Riese über Gittig: buchclub 65

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Reimar Riese

Ein Bibliographie mit besonderem Wert

Kurzrezension zu
  • Heinz Gittig: buchclub 65. Bibliographie der Veröffentlichungen der Buchgemeinschaft der DDR "buchclub 65", 1965—1990. Berlin: Dr. Heinz Gittig (Libri, Books on Demand GmbH) 2000. 190 S. Kart. DM 75,-.
    ISBN 3-8311-0417-4.


Der buchclub 65, die ab 1965 einzige Buchgemeinschaft in der DDR, veröffentlichte für ihre 40.000 bis 50.000 Mitglieder in etwas mehr als 35 Jahren 1.197 Titel aus den Programmen der fünf wichtigsten Literaturverlage der DDR. "Zuständig" waren der Aufbau Verlag für deutsche und ausländische Literatur des 20. Jh., Rütten & Loening für "kulturelles Erbe", Volk und Welt / Kultur und Fortschritt für Literatur des Auslandes, insbes. aus der Sowjetunion und den zugehörigen sozialistischen Ländern, der Mitteldeutsche Verlag für DDR-Gegenwartsliteratur und der Verlag Neues Leben für Jugend- und Abenteuerliteratur. Diese "Zuständigkeiten" im kulturpolitischen Zeitbezug widerspiegelt auch die chronologische Auflistung der Monats-, Auswahl- und Geschenkbände der Buchgemeinschaft, die Dr. Heinz Gittig, bis zur Pensionierung wissenschaftlicher Bibliothekar in leitenden Funktionen an der "Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden", erarbeitet hat.

Der buchklub 65 war ein eigenständiger Verlag im Hause Volk und Welt in der Berliner Glinkastraße, geleitet anfangs von Käthe Krieg, zuletzt von Herbert Krumrey. Bei der Programmauswahl stand der Verlagsleitung ein Beirat zur Seite, bestehend aus den Leitern der beteiligten Verlage.

Dass es dem buchclub 65 gelang, seinen Mitgliedern tatsächlich einen repräsentativen Querschnitt durch den von parteistaatlicher Kulturpolitik umrissenen Literaturkosmos zu vermitteln, belegt die hier anzuzeigende Bibliographie. Blättert man darin, so beeindrucken für eine Buchgemeinschaft mit breitem Leserkreis Anspruch und Vielfalt des Angebots, das von Apitz und Aitmatow, Defoe und Eichendorff, Goethe, Brecht, Thomas und Heinrich Mann bis Lem und Neutsch reicht, so bestürzt freilich auch wieder dessen Enge, die kulturpolitischen Vorurteilen ebenso geschuldet war wie ständiger Devisenknappheit. Kafka und Musil, Dürrenmatt und Canetti sucht man vergebens unter den Monatsbänden, ebenso zeitgenössische Literatur aus Holland, Frankreich, Übersee. Unter den DDR-Gegenwartsliteraten fehlt Volker Braun, ist Christa Wolf nur mit "Kindheitsmuster" vertreten.

Wer sich also für Kulturpolitik in der DDR und ihre Auswirkungen auf Verlagspolitik und das literarische Angebot auf dem Buchmarkt interessiert und für die Weltbilder, die ein Kanon des, aus Sicht einer ideologischen Erziehungsdiktatur, "literarisch Wertvollen" transportieren sollte, dem eröffnet diese Bibliographie einen instruktiven Einblick in daran orientierte Denkmuster und Werthaltungen im sog. "Leseland DDR", die Nachwirkungen zeitigen. Das macht unter mentalitätsgeschichtlichem wie literatursoziologischem Aspekt den Wert dieser Bibliographie aus, die zurückgeht auf eine Anregung des unvergessenen Buchwissenschaftlers und langjährigen Generaldirektors der Berliner Staatsbibliothek Prof. Horst Kunze.

Erschlossen wird die chronologisch angelegte akribische Bibliographie durch Register der Autoren und Herausgeber, der Vor- und Nachwortautoren, der Illustratoren und Bildautoren und der Originalverlage.

Dem Verfasser ist uneingeschränkt zuzustimmen wenn er in seiner Einführung resümiert:

Wenn auch in diesen Vorbemerkungen der buchclub 65 — seine Ziele, sein Wirken und die Problematik einer Buchgemeinschaft in der DDR — nur skizziert werden konnte, so sollte die hier vorgelegte Bibliographie der Publikationen des buchclub 65 von 1965—1990 als ein Beitrag zur Geschichte der Literaturpolitik und der Verlagsgeschichte der DDR gesehen werden. (S. 14)

Das ist sie allemal und insofern kann sie als ein Quellenwerk zur Lesekulturgeschichte in einem Teil Deutschlands nützlich sein, bei dem schon aus Kostengründen der Gehalt die durch das einfache Digitaldruckverfahren des Publishing on Demand bestimmte Gestalt dominiert. Das Werk engagierten Bibliographenfleißes ist im Selbstverlag des Verfassers per Libri PoD erschienen und über den Buchhandel bzw. online über Libri.de zu beziehen.


Prof. Reimar Riese
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH)
Fachbereich Buch und Museum
Gutenbergplatz 2-4
D-04103 Leipzig

Ins Netz gestellt am 04.12.2001
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