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  • Dietmar Strauch / Margarete Rehm: Lexikon Buch - Bibliothek - Neue Medien. Zweite, aktualisierte und erweiterte Ausgabe. München: K. G. Saur 2007. 472 S. Paperback. EUR (D) 48,00.
    ISBN: 978-3-598-11757-2.
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Einleitung

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Die 1. Auflage von Margarete Rehm erschien 1991 im selben Verlag. Die Lemmata der 1. Auflage wurden in der 2. Auflage von Dietmar Strauch aktualisiert und um zahlreiche Stichwörter, besonders aus den Bereichen Internet, Informatik, Neue Medien und Publizistik ergänzt. Der Umfang der 2. Auflage liegt bei rund 4.200 Lemmata mit einer Länge von zwei Zeilen bis einer Seite.

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Leistung der 2. Auflage

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Das Lexikon führt erstmals vier Bereiche zusammen, die in der deutschen Wissenschaftslandschaft, in Ausbildungs- und Studiengängen und in der Praxis trotz einiger Überschneidungen oder wenigstens Berührungen bisher weitgehend getrennt dastanden und erst seit den 1990er-Jahren auf Basis des Internets sich in der Praxis annähern oder in Berufsbildern bzw. Studiengängen zusammengeführt werden. Insofern bedient das Lexikon einen zunehmenden Bedarf und platziert sich als Unikat. Das ist ein bemerkenswerter Ansatz. Den Autoren – in erster Linie Dietmar Strauch, der vor allem diese Erweiterung gegenüber der ersten Auflage vorgenommen hat – muss man Mut, vielleicht Chuzpe zugestehen. Diese vier Bereiche sind:

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• Bibliotheken bzw. die traditionelle Bibliothekswissenschaft (beispielhafte Lemmata: »Schulbibliothek«, »Cutter, Charles Ami«, »Kreuzkatalog«, »Cataloguing in Publication«),

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• die Buchbranche bzw. die Buchwissenschaft mit Artikeln etwa über »Kräuterbuch« (mit Verweisung von »Hortus sanitatis«), »Korpus«, »Kopialbuch«, »Nonpareille«, »Schriftgarnitur«, »Büchersendung«, »Remittenden«,

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• Informationswissenschaft (Lemmata wie »Kozitationsanalyse«, »Scope note«, »Relevanzrückkopplung« oder »Dokumentarische Bezugseinheit«),

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• Archive und Archivwissenschaft mit Stichwörtern wie »Provenienz« oder »Pressearchiv«.

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Gewiss lassen sich viele Termini gar nicht klar einem dieser Bereiche zuordnen (wie etwa »Reiseführer«, »Budapest Open Access Initiative«, »Bitübertragungsschicht« im OSI-Schichtenmodell, »Internationale Patentklassifikation«). Aber dies spiegelt gerade die Konvergenz dieser Bereiche wider.

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Inhalt und Anlage

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Das Lexikon enthält Artikel über

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• Sachbegriffe, z.B. »Register halten«, »Reimchroniken«, »Reisemuster«,

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• Personen,

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• Organisationen, Institutionen u.ä., etwa »W3C«, »Verband Deutscher Schriftsteller«,

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• Verlage,

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• Werktitel u.ä., beispielsweise die Zeitschriften »Charivari«, das »Journal des Luxus und der Moden« oder einzelne Datenbanken (z.B. »Medline«).

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Anlage und Aufbau der Artikel sind uneinheitlich. Oft steht eine mitunter umständlich vorgetragene, mal als Satz formulierte, mal wie in Lexika üblich knapp gefasste Definition am Anfang (z.B. »Jungfrau bezeichnet in der Typographie eine fertig gesetzte Seite, die als fehlerfrei gekennzeichnet ist.«, S. 245), mal fehlt eine Definition und der Sachverhalt wird so erläutert, dass die präzise Ein- und Abgrenzung des Terminus unklar bleibt oder allenfalls im Sinn einer Aufzählung seiner Bestandteile erhellt wird (Beispiel: »Erwerbung«. Gemeint ist die Erwerbung in Bibliotheken, was nicht aus dem Lemma, sondern aus dem ersten Satz des Artikels hervorgeht.) Hier wird die im Lexikon nicht bewältigte Schwierigkeit deutlich, Fachterminologie in einen inter- oder transdisziplinären Kontext einzubringen. Gravierend sichtbar wird dieser Mangel im Gestrüpp von Termini, die um das Thema Informationsaufbereitung kreisen: Unkoordiniert stehen die ähnliche Sachverhalte behandelnden Artikel »Bestandserschließung« und »Indexierung« nebeneinander, ebenso »Klassifikation« und »Systematik«. »Bestandserschließung« verweist nur auf »Katalogisierung«; Bestandserschließung durch Aufstellung kommt nicht vor. Hier fehlt ein Aspekt, der im Artikel »Buchaufstellung« mit dem Hinweis, dass Bücher nach Größe bzw. in mechanischer, systematischer oder Gruppenaufstellung aufgestellt werden können, nachgeliefert wird, aber eine Beziehung zur Erschließung wird nicht hergestellt. Der Artikel »Katalogisierung« verweist auf »Formalkatalogisierung« und »Sachkatalogisierung«; eine Beziehung zu »Indexierung« wird nicht hergestellt, auch »Sachkatalogisierung« und »Inhaltserschließung« stehen unverbunden nebeneinander, obwohl »Indexierung« wieder auf »Inhaltserschließung« verweist. Der Artikel »Klassifikation« referiert das informationswissenschaftliche Verständnis des Terminus, »Systematik« verweist auf »Systematischer Katalog«, und dort wird, zwar mit Verweisung auf »Klassifikation«, altväterlich das »System einzelner Wissenschaftsgebiete« als Gliederungsschema dieses Katalogs angesprochen. Warum der Artikel »Klassifikation« zwar auf die »Allgemeine Systematik für Öffentliche Bibliotheken«, aber nicht auf die »Dewey-Klassifikation« verweist, ist nicht einsichtig.

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Unverbundenes Nebeneinander von
Buch-, Bibliotheks-, Informations- und Archivwissenschaft

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Insgesamt stehen die Lemmata der vier Bereiche, die je ihre eigene Tradition und Terminologie haben, nahezu unverbunden nebeneinander. Das wäre kein einschneidender Mangel, denn ohne ausreichenden Theorie- und Lehrbuchvorlauf kann die substanzielle Integration der vier Bereiche nicht geleistet werden 1 . Aber man hätte erwarten können, dass Termini zugeordnet und aufeinander bezogen werden (»Bestandserschließung. Begriff der Bibliothekswissenschaft, dem in der Informationswissenschaft der Terminus Informationsaufbereitung etwa entspricht. Bestandserschließung ist…«). Solche Zuordnungen und Bezüge werden nicht hergestellt; überhaupt hat man den Eindruck, dass den Autoren das Bewusstsein der Kontextgebundenheit von Termini fehlt. So sagt der Artikel »Schundliteratur« nichts über die historische Konnotation des Begriffs.

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Manche Artikel sind nach einem Schema wie etwa: Definition – Erläuterung – aktueller Sachstand – Geschichte aufgebaut, andere Artikel, bei denen sich dasselbe Schema anwenden ließe, verzichten auf einen Abschnitt zur Geschichte (Beispiel: Artikel »Buchpreisbindung«) usw. In den Artikel »Buch« schiebt sich überraschend zwischen den Hinweis auf Vorformen des heutigen Buches (Buchrolle) und die Erwähnung Gutenbergs der Satz hinein: »›Buch‹ wird auch als Teilbezeichnung eines Ganzen gebraucht, z.B. erstes Buch, zweites Buch usw.« Gemeint ist: Buch als Gliederungseinheit größerer Werke, keineswegs irgendeines Ganzen. Sehr viele Artikel leiden unter einem dermaßen unklaren Aufbau. So wird im Artikel »Buchwissenschaft« eine Aufzählung der Themen dieser Disziplin durch den Hinweis unterbrochen, dass die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig zusammen mit der Universität Leipzig einen »Förderpreis Buchwissenschaft« vergibt. Manche Artikel stehen unkoordiniert nebeneinander, auch wenn teilweise verwiesen wird, z.B. »Buchpreisbindung« und »Ladenpreis«. Das kommt bei diesem Beispiel wohl daher, dass auch das Lexikon des gesamten Buchwesens 2 beide Lemmata aufführt (nur »Preisbindung« statt »Buchpreisbindung«), aber mit einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen beiden Artikeln, die beim oberflächlichen Zusammenraffen verloren gegangen ist.

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Unschärfen und Ungeschicklichkeiten

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Sprachlich, teilweise auch in der Sache ist das Lexikon durchgängig von Unschärfen und Ungeschicklichkeiten durchzogen. Symptomatisch ist die Verwendung von »Schmutztitel« in der Bedeutung von »Schmutztitelblatt« oder die umgangssprachliche Formulierung im Artikel »Bücherfluch«: »[…] werden ihm alle möglichen Strafen angedroht« (S. 88); gemeint ist natürlich nicht »alle möglichen«, sondern »die verschiedensten«. Im Artikel »Honorar« heißt es: »Das Übersetzerhonorar, das bei deutschen Erstausgaben und fremdsprachigen Originalausgaben [!?] anfällt, wird meist ebenfalls in Form eines Pauschalhonorars gezahlt, wobei der Übersetzer einen Festbetrag pro Normseite erhält. Üblich ist auch eine sogenannte Bestsellerbeteiligung bei besonders erfolgreichen Titeln. Die Honorarsätze bewegen sich zwischen […]« (S. 218). Die Bestsellerbeteiligung bezieht sich nicht auf das Übersetzerhonorar, sondern auf die im Satz davor angesprochenen Autorenhonorare. Ein Hinweis auf rechtliche Regelungen (»angemessene Vergütung« nach § 32 UrhG) fehlt. Der Artikel informiert weder den Verlagspraktiker noch den historisch interessierten Buchwissenschaftler angemessen, auch wenn mit acht Zeilen auf die Herausbildung der Autorenvergütungen im »18./19. Jh.« hingewiesen wird. Beim Kompilieren sind mitunter Sinnentstellungen unterlaufen, so heißt es etwa im Wörterbuch des Buches im Artikel »Logbuch«: »Ältere L. bilden wesentliche Beiträge für die Geschichte der Seefahrt und sind daher begehrte Objekte im Antiquariats-Buchhandel.« 3 ; bei Strauch und Rehm wird daraus: »Ältere Logbücher enthalten oft Beiträge zur Geschichte der Seefahrt und sind deshalb begehrte Objekte im Antiquariatsbuchhandel.« Am Rande: Der extensive Gebrauch des überflüssigen »sogenannt« hebt die Qualität des Lexikons nicht.

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Seine Herkunft im Bibliotheksbereich kann das Lexikon nicht leugnen. Bibliotheksbezogene Sachverhalte werden durchgängig differenzierter und präziser erläutert als die aus den anderen Bereichen. Beispielsweise behandelt der Artikel »Heften« ausdrücklich die Besonderheiten beim Heften von Bibliothekseinbänden, weil diese besonders stabil sein sollen. Sehr blass ist der Bereich Archiv vertreten; so haben einzelne Bibliothekstypen (»Schulbibliothek«, »Staatsbibliothek« usw.) oder Buchhandelsformen (»Bahnhofsbuchhandel«, nicht: Boulevard-Buchhandlung) eigene Artikel, nicht aber Archivtypen (außer »Pressearchiv« und »Rundfunkarchiv«); etliche Verlage haben Eintragungen erfahren ebenso wie bedeutende Bibliotheken, von den Archiven nur das »Bundesarchiv«.

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Qualitäten und Mängel

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Es kann nicht überraschen, dass Tiefe, Detaillierung und Qualität bei einem so breit angelegten Lexikon, das von zwei Autoren mit beträchtlichem zeitlichem Abstand erarbeitet ist, wenn sie auch im Vorwort vier Unterstützern danken, sehr unterschiedlich ausfällt. Das soll im Folgenden näher betrachtet werden.

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• Etliche Artikel behandeln einzelne Publikationsgattungen, -titel oder -gruppen, z.B. »Inkunabeln«, »Enzyklopädie«, »Flugblatt«, »Gartenlaube«, »Publikumszeitschrift«, »Pressendrucke«, »Regenbogenpresse« – damit wird der hohe Anspruch des Lexikons deutlich.

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• Termini aus der aktuellen Praxis der Buchbranche und aus der Buch- und Schriftgeschichte sind weitgehend berücksichtigt, weniger aus der Buchherstellung, beispielsweise »Bedingtverkehr« (aber ist nicht der Ausdruck àc-Bezug verbreiteter?), »Humanistische Minuskel«, »Hurenkind«, »Korrekturabzug«, »Mängelexemplare«, »Nachlass«, »Originalausgabe«, »Vorsatz«, dagegen z.B. nicht die speziellen Termini aus der Herstellung: Desktop Color Separations, Nachfalz, Rausatz.

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• Die Auswahl der behandelten Bibliotheken (»Bayerische Staatsbibliothek«, »British Library«, »Library of Congress«, »Staatsbibliothek zu Berlin«, »Universitätsbibliothek Göttingen«, allerdings ohne Verweisung von der offiziellen Namensform u.a.) ist plausibel, die Auswahl der Verlage kaum nachzuvollziehen: »S. Fischer« und »Suhrkamp« werden behandelt, Wagenbach, Diogenes und Lübbe nicht; die Verlage »Axel Springer«, »Springer« und »de Gruyter« sind mit Artikeln vertreten, C.H. Beck nicht usw.

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• Originell in einem Fachlexikon und nützlich sind Artikel wie »Praktikum« (deutet als Titelwort eines Buches auf eine praktische Anleitung hin) oder »et al.« (im Literaturzitat anstelle der Namen von Mitverfassern).

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• In Details sind nicht wenige Artikel problematisch. Der Artikel »Hörerrabatt« ist irreführend, weil er im Präsens steht. Der Hinweis fehlt, dass das Buchpreisbindungsgesetz einen Hörerrabatt nicht mehr vorsieht. Derlei Fehler erregen den besonderen Unmut und den Verdacht, dass dem Kompilierer Sachkenntnis fehlt.

[31] 

• Im Artikel »Buchhändlerische Verkaufsordnung« steht: »In Deutschland können heute anstelle der früheren allgemeinen Bindung des Ladenpreises individuelle Vereinbarungen zwischen Verleger und verbreitendem Buchhandel getroffen werden.« (S. 95). Dies ist fast wörtlich aus dem Wörterbuch des Buches 4 übernommen, wo es sich als Relikt früherer Auflagen mitgeschleppt hat, obwohl die Aussage heute falsch ist; in Deutschland gilt heute das Preisbindungsgesetz. Ebenso ist der Artikel »Ladenpreis« falsch, in dem es heißt: »In Deutschland verpflichtet seit 1906 die Buchhändlerische Verkaufsordnung die Bucheinzelhändler zur Einhaltung des Ladenpreises (fester Ladenpreis).« (S. 271). Der Satz ist wiederum fast wörtlich aus dem Wörterbuch des Buches 5 übernommen, wo aber der folgende Satz mitteilt, dass der feste Ladenpreis seit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1958 zunächst durch das Sammelreverssystem realisiert wurde. Dieser Satz ist im Lexikon Buch –Bibliothek – neue Medien weggelassen, wodurch die Falschaussage entsteht.

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• Im Artikel »Buchpreisbindung« wird zwar richtig auf das Preisbindungsgesetz Bezug genommen, aber es fehlt die Aussage, dass unter dieses Gesetz fremdsprachige Bücher nur dann fallen, wenn sie überwiegend für den Absatz in Deutschland bestimmt sind, womit die englischsprachige Buchproduktion der deutschen Wissenschaftsverlage aus der Preisbindung herausfällt. Überraschend heißt es in dem Artikel: »Die individuelle Durchführung der Preisbindung beruht auf schriftlichen Verträgen zwischen dem preisbindenden Verlag einerseits und dem gebundenen Händler andererseits, die handschriftlich unterzeichnet werden müssen.« (S. 100). Vielleicht ist den Autoren hier eine Aussage über das bei Zeitschriften weiter geltende Reverssystem in den Artikel über die Buchpreisbindung hineingerutscht – oder sollte man hierin wieder eine Bestätigung für den Verdacht mangelnder Sachkenntnis erblicken?

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• »Brotschrift« sei eine Schrift von 5 bis 10 Punkt – eine Auskunft, die den sonst üblichen Definitionen kommentarlos widerspricht.

[34] 

• Der Artikel »Bibliotheksstatistik« beginnt mit dem Gedanken, dass jede »Öffentliche Bibliothek« ein Interesse an Erfolgsmessung haben müsse. Der Artikel »Öffentliche Bibliothek« definiert diese richtig als Bibliothek für die Allgemeinheit, so dass man sich fragt, ob wissenschaftliche oder Spezial-Bibliotheken kein Interesse an Bibliotheksstatistik haben. Aber im Fortgang des Artikels »Öffentliche Bibliothek« erfährt man, dass auch wissenschaftliche Bibliotheken in irgendeiner Bedeutung des Wortes öffentlich sind, und im Artikel »Bibliotheksstatistik« heißt es schließlich, dass die »Öffentlichen Bibliotheken« gegenüber den wissenschaftlichen Bibliotheken eine vereinfachte Version der Bibliotheksstatistik führen. Das alles bleibt also höchst verworren. Und wenn dann weiter gesagt wird, dass der Inhalt der Deutschen Bibliotheksstatistik DBS nach der Norm EN ISO 2789 festgelegt ist, dann ist das einfach falsch, denn die Gremien arbeiten gerade erst an einer Anpassung der DBS an die Norm.

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• Der Artikel »Leihverkehr« definiert diesen als Beschaffung von »Büchern« aus einer anderen Bibliothek für einen Nutzer. Das könnte man so stehen lassen, wenn im Artikel ausgeführt würde, dass längst auch andere Medienarten in den Leihverkehr einbezogen werden. Das leistet der Artikel aber nicht, er ist also irreführend. Unklar bleibt, in welchen Fällen der Leitweg einzuhalten ist und in welchen Fällen Direktbestellungen möglich sind, weil das genannte Kriterium (»regionale oder überregionale Bestandsnachweise«) zu unpräzise ist. Aber der Artikel verweist auch auf »Fernleihe«, und dort wird die LVO zitiert und auf Dokumentlieferung weiter verwiesen; aber auch hier erfährt man nicht, welche Medienarten in den Leihverkehr einbezogen sind und welche nicht.

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• Die Termini Präkombination, Präkoordination und Postkoordination werden zwar richtig erklärt, aber es ist schon verwirrend, wenn der Artikel »Präkombination« mit einer Definition von »Präkoordination« anfängt und dann anfügt: »Sind solche Themenbeschreibungen bereits im Vokabular verankert (als Komposita oder als Nominalgruppen), so spricht man von Präkombination.« (S. 347)

[37] 

• Die Lemmata aus dem Bereich Informationswissenschaft sind praktisch unverändert übernommen aus: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Hrsg. von Kuhlen, Rainer; Seeger, Thomas; Strauch, Dietmar. Band 2: Glossar. 5., vollständig neu gefasste Auflage. München: Saur 2004.

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• In diesem Glossar – und wörtlich auch so im vorliegenden Lexikon – wird »Informationsaufbereitung« definiert als »Informationsverdichtung «, bei der »aus verschiedensten Informationsquellen« Wissenselemente extrahiert und als einheitliches Resultat präsentiert werden. In dem Handbuch 6 selbst dagegen wird Informationsaufbereitung nicht als redaktionelle Arbeit, sondern als Oberbegriff für Formalerschließung, Indexieren und Referieren aufgefasst. Das ist auch die übliche Verwendung des Terminus in der Informationswissenschaft. In einem Lexikon einen Terminus, der in anderer Bedeutung eingeführt ist, neu zu definieren, ist das Gegenteil von dem, was man von einem Lexikon erwartet.

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• Der Terminus »Open Access« ist richtig definiert. Aber es fehlt der Hinweis auf die in der Praxis bedeutsamen differenzierten Open-Access-Geschäftsmodelle wie delayed open access, subscription subsidized open access usw.

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• »Buch« wird definiert als »in einem Umschlag oder Einband durch Heftung zusammengefasste Anzahl von leeren, beschriebenen oder bedruckten Papierblättern.« Abgesehen von allerlei Unschärfen – von Buch spricht man natürlich auch, wenn die Blätter nicht aus Papier, sondern wie bei manchen Kinderbüchern aus Pappe oder bei manchen Straßenatlanten aus Kunststofffolie sind – behandelt der Artikel hauptsächlich die Geschichte der Buchherstellungsverfahren (Gutenberg, Fotosatz usw.) und verweist auf entsprechende weitere Artikel. Pauschal kommen noch ein Satz über das Buch als »im Kulturleben eine der bedeutendsten Erscheinungen« und der tröstliche Hinweis, dass trotz der Neuen Medien Bücher bedeutsam bleiben werden, da die Neuen Medien an Bücher als Quelle gebunden sind – eine ebenso kühne wie unscharfe Behauptung: Ist damit gemeint, dass Neue Medien lediglich vorhandene Inhalte gedruckter Bücher auf einem Datenträger transportieren? Hier wie oft rätselt man, ob das Lexikon Unfug oder Unklarheiten enthält. Oft genug ist beides der Fall. Weder wird der Buchbegriff (Buchbegriff der Herstellung, Buch als Zeichensystem usw.) problematisiert, noch wird der Terminus in einen medialen Kontext gestellt (Funktionen des Buches). Dem entspricht, das auf S. 107 »Buchwissenschaft« als »Querschnittswissenschaft aus verschiedenen Disziplinen« (Betriebswirtschaft [gemeint ist: Betriebswirtschaftslehre], Kulturwissenschaft, Philologie u.a.) verstanden wird. Die buchwissenschaftlich interessante Frage nach verschiedenen Theorieansätzen, nach unterschiedlichen Fragestellungen und Methoden wird gar nicht angesprochen. Hier wird die ganze Konzeptionslosigkeit des Lexikons deutlich.

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• Literaturangaben fehlen.

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Fazit

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Insgesamt liegt hier eine über 470 Seiten umfassende, schlecht durchgearbeitete Kompilation von oft nicht verlässlichen Wissenssplittern (bis hin zu »Beat«, eine von der Uhrenfirma Swatch erfundene Zeiteinheit als Taktgeber im WWW, oder im Artikel »Medien« eine bezugs- und beziehungslose Zusammenstellung von Einzelaussagen) vor, die unter nicht ganz einsichtigen Kriterien zusammengestellt wurden. Dennoch muss der Versuch anerkannt werden, ein modernes, handliches Lexikon herauszubringen, dass der Internet basierten Konvergenz bisher getrennter Bereiche Rechnung tragen will.

 
 

Anmerkungen

Eines der wenigen Lehrbücher, die diese Integration versuchen, ist: Bertram, Jutta: Einführung in die inhaltliche Erschließung. Würzburg: Ergon 2005.   zurück
Lexikon des gesamten Buchwesens. LGB2. 2., völlig neubearb. Aufl. Hrsg. von Severin Corsten, Günther Pflug u. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller. Bd. 1 ff. Stuttgart: Hiersemann 1987 ff.   zurück
Hiller, Helmut; Füssel, Stephan: Wörterbuch des Buches. 6., grundlegend überarb. Aufl. Frankfurt/M.: Klostermann 2002, S. 211.   zurück
Hiller, Helmut; Füssel, Stephan: Wörterbuch des Buches. 6., grundlegend überarb. Aufl. Frankfurt/M.: Klostermann 2002, S. 67–68.   zurück
Hiller, Helmut; Füssel, Stephan: Wörterbuch des Buches. 6., grundlegend überarb. Aufl. Frankfurt/M.: Klostermann 2002, S. 190.   zurück
Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Hrsg. von Kuhlen, Rainer; Seeger, Thomas; Strauch, Dietmar. Band 1: Handbuch…. 5., vollständig neu gefasste Auflage. München: Saur 2004, S. 167–188.   zurück