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Ita Leonardus Vincius facit
in omnibus suis picturis

Leonardo da Vincis Mona Lisa und
die Cicero-Philologie von Angelo Poliziano
bis Johann Georg Graevius

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Gerade in den letzten Jahren hat die Erschließung von Inkunabeln, also den von der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg in Mainz um 1450 bis 1500 mit beweglichen Lettern hergestellten Büchern, erhebliche Fortschritte gemacht. Neben die bibliographische Beschreibung aller erhalten gebliebenen Ausgaben der Inkunabelzeit im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW) 1 , an der seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gearbeitet wird, sind zahlreiche Exemplarkataloge von Inkunabelsammlungen getreten. Als wichtigste Nachweisinstrumente in Deutschland wären der Inkunabelkatalog der Bayerischen Staatsbibliothek in München (BSB-Ink) und der von der Universitätsbibliothek Tübingen betreute Inkunabelkatalog deutscher Bibliotheken (INKA) zu nennen, der Katalogisate von fast 30 Bibliotheken vereinigt. 2

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Der Schwerpunkt der Erschließung hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend auf die detaillierte Erfassung und Bestimmung der Besonderheiten jedes Exemplars verlagert. Im Rahmen der Katalogisierung erfolgt nun nicht mehr nur die bibliographische Bestimmung der Ausgabe und die Prüfung auf Vollständigkeit und eventuelle Druckvarianten, sondern auch die Bearbeitung der Einbände, die in vielen Fällen bestimmten Werkstätten zugeordnet werden können, die Aufarbeitung der Institutionen- und Personalprovenienzen sowie die Verzeichnung von handschriftlichen Ergänzungen und der Buchmalerei. All diese Faktoren machen aus einem gedruckten Buch, das in einer Vielzahl von zunächst identischen Exemplaren hergestellt wurde, ein Unikat, das in vielen Aspekten mit einer Handschrift zu vergleichen ist. Gerade bei umfangreichen Sammlungen, zu denen die der Universitätsbibliothek Heidelberg mit etwa 1.800 Inkunabeln zählt, erfordert eine derartige individuelle Bearbeitung zwar einen hohen Zeitaufwand, erbringt aber oft auch Erkenntnisse von hoher kulturgeschichtlicher Bedeutung.

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Die inzwischen prominenteste Inkunabel der Universitätsbibliothek Heidelberg ist eine 1477 in Bologna erschienene Ausgabe der Epistulae ad familiares von Cicero, die von 1493 bis 1530 von verschiedenen Händen glossiert worden ist. Die Anfänge der Bearbeitung reichen in die letzten beiden Lebensjahre des bedeutenden Humanisten Angelo Poliziano zurück. In den reichen Marginalienschichten kommt einem Eintrag des mit Niccolò Machiavelli befreundeten florentinischen Kanzleibeamten Agostino Vespucci besondere Bedeutung zu. In dieser auf den Oktober 1503 datierten Marginalie werden Leonardo da Vinci sowie drei seiner Kunstwerke genannt, darunter ein Bild der Lisa del Giocondo, also der Mona Lisa. Diese Entdeckung wurde im Zuge der Katalogisierung der Heidelberger Inkunabeln, an der ich zusammen mit Ludwig Ries von Ende 1996 bis Ende 2007 mit immer wieder großen Unterbrechungen arbeitete, von mir gemacht und erstmals im Jahr 2005 in einem Ausstellungskatalog der Universitätsbibliothek Heidelberg veröffentlicht. 3 Im Herbst 2007 machte eine erneute Publikation in einem Sonderheft über Bibliotheken in Baden-Württemberg den Fund einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. 4 Für ein weltweites Presseecho sorgte dann eine Rundfunksendung von Jörg Tröger, Journalist beim Südwestrundfunk (SWR), am 11. Januar 2007. 5

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Das öffentliche Interesse konzentrierte sich dabei jedoch nur auf die Bedeutung, die diese eine Marginalie zu Leonardo da Vinci für die Kunstgeschichte hat. 6 Auch über diese hinaus ist die Inkunabel aber eine überaus facettenreiche Quelle von höchstem Wert. Dazu zählen die verschiedenen Marginalienschichten mit ihren textphilologischen und zeithistorischen Aspekten. Aber auch die anderen Exemplareigenschaften des Buches und insbesondere seine komplizierte Geschichte sind von großem buchhistorischen Interesse. Im Folgenden soll daher die Inkunabel erstmals in ihrer Gesamtheit unter besonderer Berücksichtigung der Marginalienschichten vorgestellt werden.

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Cicero und der Buchdruck

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Wie die Überlieferung der Autoren der klassischen Antike zeigt, wurden die Werke Ciceros vor allem aufgrund ihrer stilistischen Qualitäten im 15. Jahrhundert in humanistischen Kreisen intensiv rezipiert, sowohl in Gestalt mittelalterlicher Handschriften als auch – seit der zweiten Jahrhunderthälfte – in Form von Wiegendrucken. Diese Gegebenheit lässt sich unter anderem in der Bibliothek des Augsburger Humanisten und Büchersammlers Ulrich Fugger fassen, die 1571 nach Heidelberg überführt wurde, wo ihr Besitzer auf Einladung von Kurfürst Friedrich III. (reg. 1559–1576) im Exil weilte. Ein in diesem Jahr erstelltes Inventar führt etwa 500 Pergament- und 500 Papierhandschriften auf. Unter den gut 2.000 Codices Palatini latini in der Biblioteca Apostolica Vaticana finden sich etwa 200 Handschriften mit Werken der klassischen Antike aus der Provenienz Fugger. An der Spitze stehen 15 Handschriften mit den Orationes sowie zehn Codices mit den Epistulae ad familiares von Cicero. Sämtliche dieser Textzeugen sind im 15. Jahrhundert in Italien hergestellt worden, was die erhebliche Nachfrage nach diesen Texten in dieser Zeit belegt. 7

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Auch im Buchdruck stand Italien an der Spitze der Produktion von Werken klassischer Autoren. Von etwa 9.800 italienischen Inkunabeln gehören 9,8 % zu diesem Segment. In den deutschsprachigen Ländern haben unter den etwa 8.400 Inkunabeln klassische lateinische und griechische Texte hingegen gerade einmal einen Anteil von 2,3 %. Innerhalb aller Inkunabeln dieses Segments kommt den 325 Editionen der Werke Ciceros ein Anteil von 22 % zu, gefolgt von Vergil mit 162 Editionen, was einem Anteil von 11 % entspricht. Die Epistulae ad familiares liegen mit 60 Ausgaben fast gleichauf mit Ciceros De officiis mit 61 Drucken an der Spitze. 8

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Aus humanistischer Sicht waren die Handschriften, einerseits die alten Textzeugen, andererseits die sorgfältig produzierten und korrigierten zeitgenössischen Codices, dem als Massenprodukt abgewerteten gedruckten Buch weit überlegen. So stellte Angelo Poliziano in einem Brief vom 25. Dezember 1492 den bewährten »bonis emendatisque Ciceronis exemplaribus« Drucke gegenüber, die die »excusores isti novorum librorum Teutones perversißime« herstellen würden. 9 Allerdings konnte ein solcher Druck durch textkritische Arbeit, durch castigare und censere im Vergleich mit Handschriften, ganz erheblich aufgewertet werden.

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Der Erstdruck der Epistulae ad familiares 10 erschien 1467 in Rom bei Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz (GW 6799). Die 1477 in Bologna verlegte Ausgabe aus dem Besitz von Agostino Vespucci mit der Signatur D 7620 qt. Inc. (GW 6821), die hier vorgestellt werden soll, 11 war bereits die 23. Textausgabe und zugleich ein Nachdruck einer 1475 von Nicolas Jenson in Venedig hergestellten Edition (GW 6815). Sie ist in der Bologneser Offizin von Domenico de’ Lapi für den 1484 verstorbenen Verleger Sigismondo de’ Libris 12 hergestellt worden und hat einen Umfang von 198 Blättern. Das im Heidelberger Exemplar fehlende gedruckte Doppelblatt 64/67 ist handschriftlich von Hand A (siehe unten) ergänzt worden, weiter sind die im Druck fehlenden Graeca handschriftlich eingetragen. Die Inkunabel wurde anfänglich rubriziert und zeigt eine rote Buchzählung sowie eine römische Foliierung in Schwarz am oberen Rand und zum Teil eine arabische Zählung der Briefe. Den Band beschließt auf dem letzten Blatt sowie auf einem davor eingebundenen Zettel ein handschriftliches Register mit Bezug auf die Marginalienschicht.

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Der ursprüngliche, wohl florentinische dunkle Lederband mit Streicheisenlinien, Einzel- und Rollenstempeln sowie ehemals fünf Buckeln pro Deckel und vier Schließen hat sich zum Teil erhalten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde aus Gründen der äußeren Vereinheitlichung in der Universitätsbibliothek Heidelberg ein typischer sekundärer Halbpergamentband angefertigt, 13 wobei der ursprüngliche Rücken sowie die Beschläge entfernt worden sind. Die seinerzeit üblichen Kiebitzpapierbezüge der Deckel wurden im Zuge der Katalogisierung der Inkunabel wieder abgelöst.

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Die Kollations- und Besitzeinträge sowie die Marginalienschichten der Heidelberger Inkunabel D 7620 qt. Inc.

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Die Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821) ist von 1493 bis 1530, mithin über einen Zeitraum von fast 40 Jahren, annotiert worden. Paläographisch lassen sich verschiedene Hände scheiden, die jeweils auch inhaltlich unterschiedliche Marginalien angebracht haben. Teils enthalten diese Glossierungen autobiographische Aussagen, die zurückliegende, aber auch aktuelle Ereignisse ansprechen. Aussagen der Epistulae ad familiares Ciceros bilden die Grundlage auch für Annotationen dieser Art.

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Die Kollations- und Besitzeinträge

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Der Druck enthält an drei Stellen Einträge, die Auskunft über die Kollation des Cicero-Textes in der Inkunabel mit zwei Handschriften geben. In diesen Vermerken werden zwei ausführende Personen genannt. Hinzu kommt als vierte Quelle ein Besitzvermerk am unteren Rand des Titelblattes Bl. 2a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0005) von dritter Hand.

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Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 2a

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Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0005.

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Auf Bl. 2a findet sich rechts oben neben dem Text in einer italienischen Kursive mit roter Tinte der Kollationsvermerk »Castigato Con un antiquo Codice de minerbetti« 14 . Daran schließt sich in humanistischer Minuskel von Agostino Vespuccis Hand folgender Zusatz an: »& sub doctrina 15 politiani preceptoris mei Augustini Mathei suus [?] hic liber est & amicorum«. Dieser zweite Eintrag wird zum Teil durch einen älteren Besitzstempel der Universitätsbibliothek Heidelberg verdeckt.

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Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 170a

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Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0341.

[22] 

Auf Bl. 170a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0341) notierte sehr wahrscheinlich dieselbe Hand, auf die der italienische Eintrag auf Bl. 2a zurückgeht, mit roter Tinte in humanistischer Minuskel mit Bezug auf Epistula 13,65 (»Cum Publio Terentio Hispone qui operas […]«): 16

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Epistola hęc non Erat in Codice illo antiquissimo quo cum censui Meum hunc. erat enim D. Francisci Minerbetti qui olim in manibus petrarchę et deinde Bocchaccii illius doctissimi viri fuerat. Cuique Politianus ipse Plurimum Fidei pręstat. etc. Anno domini 1493 Augustinus Ter … larius [Name gelöscht] nunc DFXFSPXCCKKS [DE VESPUCCIIS] nouiter factus.
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Es schließt sich eine Abkürzung an, die nicht sicher aufzulösen ist und am ehesten als »suprascriptus« wiedergegeben werden kann. Die hier verwendete Form der Geheimschrift, bei der die Vokale durch den im Alphabet nachfolgenden Konsonanten ersetzt werden, war schon in der Antike bekannt. Es handelt sich eher um eine gelehrte Spielerei als um eine tatsächliche Verschleierung. 17 Die Ergänzung mit dem Namen in Geheimschrift ist nicht in einem Zug mit dem ersten Teil, der mit der aus unbekannten Gründen gelöschten Stelle endet, eingetragen worden. Wahrscheinlich ist diese Stelle so zu interpretieren, dass Agostino Vespucci den Prozess der Kollation noch einmal wiederholt hat.

[25] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 197a

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[27] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0395.

[28] 

Der dritte Vermerk findet sich in Rot auf Bl. 197a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0395) neben dem Druckvermerk: »M. T. Ciceronis Epistolarum ad Tironem Explicit liber Augustini Quem ipsemet Recensui cum libro illo vecchio vecchio De Minerbettis anno domini 1493.« Die bei dem ersten Eintrag auf Bl. 2a erscheinende sekundäre Hand ergänzte jeweils in Schwarz über »vecchio vecchio« die lateinische Spezifizierung »peruetusto id est«, zog das ›h‹ des zweiten »vecchio« nach, setzte hinter dieses Wort einen Doppelpunkt und fügte die Ergänzung an:

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Non defuit mihi etiam liber vetustus Politiani pręceptoris mei et hominis ipsius academię Florentine principis; iudicium: in hac recensione:- ut limatiores epistolę prodirent.
[30] 

Die italienische Form »vecchio vecchio« korreliert mit dem italienischen Eintrag auf Bl. 2a. Der primäre Teil der Einträge besagt, dass der Druck mit einer alten Handschrift kollationiert worden ist, die Francesco Minerbetti gehörte und einstmals in den Händen von Francesco Petrarca und Giovanni Boccaccio gewesen sei. Angelo Poliziano halte diesen Codex für einen sehr vertrauenswürdigen Textzeugen. Dieser primäre Teil der Kollationsvermerk wird auf Bl. 170a mit dem gelöschten Besitzvermerk »Augustinus Ter […] larius« abgeschlossen. Dieser Person gehörte das Buch (»quocum censui Meum hunc«). Auch auf Bl. 197a wird der Druck als Besitz des Augustinus bezeichnet (»Explicit liber Augustini Quem ipsemet Recensui«). Diese Schlussschrift lässt allerdings offen, ob der Besitzer und der Glossator dieselbe Person gewesen sind.

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Die sekundäre Hand auf Bl. 2a und Bl. 197a teilte wohl mit, dass der Prozess der Kollation noch einmal wiederholt worden, dass zusätzlich eine weitere Handschrift aus dem Besitz von Angelo Poliziano herangezogen worden und dass der Prozess der Bearbeitung unter der Anleitung und mit den Verbesserungsvorschlägen Polizianos geschehen sei. Dieser Teil der Kollationsvermerke ist nicht datiert. Auf Bl. 2a nennt sich die Person »Augustinus Mathei« und bezeichnet sich als Eigentümer des Bandes. Der Name Augustinus Mathei ist eine für Agostino Vespucci bezeugte Namensform, so dass diese Schicht mit der Ergänzung des Vermerks auf Bl. 170a in Geheimschrift (»nunc de Vespucciis nouiter factus«) korrelieren wird. Diese Bearbeitungsstufe muss sich unmittelbar an die primäre Kollation von 1493 angeschlossen haben, da Poliziano, der am 29. September 1494 in Florenz starb, 18 sie noch supervidiert hat. Auch wenn es sich paläographisch um zwei verschiedene Schriften handelt, ist nicht auszuschließen, dass der »Augustinus« der primären Einträge mit Agostino Vespucci identisch ist, der als Cancellarius sicherlich Schriften von unterschiedlichem kalligraphischen Niveau beherrschte. Andererseits bestehen zwischen der Glossenschicht von Hand A und den sicher auf Vespucci zurückzuführenden Marginalien deutliche inhaltliche Unterschiede.

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Schließlich enthält die Inkunabel auf dem Titelblatt Bl. 2a unter dem gedruckten Text einen Besitzeintrag von anderer Hand, der um 1520 eingetragen wurde: »Hic Codex Castigatus, est Augustini Nettuccii, & amicorum«. Dieser Vermerk wurde mithin zeitlich nach der Kollation mit den beiden Handschriften eingetragen.

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Paläographie der Marginalienschichten

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Die älteste Marginalienschicht (Hand A, Augustinus »Ter […] larius«) korreliert mit den primären Kollationsvermerken. Auf diese Hand geht die erste Bearbeitung der Inkunabel zurück. Sie schreibt in Rot in einer meist etwas größeren, kalligraphischeren Schrift als die anderen Annotatoren und ist deutlich rechtsgeneigt. Neben der eigentlichen Kollation, die überwiegend interlinear stattfindet, setzt diese Hand die im Druck fehlenden Graeca ein und schreibt auch die am Rand ausgeworfenen Betreffe. Auf sie geht auch die handschriftliche Ergänzung des im Druck fehlenden Doppelblattes 64/67 zurück. Hier finden sich im Übrigen keine Kollationen, so dass die Abschrift nach der ersten der beiden zu kollationierenden Handschriften angefertigt worden ist. Längere Marginalien dieser Hand sind selten (u.a. Bl. 92b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0186; 107b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0216), autobiographische Eintragungen fehlen ganz.

[35] 

Die zweite Marginalienschicht (Hand V) entspricht den Fortsetzungen der primären Kollationsvermerke und ist mit Agostino Vespucci gleichzusetzen. Die Schrift ist kleiner und aufrechter als Hand A und etwas kantiger. Da und dort ergänzt diese Hand Einträge von A (z.B. Bl. 10a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0021; 22b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0046; 62b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0126) und trägt vor allem etliche autobiographische und zeithistorische, auf 1497 bis 1508 datierte Marginalien ein (s.u.), darunter auch die Leonardo da Vinci-Erwähnung. Die Schrift der Eintragungen stimmt mit der des Briefes überein, den Agostino Vespucci 1507 für Leonardo da Vinci geschrieben hat (s.u.). Beispielsweise findet sich der Name des florentinischen Politikers Raffaelo Girolami (1472–1532) 19 dort in Zeile 7 in der Form »Raphaello Iheronymo« und paläographisch identisch auf Bl. 153a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0307) der Inkunabel als »raphael Iheronymus«.

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Die dritte in der Cicero-Inkunabel fassbare Hand ist wieder anonym (Hand B), gehört aber auch zur älteren Schicht der Einträge. Sie wirkt im Vergleich mit den anderen Händen etwas unbeholfen und ist recht klein. Diese Hand trägt in dichter Form (Bl. 23b-27a, 71b-79a) oder vereinzelt in Schwarz ausschließlich Sacherläuterungen ein. Die am Rand ausgeworfenen Cicero-Stellen sind meist unterstrichen, weiter verwendet diese Hand zu Beginn eines jeden Eintrags Absatzmarken.

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Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 23b

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Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0048.

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Die zeitlich jüngste Hand N geht auf den Schreiber des Besitzvermerks auf Bl. 2a zurück, Agostino Nettucci. Seine Schrift ist meist relativ groß, aufrecht und eher kantig. Diese Hand ergänzt da und dort Marginalien von Hand V (Bl. 15b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0032; 113a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0227). Nettucci spricht an zwei Stellen Cicero direkt tadelnd an (Bl. 50b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0102: »O mi Cicero quanta & quam inani gloriola laboras! non te pudet?«; Bl. 51b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0104: »O quantum tibi arrogas o quam Importunus, non enim te noscis.«) und erwähnt die Miscellanea von Angelo Poliziano (Bl. 74a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0149; 76b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0154; 84a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0169). Auch diese Hand trägt autobiographische Vermerke ein, die in datierter Form bis 1530 reichen und sich sehr gut in die wenigen Lebenszeugnisse Nettuccis einfügen.

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Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 50b

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Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0102.

[44] 

Die ersten drei Marginalienschichten deuten darauf hin, dass der Druck von verschiedenen Schülern von Angelo Poliziano zeitnah in einem Schulzusammenhang bearbeitet worden ist. Dies fügt sich in die bereits bekannten Zeugnisse ein, die über Angelo Poliziano und seine textkritische Arbeit im Zusammenhang von Forschung und Lehre bekannt sind. Eine zentrale Rolle spielen hierbei handschriftliche oder gedruckte Codices postillati.

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Agostino Mathei da Terran(u)ova Vespucci und
seine autobiographischen Vermerke

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In den beiden ersten Kollationsvermerken nennt sich als ausführende Person unter der Anleitung seines Lehrers Angelo Poliziano »Augustinus Mathei« beziehungsweise »de Vespuccis«. Hierbei handelt es sich um zwei Namensformen derselben Person. In einem amtlichen Dokument von seiner Hand vom 17. November 1505 nennt er sich selbst »Ego Augustinus Mathei nominatus de Vespucciis Imperiali auctoritate notarius et Cancellarius apud D. Decem«. 20 Weitere Varianten, beispielsweise »Ser Agostino da Terranova Vespucci«, sind in der Literatur belegt. 21 Mithin stammte Vespucci aus dem zwischen Florenz und Arezzo liegenden Terranuova. Ein drittes Mal erscheint sein Name in einer Glosse zum Grundtext. In Epistula 3,7 leitet Cicero auf Bl. 27b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0056) von den Namen Appius und Lentulus in einem Wortspiel die Nomina »appietatem & lentulitatem« ab. 22 An die ausgeworfenen Betreffe Appietas und Lentulitas fügte Vespucci die selbstgebildeten Ableitungen »Vespuccietas, Saluietas, Albizietas« an. Aus den angesehenen Familien Albizi und Salviati stammten zu dieser Zeit etliche florentinische Politiker, die sich auch im Briefwechsel Machiavellis fassen lassen. 23 So arbeitete Vespucci selbst 1513 unter anderem für Jacopo Salviati (s.u.).

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Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 27b

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Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0056.

[50] 

Agostino Vespucci, dessen Vater Giovanni hieß, 24 ist vor allem als Freund und Mitarbeiter von Niccolò Machiavelli (1469–1527) fassbar, der von 1498 bis 1512 als Cancellarius der Seconda Cancelleria von Florenz amtierte. 25 Ihn unterstützten als Segretari Agostino Vespucci und Bartolomeo Ruffini. Den engsten Kontakt hatte Machiavelli innerhalb der Cancelleria zu dem Coadiutore der Prima Cancelleria Biagio Buonaccorsi, doch auch das Verhältnis zu Vespucci war recht eng. 26 Neben einem deutlich größeren Briefwechsel mit Buonaccorsi haben sich aus den Jahren 1500 bis 1509 neun Briefe von Vespucci an Machiavelli erhalten. 27 Die Korrespondenz von Buonaccorsi und Vespucci, dieser »bumptious bureaucrats, standing not high in the hierarchy but holding no low opinion of themselves« 28 , mit Machiavelli sind eine wichtige Quelle für das Klima in der Cancelleria in dieser Zeit. Auf Bl. 107b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0216) der Inkunabel gedachte Vespucci in einem undatierten Vermerk »malclauello meo«. Zu Ciceros κακοστόμαχος in Epistula 16,4 29 glossierte er auf Bl. 191a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0383) mit Bezug auf die Verdauungsbeschwerden seines Freundes Buonaccorsi: »id est mali stomachi. ut blasius bonacc. est. Cui si Carne grossiori in sero vescitur dolet multum […]«. Auch die Consulte et pratiche, die Protokolle der Beratungen der Florentiner Regierung im Palazzo Vecchio in den Jahren 1498 bis 1504, sind überwiegend von Vespucci geschrieben. 30 Im Februar 1506 gab er Machiavellis erstes gedrucktes Werk heraus, das den Titel Decennale oder Compendium rerum decennio in Italia gestarum trägt und sich in Versform mit der florentinischen Geschichte der Jahre 1494 nach dem Fall von Piero de’ Medici bis 1504 beschäftigt. Die von ihm verfasste italienische Vorrede des Drucks, der heute von größter Seltenheit ist, zeichnete Vespucci wiederum mit der Namensform »Augustinus Mathei«. 31

[51] 

In seiner Zeit als Cancellarius Florentinus hatte Machiavelli immer wieder Kontakt zu Leonardo da Vinci, so während dessen Aufenthalt bei Cesare Borgia in Imola oder im Zusammenhang mit dem Arnoprojekt. 32 Auch zwei direkte Verbindungen zwischen Vespucci und dem Künstler sind seit längerem bekannt. Im Herbst 1503 begann Leonardo mit der Arbeit an einem Wandgemälde in der Sala Grande des Palazzo Vecchio in Florenz. Das im Frühjahr 1506 unvollendet zurückgelassene Werk stellte die Anghiari-Schlacht des Jahres 1440 dar, bei dem die Florentiner mit ihren päpstlichen Alliierten nahe der toskanischen Stadt Anghiari Mailänder Truppen besiegt hatten. Wichtigste Episode der Schlacht war die Eroberung der feindlichen Fahne. Im Codex Atlanticus hat sich als Quelle für das Wandgemälde eine italienische Schilderung der Schlacht von der Hand von Vespucci erhalten, die auf Leonardo Datis Trophaeum Anglicum von um 1443 zurückgeht. 33 Ein weiteres, offizielles Schreiben von Vespucci für Leonardo steht in Zusammenhang mit Erbstreitigkeiten, die nach dem Tod seines Onkels Francesco im August 1507 zwischen ihm und seinen Brüdern, den ehelichen Söhnen des gemeinsamen Vaters Piero da Vinci, ausbrachen. Leonardo kehrte wegen dieser Angelegenheit für kurze Zeit von Mailand nach Florenz zurück. Während dieses Aufenthalts entstand ein auf den 18. September 1507 datierter Brief an Kardinal Ippolito d’Este, den Vespucci einschließlich der Unterschrift »Leonardus uincius pictor« für den Künstler schrieb. In dem Dokument wird der Kardinal gebeten, zugunsten Leonardos Einfluss auf den zuständigen Richter Raffaelo Girolami zu nehmen. 34

[52] 

Neben einem autograph erhaltenen Brief Vespuccis an Machiavelli vom 28. Dezember 1506 aus Bologna, der heute in der Nationalbibliothek von Florenz liegt, 35 verweist Carlo Pedretti auf »a great amount of official papers« von der Hand Vespuccis, die im Staatsarchiv Florenz aufbewahrt werden. Aus ihnen geht hervor, dass Vespucci zwischen November 1503 und Februar 1504 Sekretär von Antonio Tebalducci war, zu dieser Zeit florentinischer Kommissar in der Romagna. 1513 lässt sich Vespucci in Rom fassen, wo er Briefe für Giacomo (Jacopo) Salviati (gest. 1533) und Francesco Vettori (1474–1539) schrieb. 36 Nach dem Jahr 1513 ist Vespucci nicht mehr bezeugt; sein Todesjahr ist unbekannt.

[53] 

Die datierten handschriftlichen Eintragungen von Agostino Vespucci reichen in der Inkunabel von 1497 bis 1508, wobei der Schwerpunkt mit fünf Notizen im Jahr 1503 liegt. Marginalien zu Ereignissen vor 1493 sind von Vespucci oder Nettucci im Rückblick geschrieben worden (Bl. 80a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0161; 114a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0229, 146a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0293). Der früheste firmierte Eintrag von Vespucci steht in Zusammenhang mit dem Sturz der Medici im November 1494. 1497 wurden fünf promediceische Verschwörer zum Tode verurteilt. Ihr Verteidiger, der angesehene Jurist Guidantonio Vespucci (1436/37–1501), gehörte zu einer Minderheit in der Stadt, die den Angeklagten ein Appellationsrecht zugestehen wollte. Vor diesem Hintergrund 37 glossierte Vespucci auf Bl. 89a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0179) die Wendung Ciceros »ut uitemus oculos hominum« in Epistula 2,4: 38

[54] 
Hoc Fecit Guido meus Florentię hoc anno 1497. prope illos quinque detruncatos. pro quibus erat id est dicebat eos posse Iure appellare ad populum. aliis vero ciuibus non probantibus et ob id Guidoni mortem minitatibus […].
[55] 

Die Bezeichnung »Guido meus« lässt auf ein enges Verhältnis schließen. Eine weitere Marginalie auf Bl. 15b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0032) schließt sich an die ciceronische Wendung »Est enim tibi grauis aduersaria constituta« in Epistula 9,2 an: 39

[56] 
Aduersaria grauis. Ioanni meo! propter summam Doctrinam eloquentiam, ac sapientiam Guidonis Vespuc. presens. hoc anno .1502. apoplexię morbo demortui cum ipse Romę essem Cancellarius […].
[57] 

Guidantonio Vespucci starb nach heutigem Wissensstand schon 1501. Agostino Vespucci war in dieser Zeit tatsächlich in Rom, von wo er Machiavelli am 16. Juli und am 25. August 1501 je einen Brief schrieb. 40 Bei dem »Joannes meus« wird es sich um Guidantonios Sohn Giovanni di Guidantonio Vespucci (1476–1549) handeln, der im Umkreis von Francesco Guicciardini bezeugt ist. 41

[58] 

Eine weitere Glosse auf Bl. 88b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0178) aus dem Jahr 1499 erwähnt mit Bezug auf Ciceros Epistula 8,17 (»Vestras copias non noui […]«) 42 die Hinrichtung des in florentinischen Diensten stehenden Feldherrn Paolo Vitelli, dem Verrat vorgeworfen worden war (»Ita faciunt equites Pa. uitelli Capitani Florentinorum, qui truncatus est in ballatorio .1499. quia non fidus fuit«) 43 . Paolos Bruder Vitellozzo Vitelli eroberte in der Folge mit mediceischer Unterstützung das zum florentinischen Territorium gehörende Arezzo. Mit ersten militärischen Gegenmaßnahmen wurde Piero Soderini beauftragt, der 1502 zum Bannerträger auf Lebenszeit gewählt wurde (Bl. 10a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0021: »Hoc ego in quodam epistola ad petrum Soterinum. cum esset vexill. designatus. erat nam Arretii Commissarius generalis 1502 et una secum Antonius Thebalduccius«; weitere Erwähnungen Soderinis beziehungsweise des Aufstandes von Arezzo auf Bl. 15b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0032 und 113a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0227). 44

[59] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 10a

[60] 

[61] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0021.

[62] 

Zu den Jahren 1503 und 1504 wird auf Bl. 41a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0083) und 157b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0316) der florentinische Politiker Bernardo di Giovanni Rucellai (Oricellarius; 1448–1514) 45 erwähnt.

[63] 

Eines der wichtigsten Ziele von Florenz in den Jahren 1503 bis 1509 war die Rückeroberung von Pisa, das 1494 gegen die florentinische Oberherrschaft revoltiert hatte. Der Kampf gegen Pisa wird in der auf Vespucci zurückgehenden Glossenschicht für die Jahre 1503 (Bl. 61b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0124), 1504 (Bl. 134a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0269: »In castris contra Pisas. Ita. Ant. Thebal. ad suos milites«) und 1508 (Bl. 116a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0233) erwähnt, in letzterem Fall in Zusammenhang mit dem fehlgeschlagenen Versuch der Florentiner, den Arno von Pisa wegzuleiten. Leonardo da Vinci arbeitete 1503 ebenfalls an diesem Projekt; von seiner Hand hat sich der Plan zu einem Arno-Kanal erhalten, der in dieser Form aber nicht umgesetzt worden ist. 46 Vom 8. Juni 1509 stammt ein Brief von Biagio Buonaccorsi über die Eroberung von Pisa, an den sich eine lateinische Schilderung des Geschehens von Vespuccis Hand anschließt. 47

[64] 

In den Zusammenhang des Kampfes gegen Pisa gehört auch der Auftrag an Leonardo da Vinci, in der Sala Grande des Palazzo Vecchio die Anghiari-Schlacht als Wandgemälde auszuführen. Das Werk sollte den zeitlich letzten großen Sieg der Florentiner darstellen und lässt sich auch als Plädoyer für den militärgeschichtlich wichtigen Einsatz leichter Kavallerie interpretieren. 48 Ebenfalls vor diesem Hintergrund ist Machiavellis Projekt der Ablösung von Söldnerheeren zugunsten einer florentinischen Miliz zu sehen. Diesen Gedanken vertrat er auch in seinem ersten im Druck erschienenen Werk, dem von Vespucci herausgegebenen Decennale. 49 Es wird von Vespucci auf Bl. 50b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0102) im Anschluss an ein Zitat aus Ciceros Epistula 5,12 (»Nihil est enim aptius ad delectationem lectoris quam temporum uarietates. fortunaeque uicissitudines […]«) 50 erwähnt:

[65] 
.1503. Ut vero Florentini dicere dal .94. Inque possunt. ut Nicolaus D. Bernardi de malclauellis historiam horum temporum scribens suo ordine recensebit vere et eleganter qui multis interfuit, et valet iudicio.
[66] 

Agostino Nettucci und seine
autobiographischen Vermerke

[67] 

Spätestens 1520 lässt sich der Codex castigatus im Besitz von Agostino Nettucci nachweisen, der dann die bis 1530 datierten Eintragungen vornahm, die die Marginalienschicht von Vespucci und den anderen beiden Glossatoren ergänzen. Einen ähnlichen Besitzeintrag wie die Heidelberger Cicero-Inkunabel zeigt ein heute in der Columbia University Library in New York aufbewahrter venezianischer Druck aus dem Jahr 1502 (»Augustini Nettucci est et amicorum«). 51 Für die Biographie Nettuccis ist vor allem das von ihm 1520 verfasste Werk De situ Hispaniae von großem Wert. 52 Der Text ist in zwei Handschriften der Biblioteca Apostolica Vaticana überliefert, in Cod. Vat. Lat. 3622 mit einem Umfang von 93 Papierblättern und Cod. Ottobonianus Latinus 2104, wohl eine Kopie des Vaticanus Latinus. 53 Cod. Vat. Lat. 3622 setzt mit einem Widmungsbrief an Kardinal Giuliano de’ Medici ein, der von »Agostino Nettucci fiorentino« gezeichnet und »Flor[entię] quinto Idus Sextilis MDXX« datiert ist. Aus dem Werk geht hervor, dass Nettucci Schüler von Angelo Poliziano gewesen ist (Bl. 42v-43r) und dass er den Humanisten und Politiker Giovanni Corsi (1472–1547) 54 als Sekretär und Schreiber bei seiner Gesandtschaft an den spanischen Hof in den Jahren 1513 bis 1516 begleitet hat (Bl. 21v: »Joannes Corsus legatus ad catholicumque regem destinatus, cuius ego scriba«). Das Werk selbst geht auf lateinische und toskanische Briefe zurück, die Nettucci über einen Zeitraum von zwei Jahren an den florentinischen Humanisten Niccolò Michelozzi (1447–1527) gerichtet hatte, der 1512 Nachfolger von Machiavelli als Sekretär der Seconda Cancelleria geworden war. 55

[68] 

Nettuccis Werk enthält neben einer Topographie von Spanien auch die Beschreibungen verschiedener Reisen, die er im Gefolge von Corsi oder mit anderen Begleitern durch Spanien und Portugal unternommen hatte. Unter anderem war er in Santiago de Compostela gewesen und berichtete in seinem Werk dann ausführlich über die dortigen Gegebenheiten (Bl. 75v-77r). Auf dieser und anderen Reisen begleitete ihn Giovanni Vespucci (geb. 1486). Er war ein Sohn von Amerigo Vespuccis Bruder Antonio und ebenfalls ein Seefahrer. 56

[69] 

Agostino Nettucci und seine Spanienreise haben in der jüngeren Glossenschicht der Cicero-Inkunabel Spuren hinterlassen. Nettucci nennt sich an mehreren Stellen selbst als »ego Augustinus« (Bl. 29b, 80b, 82b, 147b). Die Reise nach Spanien und Portugal wird an zwei Stellen angesprochen. Auf Bl. 29b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0060) erwähnt Nettucci seine Pilgerfahrt mit Giovanni Vespucci nach Santiago de Compostela in dieser Zeit:

[70] 
Ita natura est huius Catholici regis hispanię ferdinandi nomine .1514. quo tempore ego Aug. sum in hispania Cancellarius Florentinus cum Io. Corsio. cum Fr. Guicciardino et Cum Io. uespuccio meo per triennium quo etiam tempore uadimus Vespuccius et ego ad Compostellanam urbem etc.
[71] 

Der Humanist und Politiker Francesco Guicciardini war im Oktober 1511 als direkter Vorgänger von Giovanni Corsi zum Gesandten in Spanien bestimmt worden. Er kehrte im Dezember 1513, nach dem Fall Soderinis, nach Florenz zurück, wo er schnell Karriere machte. 57 Seine eigene Rückkehr nach Florenz erwähnt Nettucci auf Bl. 80b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0162): »Ita Ego Augustinus hoc tempore 1516 & 1517: Flor. urbi ex hispania redii a manu huius Excelsi dominii.« 1520 hatte sich Nettucci mit Corsi und Michelozzi offensichtlich überworfen. Zu Ciceros »sed omnia sunt mea culpa commissa« in Epistula 14,1 58 glossierte er auf Bl. 173b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0348): ».1520. Flor. Ita uero possum Ego dicere prope rabiem N. Michelotii. Io. Corsii & aliorum mihi aduersantium. secummet dissidentium nedum mecum iniuste.«

[72] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 29b

[73] 

[74] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0060.

[75] 

1522 erschien als einziges gedrucktes Werk Nettuccis, das sich nachweisen lässt, eine Declamatio in authorem Rhethoricorum ad Herennium, die von dem florentinischen Drucker Bartolomeo Zanetti (Bresciano) gedruckt wurde. Die »pridie Kal. Mart. MDXXI« datierte Widmung des Werks richtet sich nun wieder an Giovanni Corsi. Aus ihr geht hervor, dass Nettucci auch Schüler von Cristoforo Landino (1425–1498) gewesen war. 59 Im Mittelalter wurde Ciceros De inventione als Rhetorica vetus bezeichnet, die anonyme, Cicero zugeschriebene Rhetorica ad Herennium dagegen als Rhetorica nova. 60 Dieses Werk wird an zwei Stellen in der auf Nettucci zurückgehenden Glossenschicht erwähnt. An die Briefadresse »M. C. Cornificio college S.D.« von Epistula 12,17 61 auf Bl. 146a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0293) schließt sich folgende Bemerkung an: »Hunc esse Q. Cornificium puto: qui rhetoricam quam attribuimus Ciceroni et nouam nuncupamus, scripsit. uide Quintilianum […].« Drei Seiten später, auf Bl. 147b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0296), enthält Ciceros Bemerkung »Vere tecum agam ut necessitudo nostra postulat« in Epistula 12,22a das glossierte Lemma: 62

[76] 
Necessitudo id est Cognatio amicitia. nam si pro Cognatione accipis sequitur ut Rhetorica noua sit Ciceronis quod est Falsum. nam Q. Cornificii est. Cuius fuit Cognatus C. herennius. ut uidere est in Asconio Pediano.
[77] 

Über dieser Glosse empfiehlt Nettucci sein eigenes Werk zu diesem Thema zur Lektüre: »Declamatio Augustini nota et pellege«.

[78] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 147b

[79] 

[80] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0296.

[81] 

Die beiden Glossierungen, in denen Nettucci seine Zeit als Cancellarius in Spanien ansprach, wurden im Rückblick eingetragen. Seine sonstigen datierten Marginalien decken die Zeit von 1520 bis 1530 ab. Sie fallen damit in die Jahre der Medici-Herrschaft von 1512 bis 1527 sowie in die sich anschließende Zeit der Republik bis 1530. Unter den Notaten dominieren Klagen über die friedlose Zeit. Zum Jahr 1521 verzeichnete Nettucci den Krieg des Mediceer-Papstes Leo X. (reg. 1513–1521) gegen Frankreich (Bl. 74a, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0149: »Ita Florentię hoc anno 1521. ob execrabile bellum sumptum a papa Leone contra Mediolanum id est Gallos«). 63 Fünf Jahre später erschienen ihm die nach heutigem Wissensstand etwa 12.000 Landsknechte bemerkenswert, mit denen Kaiser Karl V. (reg. 1519–1556) in Norditalien einfiel (Bl. 15b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0032: »& hoc anno .1526. propter Lanschinectos. numero XXti millium«). 64

[82] 

Eine persönliche Zeitklage ist für das Jahr 1528 zu verzeichnen. An Ciceros Worte »quam quidem quamuis in me ingrata sit tamen amare non desinam« aus Epistula 7,32 65 fügte Nettucci auf Bl. 82b (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0166) an: »Ita Ego Aug. possum hoc tempore di 7br. 1528. dicere de ciuitatis Florentina cui tota mea Iuventa tris et XX. annos Fideliter pro Cancellario inseruiuit.« Nach dieser Jahresangabe hätte Nettucci ab 1505 in der Cancelleria Florentina gearbeitet, mithin wenige Jahre, nachdem Agostino Vespuccis dort mit der Arbeit begonnen hatte.

[83] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 82b

[84] 

[85] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0166.

[86] 

Auf verschiedene andere Zeitklagen aus demselben Jahr (Bl. 60b, siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0122; 145b, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0292: »Ut libertate otiosa fruamur. non talis nunc 1528. est Flor.«, 147b) folgen noch drei Glossen zum Jahr 1530 (Bl. 41b, 52a, 117a). Florenz wurde von Oktober 1529 bis zur Kapitulation am 12. August 1530 von Truppen Karls V. belagert, der mit Papst Clemens II., ebenfalls aus mediceischem Geschlecht, verbündet war. 66 Mit Bezug auf Ciceros Epistula 5,13 (»Circunspice omnia membra reipu. que notissima sunt tibi«) 67 notierte Nettucci auf Bl. 52a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0105): »Sic dicat Florentina Ciuitas. obsessa vrbe. 1530.« An Ciceros Aufforderung zu besonnenem Handeln in Epistula 10,21 (»Nec depugnare si occasio tulerit. nec obsideri si necesse fuerit […]«) 68 schloss er auf Bl. 117a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0235) die Bemerkung an: »Non sic uindicarunt ista 69 plebecula gens. anno obsidionis magnę 1530. qua scilicet Turba turbulenta est. nec mentem habet.« Vielleicht ist Nettucci während der Belagerung, der wahrscheinlich etwa 30.000 Zivilisten zum Opfer fielen, 70 oder bei der sich anschließenden politischen Säuberung umgekommen. Von seiner Hand stammen weiter Ergänzungen und Überarbeitungen im handschriftlichen Register am Ende des Bandes, das von den Händen A und V angelegt worden ist.

[87] 

Angelo Poliziano als Philologe und die ihm bekannten
Handschriften von Ciceros Epistulae ad familiares

[88] 

Der aus Montepulciano stammende Angelo Poliziano (1454–1494) war einer der bedeutendsten Humanisten seiner Zeit. Er wirkte in Florenz als Kanzler von Lorenzo de’ Medici und als Erzieher von dessen Söhnen. Ab 1480 lehrte Poliziano griechische und lateinische Literatur an der Universität Florenz. Daneben gehörte er der 1459 von Marsilio Ficino begründeten Accademia Platonica von Florenz an, einem nicht fest umrissenen Kreis von Humanisten. 71

[89] 

Der Schwerpunkt der Bearbeitung von antiken Texten in der Zeit der Renaissance vor Angelo Poliziano lag, letztlich in Fortführung mittelalterlicher Gewohnheiten, bei der umfassenden Kommentierung. Neben der Erklärung jedes Worts und jedes Problems konnte diese Gattung auch zu einer Einführung in die antike Sprache, Literatur und Kultur genutzt werden. Als einer der ersten ging Domizio Calderini in seinen 1475 gedruckten Observationes dazu über, anstatt der umfassenden Kommentierung ausgewählte Probleme zu behandeln. Auch Angelo Poliziano betrachtete diese neue, in die Zukunft weisende wissenschaftliche Methode als fortschrittlich und setzte sie in seiner erstmals 1489 in Florenz erschienenen Miscellaneorum centuria prima um. Eine Konstante seines Schaffens, wie sie sich vor allem in diesem Werk fassen lässt, war der philologisch korrekte Umgang mit den Quellen. In bewusster Abkehr von seinen Vorgängern und seinen Zeitgenossen bemühte er sich um präzise Quellenzitate und um einen quellenkritischen Zugang zu den überlieferten Texten. Dazu gehörte auch die Suche nach einem so von ihm selbst benannten Archetyp, der von vornherein bessere Lesungen liefere als spätere Handschrift, deren Texte entweder durch fehlerhaftes Abschreiben oder durch Emendationen verfälscht seien. 72

[90] 

Die philologische Arbeit von Angelo Poliziano hat in verschiedenen Handschriften und Drucken ihre Spuren hinterlassen. Seine eigenen Bücher markierte er mit dem Exlibris »Angeli Politiani et amicorum«, 73 das entsprechend auch Agostino Vespucci und Agostino Nettucci verwendet haben. Ähnlich wie in Vespuccis Cicero-Inkunabel finden sich bei Angelo Poliziano detaillierte Angaben, welche Handschriften der Kollation zugrunde gelegt wurden, so bei der 1491 glossierten Terenz-Inkunabel Inc. Bo Rari 97 der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz (»Ego Angelus Politianus contuleram codicem hunc terentianum cum venerandae vetustatis codice maioribus conscripto litteris, quem mihi utendum commodavit Petrus Bembus Venetus Patricius […]«). 74 Eine heute in der Pariser Bibliothèque nationale de France aufbewahrte, 1470 in Venedig gedruckte Ausgabe der Epistulae ad Brutum, Quintum fratrem et Atticum von Cicero wurde um 1480 von Poliziano selbst und zweien seiner Schüler mit Varianten und Emendationen in roter und schwarzer Tinte versehen, einschließlich der Einfügung der im Druck ausgelassenen Graeca. Dieser Bearbeitung lag der Vergleich mit zwei Handschriften zugrunde, die detailliert aufgeführt sind. 75 1493 wurden unter Aufsicht Polizianos zwei heute in Oxford und in Paris bewahrte Inkunabeln mit den Werken von Ovid beziehungsweise den Scriptores rei rusticae in dieser Weise glossiert. 76 Etliche weitere Handschriften und Inkunabeln mit autographen Marginalien von Poliziano sowie seiner Schüler zeigen im Kern dasselbe Bild textkritischer Philologie. 77 Diese quellenkritische Arbeit, an deren zeitlichem Ende die aufgrund Polizianos Tod nicht fertiggestellte Miscellaneorum centuria secunda stand, ist in einem Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit an der Universität Florenz zu sehen. Allerdings scheinen die Werke Ciceros in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit gestanden zu haben. 78

[91] 

Dieser philologische Ansatz lässt sich auch bei den zwei wichtigsten, heute noch vorhandenen Handschriften von Ciceros Epistulae ad familiares beobachten, die Poliziano kannte. Es handelt sich um zwei Codices der heutigen Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz, nämlich Cod. 49.9 (Mediceus, Sigle M), die wichtigste Handschrift dieses Textes überhaupt, und Cod. 49.7 (Sigle P). Der Mediceus wurde in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts geschrieben und lässt sich mit einem im Lorscher Bibliothekskatalog Ca, der um 860 geschrieben wurde, verzeichneten Codex (»Epistularum Ciceronis libri XVI in uno codice«) gleichsetzen. 79 Die Handschrift gelangte zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Kapitelbibliothek von Vercelli. 1392 ließ Pasquino de’ Capelli, Kanzler von Mailand, für Coluccio Salutati P als Kopie herstellen. Diese galt lange Zeit fälschlicherweise als Autograph von Petrarca, der aber die Epistulae ad familiares überhaupt nicht gekannt hatte. 80 Vor 1406 gelangte auch M nach Florenz. 81

[92] 

Angelo Poliziano erwähnte beide Handschriften und auch den unsicheren Petrarca-Bezug des jüngeren Codex in den Miscellanea:

[93] 
Nactus sum Ciceronis epistolarum familiarium volumen antiquissimum, de quo etiam supra dixi, tum ex eo ipso, alterum descriptum, sicuti quidam putant, Francisci Petrarchae manu. Descriptum autem ex ipso liquet multis argumentis, quae nunc omiserim: sed hic posterior, quem dixi, codex, ita est ab indiligente bibliopola conglutinatus, uti una transposita paginarum decuria, contra quam notata sit numeris deprehendatur. Est autem liber in publica gentis Medicae bibliotheca. De hoc itaque uno quantum coniiciam, cuncti plane quotquot extent adhuc epistolarum earundem codices, ceu de fonte capiteque manarunt […].
[94] 

Ihm war die Abhängigkeit der jüngeren Handschrift von der älteren mithin bewusst. P lasse sich aufgrund einer gestörten Lagenabfolge als Vorlage für alle ihm bekannten neueren Handschriften des Textes mit demselben Fehler identifizieren. 82 Als Aufbewahrungsort des jüngeren Codex gab Angelo Poliziano die Bibliothek von San Marco an, die als erste öffentliche Bibliothek von Cosimo de’ Medici gegründet worden war. Tatsächlich ist der Codex im um 1499/1500 entstandenen Katalog dieser Bibliothek als »Epistolae Tullii, in volumine mediocri nigro in papiro manu scriptae« verzeichnet. 83 Der ältere Mediceus stamme, so Angelo Poliziano weiter, aus dem Besitz von Francesco Filelfo (1398–1481) 84 und sei nun Teil der mediceischen Privatbibliothek:

[95] 
[…] cum verior scriptura maneat adhuc in libro pervetere, quondam doctissimi viri Philelphi, nunc Laurenti Medicis patroni literarii, simulque in libro altero de vetere, ut apparet, exscripto, qui nunc in bibliotheca publica Medicae familiae. 85
[96] 

Wahrscheinlich enthält der Mediceus tatsächlich einen handschriftlichen Vermerk von der Hand von Angelo Poliziano. 86

[97] 

In den drei Notizen zur Kollation der Inkunabel aus dem Jahr 1493 werden zwei Handschriften genannt. Die eine, ein »Codice antiquo, Codex antiquissimus, vecchio vecchio« oder »pervetustus«, habe Francesco Minerbetti gehört, sei Petrarca und Boccaccio bekannt gewesen und von Poliziano als sehr zuverlässig geschätzt worden (»Cuique Politianus ipse Plurimum Fidei pręstat«). Es muss sich bei dieser Handschrift um den Mediceus handeln, den Poliziano ja ebenfalls als »Codex pervetus« bezeichnete; da man glaubte, dass P eine Abschrift von M durch Petrarca sei, müsste er die Handschrift natürlich auch in seinen Händen gehabt haben. Die zweite Handschrift, ein »liber vetustus Politiani«, wird der 1392 geschriebene Codex P gewesen sein; alle Poliziano sonst bekannten Handschriften waren jünger. In den Miscellanea von 1489 werden beide Codices bereits als Teil der Mediceerbibliotheken bezeichnet. Dies ließe zum einen den Schluss zu, dass die kollationierende Hand A den 1481 verstorbenen und von Poliziano als Besitzer von M genannten Francesco Filelfo mit Francesco Minerbetti verwechselt hat. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass die Handschrift nach Filelfos Tod über Francesco di Tommaso Minerbetti-Medici (gest. 1543) an Lorenzo de’ Medici ging. Minerbetti ist als florentinischer Kanoniker bezeugt und wurde 1514 Bischof von Torres, 1515 von Sassari und 1528 dann von Arezzo. 87

[98] 

Sämtliche dieser in der Inkunabel vorkommenden Altersbezeichnungen von Handschriften sind in den Schriften von Angelo Poliziano bezeugt. Codices in karolingischer Minuskel waren für ihn »[per]vetus, vetustus, vetustissimus, antiquus« und »antiquissimus« im Gegensatz zu den Textzeugen des 14. Jahrhunderts, denen das Prädikat »semivetus« zukam. 88 Das Verb ›castigare‹, wie es in der Cicero-Inkunabel gebraucht wird, beziehungsweise das Nomen ›castigatio‹ bezeichneten im humanistischen Sprachgebrauch üblicherweise die Correctio und die Emendatio, während ›(re)censere‹ für die Beschreibung dieser Tätigkeit eher ungewöhnlich ist. 89

[99] 

Die eigentlichen Kollationen in der Cicero-Inkunabel gehen auf die primäre Hand A zurück. Sie sind überwiegend interlinear mit roter Tinte ausgeführt. Überflüssige Buchstaben werden expungiert, falsche Wörter gestrichen und durch übergeschriebene Korrekturen ergänzt, andere Wörter durch mit Spitzklammern gekennzeichnete Einfügungen ersetzt. Am Blattrand neben dem gedruckten Text finden sich zumeist die Varianten der Briefadressen. Soweit gedruckte Abbildungen der beiden Handschriften M und P vorliegen, 90 ist die Cicero-Inkunabel nach beiden Codices, die ja voneinander abhängig sind und im Kern die gleichen Lesarten bieten, korrigiert worden. Während der Mediceus keine Glossierungen zeigt, 91 finden sich in P interlineare Anmerkungen, ausgeworfene Betreffe und Anstreichungen, die zum Teil in den Druck übernommen worden sind. Durch Vergleich der beiden Codices mit dem Druck ließen sich möglicherweise noch Emendationen identifizieren, die auf Poliziano und seine Schüler zurückgehen.

[100] 

Der Vermerk zu Leonardo da Vinci und zu dreien seiner Bilder auf Bl. 11a (siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0023) der Cicero-Inkunabel

[101] 

Die auf Agostino Vespucci zurückgehende Erwähnung von Leonardo da Vinci und dreier seiner Werke glossiert Ciceros Epistula 1,9, die an Cornelius Lentulus Spinther gerichtet ist. Cicero leitete mit der Nennung des griechischen Malers Apelles einen Vergleich ein:

[102] 
Nunc ut Appelles Veneris caput & summa pectoris politissima arte perfecit: reliquam partem corporis incohatam reliquit: sic quidam homines in capite meo solum elaborarunt: reliquum corpus imperfectum ac rude reliquerunt. 92
[103] 

Der Kommentar der Cicero-Briefe Ad familiares in der Editio Cantabrigiensis verweist zu Apelles‘ Venusbild auf die Historia naturalis von Plinius: »Apelles inchoaverat et aliam Venerem Coi […] invidit mors peracta parte, nec qui succederet operi ad praescripta liniamenta inventus est.« 93 In der Inkunabel ist das erste ›p‹ von »Appelles« getilgt und der ganze Satz am rechten Rand angestrichen. Rechts daneben wurde von Hand A in Rot der Name »Apelles« ausgeworfen. Vespucci glossierte direkt im Anschluss in Schwarz:

[104] 
[Apelles] pictor. Ita leonar dus uincius facit in omnibus suis picturis. ut est Caput lisę del gio condo. et annę matris uirginis videbimus quid faciet de aula magni consilii. de qua re conuenit iam cum vexillario 94 . 1503. 8bris
[105] 

Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. (GW 6821), Bl. 11a

[106] 

[107] 

Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicero1477/0023.

[108] 

Der glossierte Teil des Cicero-Briefes enthält die Aussage, Apelles habe bei einem Bild der Venus den Kopf und den oberen Teil der Brust vollendet gemalt, den restlichen Teil des Körpers aber unvollendet zurückgelassen. Vespucci merkte dazu an, dass dies Leonardo da Vinci bei allen seinen Bildern auch so mache. Als Beispiel dienten ein Porträt der Lisa del Giocondo sowie ein Bild der hl. Anna, der Mutter Mariae. Der zweite Satz erwähnt ein drittes Projekt, das Wandgemälde der Anghiari-Schlacht in der Sala Grande des Palazzo Vecchio. Im Oktober 1503, auf den die Glosse datiert ist, schloss Leonardo mit der florentinischen Regierung einen Vertrag über die Anfertigung dieses Bildes ab. Die Marginalie ist auch im von Vespucci geschriebenen Teil des Registers auf dem letzten Blatt der Inkunabel verso vermerkt, allerdings mit inhaltlich veränderter Aussage: »Leonardus uincius alter apelles pictor«.

[109] 

Leonardo da Vinci und das Porträt der Mona Lisa

[110] 

Diese zeitgenössische Glosse ist die mit Abstand früheste Erwähnung der Tatsache, dass Leonardo da Vinci ein Gemälde gemalt habe, das Lisa del Gicondo oder die Mona Lisa darstelle. Von Juni 1502 bis März 1503 arbeitete der Maler als Kriegsingenieur für Cesare Borgia (1475–1507) und kehrte danach nach Florenz zurück. Im Juni 1506 verließ er diese Stadt wieder und trat in Mailand in die Dienste des französischen Königs. 95 Während dieses Aufenthalts starb Leonardos Vater Piero, ein angesehener Notar, am 9. Juli 1504. 96

[111] 

Drei Zeugnisse zu dem Bild stammen aus den beiden Jahrzehnten nach seiner Fertigstellung. Es handelt sich um einen Tagebucheintrag von Antonio de Beatis, Sekretär von Kardinal Luigi von Aragon, der 1517 Leonardos Atelier besuchte, um das 1524 erstellte Verzeichnis der Hinterlassenschaft von Leonardos Schüler Giacomo Salaì und um Leonardos Biographie aus der Feder des sogenannten Anonimo Gaddiano. Alle drei Dokumente ergeben kein eindeutiges Bild. 97 Die bisherige Hauptquelle für die Datierung des heute im Louvre in Paris aufbewahrten Gemäldes und die Identifizierung der Dargestellten als Lisa del Giocondo ist der Abschnitt über Leonardo da Vinci in den Le vite de‘ più eccellenti pittori, scultori e architettori des Malers, Architekten und Kunsthistorikers Giorgio Vasari (1511–1574). Das Werk erschien 1550 in erster und 1568 in zweiter Auflage. Vasari beschrieb das Bild ausführlich, obwohl er es selbst nicht gesehen hatte, und machte über die Umstände der Entstehung folgende Angaben: »Prese Lionardo a fare per Francesco del Giocondo il ritratto di mona Lisa sua moglie; e quattro anni penatovi, lo lasciò imperfetto: la quale opera oggi è appresso il re Francesco di Francia in Fontanableò […].« 98 Der Verweis auf die Tatsache, dass sich das Bild zu dieser Zeit im Besitz des französischen Königs in Fontainebleau befinde, stellt den Zusammenhang zu dem jetzt im Louvre aufbewahrten Bild der Mona Lisa her. Die Maldauer von vier Jahren, nach denen das Bild noch immer nicht fertiggestellt sei, stimmt zu Leonardos Aufenthalt in Florenz in den Jahren von 1503 bis 1506. Tatsächlich weist das Gemälde zahlreiche dünne Malschichten auf, was auf einen langen, sich wahrscheinlich bis um 1510 hinziehenden Fertigstellungsprozess hindeutet. 99

[112] 

Francesco del Giocondo (1460–1538) war ein wohlhabender florentinischer Seidenhändler, der am 5. März 1495 in zweiter Ehe die 1479 geborene Lisa Gherardini heiratete. Dem Paar wurden insgesamt fünf Kinder geboren. 100 Sowohl Francesco del Giocondo als auch Leonardos Vater Piero da Vinci waren angesehene Bürger der Stadt und mit einiger Sicherheit miteinander bekannt. Auch Leonardo selbst lebte Anfang des 16. Jahrhunderts in Florenz in unmittelbarer räumlicher Nähe von Francescos Wirkungskreis. 101 Die wahrscheinlich mündliche Vergabe der Porträtanfertigung an Leonardo durch Francesco, von der Vasari berichtet, ist vor dem Hintergrund dieser persönlichen Beziehungen zu sehen. Begründet ist dieser Malauftrag zum einen in der Geburt des zweiten Sohnes Andrea im Dezember 1502 sowie im Kauf eines eigenen Hauses durch Francesco in der Via della Stufa am 5. April 1503. 102 Die Arbeit am Bild wurde im Oktober 1503 unterbrochen, als Leonardo den viel größeren und wichtigeren Auftrag für das Wandgemälde der Anghiari-Schlacht erhielt. Als Leonardo 1506 Florenz verließ, nahm er das Bild unvollendet mit. Eine Bezahlung fand nicht statt, da das Bild ja nie ausgeliefert wurde. Möglicherweise schon 1518 erwarb der französische König Franz I. (reg. 1515–1547) das Porträt. 103 Lisa del Giocondo ist letztmals im Testament ihres Mannes vom 17. Januar 1537 genannt; Francesco starb am 1. Juni 1538 in Florenz. 104 Mit einiger Wahrscheinlichkeit gehen die Informationen, die Vasari über das Bild veröffentlichte, auf Mona Lisa oder ihre Nachkommen zurück, die der in Florenz selbst recherchierende Kunsthistoriker befragt haben wird. 105

[113] 

Die Glosse Vespuccis ist vor dem Hintergrund des Grades der Fertigstellung des Bildes im Oktober 1503 zu sehen. Leonardo hatte, wie dies offensichtlich für seinen Arbeitsstil typisch war, bereits den Kopf der Mona Lisa vollendet. Vasari merkt an, dass der Künstler allgemein ein besonderes Interesse an »teste bizzarre« 106 gehabt habe. Der Topos, dass Leonardo kaum eines seiner Werke vollende, findet sich darüber hinaus bei Vasari an mehreren Stellen (u.a. »Vedesi bene che Lionardo per l’intelligenza de l‘arte cominciò molte cose, e nessuna mai ne fini; […] e come quasi interviene in tutte le cose sue, rimase imperfetta«). 107 Eine Verbindung zwischen Leonardo da Vinci und Apelles stellt auch ein von Vasari mitgeteiltes Lobgedicht von Giovanni Battista Strozzi auf den Künstler her, das mit dem von ›vincere‹ abgeleiteten Namen Vinci spielt: »Vince costui pur solo / Tutti altri, e vince Fidia e vince Apelle, / E tutto il lor vittorioso stuolo« 108 .

[114] 

Die hl. Anna Selbdritt und die Anghiari-Schlacht

[115] 

Das Motiv der hl. Anna taucht bei Leonardo da Vinci in mindestens drei Versionen auf. Wohl am zeitlichen Anfang steht der sogenannte Burlington House Cartoon, der die hl. Anna mit dem Johannesknaben und Maria mit dem Christuskind zeigt. Das entweder früh auf die Jahre 1499/1500 oder spät auf die Zeit um 1508 datierte Bild sollte als Vorlage für ein Gemälde dienen, das der französische König Ludwig XII. 1499 für seine Gemahlin Anne de Bretagne bestellt hatte. Der Karton wurde nicht vollendet. Den höchsten Grad der Perfektion zeigen die Gesichter, während beispielsweise die Füße nur skizzenhaft ausgeführt sind. 109

[116] 

Vespucci dürfte sich in seiner Marginalie auf die dritte Fassung des Annenmotivs bezogen haben, die um 1502 begonnen und wahrscheinlich erst 1513 vollendet wurde. Dieses Bild, das sich noch 1517 in Leonardos Werkstatt befand, wird von Vasari in seiner chronologisch fortschreitenden Lebensbeschreibung Leonardos unmittelbar vor dem Gemälde der Lisa del Giocondo beschrieben. Zudem berichtete der Biograph, dass auch dieses Kunstwerk nach Frankreich gelangt sei. 110 Tatsächlich gehört das Gemälde heute zum Bestand des Louvre in Paris. Das Bild zeigt Anna und Maria mit dem Christuskind, das ein Lamm als Vorzeichen der Passion ergreift. Auch dieses Gemälde zeigt einen unfertigen Zustand. Den höchsten Grad der Ausführung haben wiederum die Köpfe und Teile der Landschaft. 111 Wie im Falle der Mona Lisa gibt Vespuccis Glosse mithin den Ruf Leonardos wieder, dass er seine Werke nicht vollende. Das größte Interesse habe er, so Vespucci, weiter an der Gestaltung der Köpfe, mit denen er in der Regel sein Werk beginne.

[117] 

Vor diesem Hintergrund geschieht die Erwähnung des dritten Bildes der Glosse zweifellos mit einem skeptischen Unterton (»uidebimus quid faciet«). Am 1. November 1502 hatte Piero Soderini als Gonfaloniere di giustizia sein Amt angetreten und in der Folge einen Teil des Palazzo Vecchio zu einer Residenz für sich und seine Frau umgestalten lassen. Unter anderem wurden zwei Heiligenbilder für seine Räume bestellt. 112 Im gleichen Zusammenhang ist die geplante Ausschmückung wohl der südlichen Hälfte der Ostwand der Sala Grande durch Leonardo zu sehen; die andere Hälfte der Wand sollte Michelangelo gestalten. Die Größe beider Wandgemälde wird jeweils etwa 7 auf 17,5 Meter betragen haben. Bei den beiden darzustellenden Ereignissen, der Anghiari-Schlacht sowie der Cascina-Schlacht des Jahres 1364, handelte es sich um ruhmreiche Ereignisse der florentinischen Kriegsgeschichte. Die Malereien wurden noch im 16. Jahrhundert zerstört und sind nur in Form zeitgenössischer Kopien fassbar. 113

[118] 

Der primäre Kontrakt zwischen Leonardo und der florentinischen Regierung unter Führung des Bannerträgers (»vexillifero«) Piero Soderini ist kurz vor dem Ende des Oktobers 1503 abgeschlossen worden. Dieses Dokument ist verloren, vorhanden ist jedoch eine zweite Vereinbarung, die auf den 4. Mai 1504 datiert worden ist und etwa ein halbes Jahr nach Arbeitsbeginn ausgestellt wurde. 114 Am 25. Oktober 1503 erhielt Leonardo die Schlüssel für die Sala del Papa im Kloster Santa Maria Novella ausgehändigt, wo er den Karton herstellen sollte. Bereits erwähnt wurde die Beschreibung der Anghiari-Schlacht in italienischer Sprache von Vespuccis Hand, die Leonardo als Quelle für das Wandgemälde diente. Der eigentliche Malbeginn fällt in den Juni des Jahres 1505. Etwa ein Jahr später, am 30. Mai 1506, erbat Leonardo von der florentinischen Regierung dreimonatigen Urlaub und ließ das Bild unvollendet zurück. 115 Vespuccis offensichtliche Zweifel bezüglich der Fertigstellung des Wandgemäldes durch den notorisch unzuverlässigen Künstler waren nur zu berechtigt gewesen.

[119] 

Aus Italien in die Niederlande –
Johann Georg Graevius und seine Bibliothek

[120] 

Die Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. kam über die Bibliothek des klassischen Philologen Johann Georg Graevius (1632–1703) nach Heidelberg. Graevius, in Naumburg geboren, studierte zuerst in Leipzig Jura und wechselte dann zum Studium der Philologie nach Deventer und Amsterdam. 1656 wurde er zum Professor eloquentiae nach Duisburg berufen; 1661 wechselte er nach Utrecht, wo er dann bis zu seinem Tod wirkte. 116 Unter anderem edierte er Werke verschiedener klassisch-lateinischer Autoren, insbesondere von Cicero. Nach seinem Ableben wurde ein Versteigerungskatalog 117 seiner großen Gelehrtenbibliothek erstellt, der neben etwa 50 Broschürenfaszikeln und 119 Handschriften 4.900 Bände Druckschriften verzeichnet.

[121] 

Nachdem im Pfälzischen Erbfolgekrieg Stadt und Universität Heidelberg völlig zerstört worden waren, musste auch die Bibliothek der Hochschule neu begründet werden. Zu den frühesten Zugängen aus dieser Zeit gehörten neben Büchern aus der Düsseldorfer Hofbibliothek Anteile der Sammlung von Graevius. Kurfürst Johann Wilhelm (reg. 1690–1716), in dessen Amtszeit der Wiederaufbau des pfälzischen Territoriums begann, erwarb die gesamte Büchersammlung und überwies der Universitätsbibliothek Heidelberg mit Ausnahme der Handschriften sowie der Editiones ad usum Delphini den größeren Teil. 118

[122] 

Die Universitätsbibliothek Heidelberg besitzt heute aus der Büchersammlung von Johann Georg Graevius über 40 Inkunabeln fast ausschließlich klassisch-lateinischer Autoren, die weit überwiegend in Italien, vor allem in Venedig, hergestellt worden sind. Sie zeigen, soweit sie Besitzeinträge tragen, häufiger niederländische Vorprovenienzen, seltener italienische. Zu den ermittelbaren niederländischen Vorbesitzern gehören Johannes Arcerius (1538–1604), Rektor in Utrecht und Griechischprofessor in Franeker 119 , der Humanist und Kurator der Universität Leiden Johannes Dousa (1545–1604) und sein Sohn George (1574–1599) 120 , Elardus Petri (1491–1544), Lehrer, Priester und Humanist aus Amsterdam 121 , der Utrechter Philosophieprofessor Henricus Renerius (1593–1639) 122 sowie Paulus Terhaarius (ca. 1625/26–1667), Professor in Duisburg. In den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts reiste Terhaarius selbst unter anderem nach Italien, um dort Bücher zu kaufen. 123 Weiter geht ein Band auf den Utrechter Philologen Antonius Caucus (ca. 1535–1601) zurück. Er hatte unter anderem in Italien studiert. In seiner Bibliothek waren die Bestände seines Vaters Johannes Caucus (ca. 1500–1566) aufgegangen. 124 Die Sammlung von Vater und Sohn enthielt annotierte Drucke und war eine der Hauptquellen der Bibliothek Graevius; Caucus-Besitzvermerke und -Marginalien werden im Versteigerungskatalog neben handschriftlichen Eintragungen anderer Personen jeweils erwähnt. 125 Offensichtlich steht, wie die Vorprovenienzen zeigen, die Bibliothek Graevius ganz in der Tradition der niederländischen klassischen Philologie der Zeit, die sich schon früh um den Erwerb von Handschriften sowie alten Drucken als Quellen in Italien bemüht hatte. Ein besonderer Wert kam solchen Büchern zu, die Kollationen und Annotationen bekannter oder unbekannter italienischer oder zeitgenössischer niederländischer Gelehrter aufwiesen.

[123] 

Graevius verwendete die Handschriften und Drucke seiner Bibliothek für zwei seiner Cicero-Editionen. In seine 1699 erschienene Ausgabe der Orationes ging eine 1472 in Venedig gedruckte Inkunabel ein. 126 Bereits 1689 war Graevius’ Edition der Epistulae ad familiares erschienen. 127 Neben zwei heute in der British Library in London aufbewahrten Handschriften des 11. und 12. Jahrhunderts, den Codices Harleiani 2682 und 2773, 128 konnte der Herausgeber auf zwei Inkunabeln in seinem Besitz zurückgreifen, auf die Vespucci-Inkunabel sowie auf einen venezianischen, zwei Jahre früher erschienenen Druck, der einige niederländische Vorprovenienzen des 17. Jahrhunderts zeigt. 129 Während der Verkaufskatalog seiner Bibliothek diese beiden Ausgaben verzeichnet, lässt sich eine dort ebenfalls erwähnte, in Mailand ohne Jahresangabe gedruckte Editio antiqua heute nicht mehr fassen. 130

[124] 

Mit Verweis auf seine früheren, in den Jahren 1676/77 und 1684 erschienenen Editionen von Ciceros Epistulae ad familiares beschrieb Graevius 1689 seine in Form der Inkunabeln von 1475 und 1477 neu hinzugekommenen Quellen:

[125] 
Illis subsidiis, quibus olim usus sum, accesserunt duae vetustiores editiones. Altera prodiit anno millesimo quadringentesimo septuagesimo quinto, nulla nec loci, ubi lucem adspexit, nec hominis, qui eam typis mandavit, mentione facta. Altera publicata fuit duobus annis post a Sixmundo quodam Bibliopola Bononiensi. Hanc vir doctus composuit cum duobus codicibus manu exaratis, variasque lectiones, quas ex iis excerpsit, aut marginibus adscripsit, aut ipsis versibus et verbis Tullii apposuit. Fuit is Augustinus Matucius Florentinus, qui in fronte et calce libri manu sua testatur, se pervetustum codicem et alium Politiani, doctissimi praeceptoris sui, Academiae Florentinae Principis, sic loquitur, evolvisse, ejus quoque judicio usum in his epistolis emendandis. Cum vero nullum signum addiderit, unde possit dignosci, ex utro libro, vetustone illo an Politiani hauserit istas lectiones, cum iis utor, soleo Italici libri scripturam appellare in annotationibus.
[126] 

Graevius betont weiter den hohen Wert, der in den »antiquis libris« liege: »quamvis essent optimi, qualis fuit ille Mediceus, cujus praesidio innumera fere ulcera […] sunt sanata« 131 . Mithin hat bereits Graevius den Wert der von florentinischen Gelehrten 1493/94 durch Kollation geschaffenen textkritischen und später in verschiedene Richtungen erweiterten Marginalien erkannt. Der in der Vespucci-Inkunabel vorhandene Apparat aus Lesarten von M und P sowie nicht näher spezifizierbare Emendationen von Angelo Poliziano und seinen Schülern sind zusätzlich zum Text von M, den Graevius besonders hochschätzte, als unabhängiger Überlieferungsstrang in seine Edition eingegangen.

[127] 

Die Heidelberger Cicero-Inkunabel D 7620 qt. Inc. ist ein Buch mit besonders herausragenden Exemplareigenschaften. 1477 in Bologna gedruckt, lässt sie sich 1493 im Umfeld von Angelo Poliziano fassen und fügt sich nahtlos in seine bereits bekannten textkritischen Arbeiten ein. Zwei der vier Glossatoren des Drucks, Agostino Vespucci und Agostino Nettucci, sind namentlich bekannt; beide arbeiteten in der Cancelleria Florentina. Sie nutzten die nach zwei Handschriften kollationierte Inkunabel unter anderem für persönliche Eintragungen, die bis zum Jahr 1530 reichen. Ausgangspunkt von Notaten dieser Art war immer eine Stelle aus Ciceros Epistulae ad familiares, an die sich oft nur rein assoziativ zeitkritische und andere Äußerungen anschließen konnten. Zu dieser Schicht gehört auch die Glosse, in der im Oktober 1503 Leonardo da Vinci erwähnt wird.

[128] 

Zu dieser Zeit arbeitete der Künstler an zwei Gemälden, einem Porträt der Lisa del Giocondo sowie an der wohl dritten Fassung der hl. Anna Selbdritt. Beide Bilder waren noch unfertig, allerdings zeigten die Köpfe, wie dies für Leonardos Arbeitsstil typisch war, bereits einen hohen Grad der Vollendung. Zeitgleich nahm der notorisch unzuverlässige Maler einen weiteren großen Auftrag an. In der Sala Grande des Palazzo Vecchio sollte er ein Wandgemälde der Anghiari-Schlacht schaffen.

[129] 

Die Gleichsetzung der auf dem heute im Louvre in Paris aufbewahrten Gemälde der Mona Lisa Dargestellten mit der Florentinerin Lisa del Giocondo geht auf Leonardos erstmals 1550 erschienene Biographie aus der Feder von Giorgio Vasari zurück. Seine Aussagen wurden von der kunsthistorischen Forschung in den letzten Jahren mehr und mehr als glaubwürdig anerkannt. Mit der Glosse in der Heidelberger Cicero-Inkunabel ist nun eine unabhängige weitere Quelle vorhanden, die aus dem zeitgenössischen florentinischen Umfeld des Künstlers stammt. Obsolet sind damit endgültig auch die seit dem Diebstahl der Mona Lisa aus dem Louvre im Jahre 1911 aufblühenden Theorien, dass es sich bei der Dargestellten um eine andere Person handele. 132

[130] 

Als erster erwähnte bereits 1699 der Utrechter Philologe Johann Georg Graevius die Marginalienschicht der Inkunabel, nicht aber die Leonardo da Vinci erwähnende Glosse, in der Vorrede seiner im gleichen Jahr erschienenen Ausgabe von Ciceros Epistulae ad familiares. Für ihn stand der textkritische Wert der Glossierungen im Vordergrund, die die Kollation mit zwei Handschriften sowie Emendationen aus Angelo Polizianos Umfeld tradierten. Nicht wissen konnte Graevius, dass es sich bei einer dieser Handschriften um den in Florenz bewahrten Codex Mediceus gehandelt hatte, den der Philologe zu Recht als wichtigsten Überlieferungsträger der Epistulae rühmte. Der textkritische Wert der Inkunabel lag für ihn mithin nicht in den Kollationen, sondern in den zeitgenössischen Emendationen und Konjekturen begründet.

[131] 

Handschriften und alte Drucke machen einen besonders wichtigen Bestandteil des abendländischen kulturellen Erbes aus. Diese Materialien erschließen sich aber keineswegs von selbst. Auch dieser auf Blatt 11a in einer der etwa 1.800 Inkunabeln der Universitätsbibliothek Heidelberg verborgene Eintrag wäre weiterhin unbekannt, wenn dieser Fonds nicht nach einheitlichen Kriterien katalogisiert worden wäre. Diese Inkunabel ist ein prominentes Beispiel dafür, welche Schätze noch in den Labyrinthen des historischen Buches versteckt sein können, in einem Gebiet, das heute nicht unbedingt mehr im Mittelpunkt des wissenschaftlichen und schon gar nicht mehr des bibliothekarischen Interesses steht.

 
 

Anmerkungen

Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd. 1–8,1. Hg. von der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Leipzig 1925–1940; Bd. 8 ff. Hg. von der (Deutschen) Staatsbibliothek zu Berlin (Preussischer Kulturbesitz), Stuttgart u.a. 1973 ff. Online-Version: http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/.   zurück
Bayerische Staatsbibliothek (Hg.): Inkunabelkatalog (BSB-Ink), Bd. 1–6. Wiesbaden 1988–2005. Online-Version: http://mdzx.bib-bvb.de/bsbink/start.html. INKA: http://www.inka.uni-tuebingen.de/.    zurück
Universitätsbibliothek Heidelberg (Hg.): Die edel kunst der truckerey. Ausgewählte Inkunabeln der Universitätsbibliothek Heidelberg. Ausstellungskatalog. Bearb. von Armin Schlechter. (Schriften der Universitätsbibliothek Heidelberg 6) Heidelberg 2005, Nr. 20 u. Abb. 8. Zum Thema allgemein siehe auch: Vincenzo Fera u.a. (Hg.): Talking to the text: Marginalia from papyri to print. Proceedings of a conference held at Erice, 16 September – 3 October 1998, as the 12th course of International School for the Study of Written Records. Bd. 1–2. (Percorsi dei classici 4–5) Messina 2002.   zurück
Armin Schlechter: Glossen und Marginalien als Teil der Überlieferung. In: Staatsanzeiger-Verlag (Hg.): Handschriften des Mittelalters. Die großen Bibliotheken in Baden-Württemberg und ihre Schätze. Oktober 2007, S. 21.   zurück
An deutschen Beiträgen sind vor allem zu nennen: Frank Zöllner: Die Lücke geschlossen. Zeigt die ›Mona Lisa‹ wirklich Mona Lisa? Ein überraschender Quellenfund verschafft endlich Klarheit. In: DIE ZEIT, 17. Januar 2008, S. 40; Kia Vahland: Thron der Schöpfung. Wer war Mona Lisa? Eine Kaufmannsgattin? Fest steht: Ihr Lächeln überstrahlt selbst den neuesten Streit. In: Süddeutsche Zeitung, 17. Januar 2008, S. 11; ›Achtbare Gattin‹. In: DER SPIEGEL, Nr. 4, 21. Januar 2008, S. 127; FOCUS 4/2008, S. 48.   zurück
Im Vorgriff auf die Ergebnisse der hier vorgelegten Abhandlung, an der ich seit der Entdeckung der Marginalie arbeitete, publizierte der Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Veit Probst, im Februar 2008 unter Nutzung der von mir bei der Inkunabelkatalogisierung gemachten Erkenntnisse online einen Beitrag Zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa: Leonardo da Vinci trifft Niccolò Machiavelli und Agostino Vespucci (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2008/410/), der kurz darauf auch im Druck erschien. Im November 2007 war auf Weisung von Herrn Dr. Probst die Arbeit am nahezu druckfertigen Heidelberger Inkunabelkatalog eingestellt und mir die Leitung der Handschriftenabteilung entzogen worden (vgl http://archiv.twoday.net/stories/4733789/). Die von Ludwig Ries und mir erstellten Inkunabelbeschreibungen sind daher nur im Inkunabelkatalog INKA (wie Anm. 2) zugänglich.   zurück
Les manuscrits classiques latins de la Bibliothèque Vaticane. Catalogue etabli par Elisabeth Pellegrin […]. Bd. 2,2: Fonds Palatin, Rossi, Ste-Marie Majeure et Urbinate. Paris 1982, S. 9–416; Armin Schlechter: Klassische lateinische Literatur in der Bibliotheca Palatina. In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte (im Erscheinen).   zurück
Howard Jones: Printing the classical text. (Bibliotheca humanistica et reformatorica 62) ʽt Goy-Houten 2004, S. 21, 26.   zurück
Angelus Politianus: Opera. Bd. 1: Epistularum libri XII. Lyon 1546, S. 127.   zurück
10 
Gesamtkatalog der Wiegendrucke (wie Anm. 1), Bd. 6, Sp. 563–572 (GW 6799–6821).   zurück
11 
Marcus Tullius Cicero: Epistulae ad familiares. Bologna: [Dominicus de Lapis] für Sigismundus a Libris 1477 (GW 6821).   zurück
12 
G. Montecchi: Libri, Sigismondo de’. In: Lexikon des gesamten Buchwesens. 2. Aufl. Hg. von Severin Corsten u.a. Bd. 4. Stuttgart 1995, S. 529 f.   zurück
13 
Universitätsbibliothek Heidelberg (Hg.): Von Ottheinrich zu Carl Theodor. Prachteinbände aus drei Jahrhunderten. Bearb. von Armin Schlechter unter Mitwirkung von Matthias Miller u. Karin Zimmermann. (Schriften der Universitätsbibliothek Heidelberg 4) Heidelberg 2003, S. 12.   zurück
14 
Die Wiedergabe der Marginalien erfolgt in Vorlageform einschließlich der Interpunktion.   zurück
15 
»doctrina« am Blattrand interlinear über »polit/«.   zurück
16 
M. Tullii Ciceroni: Epistulae ad familiares libri I-XVI. Hg. von D. R. Shackleton Bailey. Stuttgart 1988, S. 512. Die Inkunabel gibt als Empfänger dieses Briefes Publius Silius an, die kollationierende Hand Publius Servilius Isauricus, die Edition Minucius Thermus. Zitiert wird jeweils die Lesart der Inkunabel.   zurück
17 
Bernhard Bischoff: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters. 2. Aufl. (Grundlagen der Germanistik 24) Berlin 1986, S. 234.   zurück
18 
E. Bigi: Ambrogini, Angelo, detto il Poliziano. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 2. Rom 1960, S. 691–702.   zurück
19 
V. Arrighi: Girolami, Raffaelo. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 56. Rom 2001, S. 526–531.   zurück
20 
Denis Fachard: Biagio Buonaccorsi. (Diss. Lausanne; Biblioteca de cultura 3) Bologna 1976, S. 28 f. Anm. 31.   zurück
21 
Niccolò Machiavelli: Opere. Bd. 11: Appendice, Indice. Hg. von Sergio Bertelli. Verona 1982, S. 302.   zurück
22 
Cicero, Epistulae ad familiars,1988 (wie Anm. 16), S. 77.   zurück
23 
Machiavelli, Opere 11 (wie Anm. 21), S. 137, 279.   zurück
24 
Ebd., S. 302.   zurück
25 
Peter Godman: From Poliziano to Machiavelli. Florentine humanism in the high renaissance. Princeton 1998, S. 239–241; Demetrio Marzi: La cancelleria della repubblica Fiorentina. Rocca S. Casciano 1910, S. 287 f. u.ö.; G. Inglese: Machiavelli, Niccolò. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 67. Rom 2006, S. 81–97.   zurück
26 
Fachard, Buonaccorsi (wie Anm. 20), S. 14, 156.   zurück
27 
Niccolò Machiavelli: Opere. Bd. 5: Epistolario. Hg. von Sergio Bertelli. Mailand 1969, Nr. 11, 13, 16, 19, 27, 93, 118, 122, 145.   zurück
28 
Godman, Poliziano (wie Anm. 25), S. 239.   zurück
29 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 583.   zurück
30 
Cornel Zwierlein: Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 74) Göttingen 2006, S. 75.   zurück
31 
Roberto Ridolfi: Spigolature machiavelliane: la ›contraffazione‹ de Decennale. In: Bibliofilia 56/57 (1954/55), S. 196–202, Abb. der Vorrede auf S. 197; Ernest Hatch Wilkins / William A. Jackson / Richard H. Rouse,:The early editions of Machiavelli’s first Decennale. In: Studies in the Renaissance 11 (1964), S. 76–88, Abb. der Vorrede auf S. 80; Niccolò Machiavelli: Opere. Bd. 10: Bibliografia. Hg. von Sergio Bertelli u. Piero Innocenti. Verona 1979, S. 3 Nr. 2 f.   zurück
32 
Charles Nicholl: Leonardo da Vinci. Die Biographie. Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Frankfurt/M. 2006, S. 443 f., 452, 454 f.   zurück
33 
Frank Zöllner: Leonardo da Vinci 1452–1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen. Hong Kong u.a. 2007, S. 164, 243; The literary works of Leonardo da Vinci. Compiled and edited from the original manuscripts by Jean Paul Richter. Commentary by Carlo Pedretti. Bd. 1. (National Gallery of Art: Kress Foundation. Studies in the history of European art) New York 1977, S. 381 f. Nr. 669.   zurück
34 
Carlo Pedretti: Documenti e memorie riguardanti Leonardo da Vinci a Bologna e in Emilia. Bologna 1953, S. 154 f. Nr. 75; Carlo Pedretti: ›Eccetera: perché la minestra si fredda‹. (Codice Arundel, fol. 245 recto) XV Lettura Vinciana. Vinci, Biblioteca Leonardiana 15 aprile 1975. Florenz 1973, S. 23 u. Abb. 24; Nicholl, Leonardo da Vinci (wie Anm. 32), S. 521 f.   zurück
35 
Machiavelli, Opere 5 (wie Anm. 27), Nr. 122.   zurück
36 
The literary works of Leonardo da Vinci […] Commentary by Carlo Pedretti. Bd. 1 (wie Anm. 33), S. 382 u. Anm. 1; Machiavelli, Opere 11 (wie Anm. 21), S  279, 303.   zurück
37 
John M. Najemy: A history of Florence 1200–1575. Malden u.a. 2006, S. 398; Lauro Martines: Lawyers and statecraft in renaissance Florence. Princeton 1968, S. 441–444; zu Guidantonio Vespucci siehe ebd., S. 494 Nr. 91.   zurück
38 
Cicero, Epistulae ad familiars, 1988 (wie Anm. 16), S. 279.    zurück
39 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 40.   zurück
40 
Roberto Ridolfi, Vita di Niccolò Machiavelli, 2. Aufl., Rom 1954, S. 71; Machiavelli, Opere 5 (wie Anm. 27), Nr. 16, 19.   zurück
41 
Angelo Maria Bandini: Vita di Amerigo Vespucci. Hg. von Gustavo Uzielli. Florenz 1898, Albero della famiglia Vespucci; Francesco Guicciardini: Scritti autobiografici e rari. Hg. von Roberto Palmarocchi. (F. Guicciardini, Opere 9) Bari 1936, S. 59, 76.   zurück
42 
Cicero, Epistula ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 276.   zurück
43 
Najemy, History (wie Anm. 37), S. 402.   zurück
44 
Ebd., S. 404 f.   zurück
45 
Machiavelli, Opere 11 (wie Anm. 21), S. 277   zurück
46 
Nicolai Rubinstein: Machiavelli and the mural decoration of the hall of the Great Council of Florence. In: Musagetes. Festschrift für Wolfram Prinz zu seinem 60. Geburtstag am 5. Februar 1989. Hg. von Ronald Kecks. Berlin 1991, S. 275 f.   zurück
47 
Fachard, Buonaccorsi (wie Anm. 20), S. 29 Anm. 39.    zurück
48 
Rubinstein, Machiavelli (wie Anm. 46), S. 281–284; Najemy, History (wie Anm. 37), S. 409–412.   zurück
49 
Inglese, Machiavelli (wie Anm. 25), S. 84.   zurück
50 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 145.   zurück
51 
Signatur B88T27/ U 53/ F; Paul Oskar Kristeller: Iter Italicum. Accedunt alia itinera. A finding list of uncatalogued or incompletely catalogued humanistic manuscripts […]. Bd. 5. London, Leiden 1990, S. 315a.    zurück
52 
Roberto Almagià: Un fiorentino in Spagna al principio del secolo XVI. In: Studi in onore di Gino Luzzatto. Bd. 2. Mailand 1950, S. 136–143.   zurück
53 
Paul Oskar Kristeller: Iter Italicum. A finding list of uncatalogued or incompletely catalogued humanistic manuscripts […]. Bd. 2. London, Leiden 1967, S. 321b, 421a, 601a.   zurück
54 
P. Malanima: Corsi, Giovanni. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 29. Rom 1983, S. 567–570.   zurück
55 
Machiavelli and his friends. Their personal correspondence. Übersetzt und hg. von James B. Atkinson u. David Sices. Dekalb 1996, S. 516.    zurück
56 
Bandini, Amerigo Vespucci (wie Anm. 41), Albero; Almagià, Un fiorentino (wie Anm. 52), S. 142 f.   zurück
57 
P. Jodogne/G. Benzoni, Guicciardini, Francesco, in: Dizionario biografico degli Italiani, Bd. 61, Rom 2003, S. 90–104, bes. S. 90f.   zurück
58 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 524.   zurück
59 
Almagià, Un fiorentino (wie Anm. 52), S. 137; S. Foà: Landino, Cristoforo. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 63. Rom 2004, S. 428–433.   zurück
60 
M. Winterbottom: Cicero. De inventione and Ad Herennium. In: L. D. Reynolds (Hg.): Texts and transmission. A survey of the latin classics. 2. Aufl. Oxford 1998, S. 98–100.    zurück
61 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 433.   zurück
62 
Ebd., S. 439.   zurück
63 
Georg Schwaiger: Leo X. In: Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl. Hg. von Walter Kasper u.a. Bd. 6. Freiburg u.a. 1997, Sp. 825–827.   zurück
64 
Najemy, History (wie Anm. 37), S. 447.   zurück
65 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 239.   zurück
66 
Najemy, History (wie Anm. 37), S. 453–461.   zurück
67 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1988 (wie Anm. 16), S. 149.   zurück
68 
Ebd., S. 346.    zurück
69 
»ista« aus »isti«.   zurück
70 
Najemy, History (wie Anm. 37), S. 461.   zurück
71 
Arnaldo della Torre: Storia dell’accademia platonica in Firenze. Florenz 1902.   zurück
72 
A. Grafton: On the scholarship of Politian and its context. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 40 (1977), S. 152–167.   zurück
73 
Ida Maier: Les manuscrits d’Ange Politien. Catalogue descriptif. Avec dix-neuf documents inédits en appendice. Genf 1965, S. 13.   zurück
74 
Maier, Manuscrits (wie Anm. 73), S. 343 f.   zurück
75 
Vladimír Juřen: Les notes de Politien sur les lettres de Cicéron à Brutus, Quintus et Atticus. In: Rinascimento, 2. Folge, 28 (1988), S. 235–256    zurück
76 
Maier, Manuscrits (wie Anm. 73), S. 350–355.   zurück
77 
Ebd., S. 329–362; Pico, Poliziano e l’umanesimo de fine Quattrocento. Biblioteca Medicea Laurenziana 4 novembre – 31 dicembre 1994. Catalogo a cura di Paolo Viti. Florenz 1994, S. 305–343.   zurück
78 
Angelo Poliziano: Miscellaneorum centuria secunda. Kritische Edition von Vittore Branca und Manlio Pastore Stocchi. Bd. 1: Introduzione. Florenz 1972, S. 16–30; zu Polizianos Schwerpunkten in Forschung und Lehre in seinen letzten Lebensjahren siehe Armando F. Verde: Lo studio Fiorentino 1473–1503. Ricerche e documenti. Bd. 4: La vita universitaria. Teil 3: Anni scolastici 1491/2 – 1502/3. Florenz 1985, S. 1087–1092, 1124–1135.   zurück
79 
Bernhard Bischoff: Die Abtei Lorsch im Spiegel ihrer Handschriften. (Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Sonderband 10) 2. Aufl. Lorsch 1989, S. 88, Anm. 108, 104; Angelika Häse: Mittelalterliche Bücherverzeichnisse aus Kloster Lorsch. Einleitung, Edition und Kommentar. (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 42) Wiesbaden 2002, S. 164, S. 300 f. Nr. 314.   zurück
80 
So schon 1879 Anton Viertel: Die Wiederauffindung von Ciceros Briefen durch Petrarca. Eine philologisch-kritische Untersuchung. (Wissenschaftliche Beilage zum Michaelis-Programm des Königlichen Wilhelms-Gymnasiums zu Königsberg in Pr. 1879) Königsberg 1879 passim.   zurück
81 
R. H. Rouse: Cicero, Epistulae ad familiars. In: Reynolds, Texts and transmission (wie Anm. 60), S. 138–142.   zurück
82 
Grafton, Scholarship (wie Anm. 72), S. 167 und Anm. 55.   zurück
83 
Berthold L. Ullman / Philip A. Stadter: The public library of renaissance Florence. Niccolò Niccoli, Cosimo de’ Medici and the library of San Marco. (Medioevo e umanesimo 10) Padua 1972, S. 109, S. 229 Nr. 889.   zurück
84 
P. Viti: Filelfo, Francesco. In: Dizionario biografico degli Italiani. Bd. 47. Rom 1997, S. 613–626.   zurück
85 
Ludwig Mendelssohn: Weiteres zur Überlieferung von Ciceros Briefen. In: Jahrbücher für classische Philologie 30 (1884), S. 847.   zurück
86 
Maier, Manuscrits (wie Anm. 73), S. 430.   zurück
87 
Machiavelli, Opere 11 (wie Anm. 21), S. 244.   zurück
88 
Silvia Rizzo: Il lessico filologico degli umanisti. (Sussidi eruditi 26) Rom 1973, S. 147–164.   zurück
89 
Ebd., S. 276–279.   zurück
90 
Émile Chatelain: Paléographie des classiques latins. Bd. 1. Paris 1884, Tafel 34, 36.   zurück
91 
B. Munk Olsen: L’étude des auteurs classiques latins aux XIe et XIIe siècles. Bd. 1: Catalogue des manuscrits classiques latins copiés du IXe au XIIe siècle. Apicius – Juvénal. Paris 1982, S. 174.   zurück
92 
Cicero, Epistulae ad familiars, 1988 (wie Anm. 16), S. 26.   zurück
93 
Cicero, Epistulae ad familiares. Hg. von D. R. Shackleton Bailey. Bd. 1–2. Cambridge u.a. 1977, hier Bd. 1, S. 312.   zurück
94 
Die Glosse zeigt die Graphie »vexillo«, die analog zu »cancell« (zu »cancellarius«) auf Bl. 29b und zu »cancello« (zu »cancellario«) auf Bl. 82b (s.o.) als »vexillario« oder als »vexillifero« aufzulösen ist. Gemeint ist in jedem Fall der Gonfaloniere di giustizia Piero Soderini. Vgl. Ugo Cassina: Glossario internationale non latino classico. In: Schola et vita 9 (1934), S. 228; Probst, Entstehungsgeschichte (wie Anm. 6), S. 13.   zurück
95 
Frank Zöllner: Leonardo’s portrait of Mona Lisa del Giocondo. In: Gazette des beaux-arts, März 1993, S. 119 f.   zurück
96 
Guiseppe Pallanti: La vera identità della Gioconda. Un mistero svelato. Mailand 2006, S. 87.   zurück
97 
Nicholl, Leonardo da Vinci (wie Anm. 32), S. 463–466.   zurück
98 
Giorgio Vasari: Le vite de’ più eccellenti pittori scultori e architettori nelle redazioni del 1550 e 1568. Textband. Hg. von Rosanna Bettarini […]. Bd. 4, Florenz 1976, S. 30.   zurück
99 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 240 f.   zurück
100 
Ebd., S. 154; Pallanti, Identità (wie Anm. 96), S. 55–61.   zurück
101 
Pallanti, Identità (wie Anm. 96), S. 88–91.   zurück
102 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 154; Pallanti, Identità (wie Anm. 96), S. 60 f., 66.   zurück
103 
Zöllner, Leonardo’s portrait (wie Anm. 95), S. 119, 121; Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 240 f.   zurück
104 
Pallanti, Identità (wie Anm. 96), S. 73, 92, Abdruck des Testaments S. 103–111.   zurück
105 
Ebd., S. 93–98; Zöllner, Leonardo’s portrait (wie Anm. 95), S. 117 f.   zurück
106 
Vasari, Vite (wie Anm. 98), S. 24.   zurück
107 
Ebd., S. 19, 23.   zurück
108 
Ebd., S. 38.   zurück
109 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 143–145, 234 f.   zurück
110 
Vasari, Vite (wie Anm. 98), S. 29 f.   zurück
111 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 244 f.   zurück
112 
Nicolai Rubinstein: The Palazzo Vecchio 1298–1532. Government, architecture, and imagery in the civic palace of the Florentine republic. Oxford 1995, S. 73.   zurück
113 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 164, 242 f.   zurück
114 
Rubinstein, Machiavelli (wie Anm. 46), S. 276 und Anm. 10; Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 164.    zurück
115 
Zöllner, Leonardo da Vinci (wie Anm. 33), S. 242 f.   zurück
116 
Halm: Gräve, Johann Georg. In: Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 9. Nachdruck Berlin 1968, S. 612 f.; Nieuw nederlandsch biografisch woordenboek. Bd.1–10. Hg. von P. C. Molhuysen und P. J. Blok bzw. Fr. K. H. Kossmann. Leiden 1918–1937, hier Bd. 4, Sp. 669 f.; Richard G. Maber (Hg.): Publishing in the republic of letters. The Ménage-Graevius-Wetstein correspondence 1679–1692. (Studies in the history of ideas in the Low Countries) Amsterdam, New York 2005, S. 11–14.   zurück
117 
Catalogus Bibliothecae luculentissimae, et libris rarissimis instructae, qua usus est, dum viveret vir summus Jo. Georgius Graevius […]. Utrecht 1703.   zurück
118 
Armin Schlechter: Gelehrten- und Klosterbibliotheken in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Ein Überblick. (Heidelberger Bibliotheksschriften 43) Heidelberg 1990, S. 13 f.   zurück
119 
Signatur: B 2765-1-7 oct. Inc.; Woordenboek (wie Anm. 116), Bd. 4, Sp. 58 f.   zurück
120 
Signatur: D 1228 qt. Inc.; Woordenboek (wie Anm. 116), Bd. 6, Sp. 425–429.   zurück
121 
Signatur: D 2121 oct. Inc.; Catherine F. Gunderson / Peter G. Bietenholz : Alaard of Amsterdam. In: Contemporaries of Erasmus. A biographical register of the renaissance and reformation. Hg. von Peter G. Bietenholz und Thomas B. Deutscher. Bd. 1. Toronto u.a. 1985, S. 19–21.    zurück
122 
Signatur: D 7105 qt. Inc.; Woordenboek (wie Anm. 116), Bd. 2, Sp. 1191–1193.   zurück
123 
Signatur: D 5965 qt. Inc.; Dennis Everard Rhodes : A Dutch 17th-century book-collector: Paulus Terhaarius. In: Quaerendo 6 (1976), S. 347–351.   zurück
124 
Signatur: D 8070 qt. Inc.; Woordenboek (wie Anm. 116), Bd. 8, Sp. 351; Dirk M. Schenkeveld : A rhetorical grammar. C. Iulius Romanus. Introduction to the Liber de adverbio. Leiden, Boston 2004, S. 133–135.   zurück
125 
»Praeter autem codices, quibus Cauchiorum nomina adscripsimus, quia ab iis olim possessos fronti librorum ipsorum nomen adscriptum docebat, alios esse qui eorum manus referant […]«; Catalogus Bibliothecae (wie Anm. 117), S. VI-VII.   zurück
126 
Cicero, Marcus Tullius: Orationes. Hg. von Lodovico de Costacciaro. [Venedig]: Adam von Ammergau 1472 (GW 6766). Signatur: D 7388 qt. Inc.; M. Tullii Ciceronis Orationes ex recensione Ioannis Georgii Graevii cum ejusdem animadversionibus […]. Bd. 1,1. Amsterdam 1699, S. [XIV f.].   zurück
127 
M. Tullii Ciceroni: Epistolarum libri XVI. Ad familiares ut vulgo vocantur, ex recensione Io. Georgii Graevii cum ejusdem animadversionibus. Amsterdam 1689.   zurück
128 
Cicero, Epistulae ad familiares, 1977, Bd. 1 (wie Anm. 93), S. 4, 7.   zurück
129 
Cicero, Marcus Tullius: Epistolae ad familiares. Daran: Gellius, Aulus: [Noctes Atticae, Ausz. III,8:] Epistola Gaii Fabricii et Quinti Aemilii consulum super proditione ad regem Pyrrhum. [Venedig: Philippus Petri], 1475 (GW 6816). Signatur: D 7619 qt. Inc.   zurück
130 
Catalogus Bibliothecae (wie Anm. 117), S. 155 f. Nr. 64–66: »[Ciceronis] Epistolae ad familiares 1475; eaedem Mediol. Editio antiqua; eaedem 1477. Cum notis MSS.«   zurück
131 
M. Tullii Ciceronis Epistularum libri XVI (wie Anm. 127), S. [VII-IX].   zurück
132 
Nicholl, Leonardo da Vinci (wie Anm. 32), S. 462–469.   zurück