker und Romantiker"
(1971). Als Beispiel ausführlicher Würdigung sei lediglich auf
Rainer Gruenters Rezension des 1. Heftes der 2. Auflage
von "Wortkunst ohne Namen" im "Euphorion" 28 verwiesen, die Körners Gedanken zur
Gehalts-, Motiv- und Formanalyse auf überzeugende Wiese in den
wissenschaftsgeschichtlichen Kontext wertend einordnet.
9. Fazit
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der
Entschluß zu einer kommentierten Edition des Bandes "Philologische
Schriften und Briefe" von Josef Körner als Eröffnungsband
einer Schriftenreihe zur Erforschung der Geschichte der Germanistik ein
Pionierprojekt gewesen ist, das unter anderem höchst geeignet gewesen
wäre, einen Bereich zu erschließen und zu erhellen, der aus
zeitbedingten Gründen lange sozusagen im toten Winkel
wissenschaftsgeschichtlichen Forschungsinteresses geblieben war: Lage,
Befindlichkeit, Mentalität und Identitätsbewußtsein Prager
jüdischer Wissenschaftler und Hochschullehrer "deutscher
Kulturzugehörigkeit" (S. 191) in einer durch Besatzung, Krieg,
Holocaust und Vertreibung weitgehend monokulturell gewordenen, einer neuen
"Totalität" (S. 266) unaufhaltsam zutreibenden Prager
tschechischen Nachkriegsrealität.
Leider ist aus diesem – auch in manch anderer Richtung
wegweisenden – Pionierprojekt nicht auch eine Pionierleistung
von uneingeschränkter wissenschaftlicher Brauch- und Benutzbarkeit
geworden. Dem durch eine verbesserte und überarbeitete Neuauflage dieser
in ihren Intentionen so begrüßenswerten Publikation wirksam
abzuhelfen, wäre ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.
Prof.Dr. Kurt Krolop
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Cz - 15000 Prag 5
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Anmerkungen
1 Josef Körner, Bibliographisches
Handbuch des
deutschen Schrifttums. 3. völlig umgearbeitete und wesentlich vermehrte
Auflage Bern 1949.
Fortan abgekürzt als Handbuch. zurück
2 Ralf Klausnitzer: Blaue Blume unterm
Hakenkreuz.
Die Rezeption der deutschen literarischen Romantik im Dritten Reich.
Paderborn usw.
1999. zurück
3 Bd 1, Halle 1928, Sp. 1254. zurück
4 Wien 1930, S. 48-89. zurück
5 S. Handbuch, S. 528. zurück
6 Die auch heute noch so heißt,
nicht
Neue Züricher Zeitung, wie auf S. 376 zu lesen. zurück
7 Die Fackel Nr. 87, Ende November
1901, S.
25. zurück
8 Das wiederum so hieß, und nicht
Berliner Tagblatt (S. 57). zurück
9 Vgl. zuletzt Georg Gimpl: Weil der
Boden
selbst hier brennt... Furth im Wald / Praha 2001. zurück
10 Die Fackel, Nr. 457-461, 10. Mai 1917, S.
22. zurück
11 Franz Kafka. Kritische Ausgabe.
Nachgelassene
Schriften und Fragmente I. Frankfurt a. M. 1993, S. 336-337. zurück
12 Handbuch, S. 502. zurück
13 Josef Körner: Goethe und Ihr. Prag
1932, S. 4. zurück
14 Handbuch, S. 5. zurück
15 Friedrich Hebbel: Werke. 9 Bände.
Nach der
historisch-kritischen Ausgabe von R.M. Werner systematisch geordnet von Benno
von
Wiese. Leipzig: Bibliographisches Institut 1941, Bd. 9, S. 273.
zurück
16 Berlin 1944, S. 97 und 169.
zurück
17 Vgl. auch Handbuch, S. 313.
18 So handelt es sich etwa bei "Ebbinghaus" (S. 231
und 233) mit Sicherheit nicht um "Ebbinghaus, Ernst A." (S. 465), sondern um den
angesehenen Marburger Juristen und Hochschulpolitiker Julius Ebbinghaus
(1885–1981); die "Festschrift für Singer" (S. 258) galt nicht "Singer,
Herbert" (S. 474), sondern dem aus Wien stammenden Berner Altgermanisten Samuel Singer
(1860–1948, s. Handbuch, S. 11); Verfasser des von Körner in besonders hohem
Maße wertgeschätzten Buches "Die Revolution des Nihilismus" (1938,
s. Handbuch, S. 534) war nicht ein "Hermann Rauschnigg" (S. 276 und
472), sondern der durch seine umstrittenen "Gespräche mit Hitler"
(1940) weltberühmt gewordene Hermann Rauschning (1887–1982); Autor der Schrift
"Hitler's Professors" (1946) nicht ein "Max Weinrich" (S. 240 und 476,
so irrtümlich auch in Handbuch, S. 538), sondern der Linguist und
Soziologe Max Weinreich (1894–1969). Bei Körner selbst (S. 137) wie auch im
"Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 352) lautet der Name des
Mitherausgebers der Sammlung "Die Brüder Schlegel im Briefwechsel mit
Schiller und Goethe" (1926) durchaus korrekt "Ernst Wieneke", während
Klausnitzer in seinen eigenen Texten sich generell für die Schreibung
"Wienecke" (S. 418, Anm. 83-84, und S. 476) entschieden hat. Analog
dazu verwandelt das "Personenregister" den im Körnerschen Text
erwähnten polnischen Germanisten "S. v. Lempicki" (S. 171) in
einen "Lempecki, Siegmund von" (S. 470). Die von Körner in seiner
Nadler-Rezension (S. 84) korrekt datierte Sauersche Rektoratsrede "Literatur-
geschichte und Volkskunde" (1907) erscheint in Klausnitzers
Darstellung nicht nur umdatiert auf 1906, sondern auch umgetauft in
"Literaturwissenschaft und Volkskunde" (S. 438, Hervorhebung
K. K.). Auch dem Titel des bekannten Sammelwerks "Juden im deutschen
Kulturbereich" blieb eine – fast schon ungewollt parodistisch wirkende –
Verballhornung nicht erspart: er lautet nun "Juden im deutschen
Kulturbetrieb" (S. 390 und ebd., Anm. 14, Hervorhebung K.
K.). zurück
19 So wird z. B. die auf S. 300 beabsichtigte
Antithese zum "idealistischen Phrasenrausch" nicht in einem
"bestialischen Nachtrausch" (ebd.) zu suchen sein können, sondern in einem
ebensolchen "Machtrausch" erblickt werden müssen; und der Kontrast zu der
witzig-aktualisierenden Wortbildung "Verunanständigung" (S. 311)
muß natürlich "Veranständigung" lauten, kann also
nicht eine völlig witzlose "Verständigung" (ebd.) sein; daß die Menschheit
untergehen müsse, "solange der Haß das summum bonum diskutiert
" (S. 306, Hervorhebung K. K.), dürfte Körner kaum so zu Papier gebracht,
auf keinen Fall aber so gemeint haben, intendiert war wohl eher "diktiert" oder
"dekretiert"; und wenn Körner tatsächlich das Wort
"querulanterisch" (S. 252) geschrieben oder getippt haben sollte
(was nicht viel an Wahrscheinlichkeit für sich hat), dann wäre das ebenso als
"Schreib-fehler" zu "beheben" gewesen wie z. B. der aparte Infinitiv
"exspektorieren" (S. 321), zumal da ja Körner selbst nachweislich nicht
"Exspektoration", sondern durchaus normgerecht "Expektoration" (S.
142) geschrieben hat.
Damit scheint das Problem eines etymologisch und / oder
orthographisch recht eigenwilligen Umgangs mit Fremdwörtern in Zusammenhang zu stehen,
wie es in des Herausgebers eigenen Texten etwa an Formen wie "obstinant" (S.
408 und 457), "Provinienz" (S. 394) oder "promt" (S. 421)
punktuell sichtbar wird.
Von geradezu ärgerlicher Häufigkeit sind
Fälle, wo es zu mitunter höchst sinnstörenden Wechselvertauschungen von
"sie" bzw. "ihr" mit großzuschreibendem "Sie" bzw. "Ihr"
(als Höflichkeitsanrede) gekommen ist, S. 124-125, 257, 279, 293, 312, 314, 345, 347).
Zwei Beispiele für viele: Wenn Körner im Brief vom 25. 02. 1949 über seine
Tochter Pauline an Käte Hamburger schreibt: "Paulinchen, (die ihren Namen sehr
wohl weiß)" (S. 314), dann soll damit natürlich nicht mitgeteilt werden,
daß Paulinchen "ihren Namen" (d. h. ihren eigenen) "sehr
wohl weiß", sondern vielmehr "Ihren Namen" (d. h. den der
Adressatin Käte Hamburger). Und umgekehrt: Wenn von Walther Küchlers
französischer Ehefrau die Rede ist, dann darf es nicht heißen:
"Und Ihre reizenden [...] Briefe" (S. 345); denn das wären ja dann die Briefe
der Adressatin Käte Hamburger), sondern es ist zu textieren: "Und ihre reizenden
[...] Briefe". zurück
20 Abgesehen von Hispanismen im
französischen Originaltext eines Briefes von August Wilhelm Schlegel wie
"los bannières" (S. 144) und "los Methodistes" (sic!, S. 145)
wäre ein Mißgriff wie die Übertragung von "par un missionaire des
frères moraves" (S. 144) durch "von einem Missionar der moravischen (!)
Brüder" (S. 145) allein schon durch einen Blick auf die
vorhergehende Seite zu vermeiden gewesen, wo Körner selber in einer Fußnote die
"mährischen Brüder" (S. 144, Anm. 17) erwähnt. Die
Wiedergabe der Wendung "pour calciner les statues antiques" (S.
145) durch "um die antiken Statuen zu verkohlen" (S. 146, Hervorhebung
K. K.) bietet einen unfreiwilligen Berolinismus von gewiß ebenso unfreiwilliger
Komik. Einen Höhepunkt solcher Fehlleistungen liefert der Schlußsatz dieses
Briefzitats, wo der Passus "au nom des pitoyables et mesquines conceptions que [...] des
âmes étroites se sont forgées de la Vérité Divine" (S. 145) wiedergegeben erscheint
mit "im Namen der armseligen und bornierten Auffassungen, welche sich [...]
eingeengte Seelen über die göttliche Wahrheit ausgehext haben" (sic!, S.
147, Hervorhebung K. K.). zurück
21 Vermutlich handelt es sich um den
Bibliothekar und Historiker Hofrat Edmund Groag (1873-1945). zurück
22 Victor Klemperer: So sitze ich denn
zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945-1949. Hrsg. von Walter Nowojski unter
Mitarbeit von Christian Löser. Berlin 1999, S. 346. zurück
23 Helmut Müssener, Exil in Schweden.
München 1974. zurück
24 Ebd. S. 473, auch ein Verweis auf eine
"vollständige Bibliographie der Schriften und größeren
Zeitschriftenpublikationen Käte Hamburgers" in der Stifts- und
Landesbibliothek von Västerås. zurück
25 Handbuch S. 277, 316, 324, 509, 518, 519,
524. zurück
26 Handbuch, S. 26, 67, 451. zurück
27 Berlin / New York 1958, S. 883-884.
zurück
28 Euphorion 50 (1956) S. 234-236.
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