Siemes über Thums: Eine neue Monografie zu Ilse Aichinger

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Isabelle Siemes

Sprachkritik, Mystik und Melange der Theorien —
Eine neue Monografie zu Ilse Aichinger

Kurzrezension zu
  • Barbara Thums: "Den Ankünften nicht glauben wahr sind die Abschiede": Mythos, Gedächtnis und Mystik in der Prosa Ilse Aichingers. (Rombach Wissenschaften: Reihe Cultura, Band 14) Freiburg im Breisgau: Rombach 2000. 443 S. Kart. DM 58,-.
    ISBN 3-7930-9251-8.


"Ilse Aichinger gilt als schwierige Autorin." (S. 9). Der erste Satz in Barbara Thums Aichinger-Monografie trifft angesichts der traumwandelnden und sprachtollkühnen Prosa der jüdischen Schriftstellerin zweifelsohne zu. Schwierig ist allerdings auch Thums Dissertation ">Den Ankünften nicht glauben wahr sind die Abschiede<: Mythos, Gedächtnis und Mystik in der Prosa Ilse Aichingers". Denn sie unternimmt einen wahren Parforceritt durch die philosophischen Theorien vom Mittelalter über den Deutschen Idealismus bis zur Postmoderne. Dieses methodologische Vorgehen erscheint mehr als problematisch, da die Autorin nicht systematisch argumentiert, sondern spekulativ unterschiedliche philosophische Ansätze einander gemein macht, ohne dass sie dabei die auftretenden Widersprüche zwischen den einzelnen Theorien berücksichtigt, noch sich Rechenschaft ablegt über die eigene mäandernde, mitunter assoziativ wirkende Argumentationsweise, die selbst Widersprüche produziert (Vgl. Abschnitt 2 "Kritische Anmerkungen zur Methode"). Mit Thums Monografie liegt eine Sekundärliteratur vor, die streng genommen allererst eine umfangreiche philosophische Exegese der Methode zur Voraussetzung hätte.

Daneben leistet die Monografie eine überzeugende Textauslegung von Aichingers Werken und schließt mithin eine Forschungslücke, indem sie die Prosa erstmals in ihrer Gesamtheit vor dem Hintergrund der Shoa deutet. Entgegen früherer Interpretationen, die sich oftmals nur auf den Roman "Die große Hoffnung" von 1948 beziehen, begreift Thums den Holocaust bei Aichinger nicht als Ausdruck biografischer Erlebnisse, sondern befragt an Hand der Topoi des Mythischen, Mnemonischen und Mystischen die "Gedächtnisarbeit der Texte" (S. 14). Die Analyse selbst ist deutlich geprägt durch die theoretischen Ansätze von Jacques Derrida und Jacques Lacan, sowie dessen feministische Weiterführung etwa bei Julia Kristeva. So bestimmt die Autorin Aichingers Schreibverfahren als psychotisch, insofern die Texte zwischen Sprachsuche und Sprachskepsis, zwischen dem Wunsch nach Einheit und der Verwerfung jeder Einheit stehen. Dieses Verfahren wird als "Um-Schreibung der Leerstelle" (S. 12), als Eingedenken der Toten pointiert. Vermittels dieses Ansatzes kommt Thums zu dem Ergebnis, dass die Abnahme der Handlungsverläufe in den späten Arbeiten Aichingers gelesen werden kann als "[...] Kennzeichen einer zunehmenden Radikalisierung ihrer Spracharbeit, die sich immer mehr mit den internen Bedingungen der Sprachstruktur auseinandersetzt, was sich wesentlich auf die Darstellungsweise auswirkt." (S. 130)

1. Philologische Analyse

Aichingers Prosa im Kontext ihrer Sprachkritik

Die philologischen Textanalyse ist auf Grund der sehr detaillierten Untersuchungen der einzelnen Werke in erster Linie für dezidierte Aichinger-Kenner interessant. Exemplarisch soll hier ein Einblick in die Textexegese an Hand der grundlegenden Ausführungen zur paradiesischen Namensprache gegeben werden.

Den sprachtheoretischen Ausgangspunkt bildet die These, dass die poetische Sprache für Aichinger von der gegebenen Sprache unterschieden ist und als kritische Instanz fungiert. Thumserhellt diese Konstruktion an Hand von Günter Eichs Rede "Der Schriftsteller vor der Realität" von 1956, zu der Aichinger wesentlich beitrug (Vgl. S. 115). Die Autorin konstatiert, in der Rede zeige sich

[...] Eichs Nähe zu Hofmannsthals "Chandosbrief" und dessen Sprachkritik, insofern sich beider Poetologie im Spannungsfeld zwischen der Bezugnahme auf eine paradiesische Ursprache der Dinge und der gleichzeitigen Erkenntnis der fundamentalen Fremdheit der Sprache sowie der damit einhergehenden irreversiblen Unlesbarkeit der Erscheinungswelt bewegt. (S.117)

Vor dem Hintegrund dieser Sprachauffassung definiert Thums die Namensprache, die an die Ursprache der Dinge erinnert:

Der Name fungiert mithin als magischer Ort, an dem sich Vorstellungen einer wiederzugewinnenden Einheit abarbeiten können, bzw. an dem sich ein gegenüber der vorgegebenen Ordnung subversives Potential erproben lässt. (S. 31)

Die sichtbar durch Walter Benjamins frühen Aufsatz "Über die Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen" (1916) geprägte Grundlegung wird ergänzt durch Benjamins Deutung des biblischen Sündenfalls, als Sündenfall der Sprache, die zum Geschwätz verkommt. Vor dem Hintergrund dieser Sprachtheorie analysiert Thums Aichingers Roman "Die große Hoffnung":

An den verbotenen Apfel, mit dem der Sündenfall in der Bibel einsetzt, erinnert jener Apfel, mit dem die Protagonisten Ellen zu Beginn des Romans den Pförtner verführt, um zum Konsul vorgelassen zu werden. Der Apfel steht nach Thums zugleich für den paradiesischen Raum, der Ellen den Zugang zur Mutter gewährt. Der Raum des Konsuls, welcher Ellen ein Amerika-Visum ausstellen soll, repräsentiert dagegen die Welt des Vaters, des Gesetzes, der Autorität, mithin im historischen Kontext des Romans, den Faschismus. Den weiteren Handlungsverlauf, in dessen Folge der Konsul Ellen das Visum verweigert und sie es sich selbst ausstellen muss, allerdings ohne damit ein gültiges Visum zu besitzen, deutet Thums als paradigmatisches Sinnbild für die Sprachauffassung Aichingers:

Nicht nur die paradiesische Sprache verfault, vielmehr hat die Fäulnis längst auch die Sprache nach dem Sündenfall ergriffen. Und weil sie sich auf die Verunreinigung der Sprache durch den Faschismus bezieht, einem zweiten Sündenfall, muss die Sprache erneuert werden. (S. 89)

Die paradiesische Sprache der Mutter und die autoritäre Sprache des Vaters sind durch den zweiten Sündenfall gleichermaßen korrumpiert. Deshalb kann ein einfacher Rückgriff auf die Ursprache nicht mehr erfolgen 1, sondern die Sprache muss vielmehr neu erfunden werden. Die Möglichkeiten einer neuen Sprache lotet Aichinger in ihrer Prosa aus, wie Thums schrittweise im Gesamtwerk vermittels der Topoi der Übersetzung, der Ent-täuschung des Mythos und der Mystik der Schrift aufzeigen kann.

Mystischer Einspruch gegen den Faschismus

Als Fazit macht Thums eine zunehmende Radikalisierung der Sprachauffassung Aichingers aus, die im späten Erzählband "Schlechte Wörter" (1976) ihren Abschluss findet:

Einerseits die Aufgabe des Übersetzens als Bewegung vom metaphorischen zum strukturellen Denken der Übersetzung und andererseits eine Bewegung vom Mythos des Verlusts und der rückwärtsgewandten Utopie zur Entleerung des Mythos als poetische Selbstreflexion im Erzählen des Erzählens. (S. 184)

Diese Bewegung erfolgt vor dem Hintergrund einer Mystik der Schrift, die im Sinne einer psychotischen Sprachentgrenzung versucht des Anderen, des Unzugänglichen, der Toten habhaft zu werden und endlich "[...] das Konzept Autorenschaft selbst aufzulösen droht und die Texte an die Grenze der Unlesbarkeit treibt." (S. 305)

Durch diese Schreibweise reiht sich Aichinger nach Thums in die mystische Orientierung der Literatur nach 1945 ein. Für Aichinger wie auch für Paul Celan, Ingeborg Bachmann und Günter Eich gilt, dass sie im Kontext "magisch-mystischer Sprachkonzeptionen als Einspruch gegen die >Sprache der Mörder< und gegen restaurative Tendenzen der Nachkriegszeit" (S. 303) gelesen werden können. Weiter ist ihnen das Anliegen gemeinsam, "den Zusammenhang von Faschismus-, Macht- und Sprachkritik auszustellen" (S.13). Das poetologische Programm der Sprachkritik nach 1945 und die Suche nach einer neuen Sprache, die dem Faschismus nicht mehr anheim fallen soll, ist forschungsgeschichtlich nicht ganz neu, zumal angesichts der Frankfurter Poetik-Vorlesung von Ingeborg Bachmann selbst. 2 Thums stellt jedoch erstmals das Prosa-Werk Aichingers, im Ausgangspunkt ihrer Sprachkritik sowie der späteren Radikalisierung dieser Position, in diesen Kontext und zeigt en détail, dass auch bei Aichinger der Holocaust im Zentrum des um das Schweigen kreisenden Schreibens steht — entgegen früherer biografischer Lektüren der Prosa Aichingers.

2. Kritische Anmerkungen zur Methode

Über saloppe Verkettungen und fehlende Definitionen

Die konkrete philologische Textarbeit wird umlagert durch eine Melange philosophischer Theorien: Jacques Derrida, Jean-François Lyotard, Aleida Assmann, Walter Benjamin, Michel Foucault, René Girard, Gershom Scholem, Sigmund Freud, Immanuel Kant, Jacques Lacan, Meister Ekhard, Theodor W. Adorno, Friedrich Nietzsche und andere werden in immer neuen Versatzstücken miteinander kombiniert. Dabei erfolgt ein durchaus legitimer, allerdings nicht immer kenntlich gemachter, Zugriff auf frühere Theoretiker im Sinne der Deutungen der Postmoderne, die gewissermaßen als Kleistsche grüne Brille dem Text vorgelagert sind. Kritisierenswert ist allerdings, dass die einzelnen philosophischen Ansätze selten in extenso ausgeführt werden; sie werden vielmehr auf einer sehr verallgemeinernden Ebene abgehandelt, entsprechend der Diktion systematischer oder philosophiegeschichtlicher Lexika.

Die Autorin nimmt beispielsweise nur zwei Seiten dafür in Anspruch, um die komplexen Theorien der Erinnerung Sigmund Freuds und Friedrich Nietzsches zusammenzuführen. Sie benötigt gerade einmal vier Zitate von Nietzsche und kein einziges von Freud zum Nachweis der Gemeinsamkeit eines Gedächtnis-Modells der "beschränkten Aufnahmekapazität" (S.199) und der "Erinnerungsspuren im Unbewussten" (S. 200). Philosophische Begriffe, wie der der >Erinnerung<, oder der psycholanalytische Fachterminus des >Unbewussten< werden dabei ohne Definition benutzt und ineinsgesetzt unter Auslassung dahinterstehender divergenter Theoriegebäude.

Nämlichem Muster folgt die saloppe Verkettung jüdischer und christlicher Mystik. Thums stellt zunächst vor dem Hintergrund der Theorie Gershom Scholems richtig fest:

Grundsätzlich basiert die jüdische Mystik auf einer positiven Bewertung der Sprache, dies gründet darin, dass auf der Basis einer Identifizierung von Kabbala und Sprachmystik die mystische Erkenntnis nicht jenseits der Sprache, sondern in der Sprache und ihrer immanenten göttlichen Grammatik gefunden werden kann [...]. (S.310)

Hinsichtlich der christlichen Mystik hebt Aichinger im Gegenzug mit Meister Eckhart und Nikolaus von Kues das Vermeiden der Benennung des jenseitigen Gottes hervor und leitet daraus das "Textverfahren des Um-Schreibens der Leerstelle" (S. 313) ab — dies ist bereits eine sehr eigenwillige Rezeption der beiden Philosophen, die durchaus einer Erläuterung bedürfte. Auf einer Buchseite führt die Autorin dann christliche und jüdische Mystik zusammen: Mit Immanuel Kants Begriff des Erhabenen werden die beiden unterschiedlichen Ansätze auf das Theorem "ästhetische Negativität" (S. 314) verpflichtet. Bei dieser philosophisch gewagten Verbindung der Theorien wäre doch eine ausführlichere Darlegung wünschenswert gewesen. Zumal in Thums immanenter Argumentation eine wichtige Differenz außer Acht gelassen wird: Sie verortet zu Beginn des Buches Aichingers Schreiben richtig im Kontext einer Renaissance der frühromantischen Ästhetik; der Irrationalismus der Frühromantik aber entwickelte sich gerade in kritischer Abkehr von Kants immer noch in der Tradition aufklärerischen Denkens stehenden "Kritik der Urteilskraft". Die Ineinssetzung von Kants Ästhetik-Begriff mit demjenigen der Frühromantik ist deshalb nicht unproblematisch.

Allzuschnelle Synthetisierung der Differenzen

Das Konstrukt der "ästhetischen Negativität" appliziert die Autorin auf den Begriff der Moderne:

Unter diesen Voraussetzungen liefert die Negativiät der Gotteserfahrung den Begründungszusammenhang für die Transformation der Mystik zur Kategorie des Ästhetischen in der Moderne, als deren Grundzug das ebenso für Aichingers Schreiben kennzeichnende Verhältnis von Mystik und Sprachkritik verstanden werden kann. (S. 315)

Statt dieser eher pauschal wirkenden These, zumal die Monografie eine eindeutige Definition des durchaus umstrittenen Begriffs "Moderne" missen lässt, wäre es interessanter gewesen, zu erfahren, welchen Einfluss etwa die Schriften Scholems konkret auf Aichinger hatten und wie sich die Kabbala in den Prosa-Werken auswirkt. Und schließlich die Frage, inwieweit auch die christliche Mystik sich in den Texten widerspiegelt und in welcher Spannung die christlichen Einflüsse zur jüdischen Tradition steht. Thums synthetisiert jedoch die gerade aufgeworfene Differenz zwischen einem Gott in der Schrift (Judentum) und einem Gott um den die Schrift kreist (Christentum) sofort wieder zugunsten stark verallgemeinernder Theoreme.

Die methodische Vorgehensweise, die keineswegs singulär innerhalb der Postmoderne steht (manch einer mag ähnlich verärgert auf Texte etwa von Norbert Bolz reagieren), ist mithin kritisch zu befragen. Auf Grund der Notwendigkeit der Kürze der Darstellung der einzelnen Theorien führt die Abhandlung nämlich wenig tiefer in die jeweilige Materie ein als entsprechende Lexikonartikel. Diese Methode nun erweist sich nicht nur als ermüdend für die Lesenden, sondern offenbart auch ein erkenntnistheoretisches Defizit. Denn aus den unendlichen Kombinationen entsteht kein neuer stringenter Ansatz. Das Verfahren führt lediglich zu verallgemeinernden Ergebnissen, wie die Mystik wird "zur Kategorie des Ästhetischen in der Moderne" (S. 315). Eine Aussage, die sicherlich auch als Ergebnis am Schluss einer ausführlichen Untersuchung zur Mystik und zum Ästhetik-Begriff des deutschen Idealismus stehen kann. Durch die ausführlich theoretische Auseinandersetzung allerdings, und das ist der springende Punkt, lässt sich überhaupt erst beurteilen, ob das Ergebnis getreu der Prämissen wahr oder falsch ist. Ansonsten bleibt die Aussage so unentschieden wahr oder falsch, wie etwa der Satz: Das Sein hatte einen Einfluss auf Aichinger. — Mit Theodor W. Adorno ließe sich bezüglich solch abstrakter Synthesen auf die irreführende Hoffnung verweisen, "[...] in der Bewegung der Abstraktion werde man dessen ledig, wovon abstrahiert ist." 3 Die Arbeit am Begriff ist dem Frankfurter Philosophen zufolge unerlässlich.

Gleichwohl beinhaltet die Monografie interessante Überlegungen zur Theoriebildung. So verweist Thums etwa darauf, dass Theorien der Gedächtnismodelle, die, wie etwa das Archiv bei Aleida Assmann, auf der Annahme einer binären Operation von Archivierenswertem und Aussortierung des Wertlosen beruhen, einen wichtigen Aspekt nicht berücksichtigen: "Vergessenes als Unzugängliches zu denken, ist diesen Modellen kein grundsätzliches Problem [...]" (S.198). Das wirft die Frage auf, wie das ohnehin Unzugängliche erinnert und konserviert werden kann. Eine Antwort darauf gibt nach Thums die Poetologie Ilse Aichingers, die eben mit der neuen Sprache das Unzugängliche, das Eingedenken der Toten, schriftlich archivieren will.

Resumee

Die durchweg anspruchsvolle Monografie ist allererst für Aichinger-Spezialisten interessant. Denn Thums leistet eine konkrete Textanalyse des gesamten Prosa-Werks und weist zudem die fortlaufende Radikalisierung der Sprachkritik bis ins bisher wenig erforschte Spätwerk nach. Weiter lässt sich festhalten, dass sich aus den Kombinationen der theoretischen Ansätze interessante Überlegungen ergeben — zumal für Rezipienten, die eine literaturwissenschaftliche Methode vermittels der Ansätze von Derrida, Lacan, Lyotard und ähnlicher Theoretiker favorisieren. Leider folgt Thums jedoch selten systematisch dem einmal aufgeworfenen Argumentationsgang, sondern bezieht immer weitere Theorien ein — fast scheint es als solle endlich der Weltgeist Hegels zu sich selbst kommen. Durch diese Methodik erscheint der Text hermetisch, da er durch die notwendige Kürze der wiedergegeben und miteinander verflochtenen Theorien ein Abstraktionsniveau erreicht, dass ein epistemologisches Nachvollziehen der Aussagen verhindert.


Dr. Isabelle Siemes
Pionierstr. 39
D-40215 Düsseldorf

Ins Netz gestellt am 13.11.2001
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Anmerkungen

1 Das Konzept eines einfachen Rückgriffs auf die paradiesische Ursprache, die Sprache der Dinge (Natur), ist allerdings schon bei Walter Benjamin in seinem Aufsatz "Über die Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen" von 1916 nicht intendiert. Benjamin entwirft vielmehr eine eschatologische Konstruktion: "Die Sprache der Natur ist einer geheimen Losung zu vergleichen, die jeder Posten dem nächsten in seiner eigenen Sprache weitergibt, der Inhalt der Losung aber ist die Sprache des Postens selbst. Alle höhere Sprache ist Übersetzung der niederen, bis in der letzten Klarheit sich das Wort Gottes entfaltet, das die Einheit dieser Sprachbewegung ist." Walter Benjamin: Über die Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen. In: W.B.: Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Bd. 2,1. Frankfurt / M: Suhrkamp 1977. S.140—157, hier S. 157.    zurück

2 Bachmann konstatiert in ihrer Frankfurter Poetik-Vorlesung von 1959 / 60: "Und all diese Widerrufe, die Selbstmorde, das Verstummen, der Wahnsinn, Schweigen über Schweigen aus dem Gefühl der Sündhaftigkeit, der metaphysischen Schuld, oder menschlichen Schuld, Schuld an der Gesellschaft aus Gleichgültigkeit, aus Mangel. [...] In unserem Jahrhundert erscheinen mir diese Stürze ins Schweigen, die Motive dafür und die Wiederkehr aus dem Schweigen darum von großer Wichtigkeit [...]. Das Vertrauensverhältnis zwischen Ich und Sprache und Ding ist schwer erschüttert." Ingeborg Bachmann: Frankfurter Vorlesungen: Probleme zur zeitgenössischen Dichtung. In: I.B.: Werke. Hg. von Christine Koschel u.a. Bd.4. München: Pieper 1978, S.182—254, hier S. 188.    zurück

3 Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. In: Th.W.A.: Gesammelte Schriften. Hg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann. Bd. 6. Frankfurt / M: Suhrkamp 1966. S. 139.   zurück