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Eine Studie zum Straßburger Buchdruck des frühen 16. Jahrhunderts

  • Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98-1520). (Archiv für Geschichte des Buchwesens. Studien 4) München: K. G. Saur 2007. 508 S. Gebunden. EUR (D) 128,00.
    ISBN: 978-3-598-24903-7.
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Das Geschäftsgebaren der Druckherren der Frühdruckzeit ist bislang nur an wenigen Beispielen erforscht. Umso erfreulicher ist es, dass Oliver Duntze mit seiner im Wintersemester 2005/2006 an der Universität Erlangen-Nürnberg angenommenen Dissertation einen umfangreichen Beitrag zu diesem Bereich der Frühdruckforschung leistet. Seine der Arbeit zugrundeliegenden »Fragen nach den materiellen, ökonomischen und geistesgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Buchdrucks am Beginn des 16. Jahrhunderts« beantwortet Duntze am Beispiel der Offizin Matthias Hupfuffs, die 1497 in Kirchheim im Elsaß und von 1498 bis zu dessen Tod um 1520 in Straßburg existierte. Ursächlich für die Wahl Hupfuffs zum Untersuchungsgegenstand sind der exzeptionell hohe Anteil deutschsprachiger Literatur in dessen Verlagsprogramm sowie die vielen in seiner Offizin erschienenen Kleindrucke. Da derartige Verlagsprodukte ein breiteres Publikum anzusprechen geeignet waren, erhofft Duntze sich aus deren eingehender Untersuchung unter anderem Erkenntnisse dazu, wie der Druckherr neue Käuferschichten erschließen konnte.

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Duntze beschäftigt sich dazu zunächst mit der Biographie Hupfuffs, die er in der Regel auf archivalischer Grundlage nachverfolgt. Eine Schwäche der Darstellung ist dabei die weitgehende Beschränkung der Angaben auf Literaturzitate; eine Überprüfung der teilweise vagen Quellenangaben hat offenbar nur in Einzelfällen stattgefunden. Angesichts der weitreichenden Folgerungen, die auf der Grundlage dieser Belege getroffen werden, wäre eine kritische Durchsicht der Originalquellen allerdings sinnvoll gewesen.

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Umso sorgfältiger ist dagegen die anschließende Analyse der Drucktypen durchgeführt worden, die zudem in Anhang D dokumentiert sind. Die Ergebnisse dieser Analyse verdeutlichen augenfällig den Nutzen der Untersuchungsmethode: Duntze kann überzeugend die enge Verflechtung der Straßburger Offizinen nachweisen, und er macht darauf aufmerksam, dass die bei Hupfuff verlegten Schulbücher gleichsam mit einem einheitlichen Design vermarktet wurden.

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Auf der Grundlage einer statistischen Analyse der Druckproduktion kann Duntze im vierten Kapitel der Arbeit sechs Produktionsphasen der Offizin unterscheiden, die stark mit der inhaltlichen Ausrichtung der Druckwerke korrelieren.

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Vom fünften bis zum zehnten Kapitel seiner Untersuchung, auf mehr als 200 Seiten, nimmt Duntze sich der entsagungsvollen Aufgabe an, das Druckprogramm der Hupfuffschen Offizin detailliert darzustellen. Er gliedert die einzelnen Bereiche dabei in Fach- und Ratgeberliteratur, religiöse und weltliche Literatur, historisch-politisches Tagesschrifttum sowie Schul- und Lehrbücher. Aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Titel, die das Verlagsprogramm umfasste, nimmt dieser Teil der Untersuchung verschiedentlich beinahe den Charakter eines systematisch angeordneten literaturgeschichtlichen Lexikons an. Anhand der von Hupfuff zum Druck gebrachten Titel wird der Leser in diesem Kapitel somit durch weite Teile der Geistesgeschichte des ausgehenden Mittelalters geführt.

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Besonders interessant erscheint dem Rezensenten unter anderem das Programm an zeitgenössischer Literatur. Darunter befinden sich satirische Scherzreden, die dem Umfeld der Universität Heidelberg entstammten und auf Vermittlung Jakob Wimpfelings zum Druck gelangten. Besonderes Interesse verdienen aber auch die Publikationen, die sich auf die Türkenkriege Kaiser Maximilians beziehen und die offenbar auf ein starkes Publikumsinteresse hoffen ließen.

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Abschließend behandelt Duntze die Autorenkontakte Hupfuffs; ein Kapitel, das aufgrund der weitgehenden Beschränkung des Programms auf Nachdrucke relativ knapp ausfallen kann. Dennoch lassen sich mit Thomas Murner, den Duntze als »Hausautor des Verlags« bezeichnet, Sebastian Brant, Johannes Geiler von Kaysersberg und weiteren Verfassern Kontakte zu Persönlichkeiten von zentraler Bedeutung in der zeitgenössischen Gegenwart ausmachen.

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Am Ende seines Werks fasst Duntze die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und katalogisiert 253 Drucke der Hupfuffschen Offizin, 32 Hupfuff fälschlich zugewiesene Drucke, sowie 33 nicht nachweisbare Drucke.

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Insgesamt liegt damit ein beeindruckendes Werk vor, das die Literatur zur Frühdruckzeit maßgeblich bereichert. Aus buchhandelsgeschichtlicher Warte ist allerdings zu bedauern, dass Duntze bewusst nur danach fragt, welche Käufer Hupfuff erreichen wollte, was er anhand inhaltlicher Kriterien festmacht. Dagegen steht nicht zur Debatte, inwiefern Hupfuff sein Ziel tatsächlich erreichte. Dazu wären die über 900 von Duntze nachgewiesenen Exemplare der 253 Drucke auf Besitzeinträge und andere Provenienzangaben hin zu untersuchen gewesen. Eine Aufgabe, die der Verfasser zu Recht als in angemessener Zeit kaum durchführbar bezeichnet (S. 86 Anm. 2). Dennoch hätte vielleicht wenigstens anhand einiger Einzelbeispiele erörtert werden können, ob Hupfuff sein Publikum nicht nur suchte, sondern es auch fand.