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Emanzipation vom Auge Goethes

Friedrich Bury und die Kunst

  • Martin Dönike (Hg.): Friedrich Bury. Briefe aus Italien an Goethe und Anna Amalia. Göttingen: Wallstein 2007. 232 S. 16 s/w Abb. Gebunden. EUR (D) 19,00.
    ISBN: 978-3-8353-0141-2.
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Friedrich Bury

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In der heutigen »Casa di Goethe«, Via del Corso 18, Rom, wohnten sowohl während als auch vor und nach Goethes Aufenthalt einige »Künstlerburschen«, die heute nur deshalb nicht vergessen sind, weil sie in direktem Kontakt mit dem berühmtesten Bewohner standen 1 – zu ihnen gehört auch der Maler und Zeichner Friedrich Bury [by:ri], 1763–1823, der im Herbst 1786 Goethe kennenlernte.

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Knapp und informativ präsentiert Martin Dönike im Nachwort (S. 210–221) der Briefausgabe die wichtigsten biographischen und künstlerischen Stationen Burys: Nach ersten Lehrjahren als Schüler von Anton Wilhelm Tischbein (Hofmaler des Erbprinzen von Hessen; Onkel von Goethes Tischbein) und anschließender zweijähriger Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie bei Lambert Krahe und Johann Peter Langer reist Bury bereits 1782 in Begleitung von Johann Heinrich Lips nach Rom. Anschluss an die dort bereits ansässigen deutschen Künstler findet er schnell; mit Tischbein und Johann Georg Schütz wird schon 1786 eine gemeinsame Wohnung am Corso genommen. In seinen ersten römischen Jahren übt und verbessert Bury durch unermüdliches Kopieren von Werken berühmter Meister seine künstlerischen Fertigkeiten und ist bemüht, sein Auge für Proportionen und Perspektive zu schulen (vgl. S. 210 f.).

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Die zunächst nur als Vervollkommnung seiner künstlerischen Fähigkeiten gedachten intensiven Übungen nach Originalen zahlen sich für Bury nach und nach auch materiell aus: Tatsächlich war er in der Lage, mit dem Anfertigen und dem Verkauf von Kopien berühmter Bilder, die kunstinteressierte Rom- und Italienreisende bei ihm in Auftrag gaben, seinen Lebensunterhalt in Rom zu bestreiten (vgl. S. 212; 216) – berühmtestes Beispiel seiner zwar nicht schöpferisch-kreativen, doch handwerklich gekonnten reproduzierenden künstlerischen Arbeit ist eine Kopie von Raffaels »Sixtinischer Madonna«, die Königin Luise 1804 erwarb und die heute noch im Raffaelsaal der Potsdamer Orangerie zu sehen ist (vgl. S. 219). Die Besetzung Roms 1798 durch Napoleons Truppen verschlechtert jedoch die Auftragslage rapide. Bury kehrt 1799 nach Deutschland zurück, erlangt aber erst ab 1806 – nach vergeblichen Versuchen, durch Vermittlung Goethes und Anna Amalias eine feste Anstellung in Weimar zu bekommen – eine auskömmliche Beschäftigung als Mal- und Zeichenlehrer der preußischen Prinzessinnen Auguste und Friederike Wilhelmine. Beide Schülerinnen verpflichten ihn später (ab 1814) als Hofmaler: Auguste als Kurfürstin von Hessen-Kassel, Friederike Wilhelmine als Königin der Niederlande (vgl. S. 219).Die kunsthistorische Vernachlässigung Burys ist offensichtlich in seiner wenig bzw. gar nicht ausgereiften künstlerischen Persönlichkeit bzw. Originalität begründet. Trotz eines zweifellos vorhandenen technischen und handwerklichen Talents gehört Bury nicht in den Kanon der Maler und Zeichner des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die kunsthistorisch stilbildend wirkten. Auch Goethe äußert sich eher verhalten über die künstlerischen Qualitäten Burys, lobt aber dessen Sorgfalt sowie sein kritisches und abwägendes Urteil: »Was die höheren Kunstansichten betrifft; so entspringen sie, wie fast bey allen Künstlern, aus der Reflexion und nicht aus der Erfindungskraft; wodurch denn ein Schwanken zwischen dem Wahrhaft- und zwischen dem Scheinbarbedeutenden entsteht, das sich bei jedem einzelnen Falle erneuert.« 2 Bei Herders Aufenthalt in Rom empfiehlt er diesem Bury als angenehmen Gesprächspartner und kenntnisreichen Cicerone: »Dieser junge Mensch ist gar brav und gut, und wenn du etwa das Museum oder sonst eine wichtige Sammlung mit ihm, zum zweitenmal, aber NB. allein sehen willst, so wird es dir Freude machen und Nutzen schaffen.« 3

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Bury war ein talentierter und geschickter Kopist, Aquarellzeichner, Historienmaler, vor allem aber Porträtist berühmter Persönlichkeiten, doch seine Bedeutung innerhalb der europäischen Kunstgeschichte ist marginal. Burys an großen Vorbildern der Renaissance – vor allem Michelangelo und Raffael – orientierte Historienbilder gelten als »schwächlich« 4 , hervorgehoben wird allgemein nur seine technische Fertigkeit im Aquarellzeichnen, gelobt dagegen werden seine »eindringl[ich] charakterisierenden Portr[äts]« 5 , die jedoch die Zeitgenossen Burys ganz anders bewerteten. Über ein 1800 entstandenes, heute verschollenes Porträt »Goethe als Theaterdirektor in Weimar« urteilte Gottfried Schadow vernichtend (wobei er wohl nicht ganz frei von persönlicher Kränkung war, nachdem Bury sich sehr abschätzig über seine Plastiken geäußert hatte – Bemerkungen, die Goethe in seiner Kritik an zeitgenössischer Berliner Kunst verarbeitete 6 ): »In seiner Streitschrift Über einige in den Propyläen abgedruckte Sätze Goethe’s, die Ausübung der Kunst in Berlin betreffend [...] [1801] karikiert er das Bild [Burys Goethe-Porträt von 1800] und Bury selbst als einen an seinem Vorbild Michelangelo gescheiterten Maler, dem es lediglich gelungen sei, ›Gichtbeulen auf die Finger‹ zu setzen; der Kopf Goethes sei wie ein ›bemaltes Holz‹, die Draperie mißlungen: ›Darmartige Falten lagen über der Gegend des Bauchs. Der Bauch war aber nicht dahinter, und doch hätte jener Kopf wohl seinen Mann füttern können.‹ « 7

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Zur Edition

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Abgedruckt sind alle erhaltenen, insgesamt 51 Briefe Burys aus Italien – mit Ausnahme von sechs frühen Briefen an den Hanauer Pfarrer Johann Christoph Stockhausen (vgl. S. 211) –, überwiegend aus Rom geschrieben, einige wenige aus Neapel, Mantua und Florenz, der letzte jedoch aus seiner Heimatstadt Hanau, der von seiner Rückreise aus Rom berichtet und deshalb noch in die Italienbriefe gehört: 35 Briefe sind an Goethe adressiert, 14 an Anna Amalia und ein Brief an Friedrich von Einsiedel, Reisebegleiter Anna Amalias in Italien. Burys italienische Korrespondenz ist nicht ganz unbekannt. Otto Harnack nahm in die »Nachgeschichte der italienischen Reise« (1890 8 ) 20, zum Teil stark gekürzte Briefe Burys an Goethe auf, allerdings nur aus den Jahren 1788 bis 1790, eine Auswahl, der Johannes Nohl 1962 9 folgte (vgl. S. 212 f.). Alle Briefe nach 1790 (bis 1799) an Goethe, aber auch diejenigen an Anna Amalia sind hier zum ersten Mal veröffentlicht. An Gegenbriefen sind nur zwei Konzepte Goethes erhalten (28.4.1797, 21.7.1799 10 ), die Dönike im Kommentarteil abdruckt (S. 192, 203 f.), zwei Briefe Goethes vom 28.3.1801 und vom 1.2.1816 richten sich bereits an den »nachitalienischen« Bury 11 ; von Anna Amalias in Burys Schreiben erwähnten Antwortbriefen ist kein einziger überliefert (vgl. S. 213).

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Martin Dönike hat die Briefe (Liegeort: Goethe- und Schiller-Archiv) anhand der Originale (neu) transkribiert; daraus ergeben sich an einigen wenigen Stellen Abweichungen zu früheren Transkriptionen (bei Harnack und bei Nohl). Die Edition bietet die Briefe erstmals vollständig und textgetreu, ohne Eingriffe in Orthographie, Zeichensetzung und Grammatik, zu denen sich Harnack in seiner Auswahl wegen Burys »urwüchsiger Orthographie« 12 noch gezwungen sah, da sie, so der Herausgeber, »dem Leser oft das Verständnis des Inhaltes aufs lästigste« 13 erschwere. Der wortgetreue Abdruck macht einen großen Teil des Quellenwertes der Briefe aus. Die Unbekümmertheit in Fragen der Orthographie und Grammatik wirkt nicht nur amüsant, sondern authentisch, weil mit dem Inhalt korrespondierend: Regellos und unkonventionell präsentiert sich nicht nur die Form, sondern auch der Gehalt der Briefe, selbst einfache Mittel, thematische Kohärenz herzustellen, lässt Bury völlig außer Acht. So bereitet dieser ungeübte »Stil« auch dem an historischen Quellen geübten Leser einige Mühen. Im Fluss des Textes ragen immer wieder Stolpersteine auf, die Rätsel aufgeben: »polipfem« (S. 8), »Bibeljodek« (S. 10), »Galate« (S. 18) oder »Gallate« (S. 16), »Häkdor« (S. 8), »Binzel« (S. 20) oder »Napel« [Neapel] (S. 16). Unverkennbar – und somit doch auch wieder regelhaft – ist die dialektal geprägte, im weitesten Sinne phonetische Schreibweise Burys als gebürtiger Hesse (Hanau): »[...] in denen heissen Monathen werde ich zu hauß am Ulließ arbeiten, indem wieterum ein heisser Sommer zu bassiren ist und mir zulätzt schaten könte.« (S. 18)

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Hilfe findet der Leser im ausführlichen und gründlich recherchierten Kommentar Dönikes, der sich an die Briefdokumentation (S. 7–100) anschließt (S. 106–204) und allein durch seinen Umfang, der dem der Quellen entspricht, zeigt, wie viel Erklärungsbedarf Burys Briefe benötigen. Dönike erläutert nicht nur alle fragwürdigen, das Verständnis erschwerenden Schreibweisen Burys und zeichnet die schwer zu erkennenden thematischen Zusammenhänge nach, sondern gibt neben biographischen Details zu erwähnten Personen auch topographische Hinweise sowie kunsthistorische und allgemein kulturhistorische Informationen zu Burys Plaudereien. Erklärt und vorzüglich interpretiert wird der Quellenwert der Briefe im Nachwort (S. 210–221), in dem Dönike anhand einer Rekonstruktion der kunsthistorischen Zusammenhänge »eine neue beziehungsweise andere Perspektive, auf die ›Nachgeschichte‹ von Goethes italienischer Reise« (S. 214) eröffnet, »die die 1790er Jahre weniger als ›Nachgeschichte‹ im Sinne einer harmonischen Entfaltung der ›klassischen‹ Weimarer Ästhetik denn vielmehr als eine von Brüchen und Verwerfungen, Widersprüchen und Paradoxien gekennzeichnete Vorgeschichte der Romantik erkennen lassen – wobei Goethe hier bemerkenswerterweise nicht, wie gewohnt, als Kritiker, sondern vielmehr als einer der Initiatoren der neuen Bewegung erscheint.« (S. 214)

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Zum Inhalt der Briefe

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Burys Briefe entsprechen in Inhalt, Stil, Sprache und Textaufbau keineswegs dem Charakter einer sachlichen, kunsthistorisch reflektierten und gelehrten Debatte: Bericht und Erzählung, Beschreibung von Augenblickseindrücken, Andeutungen von Arbeitsvorhaben und ‑plänen, Bildbeschreibungen und alltägliche Ereignisse wechseln sich ohne erkennbare thematische Stringenz oder kommunikative Überleitungen ab. Dargeboten sind sie in einem ebenso vertraulichen und unbefangenen wie ungelenken, ja unbeholfenen Plauderton. Vor allem die ersten Briefe stehen noch ganz unter dem Eindruck von Goethes Abreise aus Rom (24. April 1788). Hier kommt auch der an Alltäglichem und Allzumenschlichem interessierte Leser auf seine Kosten: So vergaß Goethe doch bei seiner Abreise tatsächlich seinen »Stiefel Zieher« (S. 10), im August 1788 hat seine »Intianische feigen Pflanze [...] anstatt ein Blatt zu erst 2 mehr bekommen« und macht Bury sehr viel Freude (S. 21), und im Sommer 1789 bedauert Bury die heftigen Zahnschmerzen, von denen Goethe ihm schrieb, die aber, da ist sich Bury ganz sicher, durch die warme Jahreszeit Besserung erfahren werden: »es wird aber anjetzo schon besser gehen, indem die jetzige Jahrszeit die Carstige Rissin [Winter] verjagt haben wird« (S. 45). Verblüffend unverhohlen werden Sympathien und Antipathien bekundet (so macht Bury z.B. aus seiner Abneigung gegenüber Reiffenstein kein Hehl; vgl. S. 8, 41), über anhaltende Geldnöte geklagt (vgl. S. 16 f., 21, passim) und von spielerisch verbrachten Nachmittagen bei Anna Amalia, »der guten Seele« (S. 41), während ihres Italienaufenthaltes berichtet: »die Gute dame will mir recht wohl, und ist lustig wenn ich bey Ihr bin« (S. 41).

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Der naiv-vertrauliche Ton der Briefe erklärt sich aus einem gegenseitigen Einvernehmen in unwidersprochene Rollenaufteilungen: Bury stilisiert sich Goethe, aber auch Anna Amalia gegenüber – oft sogar wortwörtlich – als das »große Kind« (S. 73; »Ihr lieber Kleiner«, S. 23), Goethe ist der gute, liebe, beste »Hr. Onckel« (S. 39), aber auch Mentor, Förderer und Auftraggeber. Er vermittelt Bury den Kontakt zu Anna Amalia während ihrer Italienreise, empfiehlt ihn ihr als Ansprechpartner in allen künstlerischen Belangen und nährt dadurch auch Burys – später enttäuschte – Hoffnung, eine Stelle als Weimarer Hofmaler zu bekommen, wie er Goethe gegenüber mehrfach erwähnt (vgl. S. 42, 45 und passim). Tatsächlich vermitteln die Briefe Burys an Anna Amalia deshalb auch überwiegend den Eindruck der »Akquise« und der Kontaktpflege.

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Hauptthemen der Briefe an Goethe sind Kunst und Kunstgeschichte. In jedem Brief berichtet Bury von seinen Arbeiten. Selten ist von eigenen Werken die Rede; die wenigen Pläne, die er nennt, muss er wegen der zahlreichen, das finanzielle Auskommen sichernden Kopieraufträge oft verwerfen oder abbrechen. Goethe ist nicht nur selbst Auftraggeber, sondern auch Vermittler und Initiator eines, wie die zum Teil sehr amüsanten Berichte Burys zeigen, abenteuerlichen Kunsthandels, den Bury in Rom zusammen mit Johann Heinrich Meyer aufbaut (vgl. S. 12, 14, 16, 20; 121, passim). Bury entwickelt einen regelrechten Ehrgeiz, Goethe eine ansehnliche und bedeutende »gallerie« (S. 33), ein »Cabinet« (S. 32) zusammenzustellen und handelt oft ohne Autorisation des »Onkels«: »Ich zittere aller Liebster; daß ich einen Schritt gethan ohne Ihre Einwilligung, welcher mich beunruhiget; nemlich, die Gelegenheit einen Quercino, Paulo Veronesse, Gerhardo della Notta, und 2 Rubens gekauft zu haben [...]«(S. 33), versichert ihm aber gleichzeitig, dass er weiterhin emsig an der Vervollständigung der Sammlung arbeite (»es fählet nichts mehr als ein Raphael, und eine Landschaft von Clote [Lorrain], welche ich beyte gewiß noch bekommen werde, als dann haben Sie eine gallerie welche nicht leicht jemand aufweissen kann«, S. 33). Nicht nur die Aufträge für Kopien, auch die meisten Ankäufe sind dabei freilich ganz Goethes kunst- und stilgeschichtlichen Interessen verpflichtet, an denen sich Bury zunächst selbst orientiert (Annibale Carracci und Guido Reni, vor allem aber Werke der Hochrenaissance von Michelangelo und Raffael).

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Auf seiner Reise nach Norditalien kopiert Bury jedoch im Auftrag Goethes auch Werke der italienischen Frührenaissance (vor allem Mantegna), Werke, die Goethe aber, gemäß seiner »klassischen Kunstdoktrin«, lediglich als (unvollkommene) Stationen, als »historische Dokumente« (S. 217) auf dem Weg zur Hochrenaissance betrachtet und anerkennt. Doch Bury gewinnt durch die Beschäftigung mit den »Alten Meister[n]« (S. 216), initiiert durch Goethes Anweisungen, nach und nach eine andere Sichtweise auf kunsthistorische Stilentwicklungen, die letztlich sogar, wie Dönike im Nachwort darstellt, in den kunsttheoretischen und ‑ästhetischen Auseinandersetzungen zwischen Klassik und Romantik gipfelt. Goethes ganz anders gemeinte »didaktische Absichten« (S. 217) tragen somit zu einer Emanzipation Burys von den Kunstanschauungen seines Mentors bei: »[...] statt die Malerei der Frührenaissance als bloße Stufe auf dem Weg zur Vervollkommnung zu begreifen, empfand er, daß etwa Mantegna ihn ›auf einen weg geführt‹ habe, ›welcher freilich im Anfang etwas müsam‹ sei, auf dem ›aber ohnfehlbar etwas guts darbey heraus kommen‹ müsse. In ganz ähnlicher Weise dürfte die Emphase, mit der Bury Ende Juni 1799 über die von ihm auf seiner Rückreise nach Deutschland in Spoleto, Spello, Assisi und Florenz gesehenen Meisterwerke der Kunst vor Raffael berichtet, in Weimar auf wenig Verständnis gestoßen sein.« (S. 217)

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Dieses – so Dönike – große ästhetische »Mißverständnis« (S. 217) zwischen Goethe und Bury wird in einem der späten Briefe besonders deutlich. Am 13. Januar 1798 dankt Bury Goethe für die Übersendung seines »Kloster Bruder[s]« (S. 95): »[...] wie einzig sind Sie in Ihren Kunsturtheilen, wo ist ein anderer Mann, der so viele begriefe vereinigte als wie Sie? wenn ich mir eine fröliche Stunde machen will, läße ich in diesem Lehrreichen Buche« (S. 95) – er und seine Freunde in Rom halten Goethe »für den Verfasser der in Künstlerkreisen vielleicht einflußreichsten Programmschrift der Frühromantik, den in Weimar heftig kritisierten Wackenroder-Tieckschen Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders [...]«(S. 195; 217).

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Fazit

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Die Einblicke, die Bury in seinen Briefen an Goethe – weniger in denen an Anna Amalia –in das zeitgenössische Kunstdenken der deutschen Künstler in Rom gibt, erschließen sich dem Leser nicht unmittelbar. Die Gründe dafür sind Burys mehr als eigenwillige formale wie inhaltliche Diktion und eine wenig stringente Textkonzeption. Dönikes Analyse im Kommentar und Nachwort ist insofern unerlässlich für das Verständnis der Briefe und zeugt zugleich auch von deren historischem Quellenwert. Seine sorgfältig recherchierten Anmerkungen und der Kommentar, der die Zusammenhänge rekonstruiert und analysiert, zeigen allerdings auch, dass es sich bei Burys Nachrichten aus Rom weniger um »amüsante Einblicke in das römische Kunstleben« handelt, wie es der Klappentext verspricht. Burys Briefe dokumentieren vielmehr die allmähliche Entwicklung eines Stilwandels, der sich in unmittelbarer Auseinandersetzung mit bedeutenden Werken »der Kunst bis auf Raphael« (S. 99) vollzieht, jedoch nicht Goethes »begriefe[n]« (S. 99) von Kunst entsprach: »In Assisi konnte ich nicht ferdig werden es ist alda die ganze erste Kunstgeschichte zu Hauß; giunto Pissano, Cimabue, Giotto welche die Obere Kirche gemahlt, haben sich als ware Altväter der Kunst gezeicht [...].«(S. 99)

 
 

Anmerkungen

Vgl. hierzu: Otto Harnack (Hg.): Zur Nachgeschichte der italienischen Reise. Goethes Briefwechsel mit Freunden und Kunstgenossen in Italien 1788–1790 (Schriften der Goethe-Gesellschaft 5). Weimar 1890.   zurück
Goethe an Meyer, [17.8.]1808. Goethes Werke. Hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen [Weimarer Ausgabe], IV. Abt., Bd. 20. Weimar 1896, S. 150.   zurück
Goethe an Herder, [5.6.]1788. Goethes Werke (Anm. 2), IV. Abt., Bd. 8. Weimar 1890, S. 379 [Hervorhebung im Original gesperrt].   zurück
Vgl. »Johann Friedrich Bury« [Artikel]. In: Saur Allgemeines Künstler-Lexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Bd. 15. München/Leipzig: Saur 1997, S. 292 f., hier S. 292.   zurück
Gudrun Körner: Goethe im Porträt. In: Sabine Schulze (Hg.): Goethe und die Kunst [Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 21.5.-7.8.1994]. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag 1994, S. 150–191, hier S. 167.   zurück
Vgl. Anm. 1.   zurück
Vgl. Johannes Nohl: Goethe als Maler Möller in Rom. Weimar: Kiepenhauer 1962.   zurück
10 
Vgl. Goethes Werke (Anm. 2), IV. Abt., Bd. 12. Weimar 1893, S. 112 f., Bd. 14. Weimar 1893, S. 134 f.   zurück
11 
Vgl. Goethes Werke (Anm. 2), IV. Abt., Bd. 15. Weimar 1894, S. 206 f., Bd. 26. Weimar 1902, S. 245.   zurück
12 
Harnack (Anm. 1), S. 219.   zurück
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