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Ezra Pound als Ökonom

  • Roxana Preda (Hg.): Ezra Pound's Economic Correspondence, 1933-1945. Gainesville: University Press of Florida 2007. 320 S. Leinen. USD 59,95.
    ISBN: 978-0-8130-3088-3.
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Dass sich Ezra Pound mit seinen ökonomischen Ansichten um jegliches Ansehen gebracht habe, war lange Zeit wohl herrschende Meinung: »a genius in poetry and a crank in economics«, wie die Herausgeberin gleich auf der ersten Seite ihrer Einleitung treffend formuliert. Milde reagierte da noch Henry Miller: Eine Postkarte Pounds, in der ihn dieser nahegelegt hatte, doch einmal über das Phänomen Geld nachzudenken, nahm Miller zum Anlass für ausführliche, wenngleich unsystematische Überlegungen. 1 So gelang es Pound im Laufe der Jahre, eine Reihe von Intellektuellen und Künstlern wie etwa William Carlos Williams und Louis Zukofsky 2 für ökonomische Fragen zu sensibilisieren.

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Pound hatte sich über die Jahre ein beträchtliches Wissen in ökonomischen Dingen erworben: Jean-Michel Rabaté datiert den Beginn seiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen schon auf die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Seine Schriften, vor allem das ABC of Economics (1933), aber auch die unsystematischeren Ausführungen in Guide to Kulchur (1938) zeigen neben großer Belesenheit vor allem auch einen großen pädagogischen Eros, den Rabatè auf die Lektüre von John Ruskins ästhetisch-ökonomischen Abhandlungen zurückführt. 3

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Neben den veröffentlichten Schriften bilden aber auch die Briefe Pounds eine wichtige Quelle für seine ökonomischen Vorstellungen. Verschiedene Einzelbriefwechsel wurden in den letzten Jahren bereits veröffentlicht, so etwa die Korrespondenz Pounds mit US-Senator Bronson Cutting 4 . Die vorliegende Edition entstand unter der Betreuung von Carl L. Holtfrerich (Wirtschaftswissenschaften) und Heinz Ickstadt (Anglistik/Amerikanistik) am John F. Kennedy Institut der FU Berlin. Sie stellt wichtiges Material zur Beurteilung des Denkweges von Ezra Pounds zwischen den Weltkriegen zur Verfügung. Das umfangreiche Vorwort der Herausgeberin informiert über nahezu alles Wissenswerte zu Pounds ökonomischem Denken.

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Der Ökonom Ezra Pound

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Das Thema »Pound und Ökonomie« kann insgesamt als gut aufgearbeitet betrachtet werden. Eine Pionierleistung bildet das bereits erwähnte Buch von Rabaté.. Leon Surette hat in seiner Studie Pound in Purgatory: From Economic Radicalism to Anti-Semitism 5 die Entwicklung Pounds dargestellt, die schließlich in den berühmt berüchtigten Radio Speeches 6 aus Italien während des Zweiten Weltkriegs mündete und die ihm eine Anklage wegen Hochverrats und eine zwölf Jahre dauernde Einweisung in ein Sanatorium einbrachten. Für eine erste Information ist der Aufsatz von Tim Redmond nützlich. 7

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Für Pound stand nicht weniger auf dem Spiel als das Wohlergehen der Menschheit: Solange es die alten Theoreme von Angebot und Nachfrage gab und solange Staaten nur zu Zwecken der Kriegsfinanzierung zusätzliches Geld auf den Markt warfen (wie etwa Großbritannien während des Ersten Weltkrieges), konnte es keinen dauerhaften Frieden geben. Ziel musste es sein:

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TO ENABLE THE WHOLE PEOPLE TO BUY WHAT THE whole people produces; to distribute the purchasing power of the nation so that both social and economic justice shd/be attainable in degree not heretofore known. To give ever human being in the U.S. his share in the inheritance of humanity. (S. 146)
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Pound betrachtete einige Persönlichkeiten als Vorläufer seiner ökonomischen Theorien, die es nur wieder ins öffentliche Bewusstsein zu heben galt, so etwa die US-Präsidenten Jefferson, van Buren und Adams, die die Macht der Zentralbank immer wieder zugunsten des US-Kongresses reduzieren wollten. Und nur ein zeitgenössischer Staatsmann war für Pound in der Lage, ein gerechtes ökonomisches System in die Wirklichkeit umzusetzen: Mussolini. Pound war sicherlich in vieler Hinsicht kein Faschist. So war er weder Anhänger des englischen Faschistenführers Mosley und auch Hitler unterstützte er nur in dem Maße, in dem sich dieser gegen die Bankiers Schacht und von Papen stellte. Beide betrachtete Pound als typische Exponenten des ihm verhassten Wirtschaftssystem des 19. Jahrhunderts, das Europa in den Ersten Weltkrieg geführt hatte: »I dont think the buggars have a right to cause wars, and murder by malnutrition, a third of the population in Eng/and the U.S.« (S. 134 bzw. S. 136). Zudem war Pound auch Anti-Militarist. Doch schien es für ihn ausgemacht, dass »Fascism is a great and magnificent URGE to regeneration« und »that in ITALY it has always started from concrete facts.« (S. 96) Das ist es auch, was Pound mit Konfuzius verband und weshalb er letzterem einen zentralen Platz in seinem kulturellen Wertesystem einräumte: Konfuzius hatte auf die stets lauernde Gefahr hingewiesen, dass falsch gebrauchte Sprache die Dinge verschleiere, von der Konzentration auf Fakten ablenke und letztlich das Gemeinwesen in seinen Grundlagen ruiniere. 8

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Viele dieser ökonomischen Reformkonzepte, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts entwickelt wurden, sind auch heute noch lebendig. Man vergleiche etwa die Vorstellung eines ›Bürgergeldes‹ für alle (auch ›bedingungslosen Grundeinkommens‹), also letztlich einer Trennung von Arbeit und Lohn bzw. Gehalt: Eine Idee, die etwa momentan der Unternehmer Götz Werner vehement vertritt 9

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Im Folgenden sei aber nur auf zwei Personen näher eingegangen, die Pounds ökonomische Ideen nachhaltig beeinflusst hatten. Silvio Gesell und Major Douglas.

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Silvio Gesell (1862–1930) trat zunächst als erfolgreicher Kaufmann hervor, bevor er sich ganz ökonomischen Studien widmete. Sein Hauptwerk Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld erschien 1916. 10 Im Zentrum seiner Theorie steht die Idee des ›Schwundgeldes‹ (engl. ›stamp scrip‹): Wie die Waren, die damit bezahlt werden, sollte auch das Geld einem Alterungsprozess unterliegen, damit nicht der Geldbesitzer gegenüber dem Warenbesitzer im Vorteil war. Damit es nicht gehortet und so seiner eigentlichen Bestimmung, nämlich als Zahlungsmittel, entzogen wird, musste der Eigentümer eine monatliche kleine Steuer auf jede Zahlungseinheit leisten. Je länger es also in seinem Besitz blieb, desto mehr verlor es an Wert. Das sollte die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöhen. Auch die Vergabe des immateriellen Gutes Boden wollte Gesell anders regeln: Durch staatliche Zuteilung an die, die es bearbeiten können und wollen. Die Möglichkeit der praktischen Umsetzung dieser Idee ergab sich 1932 in dem kleinen Ort Wörgl in Tirol. Während ganz Österreich (und Deutschland) an einer schweren wirtschaftlichen Depression laborierten, konnten mit diesem Geld, das lokal ausgegeben wurde, eine Vielzahl von Arbeiten und Dienstleistungen bezahlt werden. Die Arbeitslosigkeit sank schnell um 25%, Waren und Dienstleistungen gelangten schnell an ihre Abnehmer. Nach wenigen Monaten beendete die Österreichische Nationalbank das Experiment, das allen Berichten zufolge sehr positiv ausgefallen war. Eine andere Währung als die von ihr ausgegebene zentrale konnte und wollte sie nicht dulden.

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Immerhin vermochten Gesells Ideen, die einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus beschritten und letztlich dem Staat nur noch eine sehr eingeschränkte Rolle zuwiesen, auch Nationalökonomen wie John Maynard Keynes und Irving Fisher überzeugen. Keynes war der gleichen Meinung wie Pound, als er die Hoffnung ausdrückte, dass »die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen (werde)«. 11

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Der britische Ingenieur Clifford Hugh Douglas (1879–1952), mit dem Pound zwischen 1931 und 1940 einige Briefe wechselte, vertrat die Ansicht, dass die Marktgesetze alleine nicht ausreichten, um allen Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den produzierten Gütern zu ermöglichen. Stattdessen soll das über eine ›Dividende‹, die der Staat an alle Bürger auszahlt, um sie am wirtschaftlichen und kulturellen ›Bruttosozialprodukt‹ zu beteiligen, ermöglicht werden. 12

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Im Unterschied zu Gesell betont Douglas weniger die Rolle des Geldes und mehr den Aspekt der gerechten Verteilung, was Pound nicht völlig zusagte, obwohl für ihn die Idee der kulturellen Teilhabe möglichst aller Bevölkerungsschichten zentral blieb. Auch fand er weder bei Douglas noch bei Gesell seine Idee von einer Verkürzung des Arbeitstages wieder, die neben den materiellen Mitteln auch die entsprechende Zeit für die Beschäftigung mit Kunst, Kultur und Wissenschaft möglich machen sollte.

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Im Werk Douglas’ fand Pound allerdings auch viele Spuren antisemitischen Denkens, die bei ihm auf fruchtbaren Boden fielen: Vorstellungen, die auch Pounds Denken seit dem Ersten Weltkrieg immer mehr prägten (vgl. etwa den Brief an Hugo Fack, S. 137 ff.), die im Laufe der Jahre auch zu regelrechten Verschwörungstheorien auswuchsen. Erst wenige Jahre vor seinem Tod gestand er ausdrücklich, auf welche Abwege ihn sein Antisemitismus geführt habe.

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Zur vorliegenden Edition

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Bei den hier veröffentlichten insgesamt 92 Briefen handelt es sich durchwegs um Erstveröffentlichungen. Jeder Brief wird reich kommentiert, Kurzdarstellungen der Empfänger und der wichtigsten Persönlichkeiten, um die es in den Texten geht, vervollständigen den Band. John Dillinger, der bei den biographischen Darstellungen erscheint, könnte auch im Register nachgetragen werden (S. 116, Anm. 111).

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Ezra Pounds Briefe wenden sich an die Persönlichkeiten, von denen er Unterstützung bei der praktisch/politischen Durchsetzung seiner Ideen erwarten konnte: Politiker wie die US-Senatoren John Hollis Bankhead und Huey Long, Multiplikatoren wie der Theologe ›Father‹ Charles Coughlin, Ökonomen, befreundete Literaten. Der Duktus der Briefe ist durchgehend geprägt von einer gewissen Atemlosigkeit, von großen Hoffnungen, später dann immer mehr auch von Resignation.

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Sie sind jedoch nicht nur bemerkenswerte Zeugnisse seiner Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragen, sondern immer wieder auch von literarischem Wert. Von Absätzen zerklüftet, geprägt von eigenwilligen Großschreibungen, Zitaten, Exklamationen, erinnern sie durchaus an die »Cantos«: In den Gesängen XLII bis LI haben sich Pounds ökonomische Ansichten auch dichterisch niedergeschlagen. So sind die in dieser Edition gesammelten Briefe einerseits Literatur, überschreiten aber auch ständig die Grenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. 13 So kommentiert er etwa verzweifelt die Langsamkeit italienischer Magazine, was ihr Erscheinen angeht, mit phonetischen Schreibweisen, die an Finnegans Wake erinnern: »How the hell can Italy frighten the woild if her March muggyzeens come out in JUNE?« (S. 50).

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Der letzte Brief ist im Rahmen dieser Edition datiert vom 9. Mai 1940. Obwohl wie gewohnt voller Verve, scheint er doch in Stagnation zu münden. Sowohl durch eigene Überzeugungen als auch durch die historischen Entwicklungen bedingt fühlte sich Pound in Italien zunehmend isoliert. So war er schließlich auch bereit, das Radio für Propagandazwecke zu nutzen (wobei er selbst später immer wieder hervorhob, er habe keine Propaganda für die Achsenmächte machen wollen und das sei ihm auch zugesichert worden). Als die amerikanischen Truppen 1945 in Rapallo eintrafen, stellte sich Pound. Bevor er in die USA ausgeflogen wurde, vegetierte er mehrere Wochen lang in einem Stahlkäfig unter freiem Himmel. Bei sich hatte er nur ein Chinesisch-Wörterbuch und seine Ausgabe des Konfuzius: Auch im Moment des Zusammenbruchs bewahrte er sich den Glauben an die Möglichkeit einer nicht korrumpierten Sprache als Grundlage einer gerechten Wirtschaftsordnung.

 
 

Anmerkungen

»Money and How It Gets That Way«. Abgedruckt in »Stand still like the hummingbird«. New York: New Directions 1962, S. 119–156.   zurück
Zukofskys Langgedicht »A« etwa ist ohne ›Pounds Ökonomien‹ nicht denkbar.   zurück
Vgl. dazu das Kapitel: Poundwise. Towards a General Critique of Economy. In: Jean-Michel Rabate: Language, Sexuality, and Ideology in Ezra Pound's Cantos. Albany: State University of the New York Press 1986, S. 183–241, hier S. 185 bzw. S. 185 ff.   zurück
Albuquerque: University of New Mexico Press 2001.   zurück
Leon Surette: Pound in Purgatory: From Economic Radicalism to Anti-Semitism. Champaign: University of Illinois Press 2003.   zurück
Leonard W. Doob: »Ezra Pound Speaking«. Radio Speeches of World War II. Westport, Conn.: Greenwood Press 1978.   zurück
Tim Redmond: Pound's politics and economics. In: Ira B. Nadel (Hg.): The Cambridge Companion to Ezra Pound. Cambridge: Cambridge University Press 1999, S. 249–263.   zurück
Man vgl. etwa die folgende Stelle aus den »Gesprächen«, auf die sich auch Pound immer wieder bezieht: »Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Misserfolg. Gibt es Unordnung und Misserfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es tun und was es lassen soll. Darum muß der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um.« Zit. nach: Konfuzius: Gespräche. Hrsg. u. übers. von Ralph Moritz. Stuttgart: Reclam 2002, S. 79.   zurück
Vgl. dazu etwa Götz W. Werner: Einkommen für alle. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2007.   zurück
10 
Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld. Gesammelte Werke - Band 11. 4. Auflage (1920), vom Autor letztmalig selbst überarbeitet. Lütjenburg: Gauke 1998.   zurück
11 
John Maynard Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Berlin: Duncker & Humblot 5. Auflage 1974, S. 300.   zurück
12 
Das auch die ›geistigen Werte‹ einer Nation wirtschaftliche Größen bilden, findet sich im übrigen schon im deutschen nationalökonomischen Denken des 19. Jahrhunderts, etwa bei Adam Müller oder in Friedrich Lists »Das nationale System der politischen Ökonomie« (1842), das Pound wohl nicht rezipiert hatte.   zurück
13 
Versuche einer Übertragung ins Deutsche findet man etwa im Heft 69 von Schreibheft. Zeitschrift für Literatur, herausgegeben von Norbert Wehr. Essen 2007.   zurück