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Was heißt eigentlich Ästhetik?

Von der »undisziplinierten Disziplin« der Ästhetik

  • Achim Trebeß (Hg.): Metzler Lexikon Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler 2006. X, 486 S. Gebunden. EUR (D) 49,95.
    ISBN: 978-3-476-01913-4.
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Einleitung

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Die im Titel aufgeworfene Frage »Was heißt eigentlich Ästhetik?« fasst die Herausforderung prägnant zusammen, der sich die 139 Autorinnen und Autoren des Metzler Lexikons Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag unter Anleitung von Achim Trebeß gestellt haben. Sie deutet dem Leser an, dass das Resultat ihrer gemeinsamen Anstrengung keine Kompilation darstellt. Vielmehr werden auf 468 Seiten übliche und weniger übliche Definitionen nebeneinander und einander gegenüber gestellt, Begriffe in ihren vielfältigen Brechungen und Synthesen erläutert, Wortbedeutungen in diachroner und synchroner Perspektivierung erfasst sowie die Methoden und Themenbereiche vorgestellt, in deren Neufassung und Neuformulierung die »Wissenschaft« der Ästhetik (S. V) besteht. Wohl nicht von ungefähr spricht der Herausgeber Achim Trebeß bald von Wissenschaft bald von Disziplin und zieht in seinen Ausführungen ganz generell das metaphorische Register vor. Wie er in der Einleitung bündig notiert, »lässt sich [Ästhetik] nicht gerne festlegen, sie sperrt sich der Definition, sie kann nicht aus einer Perspektive alleine erfasst werden« (S. V). Das sei auch der Grund, warum es so wenige Lexika zur Ästhetik gebe (wobei seine nebenbei aufgestellte Liste der wenigen einschlägigen Werke höchst willkommen ist). Zugleich leitet Trebeß daraus den Versuch ab, Ästhetik kollektiv auszuloten: »Eine Wetterfahne und ein Raum mit vielen Türen in andere Räume – diese beiden Metaphern für die Ästhetik können helfen, die Anlage des Lexikons zu beschreiben« (S. VI). Dieser Versuch hat in dem vorliegenden Lexikon Gestalt angenommen, das in der Tat eine Lücke füllt und obendrein einen grundlegenden Beitrag zur Begriffsgeschichte bzw. zur Ideen- und Kulturgeschichte liefert.

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Ebenso systematisch wie das Lexikon angelegt ist, soll auch diese Rezension verfahren. Sie greift die wichtigsten Argumente der Einleitung nacheinander auf, um die Grundsätze und Richtlinien des Werkes herauszuarbeiten. Dabei wird an repräsentativen Einträgen geprüft, wie weit sie mit den in der Einleitung aufgestellten Prinzipien übereinstimmen. Auf diese Weise wird sich hoffentlich die Frage von selbst beantworten, ob der Band seinem Anspruch gerecht wird.

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Ästhetik

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Bezeichnend ist die vom Herausgeber vorgeschlagene Definition: »Ästhetik interessiert sich für die Sinne und den Sinn, für die Veränderungen von Wahrnehmungen und deren Medien, für die Gestaltung von Gegenständen jedwelcher Art.« (S. VI) Dies ist aber nicht die einzige Definition, die der Herausgeber zur Sprache bringt. So vieldeutig und labil sind die Wissenschaft Ästhetik und ihre Objekte. Das soll wahrscheinlich auch die Rede vom »Raum« der Ästhetik mit seinen vier im Untertitel genannten »Wänden«: Kunst, Medien, Design und Alltag, zum Ausdruck bringen.

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Eine solche Konstellation mag etwas erstaunlich sein: Wenn im Band die Lokalisierung der Ästhetik in mehreren Räumen genügend legitimiert wird, wie etwa in den Bereichen »Kunst« und »Alltag«, dann ist der Ort »Design« in diesem Kontext nicht so einleuchtend bzw. seine prominente Position im Vergleich mit anderen ästhetischen Phänomenen nicht so eindeutig. Eher scheint es, dass Design sich unter den weiteren Kategorien »Kunst, Medien und Alltag« subsumieren ließe. Aber vielleicht ergibt sich eine solche Schwerpunktsetzung auch aus dem Umstand, dass Achim Trebeß seit 2003 Professor für Kulturwissenschaft am Fachbereich Design/Innenarchitektur der Hochschule Wismar ist, und/oder aus seiner Überzeugung, dass Design metonymisch für die Multidimensionalität und Ausdifferenziertheit der Ästhetik steht.

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Was den Ort »Medien« anbelangt, so lassen tatsächlich die Anzahl und Relevanz der Einträge, die dem Begriff Medien gewidmet sind (»Intermedialität/Multimedialität«; »Massenmedien«; »Medien/Medial«; »Zeitbasierte Medien«; »Medienarchäologie«; »Medienästhetik«; »Medientheorien«), sowie die wiederkehrende Betonung der medialen Perspektive in unzähligen Einträgen auf die zentrale ästhetische Bedeutung der Medien in der Gegenwart schließen.

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Es überrascht wenig, dass Ästhetik und Alltag so eng verbunden sind. Abgesehen von dem klugen Artikel »Alltag«, ist der Begriff in dem Band so allgegenwärtig, dass man der Ansicht zustimmen muss, dass »das moderne Verständnis von Ästhetik [...] die Ästhetik fest im Alltag verankert « (S. 9), wie umgekehrt in der Moderne der Alltag in der Ästhetik (siehe »Dadaismus«, »Ready-Made«, usw.) verankert ist.

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Schließlich wird das Verhältnis von Ästhetik und Kunst sehr subtil problematisiert (siehe die Artikel »Kunst«; aber auch »Architektur« und »Musik«). Die Verfasser der betreffenden Einträge diskutieren das Problem am Leitfaden des Begriffs der Repräsentationen und vermeiden so die Klippe der bloßen Kunstgeschichtsschreibung. Es ist dann allerdings bedauerlich, dass »Tanz« derartig summarisch behandelt wird (besonders wünschenswert wäre eine Untersuchung der Stellung des Tanzes zu den anderen Kunstgattungen gewesen).

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»Wörterbuch« und Lexikon

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Im Unterschied zu einem Wörterbuch befasst sich das vorliegende Lexikon nicht mit der Spannung zwischen »Aisthesis« und »philosophischer Ästhetik«, sondern versucht, »Ästhetik vor allem in ihren Widersprüchen darzustellen, als Diskussion und Konfrontation von Positionen, die mit dem Spagat der Ästhetiker zwischen Sinnlichkeit und Sinn, Form und Inhalt, Klassik und Avantgarde, Funktionalismus und Ästhetisierung und vielem anderen zu tun haben« (S. VI). Darüber hinaus setzt es sich zur Aufgabe, »die Begriffe der Ästhetik für den Alltagsgebrauch [zu] erschließen« (S. VI). So vermag das Metzler Lexikon jeden ansprechen, sowohl den Künstler, Architekten, Designer, Kunstwissenschaftlicher, Literatur- und Kulturwissenschaftler als auch den Physiker, Soziologen, Politologen, Kulturpolitiker, usw.

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Es trifft zu, dass der Band viele Türen in mehr oder weniger bekannten Räumen öffnet und so die Wünsche eines breiten Publikums erfüllt; er kann aber dennoch nicht das weitaus umfassendere Terrain einer (Welt-)Ästhetik erschließen. Bei der Lektüre sollte man nämlich bedenken, dass die Gegenwart seit dem 20. Jahrhundert den Hauptfokus des Lexikons bildet, und, auch wenn das nicht ausdrücklich zur Sprache kommt, seinen Überlegungen insgesamt die europäische Ausprägung der Ästhetik zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund ist der Eintrag »Außereuropäische Ästhetik« um so mehr zu begrüßen, der ein hoch interessantes, noch näher zu erforschendes Gebiet der Ästhetik immerhin erwähnt: die »interkulturelle Ästhetik«.

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Konzeptionelle Entscheidungen

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Bei der Auswahl der Begriffe ging es dem Herausgeber nicht nur darum, möglichst viele Türen nach außen zu öffnen, sondern auch darum, der Forschung neue Wege zu bahnen,

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von den wichtigen Begriffen, die zu finden, die noch oder schon im Gebrauch sind, und vor allem den Leser/innen, die sich in der Diskussionen der Ästhetik erst hineinfinden möchten, ein Buch anzubieten, mit dem sie arbeiten können, das ihnen möglichst viele Zusammenhänge aufschließt, die aber gründlich genug. (S. VII)
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Jedenfalls ist festzuhalten, dass die Beiträge den in der Einleitung aufgestellten Anforderungen insgesamt gerecht werden. Auf der einen Seite gehen die Artikel von einer sorgfältigen Erläuterung des jeweiligen Begriffs aus, bevor sie seine ästhetische Dimension ergründen; auf der anderen Seite tragen sie der Forderung nach einem weiten und offenen Ästhetikverständnis gewissenhaft Rechnung (keine Kunstexklusivität in Sache Ästhetik!). Dabei sind sie gründlich recherchiert, ausführlich, ohne langatmig zu sein, und aktuell.

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So bemüht sich beispielsweise der heikle Eintrag »Ästhetik/ästhetisch« um eine umfassende Darstellung, die in fünf Teile gegliedert ist: Versuch einer Definition; Geschichte der Entstehung; lexikalische Ebene; historische Perspektive; Resümee. So eine strikte Gliederung ist typisch für die Strukturierung der einzelnen Beiträge, die somit die komplexen Bezüge von Ästhetik und Politik, Philosophie, Ökonomie, Semantik, usw., klar und übersichtlich herauspräparieren. Ganz generell kann man sagen, dass die meisten Einträge die richtige Balance gefunden haben zwischen philosophisch-ideengeschichtlichen, historischen, lexikalischen und künstlerischen Gesichtspunkten (siehe »Form/Inhalt«) einerseits und zwischen einer sowohl diachronen als auch synchronen Darstellung andererseits.

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Leerstellen

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Es sind jedoch einige Mängel zu beklagen, die allerdings mehr die Durchführung des Programms betreffen als dessen Konzeption selbst. Ein hier vorzutragender Einwand gilt der Auswahl der Begriffe, während ein zweiter die Hierarchisierung der Begriffe anbelangt.

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Wenn bei der Auswahl der Begriffe streng auf die ästhetische Relevanz und heutige Resonanz mancher ästhetischer Phänomene geachtet wurde, dann ist es ein wenig verwunderlich, dass man neben Einträgen wie »Dandy«, »Dilettantismus«, »Flaneur«, »Fernsehen«, »Design«, »Mode«, »Styling«, usw., den Eintrag »Graffiti« vergeblich sucht (die jedoch viele Debatten um Kunst und Vandalismus polarisiert haben und sich in jener Schattenzone der offiziellen Kunst situieren, vor der sich Ästhetik nicht fürchtet), ebenso wie »Kochkunst« (die bemerkenswert symbolisch-kommunikative, sinnlich-experimentelle und künstlerisch-gestalterische Formen annimmt), »Buchkunst« oder nicht zuletzt auch »haute couture«.

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Achim Trebeß weist mit Recht darauf hin, dass die Begriffe je nach ihrer Bedeutung und Funktion hierarchisiert werden mussten (der Frage der Gewichtung wurde sorgfältig nachgegangen: Inwiefern ist dieser oder jener Begriff von Belang? Ist er zentral für die Diskussion? Wenn nicht, ergänzt er sie oder verbreitet er das Feld eher? Trägt er dazu bei, eine Perspektive zu konterkarieren? Usw.). Der begriffliche Spagat und der Umfang des zu bearbeitenden Feldes waren zu groß, als dass man allen Einträgen den gleichen Platz hätte gewähren können. Das ist nicht zu leugnen. Nichtsdestoweniger gewinnt man den Eindruck, dass die Balance nicht so konsequent eingehalten wurde. Als Beispiel dafür stehen »Raum« und »Religion« nicht weit voneinander im Band, sind aber meilenweit voneinander entfernt, wenn man ihren jeweiligen Umfang betrachtet. Der Grundbegriff »Raum« wird ausführlich behandelt. In der Tat erfüllt der Eintrag ein Desiderat, wenn man nur etwa an den so genannten spatial turn denkt. Demgegenüber wird »Religion« als Bedeutungskomplex und Sinngebungssystem recht karg erläutert (man hätte sich ein paar Zeilen mehr gewünscht über die ästhetische Dimension von Riten und Religionsakten, über das Verhältnis von Religionskunst und Kult sowie über das von autonomer Kunst und Kult, generell über das Verhältnis von Bild und Religion – ein Mangel, der auch durch den Eintrag zu »Kult« leider nicht kompensiert wird).

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Nebenbei gesagt fehlt ein Eintrag zu »Hierarchie«! Gab es denn, geschichtlich und theoretisch gesehen, etwa keine Hierarchie der Künste, keine Hierarchie der Stile, Themen und Motive, keine Hierarchie der Zeichnung vor dem Gemälde, keine Bevorzugung bestimmter Farben?

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Anlage des Lexikons

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Durch die internen Verweise, die die Artikel und Informationen geschickt vernetzen, erleichtert das Lexikon dem Leser den Einstieg in das zunächst unübersichtlich und komplex erscheinende Feld der Ästhetik und ermöglicht ihm, die Vielfalt der Bedeutungen und Implikationen zu begreifen sowie die Überlappungen von stilistischen Richtungen, künstlerischen Theorien und ästhetischen Theorien zu erfassen und zu perspektivieren. Wie Achim Trebeß treffend formuliert: »Jeder Artikel steht für sich, und weist über sich hinaus« (S. VIII). Bei der unterschiedlichen Behandlung einzelner Begriffe in verschiedenen Einträgen lassen sich überdies noch Spannungen beobachten (siehe den Kunstbegriff Dada in »Avantgarde« und »Dadaismus«), die stimulierend wirken: Sie mahnen nicht nur zur intellektuellen Wachsamkeit, sondern auch zur Fortsetzung der Reflexion und schärfen den Blick für die Komplexität der Frage.

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Dem Leser, der bei der Lektüre immer mehr Bezüge zwischen den Artikeln wahrnimmt und die vielen Zusammenhänge immer tiefer durchschaut, fällt insbesondere auf, wie wahr das Wort des Herausgebers ist: Bei all den Überschneidungen

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schälen sich einige Grundrichtungen und historisch bedeutsame Modelle heraus (etwa der antiken Ästhetik, der von Hegel, Kant und Adorno), aber auch gegenwärtige Konfrontationen bzw. Linien, etwa der Diskussion um Aisthesis versus philosophisch Ästhetik, der unterschiedlichen Haltungen zur marxistischen und postmodernen Ästhetik, mit der viele Artikel enden. (S. VIII)
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Dies belegt im Personenregister die Anzahl der Seiten, die sich auf Plato, Aristoteles, Kant, Hegel, Adorno, Foucault, Bourdieu und Derrida beziehen, wobei die Bedeutung auch anderer Denker für die Ästhetik besonders klar hervortritt: Baumgarten, Lessing, Goethe, Schiller, Nietzsche, Benjamin und Brecht.

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Auf das Problem der Inter- und Transdisziplinarität der Ästhetik hat der Herausgeber eine strategische und glückliche Antwort gegeben, indem er bei seiner Auswahl der Autorinnen und Autoren nicht nur deren Spezialisierung, sondern auch der jeweiligen Kompetenz Rechnung getragen hat:

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Neben wenigen, die sich Ästhetiker nennen würden, finden sich Literaturwissenschaftler aller Sparten, Philosophen, Kunsthistoriker, Architektur-, Design- und Medientheoretiker vieler Schattierungen sowie Leute, die eher praktisch arbeiten denn als Wissenschaftler/innen tätig sind. (S. VIII)
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Abgerundet wird der Band durch ein sehr hilfreiches Personenregister; dagegen wurde leider auf eine übergreifende Bibliographie zum Nach- und Weiterlesen ausgewählter Forschungsarbeiten verzichtet, die die am Ende eines jeden Beitrags genannten Werke aufnimmt und entsprechend ergänzt – wie es zum großem Gewinn für den interessierten Leser das Wörterbuch Ästhetische Grundbegriffe bietet.

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Was schließlich die Struktur der Lemmata betrifft, so ist sie klar, übersichtlich und im Band durchgängig akribisch durchgehalten. Die Zeichensetzung spielt dabei eine wichtige Rolle: Der Gedankenstrich markiert eine Korrelation – zum Beispiel, wenn Gegenbegriffe in einem Artikel behandelt werden (»Chaos – Ordnung«) –, und der Querstrich signalisiert die Zusammenfassung von synonymen Wörtern oder Begriffen (»Abbildung/Wiederspiegelung«) oder die Konzentration auf unterschiedliche Wortverwendungen (»Passion/Leidenschaft«).

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Blicke

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In der letzten Rubrik vor den Danksagungen macht Achim Trebeß Vorschläge zur Verbesserung und Aktualisierung des Lexikons auf und lädt den Leser zur Kritik ein. Vorgreifend schreibt er: »Das Lexikon kann – in der philosophischen Zeitenwende, die seit Moritz Geiger andauert – nicht alle Wünsche erfüllen« (S. IX). In der Tat werden die Einträge »Barock«, »Genie« und »Symbolismus« nicht allen Erwartungen entsprechen (zum »Barock«: eine ideengeschichtliche Akzentuierung des Zusammenhanges von Barock mit Leben, Tod und Zeit und des Verhältnisses von Barock und Politik bzw. Religion wäre wünschenswert gewesen; zum »Genie«: die Kontextualisierung hätte dichter sein können; zum »Symbolismus«: die Autorin hätte sich in ihrem Beitrag nicht auf das literaturwissenschaftliche Feld beschränken dürfen und den Schwerpunkt auf Malerei, Plastik, Musik ausdehnen können und müssen). Ferner hätte zu den sonst informativen und sachlichen Einträgen »Cyberspace« und »Virtuelle Realität« eine weitere Facette hinzugefügt werden können: etwa eine Bemerkung zum Status des im Cyberspace geschaffenen Werkes und des im Cyberspace schaffenden Künstlers. Im Band wird nirgends auf Second Life angespielt (vielleicht deshalb, weil der Begriff erst 2003 geprägt wurde und das Lexikon 2006 veröffentlicht wurde), wo »paradigmatisch« kreiert wird, sei es, indem man Maler oder Komponist, Grafiker oder Designer ist, vor allen aber, weil jedes Mitglied der Gemeinschaft Interpret seines Lebens und Darsteller seines Avatars ist. So erhebt sich die Frage: Wieviel künstlerisches Schaffen und Erleben steckt im Virtuellen? Welche sind die Kriterien der Bewertung? Haben wir es mit einer alternativen Ästhetik zu tun?

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Nun steht fest, dass Kritik oft binär verfährt: Sie beginnt mit dem Negativen, um das Positive und gar Lobenswerte umso schärfer herauszustellen. Diese Rezension bildet keine Ausnahme zu dieser Regel. Dazu kommt noch, dass es einfacher ist, Verbesserungsmöglichkeiten zu skizzieren, als jene zahllosen Einträge eingehend zu würdigen, die die Lektüre im einzelnen und insgesamt so ergiebig machen und die Qualität des hervorragenden Nachschlagewerkes ausmachen. Um nur einige weitere Beispiele zu nennen, die zuvor keine Erwähnung gefunden haben, so gehören die Artikel »Allgemeines-Besonderes«, »Alltag/Alltäglich«, »Erlebnis«, »Hässlich«, »Informationsästhetik«, »Interesse«, »Repräsentation«, »Rock/Pop«, zu den besonders gelungenen.

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Fazit

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Die Antwort auf die Frage, ob der Band seinem Anspruch gerecht wird, fällt durchweg positiv aus. Dem Metzler Lexikon Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag gelingt es auf paradoxe Weise, die nur schwer zu umgrenzende (Un)disziplin zu umreißen – auch und erst recht, weil wir nun wissen, dass es ganz vergebens wäre, sie völlig umreißen und ihr eine endgültige, kategorische Definition verpassen zu wollen. Dieses Werk bietet also einen fundierten, elastischen und dynamischen Zugang zu einem Wissensbereich, der längst zum Gegenstand spannender Debatten geworden und im ständigen Wandel begriffen ist. Nicht zuletzt im elektronischen Zeitalter ist Offenheit höchst begrüßenswert. Jedenfalls leistet das von Achim Trebeß verantwortete Lexikon einen theoretisch anspruchsvollen und umfassenden Beitrag zur Aktualisierung der andauernden Debatte um die Ästhetik. Um es in einem Wort zu sagen: So umstritten die Begriffsbestimmtheit der Ästhetik ist, so unbestritten ist die Unentbehrlichkeit des Metzler Lexikons Ästhetik.