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Ein überarbeiteter Klassiker

Christoph Reskes Neuausgabe der Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet von Josef Benzing

  • Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51) Wiesbaden: Harrassowitz 2007. 1120 S. Gebunden. EUR (D) 198,00.
    ISBN: 978-3-447-05450-8.
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Die Grundlage

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Die Ausgabe bezieht sich, wie im Untertitel vermerkt, als Grundlage auf das gleichnamige Werk von Josef Benzing. In der Erstausgabe von 1963 und der zweiten lediglich um neue Literatur erweiterten Fassung von 1982 stellten Benzings Ausgaben ein Standardwerk im Bereich des Druckwesens dar. Damit ließ er der gut erforschten und zeitlich überschaubaren Inkunabelzeit einen Untersuchungszeitraum von zwei Jahrhunderten folgen, der von einer nahezu Flächen deckenden Ausbreitung von Offizinen im deutschen Sprachgebiet geprägt war. Der »Benzing« stellte mit seinen alphabetisch nach Druckorten und innerhalb derer chronologisch nach den entsprechenden Druckern geordneten 565 Seiten ein Nachschlagewerk dar, das sicher weitestgehend dem damaligen Forschungsstand entsprach. Dennoch kommen im Nachhinein Zweifel auf, ob zum Beispeil beim Eintrag von Anton Koberger, immerhin Nürnbergs bedeutendster Frühdrucker, drei Zeilen angemessen sind, weil seine Haupttätigkeit im 15. Jahrhundert lag. Reske kommt beim gleichen Eintrag auf 73 Zeilen, da er die Tätigkeiten von Druckern im 15. beziehungsweise 18. Jahrhundert mit berücksichtigt. Aus einem in mehr als 40 Jahren gewachsenem neuen Forschungsstand und einer Vielzahl von Veröffentlichungen heraus erscheint es mehr als folgerichtig, den »Benzing« durch eine umfangreiche Neubearbeitung zu aktualisieren.

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Mehr als eine Neuauflage

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Aus dem Vorwort geht hervor, dass die Ziele der Publikation nicht nur in der Wiedergabe aktueller biographischer und bibliographischer Kenntnisstände liegen. Diese tragen mit dazu bei, dass sich der Gesamtumfang auf mehr als das Dreifache steigert, was alleine schon ein Qualitätskriterium darstellt. Doch die mindestens genauso wichtige Leistung liegt in der erweiterten Konzeption, welche sich eben nicht mit der Aktualisierung der erwähnten Kenntnisstände begnügt, denn sie gibt laut Vorwort » ... tiefe Einblicke in die Arbeitswelt der einzelnen Drucker, Dynastien und des ganzen Berufszweiges wie auch in die Lebenswirklichkeiten der Zeit und in die Geisteslage, wie sie sich u. a. durch Buchproduktion darlegt.« (S. VII). Darüber hinaus soll die Fülle an Informationen weitergehende interdisziplinäre Untersuchungen ermöglichen. Diese Schnittstelle von quantitativem Informationsgehalt und breit angelegtem Konzept führt die Ausgabe zu einer Qualität, die über ihre Vorlage weit hinausgeht.

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Was auf den ersten Blick als »bleischwerer Wälzer« daherkommt, entpuppt sich schon nach dem ersten stichpunktartigen Lesen als eine akribisch angesammelte Informationsfülle, die in ihrer Gründlichkeit und Komplexität einen breiten Leserkreis im Bereich der Historischen Hilfswissenschaften anspricht. Geradezu spannend stellt sich die Lebensgeschichte von annähernd 2700 Buchdruckern dar, beleuchtet nach ihrem sozialen Umfeld mit familiären Verhältnissen, finanzieller Lage, Besitz, Mitarbeitern, Verhältnis zu Kollegen und zur Obrigkeit etc. Dazu kommen Angaben über Werkstattausstattung, Beteiligung an konkreten Druckprojekten und Druckproduktionen, was Inhalt, Sprache, Größenordnungen und Zeiträume einschließt.

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Im Aufbau folgt Christoph Reske weitestgehend Benzings Vorlage. Doch auch hier gibt es mit dem vorangestellten Glossar und Abkürzungsverzeichnis eine Erweiterung, die besonders dem fachfremden Leser sehr nützlich sein kann. Die mit 17 Seiten sehr opulente Literaturliste basiert bei den älteren Angaben auf Benzing, der Anteil neuer Literatur ist angesichts des Zeitraums von über 40 Jahren mit etwa 2000 Einträgen entsprechend hoch. Angenehm fällt dabei auf, dass bei häufig vorkommenden Werken auf Zeitschriften und Forschungsliteratur gesondert verwiesen wird. Bei der Beschreibung der Druckorte, die auch dem Schema Benzings folgt, ist ebenfalls ein deutlich erweiterter Umfang festzustellen, wodurch auch zu den 381 berücksichtigten Druckorten mehr Informationen zugänglich werden. Leider erweist es sich als Nachteil, dass der gesamte Inhalt zu Lasten der Handhabbarkeit in einen Band gepresst wurde. Auch die Lesbarkeit leidet unter der Opazität des zwar angenehm getönten Papiers, dem jedoch recht kleinen Schriftgrad und einer Typografie, die leider nicht alle Möglichkeiten notwendiger Differenzierungen ausschöpft. Dies hat jedoch nicht der Autor zu verantworten und steht zum Teil vor dem Hintergrund ökonomischer Verlagszwänge und dem zu engen Korsett einer Reihengestaltung. Bei der außerordentlichen Menge an Querverweisen und Zusatzinformationen wäre es wünschenswert, die Arbeit alternativ zur besseren Handhabung auch als CD-ROM nutzen zu können, wie sie der Autor zusammen mit seinem im gleichen Verlag erschienenen Buch Die Produktion der Schedelschen Weltchronik in Nürnberg vorgelegt hat. 1

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Fazit

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Mit der Neubearbeitung von Josef Benzings Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet ist Christoph Reske ein großer Wurf gelungen. Das Werk kann Beispiel gebend dafür sein, mit welch breit angelegter Konzeption Standardwerke wissenschaftlicher Literatur auf einen aktuellen Kenntnisstand gebracht werden können. Durch seine klare Gliederung, die Einbeziehung vieler Aspekte der Arbeits- und Sozialwelt der Drucker, die Fülle gut nachvollziehbarer Fakten und das hilfreiche Glossar ist dieses Werk sowohl für interessierte Laien als auch für Fachleute eine Fundgrube an Fakten und Anregungen. Fehlen sollte es darüber hinaus in keiner Bibliothek der Buchwissenschaft und der Historischen Hilfswissenschaften.

 
 

Anmerkungen

Christoph Reske: Die Produktion der Schedelschen Weltchronik in Nürnberg / The Production of Schedel's Nuremberg Chronicle. (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft Bd. 10) Wiesbaden: Harrassowitz 2000 (Paperback; XX, 203 Seiten; 14 ganzseitige Abbildungen, mit 1 CD-ROM; ISBN 978-3-447-04296-3).   zurück