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Besessenheit als Modus
des viktorianischen Subjekts

  • Sarah A. Willburn: Possessed Victorians. Extra Spheres in Nineteenth-Century Mystical Writings. (The Nineteenth Century Series) London: Ashgate 2006. 182 S. 10 s/w Abb. Gebunden. GBP 45,00.
    ISBN: 978-0-7546-5540-4.
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Spiritismus, Besessenheit
und jenseitige Sphären

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Die Forschung zum Phänomen des viktorianischen Spiritismus erlebt in den letzten Jahren geradezu einen Boom, und die bislang in der Forschung eine eher bescheidene Rolle spielende spiritistische Bewegung rückt in Folge dessen immer stärker ins Bewusstsein der am wissenschaftlichen Diskurs Beteiligten. Dies zeigt nicht zuletzt die seit der Jahrtausendwende sprunghaft angestiegene Zahl der Publikationen zu diesem Thema, 1 welches gerade durch die gegenseitige Durchdringung von positivistischen Methoden und religiösen Diskursen im Spiritismus und der Psychical Research für eine kulturwissenschaftliche Herangehensweise besonders geeignet scheint.

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Sarah Willburns Studie Possessed Victorians schließt an diese Forschung an. Sie fragt nach den politischen und gesellschaftlichen Implikationen des Spiritismus und verwandter Anschauungen, die über den Trancezustand des Mediums und dessen Sprachrohrfunktion für die Geister der Verstorbenen die scheinbar klaren Grenzen autonomer persönlicher Identität verschwimmen lassen. Die zentrale Frage, der Willburn nachgehen möchte, lautet: »What happens to identity in the nineteenth century when people are possessed, and how does spiritual possession refigure models for civilization and community?« (S. 1).

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Um dieser Frage besser nachgehen zu können, führt Willburn zwei Begriffe ein, die sie im Verlaufe ihrer Arbeit inhaltlich ausgestalten möchte. Dabei handelt es sich zunächst einmal um den possessed individualism, der den Gegensatz bilden soll zu einem von C.B. Macpherson geprägten Konzept des possessive individualism. Letzteres bezeichnet ein Subjektmodell, das von der Handlungsbefähigung qua materiellem Besitz in Form von Gütern ausgeht, in dem also Eigentum die Grundlage und Voraussetzung für agency darstellt. Dem möchte Willburn ein Modell entgegenstellen, das sie in Berichten und Erzählungen über Besessenheit durch Geister ausgeführt sieht und in dem Besessenheit (nicht Besitz) als Voraussetzung für kulturelle und politische Autorität fungiert. Das zweite von Willburn in ihrer Einleitung eingeführte Konzept ist jenes der extra spheres, das die Einflusssphären der solchermaßen durch Besessenheit ermächtigten Subjekte bezeichnet, die (so Willburn) jenseits der üblichen Dichotomie von privater und öffentlicher Sphäre liegen und eher den Bereich umfassen, den wir heute wohl das Imaginäre nennen würden (S. 5). Das also ist Willburns Ziel: »With this idea of possessed individualism, I reconsider the connection of property to rights and identity and show how extra spheres place stress on the public sphere.« (S. 5).

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Daniel Deronda und
die Kolonisierung des Subjekts

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Willburn exemplifiziert ihr theoretisches Subjektmodell im ersten Kapitel der Studie anhand des eponymen Protagonisten von George Eliots Roman Daniel Deronda (1876). Willburn liest den Roman als Exemplifikation zweier politischer Subjektentwürfe. So verkörpere Gwendolen Harleth, die des Geldes wegen heiratet und nach dem Ertrinken ihres Mannes (das sie eventuell mit verschuldet) dessen Vermögen erbt, ein klassisches (und scheiterndes) Modell des possessive individualism. Demgegenüber lasse sich Daniel Deronda als Personifikation des possessed individualism verstehen. Während Gwendolen in ihrem Versuch Subjektstatus zu erlangen, indem sie als Witwe rechtmäßig über Besitz verfügt, scheitere, gelinge es Daniel Deronda, durch die gleichzeitige Übernahme sowohl der Seele seines Mentors Mordecai als auch dessen proto-zionistischer Mission, ein größeres Maß an individuellem Handlungsspielraum (agency) zu gewinnen.

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Indem Willburn Daniel Deronda mit Charles Brays pantheistischem Traktat Illusion and Delusion (1873) zusammen liest, kann sie Daniel als multiple Persönlichkeit begreifen, die zwar von äußeren Einflüssen gelenkt werde, aber durch die Einsicht in ihre Abhängigkeit und die Identifikation mit den Zielen Mordecais zu einer gesteigerten Handlungsfähigkeit komme. Willburn liest Eliots Roman als literarische Illustration von Brays religiösem Anti-Materialismus, für den die Welt nichts als Ausdruck göttlichen Bewusstseins ist, für den es nur Geist gibt und für den Materie im Grunde eine Illusion ist. Dem vergleichbar sei in Eliots Roman die Vorstellungskraft (imagination) weitaus mächtiger als materieller Besitz.

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Es gelingt Willburn in ihrer Analyse, dem Roman interessante Aspekte abzugewinnen, indem sie die Kolonisation von Daniels Innerem mit zeitgenössischen Überlegungen und Projekten bezüglich der Kolonisierung Palästinas in Beziehung setzt. Die tatsächliche Errichtung eines zionistischen Staates in Palästina komme, so Willburn, einerseits einer anti-semitischen Hoffnung auf Ausschluss der Juden aus England entgegen und andererseits sei der Aufbau einer jüdisch-nationalen Identität auf eben jene Ausschlussmechanismen angewiesen, die es Juden in England so schwer machten, ihre jüdische Identität mit den Idealvorstellungen des englischen Bürgertums in Einklang zu bringen. Die imaginierte umgekehrte Kolonisierungsbewegung, die es Israel erlaube, Daniels Körper zu kolonisieren, setze Eliot explizit dagegen, als die Möglichkeit gemeinsamer politischer Identität jenseits aller Ausschlussbewegungen.

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Kulturen des Unsichtbaren

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Im zweiten Abschnitt ihres Buches geht Willburn unter dem Titel »Worlds Apart: Invisible Culture and Extra Spheres« den vielfältigen Beziehungen zwischen materieller und immaterieller beziehungsweise spiritueller Wirklichkeit nach. Zunächst stellt sie in einem ersten Teil verschiedene theoretische Entwürfe vor, die sich mit der Sichtbarkeit des Unsichtbaren (zumindest für entsprechend Begabte) beschäftigen. Nachdem Willburn kurz auf die zunehmende Kritik am aufgeklärten Beobachtersubjekt eingeht, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem geschärften Bewusstsein für die Subjektivität und Täuschungsanfälligkeit des menschlichen Wahrnehmungsprozesses führt, beschäftigt sie sich eingehender mit spiritistischen Theoretisierungen der Wahrnehmung. Neben einigen anderen werden insbesondere Newton und Camilla Crosland (ein spiritistisches Ehepaar) angesprochen, die beide ihre divergierenden Ansichten zum Thema Geistersehen veröffentlicht haben.

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So vertritt Newton Crosland in seinem Buch Apparitions (1856) die These, dass Geistererscheinungen nichts anderes als seltene Einblicke in jene fotografischen Reproduktionen seien, welche die Engel unter Gottes Anleitungen im Jenseits verwalteten. Dieses Jenseits ähnelt in Croslands Theorie einem gigantischen Fotoalbum, das die wesentlichen Momente und Augenblicke eines jeden Lebens enthält und aufbewahrt. Den Vergleich mit einem Fotoalbum nimmt Willburn zum Anlass, einen längeren Exkurs zur Geisterfotografie einzuschieben, ohne dass allerdings ersichtlich wird, wie sich nun Croslands Jenseitsvorstellungen zur gängigen zeitgenössischen Praxis der Geisterfotografie verhalten.

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Schon hier deutet sich ein Problem an, das sich im Folgenden noch verschärft: das Fehlen eines durchgängigen Arguments, welches die einzelnen exemplarischen Abrisse in den Unterkapiteln verbindet. Da die einzelnen Beispiele für eine Kultur des Unsichtbaren (physikalische Wahrnehmungstheorien des 19. Jahrhunderts, spiritistische Theorie des Geistersehens, Geisterfotografie und mystische Visionen) so unverbunden nebeneinander stehen, wird es den Lesenden überlassen, aus den Puzzleteilen ein zusammenhängendes Bild zu erstellen. Dass diese kulturellen Phänomene irgendwie zusammengehören, ist völlig klar, unklar bleibt jedoch, aufgrund welcher Gemeinsamkeit Willburn sie hier diskutiert und welches Erkenntnisinteresse dahinter steht. Zunächst scheint es um Beobachtersubjekte und die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung zu gehen, dann jedoch stehen bei Newton Crosland die politischen Implikationen seiner Jenseitsvorstellung im Vordergrund, während bei der Diskussion der Geisterfotografie der kulturelle Umgang mit Geschichte und Familie ins Zentrum des Interesses rückt. Die anschließende Analyse von Camilla Croslands religiösen Überzeugungen fokussiert wiederum vornehmlich die geschlechtliche Codierung ihrer mystischen Christus-Visionen. Durch diesen ständigen Wechsel gelingt es Willburn zwar an den Gegenständen jeweils äußerst spannende Fragen zu entwickeln, leider bleibt sie jedoch eine vertiefende Betrachtung schuldig, da im jeweils folgenden Abschnitt immer neue Themenfelder erschlossen werden, während die bislang aufgeworfenen Fragen unbeantwortet bleiben.

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Der zweite Teil des zweiten Abschnittes handelt von »Extra Spheres«, womit jener spirituelle Bereich der Wirklichkeit bezeichnet werden soll, den spiritistische Medien durch ihre übersinnlichen Fähigkeiten wahrnehmen können. Willburn macht hier allerdings keine die spärlichen Ausführungen in der Einleitung ergänzenden Angaben dazu, wie sie dieses Konzept im Einzelnen verstanden wissen will. Dadurch bleibt unklar, wie sich diese extra spheres zur privaten und öffentlichen Sphäre verhalten, ob sie diese schlicht ergänzen oder quer dazu stehen. Stattdessen stellt sie drei Frauen vor, die jeweils auf ihre eigene Art mit ihren medialen Fähigkeiten umgegangen sind. Den größten Raum gewährt Willburn der amerikanischen Mystikerin Lois Waisbrooker, die für ihre radikalen Ansichten zu freier Liebe bekannt ist. Willburns Hauptaugenmerk liegt hier darauf, wie Waisbrooker Liebe und Sex auf spiritueller Ebene definiert und wie sehr diese Ansichten wiederum von einer darwinistischen Weltsicht geprägt sind. Willburn stellt überzeugend dar, wie Waisbrookers »spiritual Darwinism« (so Willburns treffende Bezeichnung für Waisbrookers Anschauungen) die grausame Seite der ›Natur‹, die insbesondere im Sozialdarwinismus in Form der natürlichen Auslese und des survival of the fittest hervorgehoben wird, zu Gunsten einer gütigen und Leben bewahrenden »Mother Nature« (S. 79) abmildert.

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Es folgen zwei kurze Abschnitte zu Harriet Martineaus mesmeristischer Heilung und zur Schriftstellerin Florence Marryat und deren Beschreibungen der Séancen des Mediums Miss Showers. In beiden Fällen zeigt Willburn die homoerotische Aufladung der intimen Situationen auf, die einmal in den zur mesmeristischen Methode gehörenden Berührungen bestehen und im anderen Fall in den Leibesvisitationen, wie sie bei Séancen vorgenommen wurden, um Betrug auszuschließen. Willburn argumentiert unter Verweis auf die Arbeiten Terry Castles überzeugend, dass in den Texten von Martineau und Marryat ein lesbisches Begehren zum Ausdruck kommt, dessen Transgressivität durch die Projektion auf eine spirituelle Ebene abgeschwächt wird.

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Tische und Trancezustände

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Die dritte und letzte Sektion des Buches trägt den Titel »Subjectivity Reconfigured« und besteht aus zwei Teilen, die sich mit der Rolle von animierten Tischen im spiritistischen Kontext und viktorianischen Trance-Romanen beschäftigen. Während es im ersten Teil um die frappierende Überblendung des Aufstands sonst passiver Möbelstücke und der Subversion restriktiver Genderrollen durch weibliche Medien in zeitgenössischen Texten geht, bilden die Grundlage des letzten Kapitels (von Willburn) so genannte trance novels, also Romane, in deren Mittelpunkt die Trancezustände ihrer zumeist weiblichen Hauptfiguren stehen und die sich thematisch mit Mediumismus, Mesmerismus und übersinnlichen Fähigkeiten auseinandersetzen.

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Das von Willburn herangezogene Korpus umfasst zahlreiche, zumeist in Vergessenheit geratene Texte von eher unbekannten Autor/innen (mit Ausnahme von Charlotte Brontë) aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den das Kapitel einleitenden Absätzen stellt Willburn die These auf, in diesen Romanen zeichne sich »a new kind of narrative omniscience that counters the authority of third-person narration« (S. 115) ab. Weiterhin werde in ihnen die Frage nach der Darstellung des psychischen Innenlebens von Charakteren problematisiert, deren übersinnliche Fähigkeiten ihnen ein Wissen jenseits ihrer sozialen Sphäre erlaubten. Anstatt jedoch diese Fragen nach einer übersinnlichen Figurenperspektive und ihrer Verknüpfung mit narrativen Techniken zu verfolgen, geht es in der folgenden Analyse von Romanen aus der Jahrhundertmitte primär um den auf der Handlungsebene aufgeworfenen Widerspruch zwischen der Ausübung mediumistischer Tätigkeiten und dem Wunsch nach Heirat.

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Willburn weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Vorstellung von einer Passivität des weiblichen Mediums in Trance keineswegs eine eher aktive und selbstbestimmte Lebensführung ausschloss. Ausgehend von einem Zitat von Samuel Guppy (der mit dem berühmten Medium Mrs. Guppy verheiratet war), behauptet sie weiterhin, dass ein perfektes Medium vielmehr den viktorianischen Romanheldinnen gleiche, da guter Geschmack, Kreativität, sportliche Ausdauer und Geschick im Bogenschießen vonnöten seien. Ob jedoch eine einzige Belegstelle ausreicht, um sämtliche Sekundärliteratur zum Thema vom Tisch zu wischen, ist mehr als fraglich, zumal auch dort häufig darauf verwiesen wird, dass ein Medium den zeitgenössischen Vorstellungen gemäß über eine robuste körperliche Konstitution verfügen müsse, um die Strapazen der Trance und der Materialisationsphänomene unbeschadet zu überstehen.

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Willburn demonstriert nun anhand zweier Romane aus den 1850er Jahren, dass für die Viktorianer Trancezustände und spiritueller Verkehr mit den Geistern der Verstorbenen, wie sie die Tätigkeit als Medium mit sich bringen, offenbar nicht mit den moralisch-sittlichen Anforderungen an eine gute Ehefrau zu vereinbaren waren. Dies lege schon der Handlungsverlauf der beiden Romane nahe, in denen Mediumismus entweder als Humbug und Betrügerei entlarvt werde oder aber massive negative Folgen zeitige, wenn die Schwangerschaft der als Medium tätigen Protagonistin in einer Totgeburt ende. Willburns Schlussfolgerung, dass in den Romanen Mediumismus als Bedrohung der patriarchalen und auf Reproduktion ausgelegten bürgerlichen Ordnung beschrieben wird, ist zweifellos richtig. Inwiefern die Texte jedoch die ihnen von Willburn zugeschriebene massive Subversivität besitzen, bleibt offen, denn zumindest die zitierten Stellen lassen eher das Gegenteil vermuten. Willburns Lob der Subversivität scheint eher von historischen Darstellungen der spiritistischen Séance herzurühren als in den Texten begründet zu sein. Zum Beispiel lässt sich Willburns Zusammenfassung und Analyse des Romans Maud Blount, Medium (1872) kaum mit ihren späteren Schlussfolgerungen in Einklang bringen, beschreibt sie doch den Roman und seine medial begabte Protagonistin zunächst folgendermaßen:

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[…] Maud seems to be a true medium, constantly receptive to spirit influences. Her hobby turns to continual pastime once she has married William Campbell, a young pastor in a rural parish. She spends the daytime, while her husband is off making clerical rounds, in continual trances with the spirit of her dead father. William sees Maud’s mediumship as the direct cause of the premature birth and death of their first child, a son named after Maud’s deceased father. Eventually Maud renounces spiritualism; they have a second child, a daughter named Effie, and all of the professional mediums in the novel are shown to be fakes. […] Mediumship in both novels is denigrated and shown to be the domain of the young, single woman, who, once married, can only be marred by the practice. (S. 126)
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Obwohl aus Willburns Ausführungen ersichtlich wird, dass die Tätigkeit als Medium hier äußerst negativ besetzt ist und dies auch von Willburn selbst als Befund hervorgehoben wird, findet sich ein paar Seiten später folgende (positive) Bewertung der Romane:

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These trance novels did more than hint at an alternative political ideology in which there was an expanded polis and suffrage would become a potentially equalizing force. […] Trance novels take the precondition of political disenfranchisement into a state of imaginative freedom, making clear, in relief, that movements such as séances serve as a decentralization of power […]. In these mediumistic and mesmeric examples, it is as if the reader envisions an emerging vital, political woman, wrapped in a whirlwind of engaging sociability. (S. 131 f.)
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Es bleibt unverständlich, worin das befreiende Potential dieser wertkonservativen Narrative liegen soll, die auf der Handlungsebene die ›natürlichen‹ Strafen imaginieren, die (ihrer internen Logik gemäß) auf eine Übertretung der moralischen Standards ›zwangsläufig‹ folgen. Die Subversivität der zeitgenössischen Séance-Praxis, die von Alex Owen und Marlene Tromp ausführlich aufgezeigt worden ist, darf nicht mit deren (in diesem Fall) viel konservativeren literarischen Darstellung gleichgesetzt werden. 2

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Im weiteren Verlauf des Kapitels werden Romane aus dem späten 19. Jahrhundert besprochen, in deren Mittelpunkt nun magisch-übersinnlich begabte Helden stehen, die zwischen Orient und Okzident beziehungsweise östlicher und westlicher Religiosität stehen; sei es weil sie als Engländer die Weisheiten östlicher Spiritualität in sich aufgenommen haben, sei es weil ihre Eltern zwei Kulturkreisen entstammen. Die augenfällige Verschiebung des Geschlechts der Hauptfiguren wird von Willburn nicht weiter kommentiert. Sie sieht die Aufgabe dieser Helden offenbar darin, als eine Art Brücke zwischen den Kulturen zu fungieren. Dabei konstatiert sie eine Überblendung von Spiritismus, Mesmerismus und östlicher Spiritualität, welche die drei beinahe in eins fallen lässt und kommt zu dem Schluss, »late-century trance novels imagine wild plots of social unification and connection between West and East through entranced heroic protagonists who are cosmopolitan subjects« (S. 151).

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Fazit

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Das Buch hätte dringend eines sorgfältigen Lektorats bedurft, das zeigen auch die zahlreichen grammatikalischen Fehler und stilistischen Makel. Dass dies offenbar nicht geschehen ist, lässt sich angesichts des hohen Preises kaum entschuldigen. Wenn ein Buch in einem renommierten Verlag wie Ashgate erscheint und noch dazu (für Ashgate allerdings übliche) stattliche 45 Pfund Sterling beziehungsweise 75 Euro kostet, darf man als Lesende/r eine deutlich höhere Qualität erwarten. Die mangelnde sprachliche Überarbeitung ist doppelt ärgerlich, da hierdurch Sarah Willburns umfangreiche und zeitintensive Archivarbeit nicht die Früchte trägt, die sie verdient hätte. Denn offenbar hat sie nicht nur eine große Menge nahezu unbekannter viktorianischer Populärliteratur und Sekundärtexte rezipiert, sondern auch viel versprechende Fragestellungen und theoretische Konzepte, mit denen sie dieses Material zum Sprechen bringen könnte. Leider bleibt das Buch in der vorliegenden Form zu sehr an der Oberfläche. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Arbeit verfrüht publiziert wurde, obwohl sie noch eine gründliche Über- und Ausarbeitung nötig gehabt hätte. Die Argumentation ist stellenweise schwer nachzuvollziehen, da entweder die meist unbekannten Primärtexte einfach als bekannt vorausgesetzt werden, oder aber die Vielzahl der interessanten Thesen nicht durch eine gründliche Textarbeit gestützt und ergänzt werden. So bleibt der Leser mit dem schalen Gefühl zurück immer am Rande spannender Erkenntnisse entlang geführt worden zu sein und dabei viele kleine Bruchstücke aufgesammelt zu haben, ohne diese jedoch zu einem Ganzen zusammenfügen zu können.

 
 

Anmerkungen

Vgl. u.a. Marlene Tromp: Altered States: Sex, Nation, Drugs, and Self-Transformation in Victorian Spiritualism. New York: State University of New York Press 2006; Marina Warner: Phantasmagoria. Spirit Visions, Metaphors, and Media into the Twenty-first Century. Oxford: Oxford University Press 2006; Alex Owen: The Place of Enchantment. British Occultism and the Culture of the Modern. Chicago: University of Chicago Press 2004; Roger Luckhurst: The Invention of Telepathy, 1870–1901. Oxford: Oxford University Press 2002; Pamela Thurschwell: Literature, Technology and Magical Thinking, 1880–1920. Cambridge: Cambridge University Press 2001.   zurück
Vgl. Alex Owen: The Darkened Room: Women, Power, and Spiritualism in Late Victorian England. Philadelphia: University of Pennsylvania Press 1990; und Marlene Tromp: Altered States (Anm. 1). Beide werden von Willburn in diesem Zusammenhang zitiert.   zurück