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Äther - ein 'denknotwendiges' Medium der Moderne im interdisziplinären Spannungsfeld

  • Albert Kümmel-Schnur / Jens Schröter (Hg.): Äther. Ein Medium der Moderne. (Medienumbrüche 19) Bielefeld: transcript 2008. 404 S. Paperback. EUR (D) 33,80.
    ISBN: 3-89942-610-X.
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»Gerade Medienwissenschaftler müssen nachhaltig die Ätherhypothese vertreten, schon im eigenen Interesse.« Mit diesem provokanten Plädoyer für das Festhalten an einer wissenschaftlich scheinbar diskreditierten Denkfigur beschließt Albert Kümmel-Schnur die Einleitung des von ihm zusammen mit Jens Schröter herausgegebenen Sammelbandes. Genau genommen paraphrasiert Kümmel-Schnur an dieser Stelle augenzwinkernd das Fazit von Tristan Thielmanns in diesem Band abgedruckten Beitrags. Bei aller Koketterie geht es Kümmel-Schnur in Anlehnung an Thielmann jedoch nicht um den Aufruf, okkultistische und parawissenschaftliche Methoden und Positionen in die Wissenschaft hineinzutragen, sondern vielmehr um die ernsthaft gestellte Frage, inwieweit der Äther für die wissenschaftliche und insbesondere für die medienwissenschaftliche Reflexion in der Moderne profiliert werden kann.

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Zur wissenschaftsgeschichtlichen Relevanz des Äthers

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Mit der Wahl des Themas ist den Herausgebern ein Glücksgriff gelungen, da der Äther in der Tat für die Moderne ein höchst spannendes Reflexionsscharnier bildet. Dies zeigt sich überdeutlich in der Material- und Themenbreite des Bandes. Zudem fügt er sich als ein Baustein in die seit einigen Jahren verstärkt von medien- und kulturwissenschaftlicher Seite aus geführten Debatte rund um die ›Materialität der Dinge‹, um ›Materialitätskonzepte‹ und ›Materiediskurse‹ ein.

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Äthertheorien prägen die westliche Kulturgeschichte seit der Antike. Ihre besondere Relevanz entfalten sie mit Beginn der physikalischen Weltbeschreibung in der frühen Neuzeit, kommt dem Äther doch die Funktion eines alles verbindenden »imponderablen Einheitsmediums« zu, wie es im Vorwort der Herausgeber heißt (vgl. S. 7). Gegen den ›horror vacui‹ ermöglicht der Äther in einem von Materieteilchen ausgehenden mechanischen Weltbild die Vorstellung eines vollen Raums: Der Äther füllt die Zwischenräume zwischen den Materieteilchen. Er löst auf diese Weise zugleich das Problem der Fernwirkung (z.B. der Gravitation) oder der Lichtausbreitung, indem er als feinstoffliche, aber sinnlich nicht wahrnehmbare Trägersubstanz die Weiterleitung der Kraft oder Ausbreitung des Lichts im Raum vermittelt. Der Äther nimmt dabei immer schon eine Zwischenstellung zwischen materieller Trägersubstanz und immateriellem Bewegungsprinzip ein, was ihn nicht zuletzt für die okkultistische Besetzung in der Moderne prädestiniert hat. Neben dem ›Gravitationsäther‹ und dem ›Lichtäther‹ hat im 19. Jahrhundert noch der ›elektromagnetische Äther‹ besondere Bedeutung gewonnen, weil er in dem Moment, in dem das mechanische Weltbild durch die Feldtheorie aufgebrochen wird, erneut an der Scharnierstelle zwischen Raum- und Materiebeschreibung vermittelt, dieses Mal als Trägersubstanz für elektromagnetische Strahlungen. 1

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Dieses physikalische Verständnis des Äthers steht denn auch für Kümmer-Schnur und Schröter im Vordergrund: Aus ihm ergibt sich die besondere historische Profilierung des Äthers als Medium der Moderne, wie es im Titel des Bandes heißt. Einschlägig für die Moderne sind neben den wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Äthertheorien die Versuche von Michelson und Morley, die Existenz respektive Inexistenz einer in der Physik bis dahin systematisch und methodisch notwendig angenommenen Äthersubstanz experimentell nachzuweisen, die Instrumentalisierung des Äthers als Erklärungsphänomen für technische und mediale Verfahren der Kommunikation, Visualisierung und Informationsvermittlung und schließlich die Verabschiedung des Äthers als eine für die Physik relevante Beschreibungskategorie durch Einsteins spezielle Relativitätstheorie. Wenn sich Einstein Jahre später noch einmal für den Äther ausspricht, so unter gänzlich veränderter Perspektive. Im Sinne eines mit physikalischen Eigenschaften ausgestatteten Raumes kann bzw. muss in gewissem Sinne von der Existenz eines Äthers ausgegangen werden, da der Raum sonst entweder entleert bzw. zu einer mathematischen Idealgröße gerinnen würde. 2 Diese Annahme unterscheidet sich aber kategorial von der Annahme einer feinstofflichen und mechanisch leitenden Materie, denn der Äther befindet sich nun nicht mehr als Trägersubstanz im Raum, sondern umgekehrt der Raum im Äther. Zugleich eröffnet diese Annahme die aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive nicht zu unterschätzende Möglichkeit, den Begriff des Mediums neu zu reflektieren, da die Unterscheidung zwischen Prozess, Substanz und Raum im Sinne einer kategorialen Differenz eingeebnet wird. – So in etwa ließe sich in aller Kürze die wissenschaftshistorische Ausgangsituation formulieren, die leitend für eine ganze Reihe der Beiträge dieses Bandes ist und entsprechend immer wieder neu thematisiert und kontextualisiert wird.

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Der Äther und die Medienwissenschaften

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Die Frage, was der Äther und seine physikalische Perspektivierung mit den Medienwissenschaften zu tun hat, ist damit im Grunde schon mehrfach beantwortet: Als feinstoffliche, aber imponderable, mit den Sinnen nicht wahrnehmbare Materie hat der Äther seine ganz spezifische Funktion in der Moderne als Vermittlungsinstanz gefunden. »Historisch und epistemologisch sind Medienwissenschaft/en und Äthertheorie/n auf einander bezogen« (S. 22), so Kümmel-Schnur im Anschluss an Wolfgang Hagen. Die besondere Wechselwirkung für die Moderne ergibt sich, wenn physikalische Beschreibungsformen der Vermittlung und Leitung von Kraft und Licht als ›Korpuskeln‹ und ›Wellen‹ in die Konzeptualisierung, aber auch in das Metaphernreservoir der modernen Kommunikationstechniken und -medien Einzug erhalten (vgl. S. 7). Mit Einsteins Verabschiedung des Äthers als Trägersubstanz eröffnet sich zudem für die Medienwissenschaften die Möglichkeit sich aus der Physik und ihrer Methodenreflexion heraus selbst als Medienwissenschaft zu begründen (vgl. S. 25), wie Kümmel-Schnur dieses Mal im Rückgriff auf die zentrale These aus Frank Furtwänglers ebenfalls in diesem Band publizierten Beitrag schreibt. Mit dieser Kontextualisierung des Äthers im Spannungsfeld von Physik und Medienwissenschaft ist damit immer schon ein interdisziplinäres Forschungsfeld eröffnet, dem sich auch die sich als Medienwissenschaft verstehenden Geistes- und Kulturwissenschaften anschließen müssen, wenn sie sich für den Äther interessieren.

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Wendet man sich nach dem sehr kurz gehaltenen, aber dennoch vielversprechenden Aufriss des Frage- und Forschungsspektrums im Vorwort und in der Einleitung den Beiträgen zu, so muss man ernüchtert feststellen, dass dieser Aufriss zwar spannend, leider aber nicht leitend für den Band ist. Weder sind die Beiträge sämtlich in der Moderne angesiedelt, noch stellen sie sich alle dieser anvisierten medientheoretischen Reflexion. Genau genommen ergeben sich der wissenschaftsgeschichtliche Überblick und die systematischen Zusammenhänge der interdisziplinären Debatte erst nach der Lektüre des Bandes. Die Einleitung leistet es nicht. Zuweilen verflüchtigt sich im Laufe des Bandes sogar die medienwissenschaftliche Perspektive auf den Äther, wenn er zu einem diskursgeschichtlichen Befund in der Literatur um 1900 oder gar nur zu einer Metapher in Latours Soziologiekritik wird. Damit soll nicht gesagt sein, dass sich aus der Auswahl der Themen und Beiträge kein sinnvolles Konzept ergeben könnte. Formuliert haben dies die Herausgeber aber nicht. Sie vertrauen stattdessen lieber auf die »Zusammenhang stiftende Kraft narrativer Übergange« (S. 24) zwischen den Beiträgen. Will sagen: Die einzelnen Beiträge folgen einander, ohne dass eine Systematisierung explizit gemacht würde oder erkennbar wäre. Thematische und / oder systematische Anschlussstellen ergeben sich erst bei der vollständigen Lektüre des Bandes. Das ist schade. So langweilig und bieder die Vorstellung einer systematischen Präsentationsform der wissenschaftlichen Beiträge auch für die Herausgeber gewesen sein mag, für die Lektüre wäre sie hilfreich gewesen. Sie hätte zudem zu einer stärkeren Fokussierung der Beiträge geführt und damit der medienwissenschaftlichen Perspektive auf den Äther ein schärferes Profil verliehen.

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Das interdisziplinäre Spannungsfeld: Physik, Kunst, Kulturtheorie und Kommunikation

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Der Band selbst ist interdisziplinär angelegt. Die Beiträge entwickeln ihre Frageperspektiven nicht nur anhand von medien- und wissenschaftsgeschichtlichen Settings im engeren Sinne, sondern auch ausgehend von Beispielen aus der Architektur, der Literatur, anhand von Kunstfotografien oder von Filmarbeiten. Den einzelnen Beiträgen sind Graphiken eingefügt, die dem Aufsatz von A.K. Fiala Elektrophysiologische Zukunftsprobleme (1925) entnommen sind. Sie visualisieren die wellenförmig anzusehende (ätherische) Materialität von Gedanken und Gefühlen und ihre durchaus wörtlich zu verstehende technische Anschlussfähigkeit in unterschiedlichsten Situationen, Zuständen und Konstellationen: in der Narkose, zwischen Verliebten, im Laboratorium etc. – und sind wirklich anregend anzusehen!

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Bei der Lektüre des Bandes kristallisieren sich drei Schwerpunkte heraus:
1. Die (medienwissenschaftliche) Reflexion des Äthers im Zusammenspiel von Philosophiegeschichte und Physik. 2. Die Thematisierung und Übertragung wissenschaftstheoretischer Perspektiven auf den Äther in die Architektur, Literatur und Kunst und 3. Die Funktion des Äthers im Kontext moderner Medienreflexion und Kommunikation.

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Mit unterschiedlicher Gewichtung widmen sich die ersten drei Beiträge der Relevanz des Äthers als (methodisch) produktive Kategorie in der Philosophiegeschichte und in der modernen Physik. Während Stefan Kramer sich vor allem in der Auseinandersetzung mit der Materie-Form-Dichotomie für den Äther als produktive vorbegriffliche Immanenz interessiert und dazu auf Bergsons Gedächtnistheorie zurückgreift, wendet sich Tristan Thielmann in seinem Beitrag der Rehabilitierung des Äthers in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu und verfolgt von dort aus die Wiederbelebung des Äthers in der Geophysik, Astrophysik und Mediengeographie im 20. Jahrhundert. Mehr als einschlägig für die medienwissenschaftliche Reflexion und deshalb entsprechend lesenswert ist der Aufsatz von Frank Furtwängler. Er geht der Thematisierung des Äthers in der Physik u.a. als methodischem Problem nach, das den ›horror vacui‹ bändigen soll. Die entscheidende Wendung liegt für Furtwängler diesbezüglich wiederum in Einsteins vorläufiger Verabschiedung des Äthers im Jahre 1905, denn mit der Aufgabe einer vermittelnden Trägersubstanz wird »der Prozess zum Medium seiner eigenen Fortpflanzung« (S. 67). Für Furtwängler ergibt sich aus der Abschaffung eines in erster Linie stofflich bestimmten Mediums die Möglichkeit für die Medienwissenschaften, einen materie-kritischen Medienbegriff wissenschaftshistorisch gerade in Anlehnung an die Physik zu begründen.

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Aufsätze zum Einsteinturm (Christian Kassung / Marius Hug), zu Yves Kleins Sprung in die Leere (Jürgen Stöhr), zum Äther in Detektivgeschichten, in der Science Fiction-Literatur und bei Edgar Allan Poe und Friedrich Hölderlin (Alexandra Lembert, Laurence A. Rickels, Holger Steinmann) bilden den zweiten Schwerpunkt des Bandes. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist darunter insbesondere der Beitrag von Antje Pfannkuchen hervorzuheben. Pfannkuchen widmet sich mit Ezra Pound einem Autor des Vortizismus, einer gemeinhin nur mit bildender Kunst assoziierten englischen Avantgarde-Bewegung. Sie fragt nach der mit dem Namen etwaigen verbundenen künstlerischen Programmatik und kann aufzeigen, dass Pounds Neologismus des ›Vortizismus‹ sich aus einer populärwissenschaftlich vermittelten Wirbeltheorie der modernen Physik (vortex=Wirbel) motivieren lässt, die leitend für sein Verständnis des künstlerischen Schaffensprozesses war. Analog zu der Vorstellung, dass Materieteilchen im Prinzip nur eine durch eine Wirbelbewegung stabilisierte Materie darstellen und damit nicht kategorial vom Äther als imponderabler Materie unterschieden sind, stellt sich für Pound künstlerisches Schaffen als ein Prozess aus einem Urstoff dar, in dem Materie und Form ungeschieden sind. Zugleich will er diesen Prozess im Sinne eines (naturwissenschaftlichen) Experiments verstanden wissen, das nicht der schöpferischen Intuition bedarf, sondern eines sorgfältigen Versuchsaufbaus und genauer Kenntnis der Materiebewegungen. Offen bleibt in Pfannkuchens Ausführungen allerdings die Frage, inwieweit sich aus der Annäherung von künstlerischem Prozess und Materiebewegungen bei Pound bzw. im Vortizismus nicht zuletzt mit Blick auf andere Avantgarde-Bewegungen eine materielle Poetologie ergibt.

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Der letzte Schwerpunkt des Sammelbandes zur Funktion des Äthers in der modernen Medienreflexion ergibt sich aus den Beiträgen von Wolfgang Hagen, Stefan Rieger und Albert Kümmel-Schnur, die sich allesamt, ähnlich wie die Beiträge zu Beginn des Bandes, der im Vorwort und in der Einleitung formulierten Leitperspektive zuwenden und den Äther explizit in seiner medienwissenschaftlichen Relevanz für die Moderne thematisieren. Rieger zeigt, wie u.a. die Kulturtheorie des Gedächtnisse von Aby Warburg, die medizinische Praxis in Anschluss an die Odtheorie von Karl Freiherr von Reichenbach und Valdemar Poulsens Entwurf eines Telegraphons jeweils ›Übertragung‹ in ein und demselben ›Ätherraum‹ ansiedeln, weil sie allesamt, nicht zuletzt durch direkte Bezugnahme aufeinander, die Übertragungs- und Überlieferungsmechanismen mittels mnemischer Wellen und Engramme erklären. Kümmel-Schnur wiederum sieht in Fechners Geisterkommunikation die Idee einer sich selbst tragenden Organisation der Kommunikation – ohne Trägermedium – angelegt, die bei Fechner allerdings immer noch metaphysisch an Gott bzw. an die Geister rückgebunden wird.

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Hagens Beitrag ist anregend, weil er geradezu eine tours d’horizon durch die Moderne unternimmt, immer dem Äther auf der Spur. Ausgangspunkt für ihn ist Samuel Becketts ›Fernseharbeit‹ Nacht und Träume (1983). Im Zentrum steht die Frage, inwieweit die Unmöglichkeit des ›wahren Bildes‹ nicht ein implizites Thema der Moderne darstellt. In Nacht und Träume geht es, wie Hagen zeigt, um die Bildgenese eines ›wahren Bildes‹, insofern in Anspielung auf das Schweißtuch der Veronika zwei schwebende Hände zu sehen sind, die die Stirn eines Mannes abtupfen. Wenn sich auf dem Schweißtuch der Veronika nach gleichem Akt das Gesicht Christi abbildet hat, so ist dort ein acheiropoietisches, d.h. ein nicht von Händen gemachtes Bild entstanden. Kulturgeschichtlich zeigt sich in der Überlieferung dieser Acheiropoiesis die Verdrängung des weiblichen Körper aus dem Schöpfungsakt. Dass es sich in Nacht und Träume wiederum um eine mediale Präsentation dieser Legende handelt, die ihrerseits nicht von menschlichen Händen gemacht ist, thematisieren nicht zuletzt die levierenden Händen, die das Tuch halten. Das Bild der levierenden Hände führt Hagen dann zurück in die Moderne, genauer gesagt zu Okkultismus, Geisterfotografie und Äther: ›Levierende Hände‹ gehören quasi zum Bildinventar der Geisterfotografie, und der Äther fungiert in der Moderne, nicht nur in der Geisterfotografie als Medium der Sichtbarmachung, das es ermöglicht, Seelenbilder auf einer photographischen Platte darzustellen. Um dies zu untermauern verfolgt Hagen die Spur des Äthers als Medium der Sichtbarmachung des Unsichtbaren von der Geisterfotografie über die Röntgenstrahlen bis hin zu Kandinsky und weiter, um abschließend noch einmal zu Becketts ›Fernseharbeit‹ zu kommen, in der sich diese Diskursfäden verdichten: Nacht und Träume zeigt »die niemals gelingende, und dennoch nie aufgebbare Unmöglichkeit eines ›wahren Bildes‹«(S. 307) und greift dazu auf einen »verworfenen, verdrängten, aber gerade deshalb vielleicht umso wirksameren Kontext der Moderne« (ebd.) zurück. Hagens so überzeugende wie in der Ausführung aufschlussreiche, wenn auch manchmal etwas mäandernde Diskussion des Gegensatzes von ›wahrem Bild‹ und Medialisierung ließe sich im Sinne einer Profilierung des Mediums Äther aber auch noch etwas anders pointieren, dass nämlich in der Moderne die für Schöpfungs- und Geburtsakte bis dahin zuständigen Instanzen (Gott bzw. der weibliche Körper) durch das Medium Äther verdrängt bzw. in die feinstoffliche und spiritistisch aufgeladene Materie aufgenommen werden.

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Der Äther – ein glückliches Thema für die Medienwissenschaften?

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Wünschenswert wäre angesichts der interdisziplinären Anlage des Bandes und des damit anvisierten interdisziplinären Lesepublikums eine zuweilen nicht ganz so intrinsische Herangehensweise an die Themen, vor allem eine stärkere Fokussierung und Pointierung der Thesen mit Blick auf die Funktion und Relevanz des Äthers als Medium, auch über das konkrete Beispiel hinaus. Störend bei der Lektüre ist der in einigen Beiträgen manchmal sehr laxe Umgang mit der Begrifflichkeit: z.B. wenn der bei dieser Thematik doch nicht unerhebliche Unterschied zwischen ›Materie‹ und ›Substanz‹ nivelliert wird, der Äther im terminologischen Nirvana der ›Narrative‹ und ›Narrationsfiguren‹ unterzugehen droht oder selbst Begriffe wie ›Kraft‹ und ›Organisation‹ zu eigenen ›Diskursen‹ mutieren.

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Bei aller Kritik muss jedoch immer mit berücksichtigt werden, dass sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Äther in einem anspruchsvollen interdisziplinären Forschungsfeld bewegt, ja die interdisziplinäre Arbeit geradezu erzwingt und in bestem Sinne vorführt. Einige Autoren leisten dies gekonnt, mit genauer Detail- und Sachkenntnis, aber auch in der Art, wie sie die Wissensfelder der unterschiedlichen Disziplinen kombinieren und in der Analyse die interdisziplinären Schnittstellen aufzeigen. Angesichts der medialen Formierung der feinstofflichen Materie des Äthers sind die Medienwissenschaften zudem in besonderer Weise für dieses Forschungsfeld qualifiziert und sollten deshalb tatsächlich nachhaltig die ›Ätherhypothese‹ vertreten.

 
 

Anmerkungen

Zur Geschichte des Äthers vgl. Edmund Whittaker: A History of the Theories of Aether and Electricity. New York: Humanities Press 1973.    zurück
Vgl. Albert Einstein: Äther und Relativitätstheorie. Rede gehalten am 5.5. 1920 an der Reichs-Universität Leiden. Berlin: Springer 1920.    zurück