Reinhardt über Schlaffer: Vergnüglicher Normativismus

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Hartmut Reinhardt

Vergnüglicher Normativismus

  • Heinz Schlaffer: Die kurze Geschichte der deutschen Literatur. München, Wien: Hanser 2002. 158 S. EUR (D) 12,90.
    ISBN 3-446-20149-1.


Literatur in Instant-Form

Das Vorgehen des Autors erinnert an eine Inszenierung des "Faust" im Goethe-Jubiläumsjahr 1982: Regisseur Klaus Michael Grüber zog das personen- und szenenreiche Drama, das als Weltdarstellung verstanden sein will 1, eigenwillig auf ein knappes Konzentrat zusammen. Ein Vier-Personen-Stück blieb übrig, in dem außer einem großen Monologblock Faustens (der Akkumulation einzelner Textteile) nur karge Spielansätze mit Mephisto, Wagner und Gretchen zugelassen waren. Das Ganze erschien wie aus der Erinnerung heraufgeholt, als sei ein Beckettscher Lebensrekapitulierer ("Krapp's Last Tape") am Werk, deutlich vor allem in der Schlussszene, die Faust – gespielt von Bernhard Minetti – in die Wanderschaft entließ. Das sei doch nicht mehr Goethe, wandten Kritiker ein. Das sei der Versuch, Goethes ausuferndes (und nicht überall gleichermaßen inspiriertes) Stück auf ein sozusagen modernitätsgerechtes Format zu bringen, erwiderten die Fürsprecher.

Ähnlich reduzierend und exkludierend verfährt Heinz Schlaffers Essay mit der deutschen Literatur insgesamt. Ihre "Geschichte", so will der Titel signalisieren, wird kurz abgehandelt, weil sie nur kurz ist. Strikt bleibt der Autor bei der geschriebenen Literatur, der Buchkultur – gängig gewordene Konzepte einer "Erweiterung des Literaturbegriffs", d.h. einer Anpassung an die Medienpraxis des modernen Massenpublikums, diskutiert er nicht einmal. Doch hat er schon bei früherer Gelegenheit verlauten lassen, dass die Literaturwissenschaft durch die "Flucht in die Kulturwissenschaft" nur verlieren könne. 2 Und die üblichen Literaturgeschichten, die oft vielbändigen Kompendien, die Entwicklungslinien und Ordnungsraster zwischen Ideen-, Form- und Sozialgeschichte zu erarbeiten versuchen, mit teilzuständigen Einzelverfassern, die ihr Spezialistenwissen bis ins Entlegenste ausbreiten? Schlaffer sieht durch solche Anstrengungen Barrieren entstehen, die literarische Erfahrung verhindern (vgl. S. 35f.). Der Schlusssatz der auf 150 Seiten reduzierten Literaturgeschichte pointiert diese Kürze als Chance für die einzig angebrachte Zuwendung zur Literatur, die Lektüre. Die wiederholt anklingende Konstatierung einer schwindenden Lesebereitschaft – als akademischer Lehrer weiß Schlaffer, wovon er spricht – hat diesen elegant inszenierten, aber eigentlich bitteren Appell vorbereitet.

Das Paradigma: Klassik und Romantik

Um 1750 sieht er die deutsche Literatur erst nachhaltig und erinnerungswert hervortreten. In den 60 Jahren zwischen 1770 und 1830 (von den Stürmern und Drängern, doch auch Lessings großen Dramen, bis zum Tod Goethes) erreicht sie ihre größte Zeit (ihre >Blüte<, hätten ältere Literaturgeschichten gesagt). Gemeint ist die klassisch-romantische Literatur, von jeder Literaturgeschichte hervorgehoben, unter welchem Nominalismus auch immer. 3 Die Literatur des späteren 19. Jahrhunderts führt Schlaffer mit dem Kennwort "Stagnation" vor (S. 21, 118f.), als Epigonentum zum einen, zum anderen als den Versuch, die tradierten großen Formulierungsmuster an die neuen Realitäten von Politik, Gesellschaft und Industrie anzupassen. Was bei Mörike, Stifter oder Keller zum Gelingen führt, verdanke sich letztlich nur der Erinnerung an die unwiederholbare klassisch-romantische Vergangenheit. 4

Im Halbjahrhundert von 1900 bis 1950 erreicht die Geschichte der deutschen Literatur – genannt werden Schnitzler, Hofmannsthal, Karl Kraus, Joseph Roth, Musil, Broch, Rilke, George, Borchardt, Ernst Jünger, Robert Walser, Kafka, Trakl, Benn, Thomas Mann, Döblin, Brecht, Benjamin (S. 132) – für Schlaffer ihren zweiten "Höhepunkt". Um 1950 allerdings nimmt sie bereits ihr "Ende" (S. 21). Natürlich bestreitet der Verfasser nicht, dass auch danach Autoren aufgetreten sind, von denen es einige zu literarischer Prominenz gebracht haben. Aber Böll, Köppen [sic!], Grass oder wer auch immer: sie alle kommen gegen die Großen des frühen 20. Jahrhunderts nicht auf. 5 Die Namen stehen für "Niedergang" und ein "geschwächtes Fortleben" (S. 146), immerhin also doch für ein "Fortleben", wie die spätere Formulierung konzediert.

Was aber fehlt den Autoren, die nach 1945 die "Stunde Null" ausriefen und damit programmatisch die Traditionsstränge kappten (was faktisch gar nicht zutreffen konnte) und ihren jüngeren Nachfolgern? Nichts anderes als der Rückbezug auf die klassisch-romantische Epoche und damit die Möglichkeit, "die große deutsche Vergangenheit in die Gegenwart zu retten" (S. 146). Die Literatur der letzten 50 Jahre zeige Engagement und, nicht selten im Predigerton angestimmt, einen "offenen" oder "verdeckten Moralismus" (S. 150). Sie wirke vielfach "wie dichterisch verkleidete Zeitungsartikel" (S. 151), was heißen soll: Es fehlt ihr die legitimierende Evidenz des Literarischen, das Eigenrecht gegen jede – und sei es moralische – außerkünstlerische Regulierung, also die spezifisch ästhetische Schätzung (wie sich Schlaffers Diagnose mit Anklang an Schiller wiedergeben lässt). Der Vergleich mit der zeitgleichen internationalen Literatur – etwa in Nord- oder Südamerika – oder mit der früheren nationalen Literatur machen diesen defizitären Status deutlich. Die Lesergemeinden, die sich um einzelne Autoren wie Arno Schmidt oder Thomas Bernhard sammeln, können nichts an dem Fazit einer epochalen "Enttäuschung" ändern (S. 133). Der hoch gerühmte Paul Celan? Nur ein Vorzugsobjekt von Germanisten.

Kurz und bündig äußert sich – gemessen an den üblichkeiten der Literaturgeschichtsschreibung – der Verfasser, fragwürdig gerät manches Einzelurteil. Kein Wunder, dass sein Büchlein ein lebhaftes publizistisches Echo ausgelöst hat. Die "Süddeutsche Zeitung" ließ Literaten und Literaturwissenschaftler zu Wort kommen, von denen nur wenige (wie Kurt Wölfel) ihre Zustimmung zu Protokoll gaben. Fast alle äußerten massive Einwände gegen den Kurzschnitt, den sie der Literatur von Jahrhunderten angetan sahen. Man warf Schlaffer ein zu enges, für den Gestus des Historikers ungeeignetes Konzept von Literatur vor, sah auch einen klassizistischen Normativismus am Werk. Der Züricher Germanist Klaus Weimar machte eine persönliche Präferenz des Verfassers aus, mit der Vorhaltung, dass er sie als solche offen hätte deklarieren müssen. "Mein kurzer deutscher Literaturkanon": so hätte der Verfasser seine Segel setzen müssen. 6

Halbierter Horaz

Seine persönliche Vorliebe bekundet Schlaffer wie ein Theoretiker, der einen verbürgten Konsens aufruft: "Literatur im strengen Sinn ist nur, was ein ästhetisches Vergnügen bereitet" (S. 27). 7 Wurde von der berühmten Horaz-Formel die Hälfte vergessen oder gezielt eliminiert? Nur zur Erinnerung: Der Begriff des ästhetischen, wenn er denn auf Kunstspezifisches referiert, kann vor dem 18. Jahrhundert nicht in Rechnung gestellt werden. Mit Baumgarten und Kant etabliert sich ein ästhetischer Logos, der im Sinnlichen die Erfahrung einer eigenen Wahrheit zugesteht. Erst damit wird die Zuständigkeit der Regelpoetik und der Rhetorik für die Literatur aufgehoben. Umgekehrt heißt dies, dass die Dinge aus ihrem historischen Takt gebracht werden, wenn Schlaffer beispielsweise erklärt: "Sprachliche Eleganz ist von der deutschen Rhetorik des 17. Jahrhunderts ebensowenig zu erwarten wie ein ästhetisches Vergnügen bei der Lektüre der rhetorisch geprägten literarischen Werke" (S. 40). Natürlich nicht! Doch ist das kein Ausschließungskriterium für die Dramen von Gryphius und Lohenstein und anderer Texte des 17. Jahrhunderts.

Schlaffers Bewertung der älteren Literatur nach dem Kriterium des ästhetischen würde dem Vorgehen eines Musikhistorikers entsprechen, der seine Normen im Umgang mit Mozart und Beethoven bildet und dann feststellt, dass ihm Telemann und Johann Sebastian Bach kein "Vergnügen" bereiten. Dem Liebhaber bleibt es unbenommen, die H-Moll-Messe oder die Matthäus-Passion nicht zu den Gegenständen seines Wohlgefallens zu zählen. Von einem professionellen Historiker würden wir uns solche Urteile verbitten müssen.

Was die Literatur des Barock angeht – den der Kunstgeschichte entlehnten Epochennamen möchte Schlaffer ersetzt wissen durch "Renaissance und Manierismus" (S. 38) –, so steckt in ihrer Disqualifizierung ein ähnlicher klassizistischer Vorbehalt wie bei Winckelmann, wenn er im 18. Jahrhundert den Namen Barock aufgreift und gleich schon polemisch besetzt. 8 Die Literaturgeschichte, auf Kategorien und Normen der Goethezeit eingeschworen, brauchte einen langen Anlauf, bis sie aus diesem ahistorischen Bewertungsschematismus herauskam und nach den eigenen Voraussetzungen der Literatur des 17. Jahrhunderts fragen konnte. Soll das alles hinfällig sein, weil dabei ein moderner Liebhaber der Literatur nicht mehr auf sein persönliches "Vergnügen" kommt?

Literatur für Leser?

Immerhin: Schlaffer bestreitet den "poetischen Rang" der Staufer-Epik (Wolframs "Parzival", Gottfrieds "Tristan und Isolde") nicht (S. 23). Auch für Grimmelshausens "Simplicissimus" findet er ein Wort der Anerkennung (S. 43). Gelesen werden diese Werke, so meint er, außerhalb germanistischer Seminare und Qualifikationsrituale indes nicht. 9 Wie aber steht es um die feststellbare faktische Rezeption jener Werke, die den drei von Schlaffer ausgezeichneten Phasen der Literaturgeschichte angehören? Gibt es in Deutschland eine einigermaßen verbreitete Lesekultur, in der diese Tradition lebendig bleibt? Halten die sogenannten Gebildeten ständigen Umgang mit den Texten Lessings, Goethes, Schillers, Novalis’ und anderer großer Autoren? Dass Klassiker-Ausgaben heutzutage einigermaßen zu reüssieren scheinen, ist kein Argument für die Klärung der aufgeworfenen Frage. Es werde "viel [...] geforscht, wenig gelesen", meint der Verfasser selbst (S. 18). Und man wird die Befürchtung hinzufügen dürfen oder müssen, dass etliche Klassiker-Ausgaben vermutlich ungelesen in die Bücherschränke wandern.

Dem Rezensenten sind keine empirischen Untersuchungen bekannt, die verlässlich dokumentieren würden, dass das verbliebene Lesepublikum sich auf die Texte hinter den großen Namen der Tradition nennenswert einlässt. Schlaffer selbst gibt sich da keinen Illusionen hin. Er sieht "die Werke der älteren, der klassischen deutschen Literatur, deren Lektüre sinn- und genußvoll wäre, aus dem Gedächtnis" schwinden: "Heute lesen selbst die Gebildeten unter den Liebhabern der Literatur kaum etwas aus der Zeit vor Fontane" (S. 151). Damit entzieht der Verfasser selbst seinem Kriterium des literarischen "Gedächtnisses" 10 die Basis, kann es zumindest nicht mehr in Anspruch nehmen für eine rezeptionsästhetische Begründung der von ihm in die Literaturgeschichte eingebrachten Relevanz-Markierung.

Wenig stichhaltig, man mag es beklagen oder nicht, ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf das Theater, auf "die Funktion der Schaubühne für das literarhistorische Gedächtnis": Während "die klassische deutsche Literatur immer seltener Leser findet und auch die Schule sie aufgegeben hat", bleibe "das Theater der einzige Ort, an dem sie als öffentliches Ereignis wiederkehrt" (S. 103). Ist dem Verfasser, obwohl er Peter Zadek anführt (S. 151), entgangen, was das sogenannte Regietheater unserer Jahre mit den alten Texten anzurichten vermag? Dass es zu bedeutenden Leistungen der Aktualisierung und Auseinandersetzung fähig ist, sei unbestritten. Auch darf das Theater nicht eine museale Institution sein wollen, sondern muss die Fühlung zur eigenen Gegenwart suchen. Dennoch: Textbefragung und willkürlich exekutierte Textzertrümmerung sind nicht dasselbe. Die Leistung seiner Kulturbewahrung, die ja ohnehin nur für die Gattung des Dramas gälte, darf für das gegenwärtige Theater nicht problemlos unterstellt werden.

Wer "Kabale und Liebe" nicht kennt, wird über das Stück, wie es geschrieben worden ist, von vielen heutigen Aufführungen so gut wie nichts erfahren. Hat, um auf das Ausgangsbeispiel zurückzukommen, ein Zuschauer von Grübers "Faust"-Inszenierung eine zureichende Vorstellung vom Goetheschen Original gewinnen können, wenn es ihm nicht schon auf einem anderen Wege begegnet ist? Auf der anderen Seite haben die Theaterkritiker überregionaler Zeitungen Peter Steins vollständigen "Faust" bemäkelt, weil ihnen das Prinzip Texttreue wie eine Verweigerung des Regiekonzept-Theaters erscheinen mochte, an das sie sich mittlerweile gewöhnt haben.

Bleibt die Schule, bleibt der germanistische Lehrbetrieb. Dass ältere Literatur, gerade die anspruchsvolle, hier einen oft schweren Stand hat, dass sie, flankiert von mancherlei modischen Didaktiktheorien, einer Repräsentanz-Minderung unterworfen wird: wer wollte es bestreiten? Den Zöglingen einer Amüsiergesellschaft lässt sich nicht leicht der Sinn für Genüsse beibringen, die ohne Anstrengung nicht zu erlangen sind. Es ist zum beliebten Spiel von Kulturjournalisten unter Beteiligung mancher Germanisten geworden, das Fach zu ironisieren oder zu beschimpfen. Doch solange Schule und Universität die einzigen institutionellen Orte bleiben, an denen auch gegen schwindende Leselust (und Lesefähigkeit!) Literatur in die Köpfe gebracht werden kann, sollten diese Einrichtungen verteidigt und nach Möglichkeit durch Neubemessung von Leistungsstandards verbessert werden. Nur in diesen Institutionen kann, von glücklichen individuellen Ausnahmen abgesehen, ein Lesepublikum herangebildet und damit ein Ort der Aneignung für die keineswegs nur in den von Schlaffer eingezäunten Regionen von 1750 bis 1950 erinnerungswürdige Literatur der Vergangenheit bestehen bleiben. Der Rezensent räumt ein, dass er sein Argument offensiver vorgetragen hätte, wenn es nicht von gegenteiligen Erfahrungen aus dem Universitätsleben niedergezogen worden wäre.

Geburt der Poesie aus dem Geist des >Pietismus<

Für die Auszeichnung der sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts herausbildenden Literatur trägt das rezeptionsästhetische Argument nicht. Dennoch kommt es nicht von ungefähr, wenn Schlaffer hier einen markanten Punkt mit Merkmalen eines Neubeginns ausmacht. Die Historiker haben den vor Jahren von Reinhart Koselleck eingebrachten Terminus >Sattelzeit< übernommen und verstehen darunter einen Anschub zur Modernisierung von Gesellschaft und Geschichte. In der Literaturwissenschaft gibt es Versuche, der neuen Semantik (z.B. von Individualität) und den literarischen Neuformulierungen der Genieperiode mit systemtheoretischen Ansätzen beizukommen. 11 Schlaffer sieht zwischen Gottsched und Lessing, zwischen Johann Gottfried Schnabel und Wieland, zwischen Hagedorn und Klopstock einen qualitativen Sprung: Von ihm "aus gesehen, ordnen sich die zwölfhundert Jahre einer Dichtung in deutscher Sprache zur Vor- und Nachgeschichte eines einzigen fruchtbaren Moments" (S. 16f.). 12 Das ist fürwahr eine kühne Singularisierung der seit dem deutschen Abrogans bis in unsere Jahre dokumentierten Literatur.

Schlaffer glaubt die "innere Einheit" der um 1750 hervortretenden Literaturformation von einer bestimmten religionsgeschichtlichen Konstellation aus fassen zu können (S. 20). Sozialgeschichtlich sieht er sie unter Hinweis auf Herbert Schöffler und Albrecht Schöne (S. 55) 13 getragen von "entlaufenen Pfarrersöhnen" (S. 106), zumindest aber – denn schließlich gilt es auch Klopstock, Goethe, Schiller und Hölderlin zuzurechnen – von Autoren protestantischer Prägung. Nicht Antikenrezeption, Autonomieästhetik oder Klassizismusanspruch (die >Weimarer Klassik< entsteht ja in der Tat erst in der bildungsbürgerlich-literarhistorischen Retrospektive) sind demnach die Sprossen zum Aufschwung der deutschen Literatur, sondern die Säkularisation der religiös vorgeprägten Sprache ist das Schlüsselphänomen für eine Bewegung, die über die geläufigen Binnengliederungen (von der späten Aufklärung und den Sturm und Drang zur Klassik und Romantik) hinweggreift. Der Verfasser spricht dieser Literatur eine Vollendungsmöglichkeit zu, die nicht denkbar wäre ohne den Pietismus, der auf eine bis dahin unerhörte Weise Wege der Selbsterfahrung und Formulierung geöffnet hat. Der Literatur wuchs dieses Potential zu, als die religiösen Verbindlichkeiten nicht mehr trugen: "Mit der Übernahme religiöser Sprachgebärden beginnt der Aufstieg der deutschen Literatur, mit der Ersetzung der Religion durch die Kunst ist er vollendet" (S. 93).

Aus dieser Transformation eines pietistisch-religiösen Formulierungsmusters leitet Schlaffer das – wie er es sieht – einzigartige Gelingen der deutschen Literatur im späteren 18. Jahrhundert ab, allerdings auch weitere Konsequenzen: die Unvermeidlichkeit ihres späteren Absinkens und manche problematische Mitgift des religiösen Erbes wie eine durchgehende "Übertreibung und Überschätzung des Zuständigkeitsbereichs der Literatur" (S. 99). So sieht er eine "Weltlosigkeit der deutschen, dem Kommerz und der Politik entrückten Dichtung" als "zuverlässige Garantie ihrer Autonomie" (S. 63f.), also jener von Karl Philipp Moritz und Kant proklamierten ästhetischen Eigengesetzlichkeit, die er – ein Nachhall früher lautstark intonierter Ideologiekritik – durch Abstraktion von der gesellschaftlichen Wirklichkeit erkauft sieht.

Was Schlaffer seiner literaturgeschichtlichen Konstruktion zugrunde legt, ist eigentlich die "Geschichte der deutschen Innerlichkeit", die Thomas Mann in einer kritischen Besinnung auf die deutsche Besonderheit und sein eigenes Deutschtum skizziert hat. 14 Das ist eine diskutable These, ohne Zweifel. Ob sich auf einem derart schmalen Fundament mit der einseitigen Fixierung auf die Klassik / Romantik als einzige Hochphase und der begleitenden monokausalen Suggestion der Pietismus-Säkularisierung Literaturgeschichte betreiben lässt, die den Phänomenen ihr je eigenes Recht zugesteht, erscheint ausgeschlossen. 15

Es wäre unbillig, mit dem Verfasser zu rechten, dass er manches – auch aus der >Hochphase< – übergeht oder fragwürdig in seinen Argumentationsgang eingliedert. Wer sich mit 150 Seiten begnügt, kommt um Auslassungen und Kurzschlüsse nicht herum. Doch ein unbefangener Blick zumindest auf Goethe hätte genügt, das Dekret von der eigentümlichen "Weltlosigkeit" der großen deutschen Literatur in Frage zu stellen. Was über den "Bildungsroman" ausgeführt wird (S. 104f.), entspricht dem Klischee der Verinnerlichung, passt aber nicht zu "Wilhelm Meisters Lehrjahren", einem Roman, der doch wahrlich einiges "von der gesellschaftlichen Umgebung" seiner "Figuren" mitzuteilen weiß, von den späten "Wanderjahren" zu schweigen, einem innovatorischen Sozialroman mit nachweisbarer Wirkung auf das 20. Jahrhundert (Hermann Broch). Von der Literatur des 19. Jahrhunderts erhält Kellers "Grüner Heinrich" unter dem Gesichtspunkt des Atheismusproblems ein gewisses Profil (S. 123ff.), wobei für die Feststellung kein Raum bleibt, dass der Pietismus – für Schlaffer die vorliterarische Bedingung der >gelingenden< Literatur – zum Spielmaterial für die Satire geworden ist (Zwiehan-Episode). In der Behandlung Stifters (S. 82, 105) zeigt sich der Verfasser nicht auf der Höhe, wenn er von "Unbeholfenheit des Ausdrucks" und "besonderer Schlichtheit" spricht oder nur das Klischee des exzessiven Landschaftsbeschreibers abkupfert.

Hegelianismus

Vielleicht ist Schlaffers Essay in seinem Hang zum Normativismus nicht nur auf persönliche Wertschätzungen durchschaubar, sondern auch in eine wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung einzurücken. Die folgende Historisierung seiner Argumentationsstruktur soll nicht im Geringsten Format und Fachrenommee des Verfassers in Frage stellen. Schlaffers literaturwissenschaftliche Frühphase zeigt die in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts für kritisch-fortschrittliche Geister attraktive Methode der Ideologiekritik in einer sehr anspruchsvollen Form. 16 Die Methode ging von einer Norm aus, deren Gültigkeit durch eine bestimmte Gesellschaftstheorie (materialistisch-marxistischer Provenienz) als verbürgt galt. Diese Norm wurde gegenüber Gegenständen und Autoren der Literaturgeschichte kritisch, mitunter apodiktisch ausgespielt. 17

Diese Zeiten sind vorbei. Doch der Normativismus der einstigen Ideologiekritiker ist nicht gänzlich verschwunden. Nur äußert er sich jetzt nicht mehr als Urteil von oben oder von außen, sondern – bei Schlaffer jedenfalls – als Hierarchisierung im Gegenstandsbereich. Dagegen sind die literatursoziologischen Anläufe, durch die früher die Werturteile geschleust wurden, behutsam zurückgenommen, klären z.B. die Bedeutung der Institutionen für die Formation der Literatur des 18. Jahrhunderts. Sie dringen nicht mehr in das Innere der Literaturbesichtigung vor, in der es vielmehr um die Transformationen religiöser Erfahrung und religiöser Sprache geht. Das Religiöse, gut aufklärerisch vom Verfasser zum "Irrtum" erklärt (S. 21) [?], wird jetzt in seiner historischen Geltung nicht mehr hinterfragt. Das Ästhetische, früher nicht schnell genug als bedenkliches Ideologem zu denunzieren, avanciert zur ungebrochenen Leitkategorie.

Ganz ohne Norm geht die Sache also nicht. Nur ist sie vom Urteil über Literatur zur Qualifizierung innerhalb der Literaturgeschichte geworden und äußert sich als Präferenz für den klassisch-romantischen Typus. In der Semantik verrät sich der alte Normativismus noch, vor allem in rezeptionssteuernden Zwischenüberschriften: "Mißglückte Anfänge" (S. 22) für alle Literatur vor 1750, "Der geglückte Anfang: Das 18. Jahrhundert" (S. 54). Das ist wie die kommentierende Vorbereitung einer Zensurengebung. übrigens auch die Art, wie Goethe hervorgehoben wird: er wird als "der beste deutsche Dichter" bezeichnet (S. 108). Es klingt ein wenig nach dem Lob für den Klassenprimus.

Blickt man noch weiter zurück, entdeckt man ein traditionelles Denkmuster von Schlaffers Argumentation. Es war hier schon die Rede davon, dass er das "Ende" der deutschen Literatur um 1950 gekommen sieht (S. 21). Das Diktum kommt einem bekannt vor. Wir haben es im 19. Jahrhundert von einem berühmten Philosophen gehört, der sich in seinem Nachdenken über Kunst und Poesie nicht zufällig von einem klassizistischen Konzept leiten ließ. Bei Hegel ist zu lesen: "Uns gilt die Kunst nicht mehr als die höchste Weise, in welcher die Wahrheit sich Existenz verschafft". Denn "ihre Form hat aufgehört, das höchste Bedürfnis des Geistes zu sein". 18

Dem Argument liegen bestimmte Systembedürfnisse zugrunde, weil es die "Wissenschaft der Kunst" an die Spitze zu stellen gilt, d.h. die spekulative Philosophie des Absoluten. 19 Doch Hegel registriert mit der Formel vom "Ende der Kunst" auch das Ende der klassischen, von Goethe und Schiller getragenen Kunst – auf das ja auch Heines Diagnose vom "Ende der Kunstperiode" sich historisch bezieht. Der Hegelianer Heinz Schlaffer nimmt, wenn der Eindruck nicht täuscht, Hegels Formel auf, weil sein an der Klassik (und Romantik) orientierter Normativismus einen produktiven Fortgang der Kunst, eine Literatur mit anderen Voraussetzungen als den von ihm dekretierten nicht zugestehen möchte. Deshalb siedelt er Autoren wie Grass, Johnson, Frisch, Dürrenmatt, Bernhard und Handke in einer Sphäre jenseits – oder unterhalb – der Literatur an. Die Norm nimmt sich wichtiger als die literarische Wirklichkeit. Plausibel ist das nicht.


Prof. Dr. Hartmut Reinhardt
Universität Trier
Fachbereich II
Neuere deutsche Literaturwissenschaft
D-54286 Trier

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Ins Netz gestellt am 02.11.2002
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Anmerkungen

1 Vgl. das "Vorspiel auf dem Theater" (Direktor: "So schreitet in dem engen Bretterhaus / Den ganzen Kreis der Schöpfung aus [...]"), den "Prolog im Himmel", der das folgende Spiel um Faust auf das Ganze der Welt bezieht (so dass der Mensch als der "kleine Gott der Welt" bezeichnet wird) und Mephistos Ankündigung: "Wir sehn die kleine, dann die große Welt" (V. 2052) – Grübers Inszenierung wurde am 22. März 1982 zur 150. Wiederkehr von Goethes Todestag im Ersten deutschen Fernsehen ausgestrahlt und danach an vielen deutschen Bühnen gezeigt.   zurück

2 Vgl. Heinz Schlaffer: Unwissenschaftliche Bedingungen der Literaturwissenschaft. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 42 (1998), S. 486–490, hier S. 489: "Was wäre nicht Kultur? Zu der gewaltigen Menge poetischer und nicht-poetischer Texte kommen nun, durch Interdisziplinarität schritttweise oder durch Kulturtheorie mit einem Sprung zugänglich gemacht, auch die Nicht-Texte hinzu: Bilder, Gebärden, alle Formen der Kommunikation samt ihrer Verhinderung. [...] Aber die Flucht in die Kulturwissenschaft vollendet nur die wachsende Indifferenz dem klassischen Text gegenüber, wie sie die Literaturwissenschaft auf ihrem eigenen Gebiet programmatisch und methodisch erzeugt hat".   zurück

3 So verzichtet Gerhard Schulz, allerdings nicht ohne Rechtfertigung, in seiner großen Epochendarstellung auf >Klassik< und >Romantik< als gängige "Einteilungsprinzipien": Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. 2 Bände. Erster Teil: 1789–1806. Zweiter Teil: 1806–1830. (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Begründet von Helmut de Boor, Richard Newald. Bd. 7) München: Beck 1983. – Obwohl er die hier dargestellte Literatur favorisiert, unterlässt Schlaffer jegliche Bezugnahme – sei es auch zum Zwecke der Kontrastierung – auf dieses im einzelnen außerordentlich instruktive (und sehr gut lesbare!) Standardwerk.   zurück

4 Der literarhistorisch kundige Schriftsteller Martin Mosebach hält Schlaffer vor, er schreibe "herablassend [...] von den >Stifters und Mörikes und Eichendorffs<" und fügt streng vermahnend hinzu: "allein dieser Plural sollte ein gerichtliches Nachspiel haben". Martin Mosebach: Fromme Enttäuschung. Heinz Schlaffer kürzt die deutsche Poesie. In: Süddeutsche Zeitung, 5.3.2002. – Allerdings beruht das Monitum auf einer fehlerhaften Texterinnerung. Bei Schlaffer ist nicht der anstößige Plural, sondern durchaus ein genitivus singularis zu lesen: "Es gelangen [der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert] noch einige nachsommerlich wehmütige Werke – die Mörikes, Stifters und Kellers –, die der unwiederholbaren Vergangenheit die Treue hielten [...]" (S. 119) Eine andere Frage ist, ob diese Beschreibung in der vorgetragenen Form zutrifft.   zurück

5 Damit wird die Rangzuweisung, die Thomas Mann – natürlich nicht zuletzt in eigener Sache – 1949 vorgenommen hat, 53 Jahre später ohne Einschränkung bestätigt: "Brochs >Vergil<, meines Bruders Spät-Roman >Der Atem<, Hesses's >Glasperlenspiel<, manches von Aldous Huxley, selbst mein eigener >Faustus<-Roman sind größer und als Dokumente der Zeit ergiebiger, als was die Jungen bisher hervorgebracht". Thomas Mann: [Wie steht es um die Nachkriegsdichtung?] In: Th.M.: Gesammelte Werke. 13 Bände. Frankfurt / M.: Fischer 1960 / 74. Bd. 10, S. 924.   zurück

6 Klaus Weimar: Lesen wollen wir nur, was uns auch Vergnügen bereitet. Alles, was bei diesem Buch fehlt, ist ein Possessivpronomen: Zu Heinz Schlaffers "Kurzer Geschichte der deutschen Literatur". In: Süddeutsche Zeitung, 3.5.2002. – Denn mitgeteilt werde, so Weimars Schlusspointe, eigentlich nur dies: "deutsche Literatur, die ich mit ästhetischem Vergnügen lese, ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, höchstens 250 und mindestens fünfzig Jahre alt".   zurück

7 Diese Definition wird argumentativ vorbereitet in Schlaffers früherem Votum, das "Fragen des Geschmacks, der Schönheit, des Rangs" in das literaturwissenschaftliche Aufgabenfeld zurückbringen will: Die Unterscheidung von "guter und schlechter Literatur" (das impliziert auch: solcher, die erinnerungswürdig bleibt, und solcher, die man ruhig vergessen kann) und der Rückgang auf "genuin ästhetische Erfahrungen" dürfen nicht umgangen werden. Vgl. Heinz Schlaffer (Anm. 2), S. 487f. – Das bedeutet eigentlich: Das "ästhetische Vergnügen" des individuellen Leser-Ich wird zur Horizontlinie, die alle Literatur ausschließt, sofern sie diese Wirkung nicht erreicht. Das ist dem bis an den Rand der Selbstparodie immer wieder vorgebrachten Diktum des bekanntesten Literaturkritikers unserer Jahre nicht fern, Literatur, die ihn nicht unterhalte (vielmehr langweile), tauge nichts.   zurück

8 In einer 1756 erschienenen Nachschrift ("Sendschreiben") zu den programmatischen "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst". Vgl. dazu Paul Böckmann: Formgeschichte der deutschen Dichtung. Bd. 1 (mehr nicht erschienen). Hamburg: Hoffmann und Campe 1949, S. 341.   zurück

9 Von der deutschen Literatur des Mittelalters wird gesagt, dass zwar niemand ihren von den Philologen behaupteten "Rang" bestreite, aber auch niemand, ob im Original oder in Übersetzungen, die Texte lese: "Selbst Studenten des Faches, die Abnehmer der zahlreichen Auflagen altdeutscher Editionen, nahmen und nehmen sie nach dem Examen nicht wieder in die Hand" (S. 29). Woher weiß der Verfasser das so genau?    zurück

10 Vgl. die Unterscheidung: "Versteht man unter Nationalliteratur die Gesamtheit der von einer Nationalphilologie herausgegebenen Texte, so ist die Geschichte der deutschen Literatur unüberschaubar lang und breit. Versteht man unter Nationalliteratur jedoch den Zusammenhang der im literarischen Gedächtnis lebendigen Werke, so ist die Geschichte der deutschen Literatur überschaubar kurz und konzentriert" (S. 18). Wie steht es aber um diese Präferenz für die Literatur ab 1750, wenn der Verfasser auch für sie keinen Konsens eines größeren Lesepublikums unterstellen kann? Dann ist Wielands "Agathon" nicht >lebendiger< als Wolframs "Parzival".   zurück

11 Vgl. Karl Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt / M.: Insel 1995.   zurück

12 Vielleicht ist der Hinweis gestattet, dass ein Herausgeber-Kollektiv, dem der Rezensent angehört, unabhängig von Schlaffer die gleiche Denkfigur für eine Sammlung von Einzelstudien zur Literatur der Aufklärung und Klassik akzentuiert hat – allerdings ohne die Implikation, es gäbe nur diese eine "fruchtbare" Konstellation: Peter-André Alt / Alexander Kosenina / Hartmut Reinhardt / Wolfgang Riedel (Hg.): Prägnanter Moment. Studien zur deutschen Literatur der Aufklärung und Klassik. Festschrift für Hans-Jürgen Schings. Würzburg: Königshausen & Neumann 2002.   zurück

13 Wobei es sich bei den in der Tat bewahrenswerten Arbeiten Herbert Schöfflers ("Deutscher Geist im 18. Jahrhundert. Essays zur Geistes- und Religionsgeschichte", Göttingen: Vandenhoeck 1956, 2. Auflage 1967) um Begleitstudien zu seinem anglistischen Hauptgeschäft (u.a.: "Protestantismus und Literatur. Neue Wege zur englischen Literatur des 18. Jahrhunderts", Göttingen: Vandenhoeck 1922, 2. Auflage 1958) handelt. Wichtig ist ferner: H. Schöffler: Wirkungen der Reformation. Religionssoziologische Folgerungen für England und Deutschland. Frankfurt / M.: Klostermann 1960 (postum veröffentlicht). Worauf sich Schlaffer mit der zweiten Namensnennung bezieht, wird deutlicher: Albrecht Schöne: Säkularisation als sprachbildende Kraft. Studien zur Dichtung deutscher Pfarrersöhne. (Palaestra Bd. 226) Göttingen: Vandenhoeck 1958, 2. Auflage 1968.   zurück

14 Thomas Mann: Deutschland und die Deutschen (1945). In: Th.M.: Gesammelte Werke (Anm. 5), Bd. 11, S. 1126–1148, hier S. 1146.   zurück

15 Schön formuliert, aber als allgemeine Sachaussage unhaltbar z.B. der Satz: "Verzichteten die deutschen Dichter auf die intellektuelle Energie religiöser Herkunft, so gerieten sie in einen erborgten Formalismus; blieben sie in ihrer Nähe, so gewannen sie daraus neuartige poetische Sprechweisen und Ideen, deren Glanz die Gebildeten den Glauben ans Christentum vergessen ließ und sie zum Glauben an die Poesie umstimmte". (S. 20f.)   zurück

16 Vgl. z.B. Heinz Schlaffer: Der Bürger als Held. Sozialgeschichtliche Auflösungen literarischer Widersprüche. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1973; [Zusammen mit Hannelore Schlaffer]: Studien zum ästhetischen Historismus. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1975. – Noch in seiner Arbeit zum "Faust II" sieht der Verfasser in den Konfigurationen von Goethes Alterswerk ohne Differenzmarkierung die – ausgiebig bei Karl Marx aufgelesenen – "Grundbegriffe der politischen ökonomie die Bühne betreten", und zwar als Allegorien: Faust Zweiter Teil. Die Allegorie des 19. Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler 1989, hier S. 62.   zurück

17 Eher gemäßigt, aber in der kritischen Stoßrichtung eindeutig gegenüber dem kulturgeschichtlichen Konzept von Jacob Burckhardt ("Abstraktion von der materiellen Umgebung", aber doch Abgrenzung vom feudal-bürgerlichen Konservatismus der Schweiz); strenger tadelnd beim Blick auf Hebbels Tragödien: "Katharsis stellt sich wieder ein, wo Protest stehen sollte [...] Mit dem Bösen der Klassengegensätze versöhnt ihr literarischer Vorzug, das Formgebot der Tragödie zu erfüllen". Vgl. Heinz Schlaffers Beiträge in: Studien zum ästhetischen Historismus (Anm. 16), hier S. 84, 92f., 132.   zurück

18 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik. 2 Bände. Hg. von Friedrich Bassenge. Frankfurt / M.: Europäische Verlagsanstalt o.J. Bd. 1, S. 110.   zurück

19 G.W.F. Hegel (Anm. 18), Bd. 1, S. 22.   zurück