Struck über Fabian und Hemme: Studien über Afrikareisen

IASLonline


Wolfgang Struck

Dekonstruktionen eines Mythos:
Zwei Studien über Afrikareisen
am Vorabend des Kolonialismus

  • Johannes Fabian: Im Tropenfieber. Wissenschaft und Wahn in der Erforschung Zentralafrikas. München: Beck 2001. (Orig.: Out of Our Minds. Reason and Madness in the Exploration of Central Africa. The Ad. E. Jensen Lectures at the Frobenius-Institut, University of Frankfurt. Berkeley / Los Angeles / London: University of California Press 2000). 412 S., 14 Abb., 1 Karte, geb. EUR (D) 39,90, brosch. EUR (D) 19,90.
    ISBN 340647793.
  • Tanja Hemme: Streifzüge durch eine fremde Welt. Untersuchungen ausgewählter schriftlicher Zeugnisse deutscher Reisender im südlichen Afrika im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Fremderfahrung. Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2000 (Missionsgeschichtliches Archiv 7). 250 S., brosch. EUR (D) 44,--
    ISBN: 3515075631.

Inhalt

"Eine begrüssende Kugel". Tanja Hemmes Typologie des Reisens im Zeitalter des Imperialismus | Theoretische Gewissheiten, "nach dem Ende einer geistesgeschichtlichen Ära" | Historische Ungewissheiten | "Von Sinnen": Johannes Fabians "Kritik der imperialistischen Vernunft" | (1) "Reisen als Lebensweise": Hygiene und Fieber | (2) Ekstasen: Licht im Herz der Finsternis | (3) Disziplin: Die Herrschaft des Sinns | Wider das Dogma der Abstraktion, für eine ethnologische Phantasie



"Er wird durch unbekannte Gegenden fahren, in denen noch niemand gewesen ist außer den Leuten, die noch nie irgendwo anders waren als dort, wo sie leben."
(Per Olof Sundmann: "Die Expedition")

Zu den bis heute nachwirkenden Mythen des 19. Jahrhunderts gehört die Figur des Afrikareisenden, eines heroischen Forschers, der, oft unter Einsatz seines Lebens, dem dunklen Kontinent seine Geheimnisse entreißt, aber auch eines mitreißenden Schriftstellers, der es versteht, seine Erlebnisse als spannende Abenteuer zu präsentieren. Das 20. Jahrhundert hat diesen Mythos weitergetragen, es hat ihn aber auch der Kritik ausgesetzt. 1Vor allem den postcolonial studies präsentiert er sich als Musterfall für die Verknüpfung von Wissen(schaft) und kolonialistischer Gewalt. 2 Der Ethnologie, die hier ihre historischen Grundlagen reflektiert, und der Literaturwissenschaft, für die sich Einsichten in die rhetorische und genrehafte Formung von Wirklichkeit bieten, öffnet sich hier ein noch relativ wenig bearbeitetes Feld. 3

Das belegen die beiden Studien, die hier besprochen werden sollen. Wenn ich dabei zwei Arbeiten zusammenstelle, deren höchst unterschiedliche Entstehungskontexte und -bedingungen kaum einen fairen Vergleich zuzulassen scheinen – in einem Fall handelt es sich um eine literaturwissenschaftliche Dissertation, im anderen um die Arbeit eines seit vielen Jahren und durch eine Fülle grundlegender Publikationen gleichermaßen als Feldforscher wie als Wissenschaftstheoretiker profilierten Ethnologen –, dann geschieht das nicht, um die eine auf Kosten der anderen zu profilieren. Es ist auch nicht allein die thematische Nähe, die die Kombination nahelegt, sondern die Tatsache, dass hier auf unterschiedliche Weise die gleichen methodologischen Probleme berührt werden. Dabei ist es so, dass auch mir die Lektüre von "Im Tropenfieber" erst die Kriterien nahegebracht hat, mit denen ich ein gewisses Unbehagen gegenüber den "Streifzüge[n] durch eine fremde Welt" zu formulieren vermag. So geht es mir insbesondere auch um das, was die Literaturwissenschaft, aus deren Perspektive ich schreibe, von der Ethnologie lernen könnte.

"Eine begrüssende Kugel".
Tanja Hemmes Typologie des Reisens
im Zeitalter des Imperialismus

"Die Scenerie zeigte mehr und mehr den Charakter des innern Afrika, und die zierlichen Bewohner der Steppe, die Antilopen, liessen sich zu meiner Freude im Felde blicken. [...] Obgleich ich nicht näher als 350 Schritte herankam, konnte ich mich doch nicht enthalten ihnen eine begrüssende Kugel zuzusenden, welche mir wenigstens das Vergnügen verschaffte, zu sehen, wie die vom Schuss erschreckten Thiere in weiten, graziösen Sprüngen dahineilten". 4

Es scheint, als ob hier eine Figur Joseph Conrads sprechen würde, aber es ist ein wirklicher Reisender, der diese Sätze niederschreibt, 1868, drei Jahrzehnte bevor Conrad seinen Marlow ins "Herz der Finsternis" aufbrechen lässt. Es ist der deutsche >Naturforscher< Gustav Theodor Fritsch, dessen erste Begegnung mit dem >innern Afrika< sich, jedenfalls wenn man dem Glauben schenken will, was er selbst darüber berichtet, in einem in seiner sportlich-fröhlichen Verbrämung nur um so sinnloser erscheinden Akt der Aggression entlädt. Tanja Hemme zitiert diese Schilderung mit dem Ziel, eine Art Psychogramm zu erstellen, weniger des einen speziellen Reisenden, als des Reisens am Vorabend des – deutschen – Kolonialismus. "Zweck ist es", so kommentiert sie das geschilderte Verhalten, "auf diese Art und Weise seine Herrschaft über die unbekannte Welt zu demonstrieren. [...] Das Geschoß symbolisiert daher die übertragene Ausbreitung des Ichs" (S. 204).

Das Material für ein solches Psychogramm liefern drei Reiseberichte, erschienen zwischen 1868 und 1878, in denen Deutsche ihre – in zwei Fällen mehrjährigen – Aufenthalte im südlichen Afrika schildern:
– Gustav Theodor Fritsch (1838-1927): Drei Jahre in Südafrika (1868)
– Theodor Hermann Wangemann (1818-1894): Ein Reise-Jahr in Südafrika (1868)
– Ernst von Weber (1830-1902): Vier Jahre in Afrika (1878)

Wenn hier drei "weniger bekannte" (S. 12), "nicht-fiktionale" (S. 11) Texte aus einer primär literaturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet werden, dann dient das einerseits der Ausweitung eines Kanons für die auch im deutschen Sprachraum an Bedeutung gewinnenden postcolonial studies. Was die spezielle Textsorte jedoch darüber hinaus verspricht, ist ein Einblick in den prekären Zusammenhang zwischen Erlebnis, Erfahrung und Sinn. Hemme schließt sich einem von Gunther Pakendorf formulierten Programm an, demzufolge es nicht darum geht, ob die von den Reisenden "vorgeführten Einzelheiten faktisch richtig sind, noch ob sie moralisch oder politisch akzeptabel seien; auch die wissenschaftliche Stringenz steht nicht zur Debatte", sondern es geht um die "diskursiven Voraussetzungen" 5 oder, neutraler gesagt, um das, was die Reisenden über sich selber offenbaren, sowie über die Kultur und Gesellschaft, in der und für die sie schreiben – in diesem Fall ist es im Wesentlichen das seine nationale Einheit und bald darauf seinen >Aufstieg< zur Kolonialmacht vorantreibende Deutschland.

Um zwischen individuellen und kollektiven Dispositionen zu vermitteln, entwirft Hemme mit ihrer Quellenauswahl eine Typologie: sie führt uns drei Reisende vor, die zwar in kurzem zeitlichen Abstand in etwa die gleiche Region bereisen, sich aber in Charakter und Motivation erheblich unterscheiden, "den Naturforscher, den Missionar und den Aristokraten" (S. 16). Ihr Verhalten – oder besser: das, was sie darüber auszusagen haben; leider bringt Hemme Ereignisse und deren Schilderung häufig etwas vorschnell zur Deckung – wird dann jeweils vergleichend analysiert unter den Kriterien:
– "Reisemotivation und Art des Reisens" (III.1)
– "Darstellung und Bewertung der fremden außereuropäischen Bevölkerung" (III.2)
– "Stellenwert, Beurteilung und Ansichtsweisen der eigenen Kultur" (III.3)
– "Raumerfahrung und Naturbeschreibung" (III.4)

Generell wird sich dabei zeigen, dass die verschiedenen Kriterien eng miteinander verknüpft sind, dass also die mit der Reise verbundenen Ziele Einfluss auf die gemachten Erfahrungen und deren Präsentation haben, und dass sie allesamt nicht aus dem Kontext des aufziehenden Imperialismus zu lösen sind. So symbolisiert etwa jene Kugel, die der >Naturforscher< "in den unendlichen afrikanischen Raum hinein[jagt]" (S. 204), nicht nur dessen egomanische Ansprüche, sondern zugleich das "Wahrnehmungsmodell" (ebd.) des Wissenschaftlers, der sein Objekt aus der Distanz mit seinem positivistisch-klassifikatorischen Blick durchdringt (entsprechendes gilt für den missionarischen Eifer und das ökonomische Begehren der anderen beiden >Typen<).

Theoretische Gewissheiten,
"nach dem Ende einer geistesgeschichtlichen Ära"

Allerdings reichen diese Erklärungen kaum hin, um die Gradlinigkeit zu verstehen, mit der die Reisenden nicht allein ihre Erfahrungen, sondern die ganze bereiste Welt ihrem jeweiligen >Begehren< unterwerfen, und schon gar nicht die Aggressivität, mit der sie das tun. Nicht immer bleibt dabei, wie in der zitierten Szene, die Gewalt gegen die Natur gerichtet, sondern allzuoft zielt sie auch auf Menschen – die indigenen Einwohner der bereisten Länder. Heute lassen sich solche Szenen kaum ohne Irritation oder, weniger vorsichtig formuliert, Zorn lesen, und, auch wenn Hemme mehrfach erklärt, es ginge nicht um >moralische und politische< Zurechnungsfähigkeit der Reisenden (warum eigentlich nicht?), so ist doch immer wieder eine solche Irritation bei ihr zu spüren – nicht zuletzt auch in der reichhaltigen Auswahl von >Originaltönen<.

Eine Strategie, das Irritierende zu fassen zu bekommen, besteht darin, es in einen größeren, theoretischen und historischen, Kontext einzuordnen. Hemme dienen dazu Ansätze vor allem aus dem Bereich der postcolonial studies und der interkulturellen Germanistik, sowie kurze Skizzen der Geschichte der Reiseliteratur und der politischen Situation in Deutschland und Südafrika während des Untersuchungszeitraums, die den eigentlichen Textanalysen vorgeschaltet sind. Diese Kapitel erheben nicht den Anspruch eines eigenständigen Forschungsbeitrags, eher referieren sie – schlaglichtartig – den derzeitigen Stand der Diskussion; Hemme selbst nennt als "[w]egweisend" für ihre Theoriebildung "die Arbeiten von Edward Said, Homi K. Bhaba [sic], Peter J. Brenner und Roland Barthes" (S. 14). Dennoch möchte ich hier etwas verharren, weil sich hier nicht nur das theoretische Gerüst, sondern auch eine grundlegende Problematik der folgenden Textlektüren abzeichnet, die den bereits angesprochenen Zusammenhang von Erfahrung und Sinn betrifft.

Was sich in diesen theoretischen Überlegungen nämlich in erster Linie abzeichnet, ist eine epistemologische Differenz zwischen Gegenwart und Vergangenheit, oder zwischen der gegenwärtigen, literaturwissenschaftlich und kulturtheoretisch reflektierten Leserin und den analysierten Texten und ihren Autoren. Die Gegenwart, jedenfalls die, in der Hemme sich theoretisch verortet, ist,"nach dem Ende einer geistesgeschichtlichen Ära" (S.13), geprägt durch partikularistisches Denken: "Nicht mehr die großen Zusammenhänge sind von Bedeutung, sondern die einzelnen Elemente und Fragmente rücken ins Zentrum der Betrachtung" (S. 14). Insbesondere der Anspruch auf totalisierende Konzepte von Geschichte, Wissen(-schaft) und Kultur und damit auch auf eine kulturelle Hegemonie >des Westen< sei damit fragwürdig geworden. Für die Reisenden des 19. Jahrhunderts und vor allem für ihre Wahrnehmung der >Fremde< seien dagegen genau solche Totalisierungen verbindlich gewesen: "die Reisetexte repräsentieren eine Anschauungsweise der Fremde, die für das 19. Jahrhundert als typisch gelten kann; der Europäer glaubte einzig und allein an die Berechtigung des abendländischen Diskurses [...] bzw. es gab laut der Wissenschaftstheorie des 19. Jahrhunderts nur eine Form der Betrachtung" (S. 13).

Eben hier zeichnet sich aber ein Widerspruch ab, der sich leicht zur Selbsttäuschung ausweiten kann: Als generalisierendes Fazit über das untersuchte Textkorpus und als Extrapolation über dieses hinaus könnte man solche Aussagen diskutieren, als deren – theoretisch abgesicherte – Voraussetzung müssten aber wohl Kategorien wie "der Europäer" oder "das 19. Jahrhundert" selbst der Totalisierungskritik unterzogen werden. Im Falle "der Wissenschaftstheorie" etwa könnte man die Überlegung anschließen, warum der sich im Untersuchungszeitraum als Alternative zur >Naturgeschichte< etablierende Historismus, der es ja durchaus erlaubte, Kulturen im Plural zu denken und differenzierend zu betrachten, kaum einen Einfluss auf das Studium außereuropäischer Kulturen gewann. Nicht so ohne weiteres in ein positivistisches Wissenschaftsideal fügt sich auch der von Hemme später in ihrer Arbeit einmal zitierte Geograph Friedrich Ratzel, dessen Versuch "Über Naturbeschreibung" (1904) das Programm einer Synthese aus Wissenschaft und Kunst entwirft, in der die poetische Einbildungskraft eine zentrale Funktion übernimmt.6

Historische Ungewissheiten

Hemme tendiert dazu, die abendländische Philosophie und Wissenschaft unter den Generalverdacht zu stellen, Eurozentrismus, Xenophobie und Kolonialismus zu fördern. Auch wenn das über weite Strecken berechtigt sein mag, so bleibt doch das hier kritisierte Denken weit heterogener und widersprüchlicher, als es eine solche Verallgemeinerung unterstellt. Waren tatsächlich, um ein Beispiel aus dem für Hemme relevanten Zeitraum aufzugreifen, alle diejenigen in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die aus religiöser oder humanistischer Inspiration die Sklaverei verurteilten und sich für deren Abschaffung engagierten, nichts anderes als nützliche Idioten des Kolonialismus, dem sie mit dem Kampf gegen vermeintliche >arabische< Sklavenhändler eine seiner Gründungslegenden lieferten – wenn sie nicht gleich skrupellose Zyniker waren, die vollen Wissens ihre Macht- und Wirtschaftspolitik als humanitäres Engagement verkauften? Und selbst wenn man die Frage bejaht, heißt das dann, dass jeder Humanismus Unterdrückung und Gewalt impliziert? Die Verhältnisse sind offenbar komplizierter, und das äußert sich auch in den von Hemme zitierten Theoriebildungen.

Das kann etwa ein kleiner Seitenblick auf eine von ihr mehrfach aufgegriffene Studie, Robert Youngs "White Mythologies", illustrieren: "As we have seen, the fundamental problem concerns the way in which knowledge – and therefore theory, or history – is constituted through the comprehension and incorporation of the other" – so fasst Young eine dreiseitige par-force-tour durch das zusammen, was ab jetzt "Western philosophy" heißen und – mit Levinas – auf den Begriff des "ontological imperialism" gebracht sein wird. 7 >Gesehen< aber haben wir auf kappstem Raum natürlich genau das, was der Autor uns sehen lassen wollte – augenzwinkernd scheint er genau jenes generalisierende Denken vorzuführen, das er kritisiert. Und so ist die Frage, was die westliche Philosophie zur Konstruktion des >Anderen< zu sagen hat, hier auch keineswegs >erledigt<, sondern sie wird durch Youngs Buch hindurch in immer neuen Anläufen und in immer neuen Verwerfungen wieder aufgegriffen werden. Die von Young praktizierte Dekonstruktion sucht das kritische Potential in den Widersprüchen innerhalb eben der kritisierten Denkbewegungen – aus der Skepsis nicht zuletzt des eigenen Standpunkts gegenüber. 8

Hemmes Vorgehen dagegen ist sehr viel stärker auf die (Re-)Konstruktion eines eindeutigen Sinns in den von ihr analysierten Texten ausgerichtet – und auf dessen anschließende, restlose Destruktion. Das mag daran liegen, dass die ausgewählten Beispiele tatsächlich relativ wenig Spielräume bieten, dass sie sich, wenn auch in verschiedenen Spielarten, allzu eindeutig in das Schema imperialistischen Denkens fügen. Aber auch da bleibt eine ganze Reihe von Anomalien und Irritationen, die die Analyse zumindest streift.

So konfrontiert Hemme etwa einmal die Schilderung, die ihr dritter Protagonist, Ernst von Weber, von sich selber gibt, mit einer alternativen Quelle, um so von dem weltreisenden Baron, den die Kunde reicher Diamantenfunde nach Südafrika verschlagen hatte"ein weitaus facettenreicheres Bild" (S. 185) entstehen zu lassen, als es sich aus seiner Funktion als nachdrücklicher Kolonialpropagandist ergeben würde. "This von Weber was travelling through the country with a Russian Princess in an ox-wagon: they had only one wagon, as far as I know, and one day, to the amusement of the whole little town, they paid a visit of state to the President and Lady Brand in the ox-wagon!", so beschreibt es eine Frau, die Weber in Afrika erlebt hatte. 9

Leider geht Hemme auf diese Episode nicht weiter ein, vor allem thematisiert sie nicht die Glaubwürdigkeit der zitierten Erinnerungen. Aber auch von Webers eigener Reisebericht steckt so voller Merkwürdigkeiten, dass es schwer fällt, in diesem abenteuerden Dandy-Baron tatsächlich nichts anders zu sehen als den Agenten des Kapitalismus und der ökonomischen Rationalität, als der er in Hemmes Typologie figuriert: "Weber sieht in dem fremden Land schlichtweg einen praktischen und gewinnbringenden Nutzen wirtschaftlicher Art" (S. 189; vgl. u.a. auch S. 184). Eben das tut er, trotz gelegentlich ausufernder Exkurse über die ökonomische Verwertbarkeit des bereisten Landes, sicher nicht. Mindestens ebenso sehr bietet es für ihn, den überzeugten (Land-) Adeligen, das Modell eines der Moderne noch entzogenen Abenteuerraums – und auch seiner Diamantensuche gibt er eher den Anstrich eines Glücksspiels denn profitorientierter Arbeit.

Auch fügt er, für den, wie Hemme an anderer Stelle durchaus überzeugend beobachtet, Reisen "ein fast ästhetischer Vorgang" zu sein scheint (S. 101), sich nicht so recht in das grundsätzlich entworfene Schema, das "Heimat" mit Vertrautheit und einer "gesicherte[n] soziale[n] Stellung", "Fremde" dagegen mit Orientierungsverlust konnotiert (S. 54). Denn mit der zunehmenden ökonomischen, sozialen und politischen Dynamik in Deutschland gehen möglicherweise vertraute Erfahrungsmuster und Sicherheiten in der Heimat eher verloren als in der sogenannten Fremde. Das impliziert keine größere Offenheit etwa gegenüber afrikanischen Menschen, aber es zeigt den Protagonisten dieser Geschichte als entschieden ambivalente Gestalt. Das gilt auch für die anderen beiden Reisenden; so fügt sich etwa die Afrikareise des – von Hemme etwas allgemein ohne Erwähnung seiner spezifischen Ausbildung und Qualifikationen als >Wisserschaftler< klassifizierten – Mediziners und späteren Histologen Fritsch nicht so selbstverständlich in dessen Wissenschaftskarriere ein, wie es Hemme suggeriert.

Sehr viel heterogener als einleitend behauptet stellt sich schließlich auch das Feld der Repräsentationen und ihrer Medien dar. So trifft es keineswegs zu, dass im Untersuchungszeitraum "die Reiseliteratur das einzig verfügbare Medium [war], um etwas über fremde Länder und Völker zu erfahren" (S. 46). Schon sehr viel früher waren in Zeitschriften wie "Über Land und Meer" Text-Bild-Kombinationen verbreitet, im letzten Drittel des Jahrhunderts konkurrierte der beschriebene Bericht mit Panoramen, Museen, Ausstellungen und einer reichen Vortragskultur, die erste von Carl Hagenbeck organisierte >Völkerschau< fand 1874 statt. Und Hemme selbst geht darauf ein, dass der >Naturforscher< Fritsch nicht nur ausgiebig Photographien zur Beglaubigung seiner Beschreibungen anfertigte, sondern darüber hinaus auch theoretisch über den Nutzen dieses Mediums für die Wissenschaft gehandelt hat.

Es ist eine Stärke der Arbeit Hemmes, dass ihre sehr detaillierten und die Texte in ausführlichen Zitaten zu Wort kommen lassenden Beschreibungen derartige Ambivalenzen erkennbar werden lassen. Hier bewährt sich also die Beschränkung des Textkorpus zugunsten einer Genauigkeit der Einzelanalyse. Kaum einlösbar ist damit jedoch der typologische Anspruch. Zu viele Kriterien überlagern sich hier, als dass die Repräsentativität der drei Reiseberichte wirklich überzeugend begründet würde (so könnte man etwa durchaus fragen, ob die Tatsache, dass von Weber als einziger der drei Reisenden sich explizit und nachdrücklich kolonialapologetisch äußert, tatsächlich seiner >ökonomischen< Reise-Motivation zuzuschreiben ist, oder vielleicht auch nur dem Umstand, dass nur er nach der Gründung des deutschen Reichs schreibt).

Mit dem Anspruch, in einer "mentalitätsgeschichtliche[n] Untersuchung" die "speziell deutsche Perspektive der Ansicht fremder Kulturen herauszuarbeiten" (S. 55), werden die drei Texte schlichtweg überfordert. Hemme hilft sich aus diesem Dilemma, indem sie die Texte mit theoretischem Vorwissen konfrontiert, das häufig bereits voraussetzt, was eigentlich die Analyse erbringen müsste: "Fritsch verhält sich analog zu Inge Wilds These" (S. 83). Damit aber, und nicht zuletzt auch mit den immer wieder eingestreuten psychologisch-anthropologischen Erklärungen ("Zu suchen sind die Ursachen in der Organisation der menschlichen Wahrnehmung", S. 196), verhält sie sich gegenüber den Reiseberichten so, wie diese gegenüber dem bereisten Land: sie zwingt ihnen eine Charakteristik ab, die viele individuelle Züge für nebensächlich erklärt. Das mag tendentiell für jede Beschreibung gelten, aber wenn man das eingesteht, wird die beanspruchte epistemologische Differenz – um nicht zu sagen Überlegenheit – gegenüber den Reisenden des 19. Jahrhunderts zur Selbsttäuschung.

Das hier angesprochene Dilemma allerdings betrifft nicht allein die Arbeit Hemmes; es stellt sich vielmehr grundsätzlich für kulturwissenschaftliche Analysen, die sich die Aufgabe stellen, singuläre Gegebenheiten oder Ereignisse in >dichten Beschreibungen< in ihrer irreduziblen Besonderheit zur Anschauung zu bringen, zugleich aber die diskursive Verflochtenheit alles Individuellen zu erfassen. Dass die Arbeit Hemmes dieses Dilemma besonders gut illustriert, spricht eher für als gegen sie. Vor allem aber muss betont werden, dass die Arbeit in einem Feld entstanden ist, das immer noch als weitgehend unerschlossen gelten kann; insbesondere konnte sie nicht auf Johannes Fabians im gleichen Jahr erschienene, paradigmenbildende Arbeit zurückgreifen.

"Von Sinnen": Johannes Fabians
"Kritik der imperialistischen Vernunft"

Wie vermeidet man es, die Geschichte der kolonialen Bewegung als Erfolgsgeschichte des Imperialismus zu schreiben? Denn eben das tut letztlich auch eine (ideologie-) kritische Lesart wie bei Hemme, wenn sie einen sehr geradlinigen Sinn aus den – häufig eher unsinnig wirkenden – Reiseberichten herausdestilliert. Die "imperialistische Vernunft" wird so zwar als Gewaltzusammenhang >entlarvt<, gleichzeitig aber wird ihr bescheinigt, zielgerichtet und in kühler Berechnung ihr Regime erfolgreich der kolonialisierten Welt auferlegt zu haben. 10 Hier setzt die Untersuchung von Johannes Fabian an. Er möchte die imperialistische Erfolgsstory unterlaufen, indem er "die tatsächlichen Begegnungen, die der imperialistischen Herrschaft den Weg ebneten oder sie in keimhafter Form etablierten" (S. 18), mit ihrem selbsterhobenen Anspruch auf Rationalität konfrontiert; mit dem Ergebnis, dass sie sich wesentlich als "widersprüchlich – ja anarchisch" darstellen.

Die >tatsächlichen Begegnungen<, denen Fabian nachspürt, zeichen sich ab in den aus Belgien, Deutschland, Portugal und England stammenden Berichten über sechzehn Reisen, die zwischen 1874 und 1909 als wissenschaftliche – "proto-ethnologische" – Expeditionen nach Zentralafrika führten. Die doppelte Einschränkung des Textkorpus, auf Berichte über wissenschaftliche Expeditionen einerseits, auf gedruckte, öffentlich zugängliche Quellen andererseits, die Fabians Untersuchung von Hemmes unterscheidet, erweist sich dabei als doppelter Vorteil. Sie dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern sie lässt deutlicher hervortreten, worum es Fabian geht. Die für die Öffentlichkeit bestimmten Berichte stehen, so kann man vermuten, am Ende einer langen Kette von Zensurinstanzen, die bestimmt waren, all das herauszufiltern, was dem Eindruck einer seriösen, rationalen wissenschaftlichen Arbeit zuwiderlaufen konnte.

Wenn sich hier dennoch reichlich Spuren von widersprüchlichen, ambivalenten und >irren< Ereignissen und Erlebnissen finden, dann ist das ein um so signifikanterer Ansatzpunkt für die von Fabian intendierte "Kritik der imperialistischen Vernunft" (S. 81). Denn diese Spuren führen sowohl an der Vernunft vorbei, umgehen den ideologischen >Sinn<, den die Reisenden ihrem Tun zu geben versuchen, als auch in ihren Kern selbst hinein. Die Rede von >imperialistischer Vernunft< umfasst dabei zweierlei: die unterstellte (Zweck-) Rationalität des Kolonialisierungsprozesses sowie den totalisierenden, andere, nicht-rationale Formen der Wahrnehmung und des Handelns marginalisierenden Anspruch von Vernunft selbst. Dieses Projekt einer immanenten Vernunft-Kritik impliziert eine weitere Einschränkung: es geht darum, das westliche Wissen auf seine eigenen Widersprüche zu befragen, nicht so sehr, es mit einem anderen, alternativen Wissen – etwa dem der afrikanischen Völker – zu konfrontieren. 11

Wovon Fabian berichtet, ist eine "gedankliche Reise", die in etwa von der Erwartung über die Erfahrung zum Sinn führt, genauer "von ungebrochenem Vorurteil zur Entdeckung einer anderen Konzeption von Wirklichkeit und dann zu einem distanzierenden wissenschaftlichen Diskurs, der die Leugnung dieser Wirklichkeit erfordert" (S. 294). Im Detail lässt sich dieses Muster etwa bei dem Belgier Jérôme Becker beobachten, als einem der >Hauptzeugen< Fabians Er wird an einem Ort, an dem er sich für längere Zeit eingerichtet und wo er durchaus engere und teilweise freundschaftliche Kontakte geknüpft hat, mit magischen Praktiken konfrontiert. Zwar deutet sein Bericht an, dass Becker für einen Moment bereit ist, hier keine primitive, sondern eine alternative Wirklichkeitskonzeption zu erkennen, ein komplexes Netz aus religiöser Überzeugung und politischer Macht. Aber schließlich subsumiert seine Schilderung diese Erfahrung doch unter die Stereotypen eines Primitivismus, der hier nur eine defiziente Vorform wahrer Religosität zu erkennen vermag: "Auf etwa 20 Seiten illustriert sie den >Sieg< von Vernunft und Theorie über Erfahrung und empirisches Wissen, der zum Dilemma der modernen Anthropologie geworden ist" (S. 294).

Dem hier vorgeführten dreistufigen Modell entnimmt Fabian die Dramaturgie seiner eigenen Darstellung:

(1) "Reisen als Lebensweise":
Hygiene und Fieber

Wenn Jérôme Becker seinen Reisebericht schlicht "Das Leben in Afrika" 12 betitelt, dann meint er damit nicht etwa die ethnologische Beschreibung afrikanischer Völker, sondern sein eigenes Leben auf der Reise, oder allgemeiner: das "Reisen als Lebensweise" (S. 80). Alle von Fabian untersuchten Reiseberichte thematisieren und reflektieren die Bedingungen, Voraussetzungen und Probleme des Reisens sehr ausführlich. So sind die ersten Kapitel seiner Studie den verschiedenen dabei hervortretenden Aspekten gewidmet: Planung und Organisation, Fortbewegung von Karawanen, Selbstkontrolle und Hygiene, Kontakte zur afrikanischen Bevölkerung.

Die logistischen Anforderungen entfalteten eine Eigendynamik, die einen weit größeren Teil der physischen und psychischen Energie der Forscher beanspruchte als die eigentliche Forschungstätigkeit: "Mein Reiseapparat absorbirt mir zu viel Arbeitskraft" (S. 183). Zugleich wurde hier die beanspruchte Souveränität nachdrücklich in Frage gestellt, da keine Reise ohne die Unterstützung nichteuropäischer Helfer möglich gewesen wäre. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte sich in Zentralafrika eine regelrechte Reiseindustrie entwickelt, betrieben von Afrikanern sowie Indern, Arabern oder ortsansässigen Europäern, in die sich der Forschungsreisende als bloßer Abnehmer einfügte.

Der >Reiseapparat< ist es aber auch, durch den die Reisenden überhaupt erst in Kontakt mit der fremden Welt treten. Führer, Dolmetscher, Diener oder Dienerinnen sind diejenigen, die ihnen die Welt erschließen, nicht nur, indem sie Informationen übermitteln und Kontakte knüpfen, sondern auch, indem sie Kategorien für deren Bewertung vermitteln – ein Vorgang, der keineswegs immer rational abläuft: Zu- oder Abneigung, Vertrauen oder Misstrauen, Ärger oder Furcht, Loyalitäten oder Freundschaften, auch Erotik bestimmen das Verhältnis zwischen den Reisenden und denen, die ihnen teilweise über viele Monate die Nächsten sind, und beeinflussen nicht unwesentlich das, was an Informationen ausgetauscht wird.

Den Reisenden ist solche Nähe jedoch grundsätzlich suspekt. Zum <Reiseapparat< gehört daher weiterhin ein "System von Kontrollen, die das Leben in den Tropen in seinen kleinsten Details und bis in die Tiefen der Psyche eines Menschen betrafen" (S. 87): die >Hygiene<. Alle Reisenden unterwarfen sich ihrem Reglement, das von der Fußpflege bis zum Abfassen des Tagebuchs reichte, vor allem aber Disziplin, Selbstkontrolle, und die Wahrung von Autorität beinhaltete, mit dem Ziel, weitgehende Distanz zur afrikanischen Welt zu wahren. Ein, was die Reise >an sich< betraf, durchaus effizientes Vorgehen: "Indirekte Herrschaft hatte, wie Kolonialregimes herausfinden sollten, ihre Vorteile. Doch war das Aufstellen von Schutzschirmen und Barrieren gegen den direkten Zugang eine gute Strategie für einen Ethnographen?" (S. 196). Die Reisenden stellten sich diese Frage in der Regel nicht.

Vor dem Hintergrund eines sozialdarwinistisch legitimierten Überlegenheitsempfindens ebenso wie eines positivistischen Wissenschaftsideals, versuchten sie grundsätzlich alles abzuwehren, was den Forscher affzieren könnte, vom Ergriffensein von afrikanischer Kunst, von Tanz, Musik, Erzählungen bis hin zum >Fieber< – wie die Hygiene ein über das Medizinische weit hinausreichender Begriff, ein Zustand, der "als der ekstatische Gegenzustand zu asketischer Hygiene aufgefaßt und zu etwas Essentiellem erklärt wurde": "Fieber war eine Ideologie, ein Mythos" (S. 91). Eine ganze Reihe weiterer Kräfte bedrohten das Regime der Hygiene: Momente der Geselligkeit, sexuelles Begehren, der Druck von tatsächlichen oder eingebildeten Gefahren, Ärger und Wut, Depressionen und nicht zuletzt der Genuss zahlreicher Rauschmittel – außer Alkohol auch Opiate, die fast alle Reisenden gegen diverse Krankheiten reichlich konsumierten, so dass sie tatsächlich weite Strecken ihrer Reisen im Rausch erlebt haben müssen.

(2) Ekstasen:
Licht im Herz der Finsternis

Solche Momente haben Spuren in den Reiseberichten hinterlassen; Selbstwidersprüche, ungedeckte Behauptungen, unsachliche Beschimpfungen, aber ebenso Passagen, in denen die Verfasser "Phantasie und Mut" aufbrachten, um sich über die rassistischen Stereotypen hinwegzusetzen und "Standpunkte zu beziehen, die andere nie geäußert hätten aus Furcht davor, ihren fragwürdigen Glauben an die europäische Überlegenheit zu verlieren. Salopp gesagt: sie waren nicht verrückt genug, um so etwas zu tun" (S. 289).

In sehr sorgfältigen und zugleich suggestiven Lektüren arbeitet Fabian die grundsätzliche Bedeutung heraus, die solche >Verrücktheiten< für die Ethnologie besitzen. Paradigmatisch ist hier der Verlauf der von Hermann Wissmann und Paul Pogge geführten Expedition, die als erste europäische Durchquerung des Kontinents von Westen nach Osten in die Geschichte der >großen Entdeckungen< eingegangen ist. Ihre eigentliche Entdeckung machten die beiden, als ihre Reise fast ein vorzeitiges Ende gefunden hätte, als sie krank, demoralisiert und in akuter Finanznot zu einem langen Stillstand gezwungen waren und von dem mythenumwobenen Volk der Baschilange freundschaftlich aufgenommen wurden. Während dieses Zwangsaufenthalts erhalten die Reisenden Einblick in eine komplexe politische Situation, die der erwarteten >Wildheit< im >Herz der Finsternis< vollkommen widerspricht, sie gewinnen Vertrauen und Freundschaft, und sie werden eingeladen, eine Rolle in einer innerafrikanischen Modernisierungsbewegung zu spielen.

Wie aber, wenn sie afrikanischen politischen Führern begegneten, die eine Vision der Zukunft hatten und über die Stärke verfügten, mit Brauch und Tradition zu brechen, kühne soziale Experimente zu unternehmen und die Außenwelt als Verbündete in dem Bemühen zu begrüßen, in einer durch endemische Gewalt (die von Menschenopfern bis zu Sklavenraubzügen reichte) gekennzeichneten Situation friedlichen Wandel herbeizuführen? (214f.)

Tatsächlich scheinen sie in der Lage zu sein, ihre Vorurteile und Erwartungen zu revidieren und ihre intendierte Distanz aufzugeben – "eine Ahnung von einer utopischen Begegnung zwischen dem Westen und Afrika auf gleicher Ebene" (S. 370). Aber nur für den Augenblick. Das weitere Handeln der Reisenden fügt sich in das vertraute Muster: sobald sie ihre Expedition reorganisiert und ihre Souveränität zurückerlangt haben, werden sie ihre >Freundschaften< instrumentalisieren, die Einladung zu partnerschaftlicher Politik ausschlagen und stattdessen zu den bewährten Mustern kolonialer Machtentfaltung greifen. Um das tun zu können, werden sie die Baschilange, im Widerspruch zu ihren eigenen Schilderungen, als primitive Rasse klassifizieren. Und so wird das, was ein seltener Glücksfall der Ethnologie hätte sein können, zur >ekstatischen< Randepisode eines heroischen Eroberungszuges.

(3) Disziplin:
Die Herrschaft des Sinns

Eine komplexe politische und soziale Situation wahrzunehmen, ist offenbar etwas, worauf die Forscher professionell nicht vorbereitet waren; ihre >Disziplin< besteht in der objektivierenden Beschreibung physischer Realität (auch >Kultur< besteht für sie weitgehend in zu sammelnden und zu klassifizierenden Objekten). Darüber hinaus, so ließe sich ergänzen, fehlte es ihnen wohl auch an eigenem politischem Bewusstsein. Größtenteils in Offizierslaufbahnen militärisch sozialisiert, standen die – meist relativ jungen – Forscher Parlamentarismus, Demokratisierung und Emanzipationsbestrebungen (von Frauen, von Unterschichten) in ihren Heimatländern distanziert bis skeptisch gegenüber. >Afrika< bot auch die Hoffnung, elitäre Anspüche eingelöst zu sehen. 13

Die letzten Kapitel sind den Strategien gewidmet, mit denen die Reisenden ihre Erfahrungen in Wissen und in Sinn übersetzen (und dabei weitgehend ihrer Brisanz beraubten). Dabei nimmt der bereits für das Reisen selbst zentrale Begriff der >Disziplin< eine neue Bedeutung an: meinte er zunächst Selbstkontrolle, so bezeichnet er nun das wissenschaftliche >Fach<, in das sich die Reisenden eingliedern (möchten). Beide Bedeutungen erweisen sich jedoch als eng miteinander verwandt. Auch das Wissenschaftsideal der Forscher verlangt eine asketische Einschränkung von Subjektivität, die Zurückweisung spontaner Erfahrungen, die objektivierende Distanzierung gegenüber dem Gegenstand; Ideale, die Fabian noch bei Claude Lévi-Strauss ausmacht, dessen "Traurige Tropen" er zitiert: "[Ich hatte gelernt,] dass man, um zum Realen zu gelangen, zunächst die Erfahrung verwerfen muss, um sie später in einer objektiven, von jeder Sentimetalität gereinigten Synthese wieder zu integrieren". 14

Fabian plädiert für einen umgekehrten Weg, und er widmet sich dazu einem der sperrigsten Kapitel in der (Vor-) Geschichte der Ethnologie, um gerade hier, "zu zeigen, dass die Abgesandten des Imperialismus insbesondere in ihren ersten oder frühen Kontakten mit unvertrauten Kulturen >zum Realen< gelangten, wenn sie es sich gestatteten, sich von gelebter Erfahrung führen zu lassen" (S. 23). Das heißt aber, wenn sie, gemessen an ihrem eigenen Ideal, sich dem >Wahnsinn< hingaben.

Während die Reisenden da, wo sie selbst sich auf der Höhe ihrer wissenschaftlichen Vernunft glaubten, tatsächlich mit ungeprüften Hypothesen, ungeeigneten Instrumenten und willkürlichen Systematiken operierten, die ihren Sinn weit eher aus den imperialistischen >Rahmenbedingungen< bezogen als aus den Anforderungen der Ethnologie, werden ihre Berichte da spannend, wo "sie aus den rationalisierten Rahmenbedingungen der Forschungsreisen, sei es Glaube, Wissen, Profit oder Herrschaft, heraustraten und manchmal lange Zeit außerhalb von ihnen existierten" (S. 24). Diese dem >Wahnsinn< verwandten "Ekstasen" können zu alternativen Quellen des Wissens werden, und so erscheint es nicht grundsätzlich unvernünftig, sich ihnen zu überlassen.

Wider das Dogma der Abstraktion,
für eine ethnologische Phantasie

Fabian selbst demonstriert, wie fruchtbar es sein kann, auf eine umsichtige und sensible Weise den geraden Weg der Disziplin zu verlassen. Er behauptet keine Position wissenschaftlicher Objektivität gegenüber seinem Gegenstand, sondern er macht immer wieder deutlich, wie ihn subjektive Anteilnahme, Sympathie und Zorn, sowie das eigene ästhetische Vorstellungsvermögen bei der Themenwahl und der Darstellung leiten.

In einer Anmerkung gibt er einen Hinweis auf eine >Lieblingslektüre<: Per Olof Sundmanns Roman "Die Expedition", 15 die fiktive Darstellung einer Afrikareise, deren reales Vorbild unschwer in Henry Morton Stanleys berüchtigter >Emin-Pascha<-Expedition zu finden ist. Dessen heroischem Monolog stellt Sundmann das Wechselspiel zweier Erzählstimmen entgegen. Auf der einen Seite steht ein junger europäischer Leutnant, auf der anderen ein indisch-arabischer Schreiber und Dolmetscher. Auch wenn dieser sich als entschieden gebildeter, sensibler und zugleich pragmatischer – und damit auch als der bessere Erzähler – erweist als sein europäisches Gegenüber, kommt es doch zu keiner wirklichen Begegnung. Zu sehr ist der Leutnant in seinem Rollenmodell als >Unterführer< befangen, als dass er den >Araber< überhaupt wahrnehmen, geschweige denn als gleichberechtigten Partner anerkennen würde.

Während die europäische Stimme an eine Vielzahl tatsächlicher Reiseberichte erinnert, ist die >fremde< Stimme, deren genauer nationaler bzw. ethnischer >Ursprung< signifikanterweise offenbleibt (die Frage danach entspringt einem klassifikatorischen Denken, das nicht das der mit dieser Figur entfalteten Welt ist), eine Erfindung Sundmanns. Sie speist sich nicht aus alternativen Quellen, sondern aus einer literarischen Phantasie, die sich in den Lücken, den Widersprüchen, dem Wahnsinn der vorliegenden europäischen Quellen ansiedelt. Eine solche erfundene Gegenstimme versagt sich Fabian, er füllt keine Lücken und >verleiht< keinem >Anderen< eine Stimme, aber er macht auf das aufmerksam, was, obwohl es doch deutlich in den europäischen Reiseberichten verzeichnet ist, wie Edgar Allan Poes berühmter >Entwendeter Brief< kaum je wahrgenommen worden ist.

Auch dazu bedarf es Phantasie. Und so scheut sich Fabian nicht, ästhetische Erfahrungen in den Arbeitsprozess einzubeziehen, Erfahrungen, die am >Gegenstand< selbst gewonnen, die aber auch späteren Verarbeitungen entnommen werden können – Fabian spricht etwa von Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" oder Werner Herzogs "Fitzcarraldo". Er zieht daraus einen methodologisch bedeutsamen Schluss: "Gelegentlich liefern uns Reiseschriftsteller wie Filmemacher Vignetten, kleine, aber bezeichnende Bilder. Es ist schwierig, ihren verdichteten Sinn in ein Argument zu übersetzen, ohne ihre Botschaft zu verwässern" (158). Ein Verfahren, um dem Rechnung zu tragen, sind die jedes Kapitel einleitenden, unkommentiert bleibenden Zitate aus einem der – idelogisch gesehen problematischsten – Reiseberichte.

Fabian selbst gelingen solche >Vignetten< in erstaunlicher Dichte. Das heißt aber keinesfalls, dass er sie für sich stehen lassen würde. Es geht darum, ein "Muster von Ungereimtheiten und Widersprüchen" freizulegen, "herauszufinden, was die Forschungsreisenden regelmäßig und vorhersehbar in Widersprüche verwickelte" (167). Und eben das gelingt in einem Wechselspiel aus Zitat, >dichter Beschreibung< und kommentierender Distanzierung. Dass Fabian sich dabei kaum auf eine explizite Diskussion (ethnologie- oder literatur-) theoretischer Modelle einlässt, ist keinesfalls ein Zeichen theoretischer Naivität; es ist vielmehr die darstellerische Konsequenz aus einer theoretisch reflektierten Argumentationsfigur, die sich im Lauf der Arbeit immer stärker herauskristallisiert: dem Widerstand gegen "ein unüberprüftes wissenschaftliches Dogma", demzufolge "Abstraktion schwierig sei" (S. 300). Viel schwieriger, so demonstrieren die Lektüren Fabians, ist es oft, konkrete Erfahrung des Individuellen zuzulassen.

Dazu gehört die "deprimierende Erfahrung", in der Lektüre der Reiseberichte zu beobachten, wie "intelligente, oft sympathische Männer" dazu verdammt sind, immer wieder nur die vorgeprägten Kategorien ihrer >Disziplin< bestätigt zu finden (S. 312); und dass gerade "die Menschen, die sich unter großen Kosten und oft um den Preis ihres Lebens nach Afrika wagten, um es zu studieren, [...] seinen Völkern Anerkennung" verweigern (S. 305). Diese Befangenheit lässt sich rekonstruieren, aus einer Perspektive, in der – moderne, selbstkritische – Ethnologie und – dekonstruktiv angeleitete – Textwissenschaften in ihrer Vorsicht im Umgang mit >Sinn< konvergieren. Aber – und darin liegt das Beunruhigende an Fabians Buch – sie ist nicht einfach mit erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Naivität zu erklären.

Denn naiv waren die Reisenden des 19. Jahrhunderts durchaus nicht. Dass sie sich noch nicht in einem ethnologisch definierten und methodologisch erschlossenen Feld bewegten, bedeutet nicht, dass sie sich der Probleme ihrer Forschungen nicht bewusst gewesen wären. Sie dennoch scheitern zu sehen, sollte auch der gegenwärtigen Forschung zu denken geben. Der Mythos der Wissenschaft "bedarf, wenn ich die pharmazeutische Metapher ausweiten darf, eines Gegengifts, eines Mittels, das nicht aus angeblich überlegener >moderner< Ethnographie destilliert ist, sondern einer zeitgenössischen Gegengeschichte – einer Geschichte, die in den Darstellungen der wissenschaftlichen Reisen und Forschungen, mit denen wir uns beschäftigen möchten, enthalten ist" (S. 20).

Was darüber hinaus bleibt, ist das Plädoyer für ein erweitertes – und zugleich sich seiner Beschränkungen bewusstes – Konzept von Vernunft, einer Vernunft, die im Stande ist, ihre Extensionen in Bereiche des Nichtrationalen zu akzeptieren und produktiv werden zu lassen. Dass das möglich ist, ohne dabei das Feld vernünftigen Argumentierens zu verlassen, beweist niemand besser als Fabian selbst.


PD. Dr. Wolfgang Struck
Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien
der Universität Kiel
Leibnizstraße 8
D–24118 Kiel
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Ins Netz gestellt am 27.09.2003
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Anmerkungen

1 Cornelia Essner konstatiert in ihrer für den deutschen Sprachraum grundlegenden Studie in den 1980er Jahren eine "regelrechte Renaissance", bei der die neuaufgelegten Berichte oft durch Kürzungen und Bearbeitungen >entschärft< wurden; Cornelia Essner: Deutsche Afrikareisende im neunzehnten Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte des Reisens. Wiesbaden: Steiner 1985, S. 10f.   zurück

2 Mary Louise Pratt: Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation. London, New York: Routledge 1992 etwa analysiert die Grundlage, die Reiseberichte legen für "Europe's differentiated conception of itself in relation to something it became possible to call >the rest of the word<" (S. 5); ein >Rest<, der dann von Europa aus begrifflich erobert werden konnte: "One by one the planet's life forms were to be drawn out of the tangled threads of their life sourroundings and rewoven into European-based patterns of global unity and order. The (lettered, male, European) eye that held the system could familiarize (>naturalize<) new sites/sights immediately upon contact, by incorporating them into the language of the system. The differences of distance factored themselves out of the picture: with respect to mimosas, Greece could be the same as Venezuela, West Africa, or Japan; the label >granite peaks< can apply identically to Eastern Europe, the Andes, or the American West" (S. 31).   zurück

3 Einige Hinweise auf deutschsprachige Reiseberichte finden sich, außer bei Essner (Anm. 1), in den Sammelbänden: Sara Friedrichsmeyer / Sara Lennox / Susanne Zantop (Hg.): The Imperialist Imagination. German Colonialism and Its Legacy. Ann Arbor: University of Michigan Press 1998; Alexander Honold, Oliver Simons (Hg.): Kolonialismus als Kultur. Literatur, Medien, Wissenschaft in der deutschen Gründerzeit des Fremden. Tübingen, Basel: Francke 2002; Birthe Kundrus (Hg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus. Frankfurt / M., New York: Campus 2003; sowie in den Monograhien: Beatrix Heintze: Ethnographische Aneignungen. Deutsche Forschungsreisende in Angola. Frankfurt / M.: O. Lembach 1999; Russell A. Berman: Enlightenment or Empire. Colonial Discourse in German Culture. Lincoln, London: University of Nebraska Press 1998; John-K. Noyes: Colonial Space. Spatiality in the discourse of German South West Africa 1884–1915. Chur u. a. 1992. – Vgl. auch meinen Aufsatz: Gier. Eine kannibalistische Figur in deutscher Reise-Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. In: Daniel Fulda/Walter Pape (Hg.): Das Andere Essen. Kannibalismus als Motiv und Metapher in der Literatur. Freiburg im Breisgau: Rombach 2001, S. 169-194   zurück

4 Gustav Theodor Fritsch: Drei Jahre in Südafrika. Reiseskizzen nach den Notizen des Tagebuches zusammengestellt. Breslau 1868, S. 108f., zitiert bei Hemme, S. 204.   zurück

5 Gunther Pakendorf: Der Missionar als Anthropologe. Albert Kropf und das >Volk der Xosa-Kaffern<. In: Ulrich van der Heiden / Heike Liebau (Hg.): Missionsgeschichte – Kirchengeschichte – Weltgeschichte. Stuttgart: Steiner 1996, S. 163; bei Hemme zit. S. 16.   zurück

6 Zu Ratzel >poetischer< Geographie vgl. John K. Noyes: Landschaftsschilderung, Kultur und Geographie. Von den Aporien der poetischen Sprache im Zeitalter der politischen Geographie. In: Honold / Simons (Hg.): Kolonialismus als Kultur (Anm. 3). S. 127–142: "Das poetisch näherungsweise zu erfassende Naturerhabne erscheint so als eine zwar der Wissenschaft fremde, der Kultur hingegen zugängliche Fläche" (S. 140). Einer Kultur allerdings, die dann problemlos den Bogen zu den >Kulturleistungen< des Kolonialisierens zu schlagen im Stande ist: das Erhabene wird umstandslos zum – imperialistisch gedeuteten – Imperativ: "Erhebe dich!" (Ratzel, zit. ebd.).   zurück

7 Robert Young: White Mythologies. Writing History and the West. London, New York: Routledge 1990, S. 12, S. 13.   zurück

8 Auch Homi K. Bhabhas Konzept des stereotype beschreibt nicht einfach einen Prozeß der >Nivellierung< (Hemme, S.32), sondern dient dazu, eine unaufhebhare Ambivalenz auszuagieren – "that >otherness< which is at once an object of desire and derision, an articulation of difference contained within the fantasy of origin and identity" (The Location of Culture. London, New York: Routledge 1994, S. 67).   zurück

9 Sophie Leviseur: Memories. Hg. v. Karel Schoemann. Cape Town, Pretoria, Johannesburg o.J., S. 42; zit. bei Hemme S. 185f.   zurück

10 Eine schärfere Variante dieser Fragestellung hat etwa eine sehr emotional geführte Diskussion um die Frage hervorgebracht, ob die von der deutschen >Schutztruppe< im Krieg gegen die Herero in Namibia 1904 verfolgte Strategie als Genozid beschrieben werden kann. Brigitte Lau hat das in einem provokanten Essay bestritten und sich damit dem Vorwurf ausgesetzt, kolonialapologetisch zu argumentieren. Das scheint jedoch ihren Intentionen kaum gerecht zu werden: ihr geht es weninger um das, was die Schutztruppe wollte, als um das, was sie konnte, oder, anders herum, es geht um die Relativierung mythenbesetzter Bilder: das der Herero als ohnmächtige, hilflose Opfer der deutschen Kolonisation, das ebenso ein von den Kolonialisten geschaffenes Bild ist wie das korrespondierende des souveränen, unantastbaren, allmächtigen Kolonialsoldaten. Vgl. Brigitte Lau: Uncertain Certainties: The Herero-German War of 1904. In: Mibagus 2 (April 1989), S. 4–5, 8 (eine deutsche Übersetzung hat der "Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen" auf seiner homepage verbreitet: http://www.traditionsverband.de/schutztruppe/ungewiss.html); zur weiteren Diskussion vgl. Tilman Dedering: The German-Herero War of 1904: Revisionism of Genocide or Imaginary Historiography? In: Journal of Southern African Studies 19.1 (March 1993), S. 80–88   zurück

11 An dem Projekt einer solchen Parallelgeschichte hat Fabian an anderer Stelle gearbeitet, etwa in Remenbering the Present: Painting and Popular History in Zaire. Berkeley: University of California Press 1996; vgl. auch, für etwa die gleiche Region, von der "Im Tropenfieber" handelt, allerdings mit einer geringeren historischen Extension, die spannende Studie von Luise White: Speaking with Vampires. Rumor and History in Colonial Africa. Berkeley, Los Angeles, London: California University Press 2000.   zurück

12 La vie en Afrique; ou trois ans dans l'Afrique centrale. Paris, Brüssel: J. Lebègue 1887.   zurück

13 Für eine genauere Diskussion >antimoderner < Motive im deutschen Kolonialismus kann ich hier nur auf meine demnächst erscheinende Arbeit "Die Eroberung der Phantasie. Kolonialismus, Literatur und Film zwischen deutschem Kaiserreich und Weimarer Republik" (vorraussichtlich Göttingen 2004) verweisen.   zurück

14 Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen. Übersetzt von Eva Moldenhauer. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1988, S. 51; zitiert bei Fabian S. 23. – Bereits in seiner grundlegenden Studie "Time and the Other. How anthropology makes its object" (New York: Columbia University Press 1983) hat sich Fabian kritisch mit dem sich in der Aufklärung herausbildenden >objektivierenden< Wissenschaftsideal auseinandergesetzt: "under the reigning paradigm of natural history" ersetze der aufklärerische "topos of travel" "an earlier, enormously popular genre of mostly sentimental and aesthetisizing tales of travel" (ebd., S. 8). Die Privilegierung des Beobachtens und Messens wirkt sich auch auf die Darstellung aus, die nun Arrangement, Diagramm, Tabelle gegenüber Erzählung privilegiert, was wiederum Rückwirkungen auf die Konstitution des Objekts selbst hat, das als außerzeitlich-natürliches, geschichtsloses gedacht werden muß: "a native society that would, ideally at least, hold still like a tableau vivant [...]" (ebd. S. 67).   zurück

15 Per Olof Sundmann: Expeditionen. Stockholm 1962. Dt.: Die Expedition. Einsiedeln, Zürich, Köln: Benziger 1965.   zurück