v.Lucius über Steiner: Autorenhonorar

Wulf D. von Lucius

Vom Ehrengeschenk zur Erfolgsbeteiligung


Harald Steiner: Das Autorenhonorar – seine Entwicklungsgeschichte vom 17.  bis 19. Jahrhundert (Buchwiss. Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, Bd. 59) Wiesbaden: Harrassowitz 1998. VII, 392 S. DM 248,- (ISBN 3-447-03986-8) Zugl.: Erlangen-Nürnberg, Univ., Diss, 1995.


Harald Steiner legt eine materialreiche und gut gegliederte Darstellung der historischen Entwicklung des Autorenhonorars und insbesondere der sehr differenzierten Formen für dessen Bemessung und Auszahlung bis ins zweite Drittel des 19. Jahrhunderts vor. Gerade in dieser Differenzierung, die sich in der Strukturierung der Kapitel wiederfindet, liegt ein Verdienst dieser Darstellung, die die unterschiedlichen beobachteten historischen Honorarformen sinnvoll im Zusammenhang mit unterschiedlichen Texttypen (und damit Autorentypen) sieht und beurteilt (S.247-289).

Die Arbeit beruht auf einer relativ kleinen Zahl von Archiven, die sich aber als sehr substantiell erweisen. Es sind primär vier größere Verlagsarchive: das des Cotta-Verlages, das Geschäftsarchiv von Vandenhoeck & Ruprecht, das des Nürnberger Verlages Johann Leonhard Schrag sowie des Würzburger Verlages Stahl. Die ausgewerteten Quellen spannen sich damit von der Mitte des 18. bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts. Kleinere Archivkonvolute des David Sauerländer Verlags in Frankfurt, der Hoffmannschen Buchhandlung in Weimar und des Verlag Mohr & Zimmer in Heidelberg wurden ergänzend ausgewertet. Vielleicht läßt sich, nachdem nun (also nach Abschluß der Steiner'schen Arbeit) die "Wolfenbütteler Bibliographie zur Geschichte des Buchwesens im deutschen Sprachraum 1840-1980" (12 Bde., 1990-1999) vorliegt, für spätere ergänzende Arbeiten auf diesem Gebiet noch weiteres Material erschließen – die Vielfalft der von Steiner aber bereits ermittelten Honorarmodelle läßt kaum erwarten, daß noch grundsätzlich neue hinzukommen.

In überzeugender Weise stellt der Verfasser die Entwicklung vom Privilegium zur älteren Verlagseigentumslehre dar – hier ergeben sich sehr interessante Ansatzpunkte einer historischen Erklärung der Weichenstellung zwischen angelsächsischem copyright-Konzept und der kontinentaleuropäischen droît d'auteur-Lehre. Darauf geht der Verfasser allerdings nicht ein, was die Darstellung noch urheberrechtsgeschichtlich bereichert und abgerundet hätte.

Anschaulich schildert der Verfasser die Typen und Varianten von Verlagsverträgen und behandelt geradezu penibel die Umrechnung in die verschiedenen historischen Währungen.

Weniger überzeugend erscheinen die Erklärungsversuche für die (sehr) unterschiedlichen Honorarhöhen – diese bleiben letztlich im Bereich von Vermutungen, zumal eine Bezugnahme auf das potentielle Umsatzvolumen mit einem Titel fehlt. Um ein Honorar wirtschaftlich zutreffend einzuschätzen, muß der Verkaufspreis und die Anzahl der Exemplare in Betracht gezogen werden. Absolut hohe Honorarbeträge in Gulden oder Talern können dann sowohl sehr gute, also auch sehr niedrige Honorare in unserem heutigen Verständnis sein.

Auch die sehr detaillierten Betrachtungen des Verfassers über die Höhe der Bogenhonorare im Zusammenhang mit Format, Typographie und Schriftgröße hängen etwas in der Luft, wenn kein Bezug zu den entsprechenden Verkaufspreisen erfolgt. Die Betrachtungsweise des Verfassers ist also in gewisser Weise werkvertragsorientiert.

Dies berührt eine grundsätzliche Schwachstelle der Arbeit: der Verfasser hat offenbar keine nähere Kenntnis der aktuellen Verlagspraxis, denn sonst könnte er an vielen Honorarmodellen, die in der historischen Darstellung wie Sonderfälle (oder gar Kuriosa) wirken, nachweisen, daß es genau solche Verfahren und Vertragsgestaltungen auch heute noch gibt. Als Beispiel seien nur erwähnt Pauschal-, Staffel-, Stufen-Honorar, differenzierte Honorarhöhe für Neuauflagen, je nachdem ob eine Überarbeitung stattfand oder nicht, oder Modelle mit Verlust / Gewinnbeteiligung oder die spezifischen Lösungen für Übersetzungen, Korrektur- und Registerarbeiten. Bis hin zur Handhabung von Frei-Exemplaren erweist die sorgfältige Detaildarstellung Steiners geradezu verblüffende Nähe, nicht selten Deckungsgleichheit mit der Verlagspraxis im angehenden 21. Jahrhundert.

Die historische Darstellung hätte durch solche Hinweise sehr an Lebensnähe gewonnen, während sie so als rein historische Studie dasteht. Dies mindert nicht die Leistung des Verfassers, sondern gibt einen Hinweis, daß aus dem erhobenen Material noch mehr zu holen gewesen wäre, insbesondere eben die Einsicht, daß die Probleme und Lösungsansätze vor 200 Jahren nicht grundlegend anders waren als heute und daß bereits die Verleger-Ahnen kluge und praxisorientierte Vertragsmodelle schufen, die bis heute in vielem nicht veraltet sind.

Schade ist, daß der Verfasser Zahlenwerte nur zum Teil in Tabellen darstellt, häufig aber im fortlaufenden Text, was die Lesbarkeit der ansonsten auf erfreulichem und überdurchschnittlichen Sprachniveau geschriebenen Darstellung erschwert.

Methodische Bedenken erheben sich bei längeren Zeitreihen. So weist der Verfasser zwar auf die Inflation nach dem 7-jährigen Krieg hin (S.144), unternimmt aber keinen Versuch, die Honorarentwicklung unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Auch der Vergleich eines Honorars von 1782 mit einem "gleichhohen" im Jahre 1838 (S.141 f.) wirkt befremdlich. Viele damit verbundene Probleme langfristiger Preisreihen und deren Umrechnung in reale Kaufkraft sind auch von professionellen Wirtschaftshistorikern kaum zu lösen, sie hätten aber als Problem vom Verfasser angesprochen werden sollen.

Bei der Behandlung der Periodika (S.289 ff.) wäre wahrscheinlich eine deutlichere Trennung zwischen den Zeitschriften und den doch sehr buchnahen Almanachen und Taschenbüchern sinnvoll gewesen.

Eine interessante Schlußfolgerung ergibt sich (S.148 ff.) dahingehend, daß in der analysierten Periode offenbar im Einzelfall die Forderung des Autors für das vertraglich vereinbarte Honorar viel bestimmender war, als diese heute mit faktisch weitgehend standardisierten Honoraren der Fall ist – standardisiert allerdings als erfolgsbezogene Absatzhonorare. In den großen Differenzen der Betragshonorare im 18. und 19. Jahrhundert spiegelt sich ja auch die Absatzerwartung von Verleger und / oder Autor.

Eine weitere interessante Beobachtung für den Beobachtungszeitraum ist die "bibliopolische Zweiteilung" Deutschlands in einen moderneren Norden und einem altmodischen Süden, der unter Verlegern z. B. noch den Tausch Bogen gegen Bogen praktizierte. Das war mit den Produkten Norddeutschlands wegen der dort deutlich höheren Preise nicht machbar (S.157 ff.). Wie sehr anders stellt sich heute eine solche regionale Bewertung Nord / Süd in Deutschland dar!

Trotz der gemachten Einwände, die sich mehr auf die Interpretation der Daten in ökonomischer Betrachtungsweise beziehen, ist Steiners Arbeit als eine substanzreiche, sorgfältig ausgeführte Darstellung zu beurteilen, deren besonderer Wert in der detaillierten Aufbereitung des Materials liegt. Das Buch wird daher mit hoher Sicherheit auch längerfristig eine wertvolle Referenzquelle darstellen. Die gelungene vierseitige Zusammenfassung sollte Pflichtlektüre für alle Studierenden in Buchwesen und Buchgeschichte sein.


Dr. Wulf D. v. Lucius
Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH
Gerokstraße 51
D-70184 Stuttgart

Ins Netz gestellt am 28.03.2000.

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