Krolop über Körner: Schriften und Briefe

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Kurt Krolop

Ein Pionierprojekt, aber keine Pionierleistung

  • Josef Körner: Philologische Schriften und Briefe. Hrsg. von Ralf Klausnitzer. Mit einem Vorwort von Hans Eichner (Marbacher Wissenschaftsgeschichte. Hrsg. von Christoph König und Ulrich Ott. Bd. 1.) Göttingen: Wallstein 2001. 480 S. Brosch. Eur (D) 39,-
    ISBN 3-89244-458-7


1. Eine neue wissenschaftshistorische Schriftenreihe –
und ihr Start mit der Edition von Schriften Josef Körners

Es ist eine wohl nicht ohne Bedacht getroffene Entscheidung der beiden Herausgeber Christoph König und Ulrich Ott gewesen, ihre neue Schriftenreihe der Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik im Deutschen Literaturarchiv Marbach gerade mit einem Band Philologische Schriften und Briefe von Josef Körner (1888–1950) zu eröffnen, einem Germanisten also, dessen Name über einen engeren Kreis von kundigen Romantikforschern hinaus wohl nur mehr als der des Verfassers jenes berühmten, seinerzeit unentbehrlichen und auch heute noch immer mit Gewinn zu lesenden (keineswegs nur >anzublätternden<) Bibliographischen Handbuchs des deutschen Schrifttums 1 allgemeiner geläufig sein dürfte.

Als Herausgeber, Kommentator, Bio- und Bibliograph dieses mit einem würdigenden und empfehlenden Vorwort von Hans Eichner einbegleiteten Bandes zeichnet Ralf Klausnitzer, fachkompetent ausgewiesen vor allem durch eine wissenschaftsgeschichtlich wichtige Monographie über Romantikforschung und
-forscher in der Ära des Nationalsozialismus 2 .

Die Publikation ist in vier Hauptteile gegliedert. "(Philologische) Schriften"
(S. 9–185) bezieht sich als Sammeltitel auf eine knappe Auswahl von 14 Texten aus einer Gesamtmasse von rund 350 Titeln, welche ein (leider nicht durchnumeriertes) "Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 351�) einzeln aufzählt (einschließlich nicht immer vollständiger Listen von Rezensionen der selbständig erschienenen Schriften). Diese Bibliographie macht die erste Abteilung eines "Anhangs" (S. 349–476) aus, dessen zweite Abteilung ein "Nachwort" einnimmt, in dem der Herausgeber Ralf Klausnitzer unter der programmatischen Überschrift "Josef Körner – Philologe zwischen den Zeiten und Schulen. Ein biographischer Umriß" (S. 385–461) eine lebens- und werkgeschichtliche Gesamtwürdigung in zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhängen zu bieten unternimmt. Den Abschluß bildet ein "Personenregister" (S. 463–476), das sich allerdings an das eingangs gegebene Versprechen, "alle Personen" zu erfassen, "die im Text sowie im Anmerkungsapparat der Schriften, Briefe und des Nachworts erwähnt werden" (S. 473), nicht nur nicht hält, sondern auch bei manchen erfaßten Personen keineswegs alle Erwähnungen berücksichtigt.

Etwa den gleichen Raum wie die Auswahl von "Schriften" nimmt, an diese unmittelbar anschließend, eine Abteilung "Briefe" (S. 187–348) ein, in der an die 65 Schreiben abgedruckt sind, die Josef Körner von Anfang Januar 1946 bis Anfang Mai 1950 von seinem "Tomi" (S. 289) Roztoky bei Prag aus an die seit November 1934 im schwedischen Exil zu Göteborg als Sprachlehrerin im Schuldienst lebende bedeutende deutschjüdische Literaturwissenschaftlerin und -theoretikerin Käte Hamburger (1896–1992) gerichtet hat, deren Lebenslauf der Herausgeber offenbar für so allgemein bekannt gehalten zu haben scheint, daß er meint, dem Leser keinerlei biographische Informationen preisgeben zu müssen, nicht einmal Geburts- und Sterbejahr.

Am chronologischen Leitfaden des "biographischen Umrisses" sei im Folgenden eine kritisch referierende Würdigung dieses thematisch so überaus wichtigen Bandes vorzunehmen versucht.

2. Zur Herkunft, weltanschaulichen Orientierung und akademischen Ausbildung Körners

Das ein wenig pompös mit "Herkunft und universitäre Sozialisation" (S. 389–399) überschriebene erste Kapitel des "biographischen Umrisses" ist den mährischen Kindheits- und Schuljahren sowie den Wiener Studienjahren Josef Körners gewidmet.

In Hinblick auf vermeintlich analoge "Ausgangsbedingungen" (und wohl nicht nur auf die Gleichheit der Vornamen) hat der Herausgeber an späterer Stelle eine Parallele zwischen Josef Körner und Josef Nadler zu ziehen versucht:

In ihren Geburtsjahrgängen nur vier Jahre voneinander getrennt und dem tschechischen Teil der k. u. k. Monarchie entstammend, erfuhren beide Germanisten ihre universitäre Sozialisation durch die spätpositivistische Philologie österreichischer Prägung (S. 439–440).

Nicht in jedem dieser Punkte kann man indessen von Parallelen sprechen. Gewiß kamen beide Josefs aus den böhmischen Ländern, aber schon die Behauptung, beide wären "dem tschechischen Teil der k. u. k. Monarchie" entstammt, ist irreführend. Körner stammte aus dem südostmährischen Dorf Rohatec (Rohatetz) bei Hodonín (Göding), das – ähnlich wie die Gymnasialstadt Uherské Hradiště (Ungarisch Hradisch) – in einer kompakt tschechischsprachigen Region lag, die nur eine verschwindend geringe deutschsprachige Minderheit aufwies; genau umgekehrt lagen die Dinge bei Nadler, der in einer kompakt deutschsprachigen Gegend mit einer verschwindend geringen tschechischsprachigen Minderheit aufwuchs. "Josef Nadler wurde 1884 im nordböhmischen Neudörfl [!] geboren"
(S. 440), stellt da eine sehr unpräzise Information dar; denn allein "nordböhmische Neudörf(e)l" dieses Ortsnamens gab es nicht weniger als ein halbes Dutzend, von denen Nadlers Geburtsort, die 200-Seelen-Dorfgemeinde "Neudörfel" (so die offiziell korrekte Schreibweise) bei Hainspach, im sogenannten "Böhmischen Niederland" ganz dicht an der böhmisch-sächsischen Grenze zur Oberlausitz gelegen, fast ausschließlich deutsche Einwohner hatte.

Die sogenannte "universitäre Sozialisation" vollzog sich dann gleichsam umgekehrt kontrastiv: bei Körner im so gut wie kompakt deutschsprachigen Wien, bei Nadler innerhalb der Enklave eines deutschsprachigen "Städtchens" (S. 55) inmitten der "slawischen Großstadt" (ebd.) Prag. Während die Kindheits- und Gymnasialjahre wie auch die Anfänge der Universitätslaufbahn Josef Nadlers bis hin zu seiner Berufung nach Königsberg (1925) stark konfessionell-katholisch geprägt oder zumindest mitbestimmt waren, dürfte Körner schon sehr früh einen nicht nur konfessionell, sondern auch allgemein religiös indifferenten, rein "anthropologischen" bzw. anthropozentrischen Standpunkt eingenommen haben, wie er dann in den Briefen an Käte Hamburger mit wiederholtem Nachdruck dargelegt ist. Diesen Sachverhalt verkennt der Herausgeber, wenn er schreibt, Körner haben den "Glauben seiner Vorfahren" (S. 390, Hervorhebung K. K.) nicht verleugnet. Woraus Körner nach eigenem Bekenntnis nie ein Hehl gemacht hat, das war seine jüdische "Abstammung" (S. 189), seine "Herkunft" (ebd.), aber jegliche "Gottesfiktion" (S. 239), also auch deren jüdisch-mosaische Spielart, war für ihn eine nicht mehr nachvollziehbare "ideelle Kinderei" (S. 216), ein "Atavismus des theologischen Zeitalters" (S. 196), das endgültig vergangen sei.

Das nationale Identitätsbewußtsein Körners, seines Elternhauses wie seiner später in nazistischen Vernichtungslagern ermordeten Geschwister Erna Körner (1893–1941) und Dr. Max Körner (1882–1943) scheint sich nicht nur im Festhalten an der "deutschen Sprache und Kultur" (S. 389) manifestiert, sondern in einem zwar nicht "deutschradikalen", wohl aber "deutschliberalen" Sinne auch eine historisch-politische Dimension umfaßt zu haben. So schließt etwa die ausdrücklich den "geliebten Geschwistern Erna und Max" gewidmete Schrift Das Nibelungenlied (Leipzig 1921) mit einem rezeptionsgeschichtlichen Rück- und Ausblick, der zugleich ein Geschichts- und Zeitgeschichtsbild erkennen läßt, das sonore Töne eines auch politisch instrumentierten nationalen Pathos keineswegs scheut und vermeidet:

Fragt man sich, [...] wie ein Werk von solcher Tiefe der Empfindung [...] dem eigenen Volk jahrhundertelang so gut wie verloren sein konnte, dann muß der Hinweis auf den tragischen Verlauf der deutschen Geschichte zur Antwort dienen, der innere Zusammenbruch der Nation im 16. und 17. Jahrhundert, durch den mit der politischen Macht auch die geistige Kultur des Volkes verschüttet ward. Beide sind glanzvoll wieder erstanden, und aus dem Nibelungenlied nicht zuletzt haben Kraft und Stolz und Zuversicht jene Männer gesogen, die am Beginn des 19. Jahrhunderts dem deutschen Geist und dem deutschen Schwert die ruhmvollen Wege wiesen, die bis ans Ende des Säkulums immer höher und höher hinanführten. Hat eine trauervolle Gegenwart die Nation von dieser schon schwindligen Höhe nun jäh hinabgestürzt, – ihre geistigen Güter, die kein Feind rauben kann, sind ihr geblieben; die zu halten und zu hegen, an ihnen sich zu erraffen, sich zu erheben ist die Forderung des Tages. Wieder kann werden, was einst war, und zum andernmal an dem alten Gedichte sich ein Feuer entzünden, das alle Gewalt- und Fremdherrschaft vernichtet. (Ebd., S. 121–122, Hervorhebungen K. K.).

Nach Kenntnisnahme solcher Sätze erscheint einem die wenige Jahre später von August Sauer kolportierte Bezichtigung, bei Körner handle es sich um ein "übelbeleumdetes anationales Individuum" (S. 425 und 439) als eine besonders böswillige Verleumdung.

Besonderen Wert hat Josef Körner stets auf die Feststellung gelegt, als Philologe und Literarhistoriker aus der Schule Jakob Minors (1855–1912) hervorgegangen zu sein, in seinen Studien "vornehmlich von Jakob Minor geleitet, als dessen letzter namhafter Schüler er zu bezeichnen ist", wie die offenbar auf Körner selbst zurückgehende Formulierung in der ersten Auflage des Deutschen Literatur-Lexikons 3 von Wilhelm Kosch deutlich genug lautet. Und der dem Wirken Minors gewidmete Passus in der wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung "Deutsche Philologie", die Josef Körner für den von Eduard Castle betreuten dritten Band der Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte 4 beigesteuert hat, bietet nicht nur eine Charakteristik der germanistischen Leistungen, sondern auch eine einläßliche Schilderung der Vorlesungspraxis und Vortragsweise des verehrten akademischen Lehrers aus eigener Hörererfahrung.

Wie Jonas Fränkel (1879–1965), der Verfasser eines bedeutsamen Nachrufs 5 auf Jakob Minor, so sah auch Josef Körner die Tugenden, Ansprüche und Leistungsmöglichkeiten des spezifisch Philologischen von Poetik und Historik in Minors Lehr- und Forschungstätigkeit weithin musterhaft erfüllt. Nicht ohne Staunen wird man bei Körner – ein Jahr vor seinem frühen Tode – einen aus dieser Tradition heraus zu verstehenden Satz lesen können, der Schlegelsche Gedanken von der Philologie als Universalwissenschaft erneuern zu wollen scheint: "[...] jedenfalls kann es nicht Aufgabe der Poetik sein, irgendeine [...] >Philosophie< auf das Gebiet der Dichtung anzuwenden [...], vielmehr hat der Poetiker, als Erforscher der dichtesten und deutlichsten menschlichen Ausdrucksgebilde, eher selbst den Philosophen zu belehren" (S. 315).

3. Zu Körners Beschäftigung mit der zeitgenössischen Gegenwartsliteratur

"Entdeckung der Gegenwartsliteratur"

"Als Redakteur der Zeitschrift Donauland in Wien: Entdeckung der Gegenwartsliteratur" (S. 399–413) ist der "zweite Abschnitt" (S. 388) des "biographischen Umrisses" überschrieben.

"Entdeckung der Gegenwartsliteratur" bezeichnet hier einen Sachverhalt, mit dem Körner sich ebenfalls als Fortsetzer eines Wirkungsbereichs Jakob Minors (und des von diesem habilitierten Oskar Walzel) empfinden konnte. "Minors lebhaftes Interesse für das dichterische Schaffen der Gegenwart" hatte Jonas Fränkel 1912 in seinem Nekrolog für die Neue ZürcherZeitung 6 mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, während dieses "lebhafte Interesse" schon ein Jahrzehnt vorher von Karl Kraus in der Fackel satirisch glossiert worden war als der Ehrgeiz des Wiener Ordinarius, "im Germanistenseminar moderne Literatur zu züchten und als Minordomus der deutsch-österreichischen Literatur seines Amtes zu walten". 7

Der als erstes Zeugnis eines solchen lebhaften Interesses vom Herausgeber in seine Textauswahl aufgenommene Aufsatz "Dichter und Dichtung aus dem deutschen Prag" (S. 55–66) vom September 1917 darf zwar als Beleg dafür gelten, daß Körner in der Tat als "einer der ersten Literaturwissenschaftler [...] die Bedeutung Franz Kafkas" "erkannte und benannte" (S. 386): aber eben nur als einer von ihnen, und nicht einmal als der allererste; in der Priorität war ihm da bereits mehr als ein Jahr zuvor sein Mentor Oskar Walzel mit dem Aufsatz "Logik im Wunderbaren" im Berliner Tageblatt 8 vom 6. Juli 1916 bahnbrechend vorangegangen. Auch das an Körners Aufsatz so heftig von Max Brod gerügte Gruppierungsverfahren, ihn selbst zum "Führer" (S. 63) eines "Brodschen Kreises" (S. 65) Prager Autoren zu erklären, war alles andere als neu; schon das Prager Tagblatt vom 10. Februar 1912 hatte die Zeitschrift Herder-Blätter (1911 / 1912) definiert als "Organ der jungen Prager Dichter, die um Max Brod sich schließen", ohne damit bei diesem auf Widerspruch zu stoßen. Ungewöhnlicher wirkte da schon die Erwähnung eines etwas peripheren Autors wie Hans bzw. Johannes Thummerer (1888–1921) im Kontext der Prager Werfel-Generation; aber absolute Priorität darf erst die meines Wissens allererste und gleich auch sehr nachdrückliche öffentliche Erwähnung und Hervorhebung eines Prager Salons für sich beanspruchen, der seither wiederholt von sich reden gemacht hat 9:

Einigte vordem in Berlin der Verein >Durch< die Vorkämpfer des Naturalismus, blühte das junge Wien in der Treibhausluft des Café Griensteidl auf, so fanden Prags jugendliche Dichter vornehmlich in dem bescheidenen Salon einer hochgebildeten Dame den beliebten Treffpunkt. Hugo Bergmann, der Herrin des Hauses nahestehend, ein tüchtiger philosophischer Kopf und wahrer Edelmensch, führte dort (der Krieg hat ja manches verändert) die geistvollen Debatten und von seinem Wort und Wesen empfingen die versammelten Literaten mehr Anregung als Fernstehende ahnen mögen. So geht etwa Max Brods bisher reifste Schöpfung, der Roman Tycho de [sic!] Brahes Weg zu Gott in der Grundidee auf eine Studie des bibelkundigen Philosophen zurück (S. 63).

Die hier so rühmend erwähnte, wenn auch nicht beim Namen genannte "hochgebildete Dame" war die Apothekersgattin Bert(h)a Fanta (1865–1918), welcher der "tüchtige philosophische Kopf und wahre Edelmensch" Hugo Bergmann (1883�), einstiger Klassenkamerad Franz Kafkas und späterer erster Direktor der National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem, als Schwiegersohn besonders nahestand. Bergmanns Abhandlung "Die Heiligung des Namens (Kiddusch haschem)" in dem Sammelbuch Vom Judentum (Leipzig 1913) hat Max Brod selbst in seiner Autobiographie Streitbares Leben (München 1960, S. 355) als ein "Schriftwerk" bezeichnet, das wie kaum ein anderes auf ihn einen "erleuchtenden Eindruck" gemacht habe, gerade in Bezug auf Tycho Brahes Weg zu Gott – nicht Tycho de Brahes Weg zu Gott, wie das offenbar schon Körner unterlaufene, vom Herausgeber kommentarlos übernommene Fehlzitat des Romantitels lautet.

Solche Errata vermögen bei aller Geringfügigkeit gleichwohl als warnende Exempel dafür zu dienen, daß man selbst Texte des mit Recht immer wieder als besonders akribisch gerühmten Josef Körner nicht ohne kritische Wachsamkeit und Überprüfung einfach nachdrucken kann, als seien sie gegen Fehlleistungen oder auch sachliche Irrtümer grundsätzlich gefeit. Ab und zu wäre – analog zu dem Körnerschen "Hier irrt Schlegel" (S. 144) – auch ein "Hier irrt Körner" angebracht gewesen: so etwa, wenn es in dem hier erörterten Aufsatz heißt, "Männer wie Karl Egon Ebert und Siegfried Kapper" hätten "in beiden Landeszungen Zwiesprache mit ihrer Muse" (S. 55) gehalten (übrigens eines der nicht ganz seltenen Beispiele für den "lebhaft bildernden [...] Stil" (S. 87) des frühen Körner, den dieser wenig später mit Recht der Schreibweise Josef Nadlers nachsagen wird.) In "beiden Landeszungen" (also deutsch und tschechisch) hat indessen nicht schon Karl Egon Ebert (1801–1882), sondern erst Siegfried Kapper (1821–1879) publiziert; Friedrich Adler (1857–1938) erhielt keineswegs als der "einzige Österreicher Aufnahme in [...] die Modernen Dichtercharaktere" (S. 58), sondern er war neben Richard Kralik (1852–1934), Fritz Lemmermeyer (1857–1932) und Josef Winter (1857–1916) der vierte und, wenn man den aus dem Deutschen Reich "zugereisten", in Wien wohnhaften Oskar Hansen hinzurechnet, sogar der fünfte Autor aus Österreich unter den insgesamt 21 Beiträgern der Modernen Dichter-Charaktere von 1885; deren Mitherausgeber hieß nicht "Henckel" (S. 58), sondern Henckell, und zwar war es Karl Henckell (1864–1929), nicht aber "Henckel, Wilhelm" (S. 467), wie eine – leider nicht vereinzelte – Fehlattribuierung des "Personenregisters" behauptet.

Zwar lautete der Titel der ersten Gedichtsammlung von Paul Leppin Glocken, die im Dunkeln rufen (1903), aber sein "Prager Gespensterbuch" von 1914 hieß nicht Severins Gang ins Dunkle (S. 61), sondern Severins Gang in die Finsternis: eine Titelkontamination, wie sie Körner gelegentlich auch sonst unterlaufen ist, etwa in dem Brief an Käte Hamburger vom 6. April 1948, wo der Titel der Schrift Umgang mit Dichtung (1936) von Johannes Pfeiffer (1902–1970) kontaminiert erscheint mit den Gedanken über die Dichtung (1941) von Gerhard Storz (1898–1983), dem dann auch die so entstandene Mischung Umgang mit der Dichtung (S. 276) als Autor (vom Herausgeber ebenfalls unbemerkt und unberichtigt) zugeschrieben wird.

Gewiß ist in dem Aufsatz "Dichter und Dichtung aus dem deutschen Prag" (wie auch in den übrigen thematisch verwandten Donauland-Artikeln) von einem "Kulturkampf gegen die tschechischen Einwohner der Moldaumetropole [...] nichts zu spüren" (S. 401), doch sind die nationalen Stereotype deutschliberaler Sichtweise des tschechisch-deutschen Neben- und Gegeneinander gleichwohl allerorten präsent: von Prag als Stadt der "ersten deutschen Universität" (S. 55) über die Bewertung der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts als die "verhängnisvollen Jahre", welche die "deutsche Stadt" Prag "endgültig zur slawischen Metropole wandelten" (S. 60) und die Rede von einer dort einsetzenden "tatsächlichen Bedrängnis des Volkstums" (S. 56) bis hin zur Charakteristik von Fritz Mauthners Grenzlandroman Der letzte Deutsche von Blatna (1887) als "typische Geschichte der Verdrängung der Deutschen aus altangestammten Sitzen" (S. 57).

Mit dem markigen Vokabular von Feststellungen wie der, daß auch im "deutschen Prag" als Literaturstadt "mit deutschem Wesen allzeit deutsche Dichtung vereint bleibt" (S. 56), wird nicht nur der Programmatik des Donauland, "heimisches Schrifttum und Heimatkunst zu pflegen und hochzuhalten" (wie es in einem Werbetext der Zeitschrift ausdrücklich heißt), dienstpflichtgemäß Rechnung getragen, es scheint darüber hinaus schon mit dem Titel "Dichter und Dichtung aus dem deutschen Prag" auch ein kontrastiver Bezug auf Das jüdische Prag beabsichtigt gewesen zu sein – Titel einer wenige Monate zuvor, an der Jahreswende 1916 / 17 erschienenen, von der Prager zionistischen Zeitung Selbstwehr herausgegebenen repräsentativen Sammelschrift, in der bereits die meisten derjenigen Namen vertreten gewesen waren, die nun bei Körner als Autoren des "deutschen Prag" nahezu vollzählig figurierten: Alfred Klaar, Fritz Mauthner, Auguste Hauschner, Friedrich Adler, Hugo Salus, Oskar Wiener, Oskar Baum, Hugo Bergmann, Franz Kafka, Max Brod, Otto Pick, Rudolf Fuchs und Franz Werfel.

Dienstzeit im k. u. k. Kriegsarchiv

"Der zweite Abschnitt beleuchtet Körners Tätigkeit als Redakteur der Monatszeitschrift Donauland zwischen 1916 und 1919" (S. 388) resümiert der Herausgeber, meint damit aber wohl Körners gesamte dreijährige Dienstzeit im k. u. k. Kriegsarchiv; denn als Redakteur der "Illustrierten Monatsschrift" konnte er erst ab März 1917 tätig werden, als das erste Heft des Donauland erschien.

Außer der recht wenig besagenden Feststellung, daß er im Kriegsarchiv "Kanzleiarbeiten" (S. 399) zu leisten hatte, wird von Körners Arbeit im Kriegsarchiv so gut wie nichts "beleuchtet", obwohl er ja bereits "Anfang 1916" (S. 399) in diese "Heldenbeschreibungsanstalt", wie Kraus sie in einem Brief an Sidonie von Nádherny verächtlich nannte, versetzt worden war, also genau zur gleichen Zeit wie Rainer Maria Rilke, der in einem "arg bekümmerten" Brief vom 15. Februar 1916 an seinen Verleger Anton Kippenberg über den dortigen "Dicht-Dienst" des "Heldenfrisierens" zu berichten hatte. Der ehrgeizige und umtriebige Oberst Alois Veltzé (1864–1927), in Personalunion Mitherausgeber des Donauland und Vorstand der "Schriftenabteilung" des k. u. k. Kriegsarchivs, leitete auch deren Unterabteilung, die sogenannte "Literarische Gruppe", der im Laufe der Kriegsjahre zahlreiche namhafte Schriftsteller und erfolgreiche Journalisten angehörten, u. a. Rudolf Hans Bartsch, Franz Karl Ginzkey, Paul Stefan Grünfeld, Geza Silberer (Sil-Vara), Alfred Polgar, Franz Theodor Csokor und nicht zuletzt der "Titularfeldwebel" Stefan Zweig, den Körner wohl erst seit dieser Zeit "mein Freund" (S. 219) titulieren konnte.

Unbedingt bemerkt zu werden hätte auch verdient, daß Donauland schon wenige Wochen nach seinem ersten Erscheinen, bereits Mitte Mai 1917, zum Merkziel der Satire in der Fackel von Karl Kraus geworden war und das bis in die ersten Nachkriegsjahre hinein auch leitmotivisch blieb. "Donauland", so lautet gleich eingangs die satirische Definition dieser Zeitschrift in der Glosse "Literaten unterm Doppelaar", "Donauland betitelt sich die Kriegsdienstleistung der zur Literatur Untauglichen, die jetzt in einem Bureau der Mariahilferstraße – man gönnt's ihnen – die Zukunft Österreichs nebbich schmieden." 10 Es darf vermutet werden, daß der Fackel-Leser Franz Kafka diese Kriegs-, Literatur- und Kriegsliteratursatire zu Kenntnis genommen hatte, als er Ende 1917 eine Mitarbeit an dieser Zeitschrift ablehnte (s. S. 403, Anm. 44.). Zu den Gründen solcher Ablehnung gehörte auch, was er bereits Anfang 1917 in einem Briefentwurf zum Ausdruck gebracht hatte: "ich bin nämlich nicht imstande, mir ein im Geiste irgendwie einheitliches Groß-Österreich klarzumachen und noch weniger allerdings, mich diesem Geistigen ganz eingefügt zu denken, vor einer solchen Entscheidung schrecke ich zurück." 11

Studien zu Arthur Schnitzler

Nicht in der – erst 1925 von Willy Haas begründeten – Literarischen Welt (S. 405), wie es in diesem zweiten Abschnitt des "biographischen Umrisses" irrtümlich heißt, sondern in Ernst Heilborns Literarischem Echo (wie die dazugehörige Anmerkung 49, ebd., richtig ausweist), ist am 1. April 1917 Josef Körners erster Text zum Thema Arthur Schnitzler erschienen, die kritische Studie "Arthur Schnitzler und Siegmund [!] Freud" (S. 357). Sie sowie eine Ende 1917 im Donauland veröffentlichte Besprechung der Schnitzlerschen Komödie Fink und Fliederbusch (S. 374) und schließlich die Ende 1918 ebenfalls im Donauland publizierte, vom Herausgeber in seine "Schriften"-Auswahl aufgenommene Abhandlung "Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme" (S. 67–83) waren die "Aufsätze", die nach Josef Körners – ebenfalls in die Auswahl aufgenommenen – späteren "Persönlichen Erinnerungen an Arthur Schnitzler" (S. 133–136) "dann zu einem umfänglicheren Buche zusammenflossen, das zufällig im Jahre seines 60. Geburtstages herauskam." (S. 133).

Es hätte laut Vorankündigung als XXIII. Band der Amalthea-Bücherei bereits im Herbst 1921 erscheinen sollen, wurde dann aber doch erst im März 1922 ausgeliefert, also annähernd sechs Monate vor der erst im September 1922 vorliegenden, Thomas Mann gewidmeten und von diesem empfohlenen, von Josef Körner jedoch kritisch "abgelehnten" 12 Studie des mit Arthur Schnitzler eng befreundeten Richard Specht, Arthur Schnitzler. Der Dichter und sein Werk, so daß es als der Festbeitrag zum bevorstehenden Geburtstag des Dichters (13. Mai 1922) gelten konnte. Die Bibliographie, die es nicht unter diesem "Jahre des 60. Geburtstages", also nicht unter 1922, sondern nach dem Copyright-Vermerk unter 1921 verzeichnet (S. 359), läßt solche Zusammenhänge nicht erkennen, zumal da zu diesem Werk – anders als bei der Mehrzahl der übrigen – kein Verzeichnis von Rezensionen angefügt ist.

Generell macht sich in dem bibliographischen "Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 351–384) wie auch im Anmerkungsapparat des "biographischen Umrisses" (S. 385–461) bisweilen ärgerlich störend bemerkbar, daß Texte, die in Periodica erschienen sind, fast stets nur mit Seitenangaben innerhalb des jeweiligen Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsbandes registriert werden und darüber hinaus eine noch präzisere Datierung, die oft sehr kontextrelevant sein könnte, bedauerlicherweise nicht erlauben. Während z. B. Josef Körner selber in seinem Handbuch (S. 502) die oben erwähnte Rezension der Schnitzler-Monographie von Richard Specht in den Preußischen Jahrbüchern konkret "November 1923" datiert, muß man bei Klausnitzer aus der Quartalbandangabe "Oktober-Dezember 1923" (S. 376) den Monat erraten, ohne sicher sein zu können, ihn auch richtig getroffen zu haben.

Wie in der Reproduktion des Aufsatzes "Dichtung und Dichter im deutschen Prag" (S. 55–66) so sind auch im Abdruck der Studie "Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme" (S. 67–83) aus dem Donauland offenbar bereits dort unterlaufene Fehlzitate vom Herausgeber unkorrigiert übernommen worden, also
z. B. S. 74 Doktor Gräßler anstatt Doktor Gräsler oder S. 78 Frau Berta und ihr Sohn anstatt Frau Beate und ihr Sohn; ferner S. 81–82 Abweichungen in Schnitzler-Zitaten von deren Textvorlage.

Mit der auf Wertungen (etwa der Dichtersprache Schnitzlers) keineswegs verzichtenden Reminiszenz "Persönliche Erinnerungen an Arthur Schnitzler"
(S. 133–136) fanden nicht nur die Schnitzler-Studien Josef Körners, sondern auch dessen publizierte Beiträge zum Bereich des "Gegenwartsschrifttums" (S. 364) ihren Abschluß. Klausnitzer hat versucht, den Standpunkt, von dem aus Josef Körner seine Wertungen zeitgenössischer Literatur vornahm, als Erscheinungsform einer allgemeineren Generationssymptomatik zu deuten: "Als Angehöriger dieser Generation [der zwischen 1880 und 1890 Geborenen, K. K.], die sich nach dem expressionistischen Aufbruch in unterschiedlichen Lagern des politischen Spektrums wiederfand, partizipierte Körner aber weit eher an religiös begründeten Reintegrationsbemühungen als an den exklusiven Entdifferenzierungsprojekten der völkischen Bewegung" (S. 411). Deutlich werde das in Körners Aufsatz über Zacharias Werner, "der eine Parallele zwischen romantischen und expressionistisch-gegenwärtigen Heilserwartungen zog" (ebd).

Daß Körner diese Parallele zog, besagt indessen keineswegs, daß er an einem der beiden Heilserwartungsphänomene, zwischen denen diese Parallele gezogen wurde, in irgendeiner Form "partizipiert" hätte. In Schnitzlers Tagebuch findet sich unterm 22. Dezember 1924 die Notiz: "Prof. Körner [...] über die Gottsucher (und dass ich >Gott sei Dank< keiner bin)." Und im gleichen Sinne wird es in einem Brief an Käte Hamburger zwei Jahrzehnte später explizit heißen:

Weder Werfels theologische Reaktion gegen den >naturalistischen Nihilismus< unserer Zeit, noch Th. Manns areligiöse Religiosität halte ich für mögliche Rettungen aus einem (scheinbaren oder wirklichen) geistig-sittlichen Chaos. Wir können nicht zurück (der klassische Versuch dieser Art innerhalb der deutschen Geistesgeschichte heißt Friedrich Schlegel, und wie sehr spricht dieser dagegen!), wir müssen weiter voran [...] Die Gottesfiktion ist unhaltbar geworden [...], und darum gibt es kein Zurück zur Theologie, sondern nur ein resolutes Weiterschreiten innerhalb der Anthropologie (S. 238–239).

Klarer läßt sich die Ablehnung jeglicher Teilhabe an "religiös begründeten Reintegrationsbemühungen" wohl kaum formulieren.

4. Zu Körners Forschung und Lehre 1919–1939

Den umfangreichsten Teil des "biographischen Umrisses" nimmt mit Recht dessen "dritter Abschnitt" ein, überschrieben: "Gymnasialprofessor und Hochschullehrer in Prag: Produktive Jahre 1919–1939" (S. 413–449).

Zwischen der Schilderung der "Bemühungen um Friedrich Schlegel" (S. 415–423), d. h. vor allem um eine bereits 1928 in Aussicht gestellte "kritische Gesamtausgabe" dieses Autors, und dem Bericht über den im Sommer 1929 geglückten "Fund von Coppet" (S. 446–449), dem auch ein in die Textauswahl aufgenommener Artikel Körners in den Münchner (nicht: Münche ner !) Neuesten Nachrichten gilt (S. 117–121: "Auferstehende Romantik!"), steht im Zentrum die ausführlichste Darstellung, die Josef Körners "Zweifacher Habilitationsversuch"
(S. 423–445) an der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität Prag bisher in der Sekundärliteratur erfahren hat. Überaus wertvolle Ergänzungen des zu diesem Thema – vor allem im Jubiläumsheft 1 / 1994 des Euphorion – wissenschaftsgeschichtlich bereits Recherchierten und Interpretierten erbringt hier vor allem die Auswertung einschlägigen Materials aus dem Archiv der Prager Karls-Universität.

In der genetischen Darlegung dieser hochschulpolitisch so besonders symptomatischen Affaire hätte ganz gewiß auch Erwähnung (und entsprechende Berücksichtigung im "Personenregister") der nicht unwesentliche Umstand verdient, daß der im Zusammenhang mit Körners erstem Habilitationsversuch von 1924 / 25 mehrfach erwähnte "Dekan" (vgl. S. 430, Anm. 115–116; S. 430, Anm. 120–122) der führende Slawist der Prager deutschen Universität gewesen ist, Franz Spina (1868–1938), der dann von 1926 bis 1938 auch als Minister der tschechoslowakischen Regierung angehörte, während es sich bei dem "Dekan"
(S. 445), der nach dem Eintreten des Philosophen Oskar Kraus (1872–1942), des klassischen Philologen Siegfried Reiter (1863–1943) sowie des weltberühmten Orientalisten und Indologen Moritz Winternitz (1863–1937) für Josef Körner im Sommer 1929 die Wiederaufnahme von dessen Habilitationsverfahren verfügte, um Arthur Stein (1871–1950) handelte, der in Briefen an Käte Hamburger als "Althistoriker" (S. 303) und "einer der vordersten, wenn nicht überhaupt der vorderste Epigraphiker unserer Zeit" (S. 292) auftauchen wird, ohne beim Namen genannt, vom Herausgeber aber auch nicht identifiziert und attribuiert zu werden, so daß er im "Personenregister" ebenfalls nicht angeführt erscheint.

Zu den bedauerlichsten Lücken im Verzeichnis der Rezensionen wie auch im Kontext des "biographischen Umrisses" gehört in diesem Zusammenhang das Fehlen der ungewöhnlich ausführlichen, sechs besonders kompress gedruckte Seiten umfassenden Besprechung, die der germanistische Ordinarius der Prager tschechischen Karls-Universität Josef Janko (1869–1947, nicht Janke, wie S. 359 zu lesen!) in dem von ihm mitgeleiteten Neophilologen-Organ Časopis pro moderní filologii im Juni 1926, also noch zu Lebzeiten August Sauers, der von Josef Körner 1924 auch als erste Habilitationsschrift vorgelegten Monographie Klassiker und Romantiker gewidmet hat. Mit dieser vorbehaltlos zustimmenden Rezension, mit den gleichfalls durchwegs positiven Würdigungen Josef Körners durch den jüngeren literarhistorischen Ordinarius Otokar Fischer (1883–1938) sowie dessen "Kronprinzen" Vojtěch Jirát (1902–1945, vgl. z. B. die vom Herausgeber ebenfalls nicht erfaßte Anzeige der "Krisenjahre" in der Tageszeitung České slovo vom 4. Februar 1937) war die Solidarität der Prager tschechischen Germanistik mit Körner in dessen Kontroversen sowohl mit August Sauer als auch mit Sauers Prager Nachfolger Herbert Cysarz deutlich genug markiert und artikuliert.

Gleichwohl wird man dem vom Herausgeber übernommenen Urteil Konstanze Fliedls, die in Hinblick gerade auf August Sauer von einer "kaum noch verhüllten antisemitischen Prager Institutspolitik" (S. 425) gesprochen hat, so generell nicht zustimmen können; denn schließlich war der von Sauer ganz dezidiert bevorzugte Habilitationsanwärter Georg Stefansky (1897–1957) ebenso jüdischer Herkunft wie der ein Jahrzehnt ältere Körner, und Sauer selbst galt bei völkischen Studenten wo nicht geradezu als Jude, so doch als eindeutig philosemitisch. Auch das Fehlurteil, Sauers Werbungsruf von 1907 "Deutsche Studenten – nach Prag!" (S. 439) als Appell eines "nationalkonservativen Aktivisten" (ebd.) zu interpretieren, zeugt von einer gründlichen Verkennung der Prager politischen Konstellation um 1900, in der die Losung der radikalsten nationalistischen "Aktivisten" – in bewußter Analogie zum antiklerikalen "Los von Rom!" – vielmehr "Los von Prag!" lautete, weil man die Hauptstadt Böhmens nicht nur wegen ihrer erdrückenden tschechischen Bevölkerungsmehrheit, sondern auch wegen der nach wie vor ungebrochen liberalen kommunalpolitischen Dominanz innerhalb der deutschsprachigen (weithin deutschjüdischen) Minderheit jederzeit preiszugeben bereit war zugunsten eines Universitätsstandorts in einer kompakt deutschsprachigen Region.

In einem Abschnitt des "biographischen Umrisses", dessen Überschrift mit der Berufsbezeichnung "Gymnasialprofessor" beginnt, hätte man gern auch etwas über die im "Verzeichnis der Veröffentlichungen" durch mehrere Beiträge ausgewiesene Wirksamkeit des Philologen als Lehrer, Methodiker und Didaktiker im "höheren Schulwesen" erfahren, z. B. über den auf S. 365 verzeichneten Aufsatz "Der Schüler Gerber wird gerächt", mit dem Körner in die Debatten um Friedrich Torbergs unmittelbar vorher erschienenen, auf Prager Realien beruhenden, vieldiskutierten Erstlingsroman Der Schüler Gerber hat absolviert (1930) eingegriffen hat.

In einem Brief Josef Körners an Käte Hamburger vom 25. Februar 1949 heißt es auf bezeichnende Weise: "einst war mir Vortragen höchste Lust, ich verstand, Zuhörerschaft in Bann zu schlagen und das Bewußtsein solcher Beherrschung der Masse zu genießen." (S. 312). In der im Goethe-Jahr 1932 gehaltenen, unter dem Titel Goethe und Ihr in der "Staatlichen Verlagsanstalt" (nicht Versicherungsanstalt, wie es S. 367 unbegreiflicherweise heißt) veröffentlichten "Rede an die studierende Jugend" (gemeint ist hier nicht Universitätsstudentenschaft, sondern nach gesamtösterreichischem und auch tschechischem Sprachgebrauch die Schuljugend höherer Lehranstalten) liegt in Gestalt einer Gedenk- und Festansprache ein Zeugnis der Rhetorik gymnasialprofessoralen "Vortragens" vor, das als offensichtlich einzige überlieferte Probe dieser Textsorte schon deshalb (aber auch wegen des begrenzten Umfangs) Aufnahme in die notgedrungen knappe Textauswahl des Bandes verdient hätte, zumal da hier schon die in jedem Sinne "tiefe Skepsis" (S. 190) zum Ausdruck kommt, mit der Körner bereits 1932 und seither immer "realistischer" (S. 220) die zeitgeschichtlichen Vorgänge auf dem abendländischen Kontinent beobachtet, beurteilt und selber erlitten hat, "in dieser Epoche der Rebarbarisierung Europas, der Atempause zwischen einem die europäische Gesittung untergrabenden Weltkrieg und einem schon herandonnernden künftigen, der sie, ja die physische Existenz der Kulturmenschheit überhaupt zu vernichten droht." 13

Nach Erlangung der venia docendi im August 1930 nahm Körner mit dem Sommersemester 1931 als Privatdozent und Titularprofessor am Seminar für deutsche Philologie der Deutschen Universität in Prag seine nicht ganz 16 Semester währende Lehrtätigkeit auf, die bereits vor Abschluß des Wintersemesters 1938 / 39 ihr erzwungenes Ende fand. Als einziger Germanist jüdischer Herkunft unter seinen Seminarkollegen war er von der wenige Wochen nach dem Diktat von München (30. September 1938) einsetzenden nazistischen Gleichschaltung der Prager Deutschen Universität unmittelbar betroffen und wurde schon "im Herbst 1938, als das Reich deren Verwaltung übernahm, auf Grund des Arierparagraphs (sic) aus dem Lehrkörper ausgeschieden" (S. 283), also keineswegs erst nach dem "Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag am 15. März 1939" (S. 449), wie der Herausgeber im Widerspruch zu dem von ihm edierten Text behauptet. Nicht bloß eine "böse Vorahnung des Kommenden" (S. 453, Hervorhebung K. K.) mußte demnach "den Prager Germanisten erfüllt haben" (ebd.), als er Mitte November 1938 seine "Autobibliographie 1911–1938" als resümierenden "Schaffensbericht" verfaßte, sondern bereits die schmerzliche Gewißheit des vorzeitigen Endes einer ohnehin mißgünstig verzögerten und behinderten akademischen Laufbahn. Der Periodisierungseinschnitt, von dem an der Herausgeber Josef Körners "Bittere Jahre 1939–1950" (S. 449) beginnen läßt, wäre infolgedessen auf 1938 vorzuverlegen.

"Literaturgeschichtliche Übersichtsvorlesungen lehnte Körner ab" (S. 446) stellt Klausnitzer unter Hinweis auf einen Brief an Bernhard Blume vom 15. Mai 1948 summarisch fest. Daß Körner solche "Übersichtsvorlesungen" nicht sehr hoch schätzte, besagt jedoch keineswegs, daß sie in seinem Lehrveranstaltungsangebot gänzlich gefehlt hätten. Vielmehr las er gleich in den ersten vier Semestern seiner Privatdozentur (Sommersemester 1931 bis Wintersemester 1932 / 33) über die Geschichte des deutschen Romans im 18. und 19. Jahrhundert, und für die Wintersemester 1936 / 37 sowie 1938 / 39 war ein Kolleg über die "Geschichte der deutschen Romantik in weltliterarischer Sicht" angekündigt: Lehrveranstaltungen also, denen man den Charakter von "literaturgeschichtlichen Übersichtsvorlesungen" kaum wird absprechen können.

5. Zu Körners Isolation und Verfolgung 1938–1945

Hatte Körner alle Aussicht auf ein akademisches Lehramt endgültig durch den Beschluß der tschecho-slowakischen Regierung vom 27. Januar 1939 verloren, der die Zwangsentlassung aller Staatsbediensteten jüdischer Herkunft verfügte, so war er durch die bereits am 17. März 1939 erfolgte Übernahme aller seit 1933 angeordneten antijüdischen Diskriminierungs- und Restriktionsvorschriften des Hitler-Regimes durch die Protektoratsregierung darüber hinaus auch noch, wie Herbert Cysarz es überaus euphemistisch formulierte, "in die einsame Studierstube gescheucht" (S. 452), d. h., weniger verblümt ausgedrückt, von nun an – genau wie sein Dresdener Kollege und Korrespondenzpartner Victor Klemperer – ebenfalls vor allem dem im "Großdeutschen Reich" bereits Ende 1938 erlassenen Verbot der Benutzung von Bibliotheken, Archiven und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen unterworfen.

Dank seiner nichtjüdischen tschechischen Ehefrau, die ihn nicht verließ, blieb Josef Körner – anders als seine Fakultätskollegen Siegfried Reiter, Arthur Stein und Emil Utitz, der "Goedeke"-Bibliograph Alfred Rosenbaum, der "letzte große Meister deutscher Bücherkunde" 14 sowie der Nestor der Prager tschechischen Germanistik Arnošt Kraus – von einer Deportation nach Theresienstadt einstweilen noch verschont und wurde erst am 4. Februar 1945 – zusammen mit anderen jüdischen Partnern sogenannter "Mischehen" – von dem zweiten der insgesamt neun "Arbeitseinsatztransporte" ("AE") erfaßt, die zwischen Ende Januar und Mitte März aus Prag, Mährisch Ostrau (Ostrava), Olmütz (Olomouc) und Lípa nach Theresienstadt abgingen, ohne daß es dann noch zu einem Weitertransport der "arisch Versippten" (wie der LTI-Terminus lautete) in ein Vernichtungslager gekommen wäre. Erst am Tage des Waffenstillstands, dem 8. Mai 1945, wurden Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt durch sowjetische Truppen auf deren Vormarsch nach Prag befreit.

Seine Feststellung, daß "nach 1939 die offene Erinnerung an die Leistungen des als Juden [sic] aus dem akademischen Diskurs ausgegrenzten Körner unmöglich geworden war" (S. 453), hat der Herausgeber selber durch die Anmerkung relativiert, daß Bernard von Brentanos 1943 erschienene August-Wilhelm-Schlegel-Biographie eine "Würdigung des Prager Philologen" sowie Hinweise auf "Körners Briefausgaben und Monographien" (S. 454) enthalte. Keineswegs systematisch angestellte Stichproben vermögen darüber hinaus nachzuweisen, daß in dieser Zeit auch andernorts auf Josef Körner mit voller Namensnennung Bezug genommen wurde, so z. B. durch Benno von Wiese im Kommentarband seiner Hebbel-Ausgabe 15 oder durch Julius Petersen in seiner Methodenlehre "Die Wissenschaft von der Dichtung" (1939), auch noch in deren von Erich Trunz besorgten 2. Auflage. 16 Es gehörte dazu offenbar nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als ein gewisses Mindestmaß an intellektueller Redlichkeit und Zivilcourage, das freilich die Mehrzahl der Zunftgenossen nach Körners harter, aber gerechter Einschätzung damals vermissen ließ.

Bewundernswert und unvergessen verdient die geistige Energie und Aktivität zu bleiben, die Josef Körner sich selbst unter den extremsten Bedingungen repressiver Ab- und Ausgesperrtheit gleichwohl noch bewahrt hat.

Zu der Arbeit an einer "geplanten großen Poetik" (S. 209), die bereits 1937 unter ihrem hinfort beibehaltenen Titel "Dichtung als Ausdrucksgebilde" in der methodologischen "Einleitung" zu der Übungstextsammlung "Wortkunst ohne Namen" (Prag 1937, S. 11) als "demnächst" erscheinend angekündigt worden war, gesellten sich weitere Buchprojekte von zum Teil ganz erstaunlicher Weite und Vielfalt des Gegenstandsbereichs wie der Themenstellung: allen voran der Plan eines "Wertebuchs" (S. 238), dessen Obertitel schon 1942 "ziemlich fest" (S. 454) stand, so daß er 1946, lediglich ergänzt durch einen erläuternden Untertitel, in unverändertem Wortlaut von neuem angeführt werden konnte: "Wert und Werturteil in Wirtschaft, Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst. Versuch einer Grundlegung von Ökonomik, Poetik, Ethik und Ästhetik" (S. 194); ferner "noch ein anderer Plan: >Technik und Politik, ein Versuch über den Lebenswert der Geisteswissenschaften<" (S. 194), dem nach Kriegsende noch eine weitere ">Staats<-Schrift" (S. 267) vorangehen sollte, eine "politische Schrift" (S. 266) mit dem sprechenden Titel "Schuld und Sühne", in mancher Hinsicht wohl eine Vorwegnahme dessen, was Theodor W. Adorno später als "Aufarbeitung der Vergangenheit" thematisiert und reflektiert hat.

An spezifisch literarhistorisch-monographischen, wie die "große Poetik" ebenfalls bereits in die Zwischenkriegsjahre zurückweisenden Arbeiten hat Körner neben dem ältesten, bereits 1922 angekündigten Projekt dieser Art, "Der Dichter der Lucinde / Friedrich Schlegel als Poet und Poetiker" (S. 200), 17 vor allem auf sein geplantes "Heine-Buch" (S. 273) verwiesen sowie auf ein "Schillerbuch" (S. 206) unter dem in Aussicht genommenen Titel "Der unvollendete Schiller" (S. 193), von dem Körner noch in seinem letzten Lebensjahr die Arbeit an einem Problemkomplex beschäftigte, der die Überschrift erhalten sollte: "Die ästhetische Erlösung. Schillers Denken und Dichten vom Lebenswert der Kunst" (S. 326).

Alle diese größeren literaturwissenschaftlichen Arbeiten standen im Zeichen, ja, man darf wohl sagen: geradezu im Dienste von Bestrebungen, das Verfahren einer "integralen Motivanalyse" (S. 344) als die via regia literarischer Interpretation und Wertung zu erweisen und zu erproben. Ein klärendes Wort darüber, was Körner eigentlich begrifflich verstanden wissen wollte, wenn er diese Methode als "meine Motivanalyse" (S. 277, Hervorhebung K. K.) bezeichnete, wäre wohl im Nachwort am Platze gewesen, eventuell auch die Aufnahme der ihrem Verfasser methodisch besonders "wichtigen Einleitung" (S. 192) zu dem Band "Wortkunst ohne Namen" in die Textauswahl.

6. Zu Körners letzten Lebens- und Schaffensjahren

Von den "Briefen an Käte Hamburger" (S. 189–348) heißt es, sie gäben über die letzten fünf Lebens- und Schaffensjahre Körners "bessere Auskunft als jeder historische Berichterstatter es könnte." (S. 458). Das trifft wohl zu, allerdings unter einer wichtigen Voraussetzung, die der erfahrene Herausgeber Körner gelegentlich der umfangreichsten seiner eigenen Briefeditionen, der "Krisenjahre der Frühromantik", gemacht hat, daß nämlich deren "Textbände unverständlich und wissenschaftlich unbenützbar" (S. 193) seien ohne einen umfassenden und zuverlässigen Kommentar: eine Voraussetzung, die in dieser Briefedition, wie an zahlreichen Beispielen zu zeigen wäre und an einigen wenigen auch gezeigt werden soll, leider nur sehr unzureichend gegeben ist.

Insgesamt gehören diese Briefe ohne Zweifel zu den lebens-, zeit- und wissenschaftsgeschichtlich aufschlußreichsten, aber auch bestürzendsten und erschütterndsten Zeugnissen aus den ersten Prager (und nicht nur Prager) Nachkriegsjahren, die zugleich Körners letzte Lebensjahre gewesen sind. Sie berichten davon, wie nach Kriegsende "die radikale Lösung der Deutschenfrage hierzulande rücksichtslos auch die (sei's noch so antinazistisch gesinnten und tätigen) Juden deutscher Kulturzugehörigkeit einbegreifen" wollte, was den Briefschreiber und "die (nichtjüdische, tschechische) Gattin ernstlich an Selbstmord denken ließ" (S. 191); wie die Tschechen nach Aufhebung der Deutschen Universität Prag "von den paar überlebenden jüdischen Dozenten [...] aus allen möglichen (natürlich lauter unsachlichen Gründen) niemanden an die Karlsuniversität übernommen" hätten (S. 283); daß "der tschechische Nazismus, wie er seit Kriegsende hier wütet [...], gewiß nicht so brutal wie der deutsche, aber moralisch und intellektuell von derselben Faktur, [...] mit seinem Deutschen- und Magyarenhaß jede europäische Friedens- und Zukunftspolitik im voraus illusorisch" mache (S. 249).

Im Unterschied zu seinem Prager Fakultätskollegen und Theresienstädter Schicksalsgenossen Emil Utitz haben bei Josef Körner die Leidenserfahrungen von Krieg und Verfolgung zu keinerlei linksorientierten Sympathien für sozialistische oder gar kommunistische Gesellschaftskonzepte geführt. Mit den "ausgezeichneten Schriften von Ludwig v. Mises" (1881–1973) war für ihn der "theoretische Nachweis der Unhaltbarkeit sämtlicher sozialistischer Doktrinen, der tatsächlichen Undurchführbarkeit ihrer nicht durchdachten, aber umso verführerischen [sic! muß wohl heißen: verführerischeren] Programme" (S. 221) schon längst unwiderleglich erbracht, und daß bei der "Neueinrichtung der ČSR" (S. 247) nicht rechtzeitig Sorge getragen wurde, daß nicht "die Fahrt unter stürmischem Wind schon jäh in die Totalität" (S. 266) des Kommunismus führe, erschien ihm kaum weniger bedrohlich als der militärisch überwundene, aber nach Körners Überzeugung aus den Köpfen noch keineswegs verschwundene Geist des nazistischen Totalitarismus.

Wenn Körner 1948 die italienischen Wahlen zu den "schweren Prüfungen" (S. 274) zählt, dann ist die darin enthaltene Wertung nicht so zu verstehen und zu erläutern, wie Klausnitzer das in seiner einschlägigen Anmerkung getan hat, nämlich daß die Christdemokraten mit 48,5% der Stimmen die Mehrheit erzielten, während Sozialisten und Kommunisten "zusammen nur auf 31%" (S. 274, Hervorhebung
K. K.) gekommen seien, sondern aus Körners Sicht mit genau der entgegengesetzten Akzentuierung: daß nämlich die Christdemokraten mit nur 48,5% die absolute Mehrheit verfehlt haben, während es der linken Volksfront gelungen ist, einen bedrohlich hohen Stimmenanteil von 31% zu erringen - nur so ergibt das den von dem dezidierten Antikommunisten mit den "schweren Prüfungen" gemeinten Sinn.

Neben solchen Sinnverfehlungen stößt man, wie bei dieser Gelegenheit vermerkt sei, auch auf Pseudokommentare des Herausgebers, die Informationen bieten, welche mit dem zu erläuternden Sachverhalt unmittelbar überhaupt nichts zu tun haben, wie z. B. die Mitteilung, daß Léon Blum 1936 / 37 "der erste sozialistische (und jüdische) Premierminister Frankreichs" (S. 232) gewesen sei, nicht das Geringste zur Erklärung des am 31. August 1946 geschriebenen Satzes beiträgt: "Eben lese ich Blums Niederlage" (ebd). Und auch die Information, daß Thomas Mann 1949 in Frankfurt am Main und Weimar gefeiert worden sei, ist völlig irrelevant für die Erläuterung des Stichworts "Mann-Promotion" (S. 329), womit vielmehr die Promotion Manns zum Ehrendoktor der schwedischen Universität Lund am 27. Mai 1949 gemeint ist.

Gänzlich unkommentiert bleibt darüber hinaus die Mehrzahl der Hinweise und Anspielungen auf aktuelle weltpolitische Ereignisse des ersten Nachkriegsjahrfünfts, die dem Briefschreiber Körner zum Anlaß seiner äußerst skeptischen Zeitgeschichtsdiagnosen und -prognosen gedient haben, wie zum Beispiel der "Beginn der Pariser Pourparlers" (S. 211, 04. 05. 1946); "die in mancher Hinsicht noch die Nazis übertreffenden Judenmassakres in Polen"
(S. 225, 16. 07. 1946); "die Radio-Nachricht, daß Tito das amerikanische Ultimatum abgelehnt hat" (S. 229, 24. 08. 1946); "Churchill in Zürich" (S. 242,
29. 09. 1946); das "geradezu furchtbare Ereignis der Wallace-Rede" (S. 246,
02. 10. 1946); "die Moskauer Konferenz" (S. 253, 16. 01. 1947) und die "Montgomery-Reise" (ebd.); "Trumans überraschende Wiederwahl" (S. 302,
05. 11. 1948) oder der "unerwartete, in den Auswirkungen noch unabsehbare Sieg Frankreichs in der Ruhrfrage" (S. 305, 09. 01. 1949).

Abgesehen davon, daß manche der in den Brieftexten erwähnten Personen wie
z. B. Eudo C. Mason (S. 318, s. Handbuch, S. 488 und 489) oder Charlotte Bühler (S. 339, s. Handbuch, S. 72) vom "Personenregister" gar nicht erfaßt sind, kommt es dort auch zu einigen Fehlidentifikationen bzw. -attribuierungen. 18 Eine "Editorische Notiz" (S. 188) zum Abdruck der Briefe an Käte Hamburger spricht davon, es sei dabei eine "Behebung offenkundiger Schreibfehler" erfolgt. Entweder ist das nicht konsequent genug geschehen, oder aber es sind neue Fehler begangen worden, die auf das Konto des Herausgebers gehen. 19 Auch den Übersetzungskünsten des Herausgebers ist nicht ungeprüft über die Gasse zu trauen. 20

7. Zur Edition und Kommentierung der Briefe Körners

Mitteilungen wie "es ist der 5. Brief, den ich heute zu fertigen habe" (S. 272), oder "dies ist heut mein 8. Brief" (S. 274) vermitteln eine Vorstellung von der kaum glaublichen Extensität und Intensität der "weltweiten Korrespondenz" (S. 262), die Körner in den ersten Nachkriegsjahren (natürlich nicht "Nachkriegsjahrzehnten", wie es S. 344 heißt) neben seiner mühsamen Forschungs- und Manuskriptherstellungsarbeit noch weiterzuführen vermochte und von deren Gesamtumfang man außer dem Abdruck der Briefe an Käte Hamburger und gelegentlichen Hinweisen auf wichtige Korrespondenzpartner wie Oskar Walzel, Arthur Schnitzler, Karl Vossler, Walther Küchler, Paul Kluckhohn, Bernhard Blume, Erik Lunding, Wolfgang Paulsen und einen vielzitierten "E. Groosz" 21 (S. 391, 455, 456, 457), dessen vollständigen Vornamen nicht einmal das "Personenregister"
(S. 466) verrät, leider nirgends einen zusammenfassenden Überblick erhält, der z. B. auch Victor Klemperers Tagebucheintragung vom 26. Januar 1947 einbeziehen könnte: "Ich schrieb [...] an Josef Körner in Prag, der mich im >Aufbau< entdeckt u. über die Aufbauredaktion zum Überleben beglückwünscht hat." 22

Erklärungsbedarf ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der "Editorischen Notiz"
(S. 188) zum Abdruck der Briefe an Käte Hamburger. Wenn es dort heißt: "Die im Deutschen Literaturarchiv Marbach lagernden Briefe Josef Körners an Käte Hamburger sind nicht als Originale, sondern als Durchschläge im Nachlaß Hamburger enthalten", dann wäre zu diesem doch keineswegs selbstverständlichen Sachverhalt wohl ein Wort der Erläuterung am Platze gewesen, und bei der Feststellung: "Bis auf die Briefe vom 21. VII. 1946, 28. IX. 1949 und 5. V. 1950 [...] sind alle Briefe maschinenschriftlich abgefaßt" wäre zu fragen, ob diese drei genannten Ausnahmen originalhandschriftlich vorliegen oder aber vielleicht ebenfalls als Durchschriften; wobei noch anzumerken bliebe, daß es einen Brief vom "21. VII. 1946" unter den hier abgedruckten Schreiben nicht gibt.

Auf den Seiten 272–273 wird ein undatierter Brief abgedruckt mit dem Herausgebervermerk: "Ohne Ort und Datum; in der Reihenfolge nach Brief vom 15. III. 1948 und vor Brief vom 8. IV. 1948" (S. 272). Was immer hier unter "Reihenfolge" verstanden worden sein mag, die chronologische "Reihenfolge" ist es nicht; nach ihr gehört dieser Brief nicht in das Frühjahr 1948, sondern in den Frühling 1946, wie nicht nur inhaltlich-thematische Parallelen belegen, sondern vor allem auch die Anrede "Liebe Frau Doktor" (S. 272), die nach dem 23. II. 1946 das förmlichere "Sehr verehrte Frau Doktor" (S. 195) ablöste, bis auch sie 1947 nach dem Prager Sommerbesuch Käte Hamburgers endgültig durch "Liebe Freundin" (S. 254) ersetzt wurde. "Liebe Frau Doktor" wäre demnach im Jahre 1948 ein völlig unmotivierter Rückfall auf eine längst überwundene Zwischenstufe von Anredeförmlichkeit gewesen.

Über Käte Hamburger, die Adressatin der abgedruckten Briefe, werden, wie bereits angedeutet, außer Titeln einiger – keineswegs aller – erwähnten Bücher und Aufsätze keinerlei Auskünfte geboten, nicht einmal einschlägige Hinweise auf Helmut Müsseners umfassende Monographie "Exil in Schweden", 23 wo Leben und Schaffen der Literaturwissenschaftlerin im schwedischen Exil bereits vor nahezu drei Jahrzehnten detailliert und exemplarisch dargestellt worden sind. 24 "Im Handbuch sind so ziemlich alle Ihre Arbeiten angeführt. Sie werden etwa 7 mal zitiert; aber nicht etwa aus >Freundschaft<, sondern aus Pflicht" (S. 314), heißt es in Körners Brief vom 25. Februar 1949 an Käte Hamburger, ohne daß der Herausgeber sich auch nur bemüßigt gefühlt hätte, "aus Pflicht" diese sieben Titel ausfindig zu machen und im "Handbuch" nachzuweisen. 25

Der ausdrücklich als "Körners bester Freund" (S. 229, Anm. 19) bezeichnete Walther Küchler (1877–1953) wird ebenso beharrlich wie irreführend auf die Kennzeichnung "Wiener Romanist" (S. 229 und 445) festgelegt, obwohl Küchlers fünfjährige Wiener Lehrtätigkeit (1922–1927) nur die Zwischenstation einer akademischen Laufbahn darstellte, die den aus Essen stammenden Romanisten von Gießen und Würzburg über Wien schließlich 1927 auf einen "Hamburger Lehrstuhl" (S. 217) führte, von dem er dann 1933 zwangsweise entfernt wurde, weshalb er nach 1945 von seinem Wohnsitz Benediktbeuern (nicht "Benediktbeuren", wie auf S. 256) aus "die Rückkehr auf seinen Hamburger Lehrstuhl" (S. 217) betrieb.

Die Wichtigkeit des Korrespondenzpartners Paul Neuburger (1881–1959) für den Bibliographen Josef Körner bestand wohl nicht so sehr darin, daß er der Verfasser der Dissertation "Die Verseinlage in der Prosadichtung der Romantik" (S. 189 und "Handbuch", S. 309) sowie der Bearbeiter des als "trefflich" gerühmten Registerbandes zu der zehnbändigen Walzelschen Heine-Ausgabe im Insel-Verlag gewesen war (1920, vgl. "Handbuch", S. 372), als vielmehr in dem Umstand, daß er als Inhaber und Leiter des 1924 gegründeten Genfer wissenschaftlichen Nachrichtendienstes "Pallas" gerade auch für bibliographische Zwecke zumal in den ersten Nachkriegsjahren eine schlechthin unentbehrliche Informationsquelle darstellte.

Rein gar nichts – nicht einmal die Abkürzung eines Vornamens – erfährt man über Carl Emil Lang (1876–1963), der auch im "Personenregister" (S. 469) lediglich als vornamenloser "Lang, Dr." figuriert, obwohl er doch ebendort als eine der meistgenannten Personen ausgewiesen ist und sicherlich das Hauptverdienst um die Betreuung der im Francke Verlag Bern erschienenen Titel Körners gehabt hat, auch und gerade um die ganz besonders arbeitsaufwendige und kostspielige postume Edition des dritten, des "Kommentar"-Bandes der "Krisenjahre der Frühromantik" (1958). Ein von Körner mit solchem Nachdruck als "ein so feiner und bewundernswert sachlicher Mensch" (S. 284) gerühmter leitender Verlagsmitarbeiter hätte ein kommentierendes Wort ganz gewiß verdient.

Nicht unwichtig wäre es gewesen, Karl Schultze-Jahde nicht erst als die Person zu entschlüsseln, die auf S. 347 hinter der Abkürzung "Sch.-J." steht, sondern schon als den "Görlitzer Freund" (S. 242) zu identifizieren (und im "Personenregister" auch auszuweisen), der im Herbst 1941 "auf dem Höhepunkt der Nazi-Erfolge darüber sein bißchen Verstand verlor" (ebd.) sowie auch als den "Dr. Karl S."
(S. 339), dessen Görlitzer Adresse Körner seiner Korrespondenzpartnerin mitteilt. Der von Körner als Schriftsteller wie als Literaturwissenschaftler (nicht zuletzt als Theoretiker und Praktiker der "Motivanalyse") geschätzte Schultze-Jahde wird im "Handbuch" mit nicht weniger als fünf Titeln erwähnt 26 ; laut einer Tagebucheintragung vom 3. September 1947 ist auch Victor Klemperer dem "Görlitzer Studienrat" anläßlich eines Vortrags am dortigen Gymnasium begegnet.

8. Zum Verzeichnis der Schriften Körners

Das "Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 351–384), das sich für den Zeitraum bis Herbst 1938 auf die Körnersche "Autobibliographie 1911–1938" (S. 453, s. auch S. 192, 196, 231, 233) stützen konnte und wohl auch gestützt hat, scheint im wesentlichen vollständig zu sein, zumindest in dem von Körner gemeinten Sinne, daß an Primärtexten "kaum etwas Wichtiges" (S. 453) übersehen ist. Erwähnung hätte allenfalls noch verdient, daß der Körnersche Artikel "Konzeption" in einer bearbeiteten Fassung des von Körner als "Motivanalytiker" hochgeschätzten Willy Krogmann (1905–1967) Eingang auch in den 1. Band der 2. Auflage des "Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte" 27 gefunden hat.

Bei der postumen Neuausgabe der "Wortkunst ohne Namen" ist die bloße Angabe "2., erw. Aufl. Bern: Francke 1954" (S. 369) auf mißverständliche Weise unvollständig. Denn es handelt sich hier erst um "Heft 1: Gegenstücke" dieser beträchtlich erweiterten Auflage, dem laut Ankündigung des Herausgebers Wolfgang Kayser (1906-1960) noch zwei weitere folgen sollten: "Heft 2: Doppelfassungen" und "Heft 3: Übertragungen" – wozu es dann allerdings nicht mehr gekommen ist.

Lücken weisen die den selbständigen Titeln angefügten Verzeichnisse der Rezensionen auf. Das gilt, abgesehen davon, daß bei der Schnitzler-Monographie, wie schon erwähnt, ein solches Verzeichnis gänzlich fehlt (vgl. S. 359), vor allem für den Zeitraum, der durch die "Autobibliographie 1911–1938" nicht mehr abgedeckt ist. So fehlen z. B. nicht wenige Rezensionen des "Bibliographischen Handbuchs" (vgl. S. 371) und alle der "Marginalien" (vgl. ebd.), obwohl es dazu im letzten der Briefe Josef Körners an Käte Hamburger vom 5. Mai 1950 bereits ausdrücklich heißt: "es sind auch schon Rezensionen erschienen" (S. 348). Verzeichnet ist nicht einmal die "Anzeige der >Poetik<" (S. 330), für die Körner bei deren Verfasserin Käte Hamburger sich so herzlich bedankt. Daß darüber hinaus die "Einführung in die Poetik" nur noch eine einzige Rezension erfahren haben soll (s. S. 371), erscheint als in hohem Grade unwahrscheinlich. Ganz gewiß nicht ohne kritisches Echo ist der 1958 postum erschienene Kommentarband zu den "Krisenjahren der Frühromantik" geblieben oder die 1969 von Francke vorgelegte 2. Auflage der Textbände 1 und 2, wahrscheinlich ebensowenig wie die Reprints des "Bibliographischen Handbuchs" (1966), der "Nibelungenforschungen" (1969), der "Botschaft der deutschen Romantik an Europa" (1969) und der "Klassiker und Romantiker" (1971). Als Beispiel ausführlicher Würdigung sei lediglich auf Rainer Gruenters Rezension des 1. Heftes der 2. Auflage von "Wortkunst ohne Namen" im "Euphorion" 28 verwiesen, die Körners Gedanken zur Gehalts-, Motiv- und Formanalyse auf überzeugende Wiese in den wissenschaftsgeschichtlichen Kontext wertend einordnet.

9. Fazit

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Entschluß zu einer kommentierten Edition des Bandes "Philologische Schriften und Briefe" von Josef Körner als Eröffnungsband einer Schriftenreihe zur Erforschung der Geschichte der Germanistik ein Pionierprojekt gewesen ist, das unter anderem höchst geeignet gewesen wäre, einen Bereich zu erschließen und zu erhellen, der aus zeitbedingten Gründen lange sozusagen im toten Winkel wissenschaftsgeschichtlichen Forschungsinteresses geblieben war: Lage, Befindlichkeit, Mentalität und Identitätsbewußtsein Prager jüdischer Wissenschaftler und Hochschullehrer "deutscher Kulturzugehörigkeit" (S. 191) in einer durch Besatzung, Krieg, Holocaust und Vertreibung weitgehend monokulturell gewordenen, einer neuen "Totalität"
(S. 266) unaufhaltsam zutreibenden Prager tschechischen Nachkriegsrealität.

Leider ist aus diesem – auch in manch anderer Richtung wegweisenden – Pionierprojekt nicht auch eine Pionierleistung von uneingeschränkter wissenschaftlicher Brauch- und Benutzbarkeit geworden. Dem durch eine verbesserte und überarbeitete Neuauflage dieser in ihren Intentionen so begrüßenswerten Publikation wirksam abzuhelfen, wäre ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.


Prof.Dr. Kurt Krolop
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Anmerkungen

1 Josef Körner, Bibliographisches Handbuch des deutschen Schrifttums. 3. völlig umgearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage Bern 1949. Fortan abgekürzt als Handbuch.    zurück

2 Ralf Klausnitzer: Blaue Blume unterm Hakenkreuz. Die Rezeption der deutschen literarischen Romantik im Dritten Reich. Paderborn usw. 1999.   zurück

3 Bd 1, Halle 1928, Sp. 1254.   zurück

4 Wien 1930, S. 48-89.   zurück

5 S. Handbuch, S. 528.   zurück

6 Die auch heute noch so heißt, nicht Neue Züricher Zeitung, wie auf S. 376 zu lesen.   zurück

7 Die Fackel Nr. 87, Ende November 1901, S. 25.   zurück

8 Das wiederum so hieß, und nicht Berliner Tagblatt (S. 57).   zurück

9 Vgl. zuletzt Georg Gimpl: Weil der Boden selbst hier brennt... Furth im Wald / Praha 2001.   zurück

10 Die Fackel, Nr. 457-461, 10. Mai 1917, S. 22.   zurück

11 Franz Kafka. Kritische Ausgabe. Nachgelassene Schriften und Fragmente I. Frankfurt a. M. 1993, S. 336-337.   zurück

12 Handbuch, S. 502.   zurück

13 Josef Körner: Goethe und Ihr. Prag 1932, S. 4.   zurück

14 Handbuch, S. 5.   zurück

15 Friedrich Hebbel: Werke. 9 Bände. Nach der historisch-kritischen Ausgabe von R.M. Werner systematisch geordnet von Benno von Wiese. Leipzig: Bibliographisches Institut 1941, Bd. 9, S. 273.    zurück

16 Berlin 1944, S. 97 und 169.    zurück

17 Vgl. auch Handbuch, S. 313.

18 So handelt es sich etwa bei "Ebbinghaus" (S. 231 und 233) mit Sicherheit nicht um "Ebbinghaus, Ernst A." (S. 465), sondern um den angesehenen Marburger Juristen und Hochschulpolitiker Julius Ebbinghaus (1885–1981); die "Festschrift für Singer" (S. 258) galt nicht "Singer, Herbert" (S. 474), sondern dem aus Wien stammenden Berner Altgermanisten Samuel Singer (1860–1948, s. Handbuch,
S. 11); Verfasser des von Körner in besonders hohem Maße wertgeschätzten Buches "Die Revolution des Nihilismus" (1938, s. Handbuch, S. 534) war nicht ein "Hermann Rauschnigg" (S. 276 und 472), sondern der durch seine umstrittenen "Gespräche mit Hitler" (1940) weltberühmt gewordene Hermann Rauschning (1887–1982); Autor der Schrift "Hitler's Professors" (1946) nicht ein "Max Weinrich" (S. 240 und 476, so irrtümlich auch in Handbuch, S. 538), sondern der Linguist und Soziologe Max Weinreich (1894–1969). Bei Körner selbst (S. 137) wie auch im "Verzeichnis der Veröffentlichungen Josef Körners" (S. 352) lautet der Name des Mitherausgebers der Sammlung "Die Brüder Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe" (1926) durchaus korrekt "Ernst Wieneke", während Klausnitzer in seinen eigenen Texten sich generell für die Schreibung "Wienecke" (S. 418, Anm. 83-84, und S. 476) entschieden hat. Analog dazu verwandelt das "Personenregister" den im Körnerschen Text erwähnten polnischen Germanisten "S. v. Lempicki" (S. 171) in einen "Lempecki, Siegmund von"
(S. 470). Die von Körner in seiner Nadler-Rezension (S. 84) korrekt datierte Sauersche Rektoratsrede "Literatur- geschichte und Volkskunde" (1907) erscheint in Klausnitzers Darstellung nicht nur umdatiert auf 1906, sondern auch umgetauft in "Literaturwissenschaft und Volkskunde" (S. 438, Hervorhebung K. K.). Auch dem Titel des bekannten Sammelwerks "Juden im deutschen Kulturbereich" blieb eine – fast schon ungewollt parodistisch wirkende – Verballhornung nicht erspart: er lautet nun "Juden im deutschen Kulturbetrieb" (S. 390 und ebd., Anm. 14, Hervorhebung K. K.).   zurück

19 So wird z. B. die auf S. 300 beabsichtigte Antithese zum "idealistischen Phrasenrausch" nicht in einem "bestialischen Nachtrausch" (ebd.) zu suchen sein können, sondern in einem ebensolchen "Machtrausch" erblickt werden müssen; und der Kontrast zu der witzig-aktualisierenden Wortbildung "Verunanständigung"
(S. 311) muß natürlich "Veranständigung" lauten, kann also nicht eine völlig witzlose "Verständigung" (ebd.) sein; daß die Menschheit untergehen müsse, "solange der Haß das summum bonum diskutiert " (S. 306, Hervorhebung K. K.), dürfte Körner kaum so zu Papier gebracht, auf keinen Fall aber so gemeint haben, intendiert war wohl eher "diktiert" oder "dekretiert"; und wenn Körner tatsächlich das Wort "querulanterisch" (S. 252) geschrieben oder getippt haben sollte (was nicht viel an Wahrscheinlichkeit für sich hat), dann wäre das ebenso als "Schreib-fehler" zu "beheben" gewesen wie z. B. der aparte Infinitiv "exspektorieren" (S. 321), zumal da ja Körner selbst nachweislich nicht "Exspektoration", sondern durchaus normgerecht "Expektoration" (S. 142) geschrieben hat.

Damit scheint das Problem eines etymologisch und / oder orthographisch recht eigenwilligen Umgangs mit Fremdwörtern in Zusammenhang zu stehen, wie es in des Herausgebers eigenen Texten etwa an Formen wie "obstinant" (S. 408 und 457), "Provinienz" (S. 394) oder "promt" (S. 421) punktuell sichtbar wird.

Von geradezu ärgerlicher Häufigkeit sind Fälle, wo es zu mitunter höchst sinnstörenden Wechselvertauschungen von "sie" bzw. "ihr" mit großzuschreibendem "Sie" bzw. "Ihr" (als Höflichkeitsanrede) gekommen ist,
S. 124-125, 257, 279, 293, 312, 314, 345, 347). Zwei Beispiele für viele: Wenn Körner im Brief vom 25. 02. 1949 über seine Tochter Pauline an Käte Hamburger schreibt: "Paulinchen, (die ihren Namen sehr wohl weiß)" (S. 314), dann soll damit natürlich nicht mitgeteilt werden, daß Paulinchen "ihren Namen" (d. h. ihren eigenen) "sehr wohl weiß", sondern vielmehr "Ihren Namen" (d. h. den der Adressatin Käte Hamburger). Und umgekehrt: Wenn von Walther Küchlers französischer Ehefrau die Rede ist, dann darf es nicht heißen: "Und Ihre reizenden [...] Briefe" (S. 345); denn das wären ja dann die Briefe der Adressatin Käte Hamburger), sondern es ist zu textieren: "Und ihre reizenden [...] Briefe".   zurück

20 Abgesehen von Hispanismen im französischen Originaltext eines Briefes von August Wilhelm Schlegel wie "los bannières" (S. 144) und "los Methodistes" (sic!, S. 145) wäre ein Mißgriff wie die Übertragung von "par un missionaire des frères moraves" (S. 144) durch "von einem Missionar der moravischen (!) Brüder" (S. 145) allein schon durch einen Blick auf die vorhergehende Seite zu vermeiden gewesen, wo Körner selber in einer Fußnote die "mährischen Brüder" (S. 144, Anm. 17) erwähnt. Die Wiedergabe der Wendung "pour calciner les statues antiques" (S. 145) durch "um die antiken Statuen zu verkohlen" (S. 146, Hervorhebung K. K.) bietet einen unfreiwilligen Berolinismus von gewiß ebenso unfreiwilliger Komik. Einen Höhepunkt solcher Fehlleistungen liefert der Schlußsatz dieses Briefzitats, wo der Passus "au nom des pitoyables et mesquines conceptions que [...] des âmes étroites se sont forgées de la Vérité Divine" (S. 145) wiedergegeben erscheint mit "im Namen der armseligen und bornierten Auffassungen, welche sich [...] eingeengte Seelen über die göttliche Wahrheit ausgehext haben" (sic!, S. 147, Hervorhebung K. K.).   zurück

21 Vermutlich handelt es sich um den Bibliothekar und Historiker Hofrat Edmund Groag (1873-1945).   zurück

22 Victor Klemperer: So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945-1949. Hrsg. von Walter Nowojski unter Mitarbeit von Christian Löser. Berlin 1999, S. 346.   zurück

23 Helmut Müssener, Exil in Schweden. München 1974.   zurück

24 Ebd. S. 473, auch ein Verweis auf eine "vollständige Bibliographie der Schriften und größeren Zeitschriftenpublikationen Käte Hamburgers" in der Stifts- und Landesbibliothek von Västerås.   zurück

25 Handbuch S. 277, 316, 324, 509, 518, 519, 524.   zurück

26 Handbuch, S. 26, 67, 451.   zurück

27 Berlin / New York 1958, S. 883-884.   zurück

28 Euphorion 50 (1956) S. 234-236.   zurück