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Auktorialität und/oder Moderne?

Eine Neubewertung der Erzählverfahren
Brochs und Musils

  • Gunther Martens: Beobachtungen der Moderne in Hermann Brochs 'Die Schlafwandler' und Robert Musils 'Der Mann ohne Eigenschaften'. Rhetorische und narratologische Aspekte von Interdiskursivität. (Musil-Studien 35) München: Wilhelm Fink 2006. 434 S. Paperback. EUR (D) 61,70.
    ISBN: 3-7705-4221-5.
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Mit seiner breit angelegten Untersuchung, die eine überarbeitete und gekürzte 1 Fassung einer 2003 vom Fachbereich Deutsch (Literatur) der Universität Gent (Belgien) angenommenen Dissertation darstellt, beansprucht der Verfasser, eine grundlegende Neuorientierung in der Erforschung zweier ›klassischer‹ modernistischer Romane in deutscher Sprache anzustoßen: Während bisher (angeblich) fast ausschließlich die romanesken Inhaltsebenen von Hermann Brochs Die Schlafwandler (1930/31/32) und Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften (1930/32/postum) im Zentrum der literaturwissenschaftlichen Aufmerksamkeit standen, gelte es allererst einmal, deren komplexes Erzählverfahren – insbesondere die »narratologische Struktur des Meta-Diskurses« (S. 14) – zu untersuchen. Zwar existieren auch dazu bereits einschlägige Studien 2 – die Themenstellung der Arbeit ist also »an sich kein philologisches Neuland« (S. 18) –, doch seien diese oft methodisch defizitär, weil sie etwa »Musils Erzähltechnik zur Gänze aus seiner eigenen Poetik heraus« zu erklären versuchen, statt sich an konkrete Textbeobachtungen zu halten (vgl. S. 41, Anm. 27).

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Zum Ausgangs- und Zielpunkt seiner Überlegungen erklärt Martens »Brochs und Musils Positionierung gegenüber dem soziologisch/philosophischen Komplex ›Moderne – Modernität – Modernisierung‹«, die er »anhand der erzähltechnischen Verarbeitung und Inskription von Theorie in Fiktion« untersuchen möchte und »dabei eine stilistische und rhetorische Befragung und Differenzierung des Epochenbegriffs ›Modernismus‹« bezweckt (S. 17). Darüber hinaus beansprucht er ohne falsche Bescheidenheit, »die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Fiktion, nach der Integration von essayistischen und narrativen Diskursen« überhaupt zu beantworten bzw. »einen Neuzugang zu der Problematik [zu] erarbeiten«; den eigenen Ansatz bezeichnet er in diesem Zusammenhang als »formalistisch-narratologische Methode« (S. 18). Als »Grundthese« der gesamten Untersuchung formuliert Martens die allgemeine Erwartung, »dass sich im Werk Brochs und Musils eine Bruchlinie innerhalb des Modernismus artikuliert, die sich auf ihre Positionierung gegenüber der (breiteren, philosophisch und soziologisch verstandenen) Modernisierung bezieht; ihre unterschiedliche Ausrichtung schlägt sich in einer spezifischen Anwendung erzähltechnischer Verfahren nieder.« (S. 19)

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Theorie und Fiktion

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Nachdem so die Voraussetzungen der Arbeit benannt wurden, widmet sich der Verfasser im Einleitungsteil dem Verhältnis zwischen Theorie und Fiktion (S. 19–28), skizziert seine Fragen an die Poetologien und Erzählverfahren Brochs und Musils (S. 28–31) sowie seine Antworten auf die Problematik der Beziehung zwischen Modernismus und Kritischer Theorie bzw. Systemtheorie (S. 31–37). Im Anschluss daran diskutiert er die für seine Argumentation konstitutiven Konzepte Auktorialität, Performativität und Interdiskursivität (S. 38–49) – das zuletzt genannte nicht ganz nachvollziehbar in einem eigenen Kapitel – und gibt schließlich einen äußerst knappen Abriss der Struktur seiner Arbeit, der allerdings nicht mit der tatsächlichen Gliederung übereinstimmt (den angekündigten »Teil 4: Interdiskursivität« [S. 49] sucht man vergeblich und findet an seiner Stelle »Teil IV Schlussfolgerung und Ausblick« [S. 383]). Den eigentlichen Kern der Arbeit bilden »Teil II Spielräume des auktorialen Diskurses« und »Teil III Versionen der Modernität«, die in ihrer an den beiden Autoren ausgerichteten Binnenstruktur aber keineswegs komplementär angelegt sind.

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Während der Abschnitt zu Broch im zweiten Teil eher punktuell das Verhältnis von Thesenroman und Auktorialität anhand von exemplarischen Analysen der Methodologischen Novelle und des kurzen »Kaiserpanorama«-Kapitels aus den Schlafwandlern untersucht, wendet sich der entsprechende Abschnitt über Musil zunächst allgemein den erzählerischen Figurationen der Ironie im Mann ohne Eigenschaften zu, um dann viel ausführlicher und anhand von Figurenanalysen die auktoriale Beschreibungsregie in ihrer Funktion als Medium narrativer Ideologiekritik zu rekonstruieren. Gleiches gilt für den dritten Teil, der unter dem suggestiven Stichwort »Ablehnung der Modernität bei Broch« zunächst die einzelnen Romane der Trilogie bzw. ihre Protagonisten in den Blick nimmt, um daraufhin die Funktion der Theorie im Roman – streckenweise in Form eines Forschungsberichts – zu diskutieren; dagegen arbeitet sich der Abschnitt über Musil unter dem Label »Affirmation der Modernität« zunächst am berühmten Anfangskapitel des Mann ohne Eigenschaften ab, um in der Folge die erzählerischen Implikationen des funktionalistischen Denkens, der relationalen Moraltheorie sowie ›lebensweltlicher Experimente‹ zu ergründen und die »sprachlich-narratologische [!] Ideologiekritik« (S. 368) am Beispiel der von Musil bevorzugten rhetorischen Figuren Katachrese und Syllepse zu untersuchen. Dies alles erfolgt nun unter verstärktem Rekurs auf die Kategorien und Ergebnisse der Luhmannschen Systemtheorie. Die griffige, durchaus nicht um übermäßige Konzilianz bemühte Argumentation Martens’ ist bestens dazu angetan, stellenweise kritische Fragen oder gar Einwände zu provozieren. Ein paar mögliche seien im Folgenden artikuliert.

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Einwände

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Zwar weist Martens zurecht darauf hin, dass die »postmoderne Rezeption des Romans vor allem aus dessen selbstreferentiellen Tendenzen schöpft, diese jedoch unterkomplex, nämlich mimetisch (also unter Berufung auf die herkömmliche, organische Einheit oder Übereinstimmung von Inhalt und Form) anwendet.« (S. 20 f.; vgl. S. 261) Mit anderen Worten: Postmoderne Deutungen wie jene von Hartmut Böhme oder Rolf Günter Renner 3 schließen aus den propositionalen Behauptungen der Erzählstimme auf die tatsächliche rhetorische Gestalt des Erzähltextes kurz. Wenn Martens aber demgegenüber den Begriff des ›Essays‹ gemeinsam mit denen der ›Theorie‹ oder des ›Exkurses‹ einem »bestimmten Sprech- und Fokalisationsmodus« bzw. einer »Form der abstrakten und nullfokalisierenden Darstellung« zurechnet, »die der Tendenz nach eine aperspektivische, allgemeine Geltung beansprucht« (S. 19), dann stellt sich zumindest hinsichtlich Musils die Frage, ob diese streng narratologische Definition nicht von vornherein den tentativen, niemals definitiven Charakter des essayistischen Reflektierens im Mann ohne Eigenschaften verfehlt. Dieser Charakter ist nämlich nur zu einem Teil aus der sprachlichen Modalität (Konjunktiv, Ironie) abzuleiten, zum anderen aber aus dem variierenden Status und der differentiellen Relation unterschiedlicher nullfokalisierter Aussagen zueinander, wodurch eine Suggestion ›allgemeiner Geltung‹ häufig gerade hintertrieben wird.

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Wenig Sympathie beweist der Verfasser für jene Untersuchungen, die das für Musil und Broch konstitutive Verhältnis von Erzähltext und Theorie von der »Außenseite der Texte« angehen, etwa hinsichtlich »ihres Dialoges mit Wissenschaften und Theorien.« Diese tendierten ihm zufolge nämlich einerseits »dazu, dass ein mit dem Attribut ›klassisch‹ versehener Autor wie Musil immer wieder als historischer Exponent beziehungsweise prophetische Antizipation eines (zeitgenössischen oder aktuellen) Ideenkorpus gesehen« werde (S. 21). Andererseits huldige man dadurch prinzipiell einer bloßen »Vehikel-Vorstellung von Ideen« (S. 26), was von Musil selbst ausdrücklich abgelehnt worden sei. Gegen die tatsächlich weitverbreitete Vorstellung, dass in den essayistischen Romanen Brochs und Musils ›fertiges Wissen‹ auf eine erzählerisch wenig avancierte Weise allegorisiert werde, lenkt Martens die Aufmerksamkeit nicht zu Unrecht »auf die Literarizität von essayverliebten und theoriegesättigten literarischen Texten«, behandelt das »Theorie-Fiktion-Problem« also »nicht auf der Ebene der Intertextualität, sondern im Bereich der textinternen Integration« (S. 22) und fragt dort nach der spezifischen »Funktionalisierung und ›Relationierung‹« (S. 24). 4 Die solcherart auf erzähltechnische Strategien ausgerichtete formale und textimmanente Analyse ermögliche es etwa, »sich auf Broch einzulassen, ohne kritisch-verwerfend sein zu müssen und ohne Broch sofort auf den umstrittenen Faschismus-Vorwurf festzulegen.« (S. 25) Damit ist sicherlich ein unbestreitbarer Vorzug des rezensierten Buchs benannt, doch sei die Frage erlaubt, ob nur der hier eingeschlagene Weg nach Rom führt, wie der Verfasser doch recht ausschließlich suggeriert.

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Tatsächlich »ist es philologisch nicht unbedenklich, sich so über Fragen der Inskription von Theorie hinwegzusetzen«, wie es offenbar die philosophische Musil-Interpretin Sabine Döring tut, 5 wenn sie in analytischer Absicht »wirklich alle Bauformen des Erzählens (Erzählpräteritum, Fokalisation usw.) sorgfältig entfernt[ ]« (S. 25). Dennoch scheint es nicht unbedingt zwingend, ideengeschichtlich ausgerichtete Untersuchungen wie jene Florence Vatans 6 generell auf die ridikülisierte Absicht zu reduzieren, »jeder Lektüre Musils nachzuspüren und […] die Einflüsse auf sein Denken nachzuweisen.« (S. 25 f.) Nicht jede Arbeit, »die das Werk auf der Ebene der zeitgenössischen Diskussion« zu interpretieren sucht, führt – horribile dictu – als »rein doxographische Beschreibung« notwendig zu Langeweile und Überdruss (S. 27 f.), was umgekehrt genauso von ahistorisch-narratologischen Studien gilt, die unterschiedlichster Qualität sein können.

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Während Martens der Musil-Forschung somit nicht ohne Berechtigung vorhält, den Autor »vor allem über Fremdreferenz, also über die Texte und Theorien, die er selbst rezipiert hat«, zu erschließen und sich insgesamt allein auf die Inhaltsseite seines Romans zu kaprizieren (S. 25 f.), beschreitet er, der »eher als Inhalte argumentative Strukturen aufdecken möchte« (S. 28), den entgegengesetzten Weg, indem er sich für die sozial-, diskurs- und ideengeschichtliche Signatur der Musilschen Themen und Verfahren kaum interessiert und die dennoch beanspruchte Berücksichtigung der diachronen Ebene (S. 49) allein über formalistische bzw. narratologische Beobachtungen verfolgt. War bisher also die Ausdrucksseite ein Stiefkind der Forschung zu den beiden Autoren, so gerät nun die Inhaltsseite in den Schlagschatten der Perspektive.

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Formalistische und narratologische Beobachtungen

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Vermittelt wird dadurch der Eindruck einer von der zeitgeschichtlichen Tinktur und den lebensweltlichen wie theoretischen Prätexten klinisch gereinigten Form literarischer ›Systemgeschichte‹, deren interpretatorischen Bezugspunkt in erster Linie die (notwendig selektiv zur Kenntnis genommene) gegenwärtige ›Theorie-Debatte‹ bildet. Darüber hinaus überzeugt die Polemik gegen Vatans (angebliche) Analysekriterien wie »Geist, Zeitgeist, geistiges Klima usw.« nur bedingt, denn »homogenisierende[n] Einheitsvorstellungen« dieser Art werden ihr durchaus nicht »bereits von Musils Texten selbst aus den Händen geschlagen« (S. 26), wie Martens etwas überpointiert: Zwar findet sich im essayistischen Nachlass Musils eine hübsche ironische Wendung gegen Essentialisierungen à la »Geist einer Epoche« (GW 8, 1378), doch benützt der Erzähler des Mann ohne Eigenschaften – freilich nicht ohne eine gehörige Portion Ironie – selbst relativ häufig ebensolche Formulierungen mit Kollektivsubjekten wie »das Jahrhundert« (MoE 54), der »Geist der letzten zwei Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts« (MoE 55) oder »der deutsche Mensch« (MoE 57), um nur eine willkürliche Auswahl zu treffen.

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Weniger Kontroversielles bietet Martens in seiner kurzen Einleitung zu Broch und Musil, die sich vom Vorhaben distanziert, beide Autoren bzw. Werke gleichgewichtig zu behandeln. Tatsächlich erstrecken sich die aspektgeleiteten Ausführungen zu den Schlafwandlern über gut 100 Seiten (S. 51–108 u. 191–252), während die Analysen zum Mann ohne Eigenschaften fast doppelt so viele Seiten (mehr als 200) in Anspruch nehmen (S. 109–190 u. 253–382). Der Grund für dieses Ungleichgewicht liegt wohl weniger in den unterschiedlichen Dimensionen der beiden großen Erzähltexte, sondern eher in den geschmacklichen Präferenzen des Verfassers, der sich auf die »Entscheidung« beruft, »die Texte auf das hin zu untersuchen, was sie am besten und am prägnantesten – im Sinne von Spezifität –›leisten‹.« (S. 29) Demnach ›leistet‹ Der Mann ohne Eigenschaften offenbar einfach mehr.

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Methodenprobleme

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Anhand der Untersuchung beider Romane stellt Martens daraufhin eine allgemeine »Klärung von Methodenproblemen« in Aussicht, »die sich aus der Konstitution hybrider, theoretisch-fiktionaler Werke ergeben«, und wirft dabei die Frage auf, ob essayistische Romane solcher Machart überhaupt »für eine rhetorisch-narratologische Fragestellung fruchtbar gemacht werden« können (und nicht umgekehrt) – deren positive Beantwortung er freilich voraussetzt, zumal er mit seiner »Schwerpunktbildung in Narratologie und (Text-)Rhetorik« anstrebt, »den Ruf der ›Literaturferne‹ […], der beiden Autoren anhaftet, zu entkräften.« (S. 29) Was Musil betrifft, beansprucht Martens, diesen »nicht sosehr von seiner esoterischen, mystischen Seite, sondern von seiner tageshellen, fast soziologischen Seite zu beleuchten«; in Analogie dazu ist es ihm mit Blick auf Broch darum zu tun, dessen »theologisch inspirierte Kategorie der ›Wirkung‹ […] auf ein irdisches Maß, nämlich auf die Wirkungsstruktur von Überzeugungsmechanismen in seinen Texten zurückzuführen«; 7 außerdem möchte er die leidige »Debatte um die kritische und oder [sic] affirmative Broch-Forschung« dadurch überwinden, dass »das Problem der Autorintention in einen verbindlichen narratologischen Rahmen hineingestellt [!] wird« (S. 29).

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Ausgehend von der »These«, dass bisher »vor allem Musils Beobachtungen der Moderne zu stark mit einem […] von der Kritischen Theorie (denkbar) geprägten Blick wahrgenommen worden sind«, sucht Martens »nach einer weniger selbstsicheren, mehr selbstreflexiven und selbstinklusiven Form der Ideologiekritik« (S. 30), 8 die er in einer partiellen Anlehnung (vgl. aber die Einschränkung S. 253) an die ›funktionalistische Systemtheorie‹ Niklas Luhmanns gewinnen zu können glaubt. Diese methodologische Entscheidung ist prima vista nachvollziehbar, doch wohl nicht ganz so kühn, wie es scheinen mag: Zum einen hat der vom Verfasser inkriminierte »Doublebind zwischen Modernismus-Forschung und der einflussreichen Kritischen Theorie« (S. 31) schon lange an Kredit eingebüßt und wird heute – wie die Kritische Theorie überhaupt – kaum noch ernsthaft vertreten. Zum anderen reiht sich Martens mit seiner Berufung auf die Systemtheorie in eine mittlerweile stattliche Reihe von Musil-Studien ein, 9 die sich ebenfalls mehr oder weniger konsequent darauf stützen und auf dieser Grundlage zum Teil bemerkenswerte Ergebnisse erzielen.

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Die umständliche methodologische Legitimierung der vorliegenden Untersuchung rennt hier offene Türen ein. Mit Blick auf die beanspruchte Neubegründung der Ideologiekritik scheint es allerdings nicht ganz unproblematisch, dass der von vielen (zumeist älteren) Arbeiten zurecht herausgestrichene, eminent ideologiekritische Aspekt des Musilschen Romans, 10 den Martens ja gerade ins rechte Licht rücken möchte, unter dieser Optik tendenziell verschwindet bzw. theoretisch nicht mehr sinnvoll integrierbar scheint. 11 In Martens’ Buch, das sich ausdrücklich vornimmt, »das theoretische Geschäft der Ideologiekritik und Modernitätsanalyse mit narratologischen Kriterien zu untersuchen« (S. 15), hat er jedenfalls eine prominente Rolle inne, ohne allerdings mit der beanspruchten systemtheoretischen Ausrichtung – verstanden »nicht als Methodologie, sondern eher als heuristische[r] Begleitbehelf« (S. 34) – argumentativ vermittelt zu werden. Im Gegenteil: Wenn Martens Luhmanns Ansatz als Versuch versteht, »die soziologische Theorie vom Paradigma der Handlungstheorie auf eine Kommunikationstheorie umzustellen« und in der Folge »die traditionellen Begriffe« radikal »beobachterabhängig zu denken« (S. 34), dann entzieht er seinem eigenen ›selbstreflexiven und selbstinklusiven‹ ideologiekritischen Anspruch die heuristische Grundlage.

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Auktorialität und Moderne

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Nicht nur sympathisch, sondern auch heuristisch überaus sinnvoll ist hingegen Martens’ Weigerung, die geläufige Festschreibung des Modernismus auf eine »Opposition gegen die Effekte der Modernisierung« mitzumachen und ihm damit generell »ein sehr konservatives und reaktionäres Profil« aufzubürden (S. 31), was in gewissen Grenzen vielleicht noch bei Broch angehen würde, keinesfalls aber bei Musil. Dass die Differenzierung unhaltbarer Verallgemeinerungen ein wichtiges Pensum neuer Forschung zur Literatur der ›klassischen Moderne‹ ist, zeigt Martens auch durch seine längst überfällige Zurückweisung der pauschalen Behauptung, der Modernismus »kümmere sich nicht um soziale und kollektive Fragen, sondern betone die subjektive Erfahrung individueller Personen (nicht von Kollektiven), die subtilen Gefühle und Gedanken Einzelner.« (S. 32) Aufgrund ihrer darstellungstheoretischen Voraussetzungen wird die Erzählliteratur zwar immer auf die narrative Gestaltung von ›Gefühlen und Gedanken Einzelner‹ abzielen, was aber keineswegs ausschließt, damit synekdochisch auch überindividuelle Problemfelder zu behandeln, wie gerade der Blick auf Broch und Musil nahelegt.

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Insofern überrascht es kaum, dass die gemeinhin als typisch modernistisch geltenden Erzählverfahren wie die Aufhebung einer einheitlichen Erzählinstanz und den dadurch bewirkten Multiperspektivismus, die Verwendung des ›inneren Monologs‹, das Vorherrschen einer ›subjektiven Zeit‹ sowie die stilistische Modalisierung (Wahrscheinlichkeit statt Wahrheit) für die hier untersuchten Texte nur bedingt einschlägig sind. Gegen »die einseitige Betonung des Perspektivismus und das damit einhergehende Zurücktreten oder Verschwinden des auktorialen Erzählers« bringt Martens nicht die Tatsache in Anschlag, dass ein auktorialer Erzähler keineswegs notwendig Perspektivismus ausschließt, sondern verfolgt die These, »dass Auktorialität durchaus in der Fiktion Brochs und Musils präsent bleibt, dass sich aber die Performativität dieser augenscheinlich traditionellen Erzählkonvention geändert hat.« (S. 33 f.)

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Damit sind die beiden theoretischen Grundbegriffe benannt, mit denen in der Folge operiert wird. Hinsichtlich der Auktorialität beklagt Martens dabei nicht unberechtigt, dass »sich die Erzählforschung im Bereich der internen Fokalisation und der Erlebten Rede um feinste Differenzierungen bemüht hat«, wohingegen »die Variationsbreite am anderen Pol des Kontinuums relativ unerforscht« geblieben sei (S. 38; vgl. S. 107). So könne die Gleichsetzung von ›auktorial‹ mit ›allwissend‹, ›allmächtig‹ und ›omnipräsent‹ angesichts der neueren Erkenntnisse über metareflexives, illusionsstörendes Erzählen kaum aufrecht erhalten werden (S. 38 f.; vgl. S. 107). Angezeigt sei vielmehr ein vorsichtigeres Verständnis von Auktorialität, die Martens zufolge als »logische Aussageposition« zu fassen ist, bei der ein wahrnehmendes Subjekt eine externe Welt außerhalb seiner selbst imaginiere und sich in deren narrativer Gestaltung einer »explizite[n] erzählerische[n] Vermittlung« bediene, die als »Bestandteil der Erzähl-Dynamik […] sich nur graduell, nämlich in einem bestimmten Grad von Reflexivität« von anderen Erzählverfahren unterscheide (S. 39 f.). Gegen das hartnäckige Vorurteil einer seit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgten Verdrängung der als souverän charakterisierten vermittelnden Erzählinstanz »zugunsten der Vielstimmigkeit der Figuren- wie der Erlebten Rede« führt Martens nun die beiden großen Romane Brochs und Musils an, die »im Gegenzug dazu die Möglichkeit des Literatursystems aus[nutzen], fiktionale Rede und Figuren eher distanzierend zu vermitteln.« (S. 40 f.) Was die seit geraumer Zeit in Hochkonjunktur befindliche Kategorie des Performativen betrifft, interessiert sie Martens »vor allem aus rhetorischer und narratologischer Sicht in Bezug auf die Erzählform des auktorialen Erzählens, das […] auch eine Form der reflexiven Kommunikation, der Benennung und Modalisierung von Sprechakten ist.« (S. 44)

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Literatur in der modernen Gesellschaft

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Zuletzt widmet sich Martens in seiner Einführung dem Konzept der Interdiskursivität, mit dem er im Anschluss an Roland Barthes – und in Abgrenzung von Jürgen Link 12 – nichts Geringeres als die Funktion von Literatur in modernen Gesellschaften zu ergründen sucht: Demnach reflektiert diese »an erster Stelle die Nicht-Ersetzbarkeit und Nicht-Übersetzbarkeit der Diskurse« (S. 45). Dass es damit aber noch nicht sein Bewenden hat, zeigt ein Barthes paraphrasierender Satz, dessen Kompliziertheit und mangelnde Eleganz zwar kaum an den französischen Theoretiker erinnert, jedoch einen gewaltigen Anspruch verrät: »Der Literatur falle die Aufgabe einer interdiskursiven Verkoppelung zu, mit der Spezifik, dass sie die Ränder dieser Diskurse markiert und dadurch eine irreduzible improprietas ans Licht bringt, indem sie eine Selbstreflexivität auf die Selektivität der jeweiligen Attributionspraktiken zu Stande bringt, die die Texte nicht als transparente und abkömmliche Träger von Inhalt und Wirklichkeit, sondern als in sich selbst zerstrittene Form erscheinen lässt.« (S. 45)

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Bezeichnend an Martens’ spezifischem Verständnis von Diskurstheorie scheint dabei das programmatische Absehen von jenen Faktoren, die bestimmte Wahrnehmungs- und Aussagelogiken an korrelative Machtgefüge und ‑praktiken binden: Als Stichwortgeber dient ihm hier nicht Michel Foucault, sondern Gérard Genette (S. 46). Die – zu ihrem Vorteil freilich nicht konsequent durchgehaltene (vgl. S. 101, 249, 251 f. u.ö.) – strikt immanentistische Ausrichtung der Untersuchung wird wiederum damit begründet, dass »es zur mühsamen Rekonstruktion des Wissenshorizontes einer Zeit und Person sehr viele [sic] Konjekturen bedarf, die letztlich von den Texten selber wegführen.« (S. 45) Gar nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen scheint Martens demnach die Vorstellung, man könne mit einer Rekonstruktion der historischen Semantik, die in den literarischen Texten verhandelt wird, diesen auch selber näherkommen. Er beansprucht hingegen, »die Interpretation hybrider literarisch-theoretischer Texte nicht als Identifikation [!] von Quellen und Kontexten, als Auswerten [!] eines Kartei-Kastens, sondern als ein Realisieren ihres kommunikativen Angebots aufzufassen.« (S. 47) Dass es dafür keiner historischen Informiertheit bedürfe, mag manchem kurios vorkommen. 13

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Textanalysen: Leistung und Kritik

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An dieser Stelle ist es aber angebracht, Martens’ streckenweise hervorragende Analysen vor seinen zuweilen überpointierten methodologischen Selbstaussagen in Schutz zu nehmen. Die Untersuchung überzeugt etwa überall dort, wo sie gängige Pauschalurteile über den angeblichen Totalitarismus auktorialen Erzählens (vgl. S. 52 f., 56) durch luzide Textanalysen widerlegt bzw. differenziert. Die u.a. von Sartre artikulierte Kritik am auktorialen Erzähler, die sich auf die Implikationen von Einsteins Relativitätstheorie beruft (S. 55 f.), sei »trotz seiner ungebrochenen Anwesenheit in u.a. Elfriede Jelineks Werk« mittlerweile »zum (fast langweilig gewordenen) Dauerthema der Germanistik avanciert.« (S. 56) Martens zeigt nun zunächst am Beispiel von Volker Brauns Hinze-Kunze-Roman (S. 57–59), dass totalitarismuskritische Einwendungen wie jene Uwe Johnsons (S. 56 f.) nicht auf alle auktorialen Erzählverfahren zutreffen, ja dass »auch eine souveräne, auktoriale Form des Erzählens einen subversiven Impetus gewinnen kann.« (S. 57 f.; vgl. S. 66 zu Broch) Angesichts dieses längst überfälligen Befundes, dessen Triftigkeit allenfalls durch eine über das Knie gebrochene Bachtin-Kritik beeinträchtigt wird (vgl. S. 97 f.), 14 verwirft Martens den vielgebrauchten polemischen Begriff des ›Thesenromans‹ (S. 59 u. 94–98) – obwohl er sich in der Folge selber immer wieder seiner bedient (vgl. z.B. S. 247) – und nähert sich der Auktorialitätsthematik über die altehrwürdige Debatte um die Erzähltechniken ›showing‹ und ›telling‹, deren normative Tendenz zugunsten des ›showing‹ er eines »problematischen Glauben[s] an die mimetische Transparenz« überführt (S. 59 f, Zit. S. 60, Anm. 40). Terminologisch präzisiert er sein Verständnis von Auktorialität unter Bezug auf Genettes trennscharfe Kategorien »als extradiegetisch-heterodiegetisches Sprechen in der Verbindung mit Null-Fokalisation« und ergänzt diese Bestimmung noch durch den Ansatz von Eskandar Abadi, wonach auktoriale Zeichen als deiktische Zeichen »auf die (logische) Präsenz einer außerhalb des fiktionalen Erzählens stehenden und einer im Jetzt-Moment des Erzählens sprechenden Ich-Origo verweisen.« (S. 60)

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Interpretatorisch fruchtbar gemacht werden diese theoretischen Einsichten zunächst in einer knappen Analyse von Brochs Methodologischer Novelle, mit der Martens die »von Barthes und anderen behauptete pauschale Verknüpfung von Auktorialität mit ›Rezeptionslenkung‹« widerlegt (S. 65) und zugleich beweist, dass auch null-fokalisiert erzählte Texte polyphon sein können. 15 Zu einem Kern ihres Gegenstands stößt die Untersuchung mit der ausführlichen Analyse des ›Kaiserpanorama‹-Kapitels aus dem ersten Teil der Schlafwandler vor, das »die ganze Bandbreite möglicher Fokalisierungen durchspielt« (S. 68). Um eine charakteristische Erzählfigur Brochs zu bezeichnen, führt Martens die Kategorie der »stellvertretende[n] oder negative[n] Fokalisation« ein, womit ein fehlendes Figurenbewusstsein vom Erzähler negativ benannt wird (nach dem Muster: ›Sie wusste nicht, dass …‹) und wodurch der Erzähler seine »Sichtweise auf das Geschehen mit dem Leser« teilt (S. 69). Unter anderem dadurch bewirke Brochs auktoriale Erzählweise das von Elizabeth Guilhamon zurecht diagnostizierte »eigentümliche Gemisch distanziertester und intimster Wahrnehmung«, das selbst ›authorial intrusions‹ davor bewahre, dominant zu werden, weil es etwa in Erinnerung rufe, dass »man in einem fiktionalen Texte durch die Augen Anderer sieht« (S. 70 f.).

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Ohne hier im einzelnen auf sämtliche Ergebnisse der ertragreichen mikronarratologischen Textbeobachtungen eingehen zu können, 16 die sich auch der in den letzten Jahren stark diskutierten »Unzuverlässigkeit im heterodiegetischen Erzählen« widmen (S. 85–89), seien noch die allgemeineren Bemerkungen zur Integration von Theorie in Fiktion erwähnt, die den ersten Broch-Teil abschließen: Martens bringt mehrere schlagende Beispiele einer impliziten Relativierung der im theoretischen Exkurs suggerierten Eindeutigkeit und Intentionalität durch den Brochschen Erzähltext, die im Zusammenspiel eine »schroffe Selbstdemontage des argumentativen und allegorisierenden Diskurses« bewirken (S. 102). Während also die gängige »Gleichsetzung von Auktorialität mit Dogmatik und Allmacht« auch angesichts des in ihr liegenden metafiktionalen Potentials endgültig zu verabschieden ist (S. 107), bleibt das Fazit des ersten Broch-Teils der Untersuchung ambivalent.

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So werden die Signale einer »illusionsbrechenden Auktorialität«, die aus der starken Erzählvermittlung Brochs resultieren, »in zunehmendem Maße getilgt und zu einer mehr ›verlässlichen‹ Form der Auktorialität abgeändert. Diese Form der Auktorialität ist für Brochs Form der Ideologiekritik ausschlaggebend; sie erlaubt es, die Figuren als relativ stabile Träger von bestimmten Ideologien auszuweisen, lässt aber in diese manchmal drastische Tendenz zu Verallgemeinerung und in die Metasprache das Idiom der Figuren einfließen, so dass fraglich wird, ob sich diese außerideologische Distanz so einfach behaupten lässt.« (S. 108)

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Demgegenüber diagnostiziert Martens bei Musil die differente Funktion des auktorialen Diskurses, »eine komplexe Verteilung der diskursiven Attribution in Gang zu setzen und solchermaßen Ironie-Effekte zu erzeugen.« (S. 185) Darüber hinaus zeigen die figurenbezogenen Analysen den »aktive[n], interpretationsbedürftige[n] Charakter der auktorialen Rahmungen«, die eher komplexe »Konnotationen und Bildgeflechte« erzeugen als eindimensionale Denotationen vorzugeben (S. 186). Strukturbildendes Gewicht spricht Martens dabei dem Umstand zu, dass »Musils Erzählen die szenische (an die Gesetze der objektiven räumlichen und zeitlichen Wahrnehmbarkeit geknüpfte) Wiedergabe […] ständig mit zusätzlicher berichtender Information versieht. Die auktoriale Poetik bezieht aus der Fähigkeit der Beurteilung, des Kommentars wesentliche Impulse für die ›dichte Beschreibung‹ der Situationen und für den aktiven Charakter der Ideologisierung.« (S. 185 f.) In diesem Zusammenhang mag man monieren, dass es bei den Analysen der auktorialen Rahmung ausgewählter Figuren des Mann ohne Eigenschaften nicht immer einsichtig ist, ob die Figuren nur Aufhänger für allgemeine narratologische Überlegungen sind (so in den Überlegungen zu Tuzzi/Diotima bzw. zu Feuermaul, S. 130–132 u. S. 153 f.) oder ob es um das individuelle Verfahren der jeweiligen erzählerischen Figurenkonstruktionen geht (so eher in den Überlegungen zu Walter bzw. zu Ulrich, S. 127–130 u. S. 138–142).

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Gänzlich ohne Bezug zu dem im Titel versprochenen Thema kommt das Kapitel »Meseritschers Biographie« aus, das im übrigen eine brillante Rekonstruktion der Musilschen Medienkritik enthält: »Im inkriminierenden Porträt ist nicht so sehr das Lächerlich-Machen einer Figur angesagt, sondern wird an erster Stelle auf das strukturelle Defizit dieser Form von Wirklichkeitsbeschreibung hingewiesen, nämlich auf ihre Tendenz zu übermäßiger Dekomplexierung und Narrativisierung.« (S. 166) Generell veranschaulichen gerade die figurenbezogenen Kapitel zum Mann ohne Eigenschaften, was Martens unter dem von ihm beanspruchten »stärker formal angesetzten Verständnis[ ] der in beiden Texten präsenten Ideologiekritik der Modernität« (S. 14) meint.

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Ein weniger geglücktes Beispiel aus den über weite Strecken gewinnbringenden Einzelanalysen bildet der kurze Abschnitt über »Gender und auktoriales Erzählen« (S. 154–158), der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Der Verfasser entwickelt seine kritischen Beobachtungen aus einer beiläufigen Bemerkung des Erzählers, wonach Gerda »weiß wie auf der Wiese getrocknetes Leinen [roch]« (MoE 309 f.) – was weniger despektierlich klingt, als Martens suggeriert. Aus dem »relativ billige[n] Stoff« (S. 155) ihrer Kleidung unmittelbar auf »Gerdas Sozialstatus« (ebd., Anm. 87) zu schließen – und damit auf die soziale »Distanz« zwischen ihr und Ulrich (S. 155) statt auf sommerliches Wetter und entsprechende Atmosphäre, scheint auch inhaltlich problematisch: Gerda ist nämlich Tochter des Bankprokuristen Leo Fischel und zählt damit zu den Romanfiguren, die zwar unter manchen Problemen leiden, aber gerade nicht unter finanziellen; die Distanz wäre also – in den ›alten‹ sozialhistorischen Kategorien ausgedrückt – allenfalls eine zwischen Bildungs- und Besitzbürgertum.

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Darüber hinaus vermag Martens’ ideologiekritisches Urteil über den »Geruch als unverwechselbare[r] Identität« (S. 155), ja »als physiognomisches Stigma schlechthin« (S. 156) gerade bei diesem Beispiel nicht zu überzeugen: In partieller Differenz zu »Tuzzis scharf-zarte[m] Aroma« (MoE 413 f.) oder dem »derben, biederen, trockenen Werktagsgeruch« Moosbruggers (MoE 68) ist der Vergleich von Gerdas Geruch mit Leinen ebensowenig dazu angetan, eine substantielle ›Eigenschaftlichkeit‹ zu vermitteln wie die (maliziöse) Bemerkung des Erzählers, dass über Diotimas »großer Oberfläche ein dünner Pudergeruch lag, der nichts zu verdecken schien« (MoE 414). Es ist insofern keineswegs irreführend, wenn der Erzähler hinsichtlich Ulrichs behauptet: »er hatte nur zwei Menschen mit persönlichem Geruch in seiner Bekanntschaft«, nämlich Tuzzi und Moosbrugger (MoE 414). Die im Roman durchaus vorhandenen geschlechtsspezifischen oder gar sexistischen Attribute, die freilich meist eine bestimmte konzeptionelle Funktion haben, müssen woanders gesucht werden. Doch Martens gibt die Suche schnell auf und formuliert an ihrer Stelle zukünftige Arbeitsprojekte: »Es würde sich lohnen, näher den Zusammenhang von gender und Erzählhaltung zu untersuchen, in Bezug auf das Ausmaß, in dem das weibliche Romanpersonal unter den Bedingungen der tendenziell zu Verallgemeinerung und Vergleich neigenden Null-Fokalisation zur Transparenz der Expressivität verurteilt wird« (S. 158). Er selbst hält sich hingegen vornehm zurück und verliert auch kein Wort über die allgemeine These einer generell geschlechtsspezifischen – nämlich angeblich männlichen 17 – Codierung der auktorialen Erzählsituation, die doch erklärtermaßen die zentrale Kategorie der gesamten Untersuchung bildet.

[34] 

Diskutabel mutet auch die Behauptung an, dass »Ulrich eine Figur ist, die ständig hinter das Modernitäts-Programm des Erzählers und hinter den modernen Errungenschaften der Modernität [sic], unter denen hier vor allem der Ersatz stratifikatorischer Differenzierung und essentieller Identität durch funktionale Zusammenhänge verstanden werden, zurückfällt.« (S. 157, vgl. S. 396 f.) Abgesehen von der keineswegs ausgemachten Streitfrage, ob in der im Mann ohne Eigenschaften konzeptualisierten Moderne funktionale Differenzierung die überkommene hierarchische Gesellschaftsgliederung tatsächlich ›ersetzt‹ oder sie nur ergänzt bzw. sich mit ihr zu einem gleichsam unentwirrbaren Geflecht von vertikalen und horizontalen Relationen vermengt, lässt Martens die erzählstrukturelle Funktionalisierung von Ulrichs ›unmodernem‹ – etwa misogynem – Verhalten außer acht (so die vorbereitende Funktion der ›falschen‹ Frauenbeziehungen Ulrichs für den Komplex der Geschwisterliebe im Zweiten Buch; vgl. dazu den Erzählerkommentar in MoE 683 f.). Die unbestreitbare Tatsache, dass »Ulrichs Sprechen/Denken und Handeln häufig auseinander klaffen« (S. 158), verweist nicht notwendig auf einen konzeptionellen Mangel des literarischen Textes; sie sollte vielmehr gerade im Rahmen einer narratologischen Untersuchung dazu einladen, verstärkt auf die narrative Motivierung solcher Inkongruenzen zu achten.

[35] 

Anregend und weiterführend sind dagegen die Überlegungen zur »Pseudo-Verallgemeinerung« (S. 170, 178) von auktorialen Kommentaren mit ›man‹, die »der Tendenz nach augenscheinlich zeitspezifische Sachverhalte und figurale Perspektiven dehistorisierend [sic] auf idealtypische Entitäten […] und anthropologische, psychologische Konstanten« zurückführen (S. 172). Manchmal seien diese Kommentare bei Musil »überraschend treffsicher«, manchmal »aber auch eher hausbacken« (S. 173). Martens verweist in diesem Zusammenhang auf die eminente Kontextgebundenheit der Musilschen ›Man-Verallgemeinerungen‹ (S. 175) sowie auf deren »polyphonen, oszillierenden Charakter« (S. 178), der sich etwa an folgendem Beispiel offenbart, das in diesem Kontext gar nicht angeführt wird: »Wenn man nicht will, braucht man […] diese vergangene ›Bewegung‹ nicht zu überschätzen. Sie vollzog sich ohnehin nur in jener dünnen, unbeständigen Menschenschicht der Intellektuellen, die von den heute Gott sei Dank wieder obenauf gekommenen Menschen mit unzerreißbarer Weltanschauung, trotz aller Unterschiede dieser Weltanschauung, einmütig verachtet wird, und wirkte nicht in die Menge.« (MoE 55 f.)

[36] 

Wie Martens zurecht betont, handelt es sich bei dieser ironischen Formulierung »um eine Art Verstellung, die dem ›common sense‹ scheinbar gutgläubig zustimmt, ihn jedoch lediglich ›mimt‹ und u.a. durch Modalisierung zersetzt.« (S. 178) Interpretationen, die demgegenüber eine problematische Nähe zwischen den ›Pseudo-Verallgemeinerungen‹ des ›man‹ und dem vom Erzähler stets ironisierten ›Seinesgleichen‹ behaupten, beruhen meist auf einem recht naiven Umgang mit Musils stilprägender Ironie, denn das nullfokalisierende ›Man‹ wirkt hier, »im Gegensatz zu manchen Kommentaren bei Broch, eher analytisch als synthetisch; es ruft die widersprüchliche Vielfalt der Wirklichkeit in Erinnerung« (S. 182).

[37] 

Versionen der Modernität

[38] 

Die von Martens’ Untersuchung beanspruchte »Revision des Modernismus« (S. 185) bzw. seiner narratologischen Konzeptualisierungen in programmatischer Abkehr von der bisher vorherrschenden Orientierung am angelsächsischen Modell (Joyce, Woolf, Faulkner) zielt auch im Teil III »Versionen der Modernität« hauptsächlich auf »die formalen Mittel der Darstellung«, die etwa von Broch dazu eingesetzt werden, um den Prozess des ›Wertzerfalls‹ in auktorialer Weise »als notwendig fatal und unumkehrbar zu charakterisieren.« (S. 191) Veranschaulicht wird das durch die Analyse der erzählerischen Darstellung »von veralteten (Pasenow), zeitgemäßen (Esch) oder übermäßig zeitgemäßen (Huguenau) Werthaltungen« (S. 191), die hier aus Platzgründen nicht im Einzelnen zu rekonstruieren ist. Insgesamt kommt Martens hinsichtlich des in den Schlafwandlern narrativ inszenierten Zerfallsprozesses zum Ergebnis, dass

[39] 
auf der thematischen Ebene kein utopischer Vorschein oder kein Außerhalb des Zerfalls stabilisiert werden kann. Die wuchernde Leitmotivik, die […] auch intertextuelle Verweise anklingen lässt, die über das Fassungsvermögen der Figuren hinausgehen und an die nur der virtuelle Adressat sich erinnern kann, hat […] mit dem Schicksal einer Ideologiekritik [zu tun], die ihre eigenen Utopie-Reste verbraucht und von der (fiktionalen) Wirklichkeit infiziert sieht. Ein Außerhalb der Ideologie gibt es nur in der distanzierenden Präsentation des Auktorialstils, der gleichzeitig auch eine Leservergewisserung bildet. Dort, wo Brochs Modernitätstheorie allzu stark in das Geschehen hineinragt, entrichtet sie den Preis für den Versuch, die einzelnen Figuren symptomatisch ontologisch zu typologisieren und (der Tendenz nach) dabei keine Reflexion auf den eigenen Beobachtungsakt zuzulassen. Dem arbeiten aber die die [sic] ironischen und entropischen Aspekte der discours/ histoire-Vermittlung entgegen. (S. 248)
[40] 

Wie diese resümierenden Worte belegen, bleibt das Fazit zu Broch ambivalent, wobei das implizite Votum des Verfassers über die »nebenordnend in den Text eingefügt[en]« Figurencharakterisierungen bei Broch eindeutig zugunsten der ihm zufolge »sprachlich mehr reflektiert[en]« Inskription bei Musil ausfällt (S. 130).

[41] 

Während Martens’ Diagnose der Modernitätskonzeption bei Broch in erwartbaren Bahnen verläuft, strebt er hinsichtlich Musils konzeptioneller Position gegenüber der Moderne ausdrücklich an, neue Wege zu beschreiten. Zurecht weist er die zahlreichen (zumeist älteren) Versuche zurück, die Musilsche Kategorie der ›Eigenschaftslosigkeit‹ unter dem »von der Kritischen Theorie beeinflussten Paradigma der Entfremdung« zu fassen (S. 253). Gegenüber Adornos Verklärung der »Kunst als apophatisches Residuum der Nicht-Instrumentalität« bringt er Musils ›modernes‹ Wissen um »die Unumgänglichkeit dieser Instrumentalität« zur Geltung (S. 258). Die erneute Mikroanalyse des vielinterpretierten Romananfangs, die manche interessante Detailbeobachtung, aber keine fundamental neue Deutung vermittelt, eröffnet die systematische Rekonstruktion der textuellen Performativität von Musils großem Romantorso auf der narratologischen, theoretischen, thematischen und rhetorischen Ebene.

[42] 

Der Verfasser widerlegt dabei die in den letzten Jahrzehnten wiederholt artikulierte Behauptung, dass »die Rhetorik des essayistischen Kommentars zur relativ traditionellen Handlungsrepräsentation im Widerspruch« stehe (S. 256). Ebenfalls überzeugend und zudem äußerst anregend sind etwa die innovativen Ausführungen zur Funktion der Hypallage (der »Vertauschung einer semantischen Beziehung eines Wortes im Satz«, so Heinrich Plett, S. 272), die Martens als »Musils master trope in seiner Theater- und Literaturkritik« bezeichnet (S. 273), aber auch für den Roman als stilistisches Charakteristikum diagnostiziert: »Die Interaktionsfigur der Hypallage kann aufgrund des ihr immanenten Funktionsaustausches als Grundfigur von Musils Ironie bezeichnet werden. Sie löst nämlich das im Programm der konstruktiven Ironie vorgesehene Verfahren des Platztausches und der Kontamination von Gegensätzen am plastischsten ein.« (S. 274)

[43] 

Fazit

[44] 

Im beschränkten Rahmen einer Rezension können nicht sämtliche Erträge dieser besonders an Detailerkenntnissen reichen Arbeit gewürdigt und nicht alle der in ihr deutlich werdenden Desiderate benannt werden. Wünschenswert wäre etwa angesichts der alten, aber immer noch unentschiedenen Debatte, ob Musils (oder Brochs) Erzählverfahren auf einem ›realistischen‹ Kern beruhen, die längst überfällige Applikation der neueren Erzähltheorie und ihrer Erkenntnisse über realistische Verfahren auf die beiden Romantexte gewesen; sie hätte im Kontext der Debatte um die Erzähltechniken ›showing‹ und ›telling‹ erfolgen können. Hier schafft die narratologisch ausgerichtete Monographie von Martens nur bedingt Abhilfe, weil sie sich am Leitfaden der Modernismus-Diskussion auf die für die Realismus-Problematik eher randständigen Aspekte Auktorialität, Performativität und Interdiskursivität konzentriert bzw. deren mimesistheoretische Implikationen kaum diskutiert. Dennoch wird Martens’ Untersuchung bei jeder weiteren Beschäftigung mit der Erzählweise Musils und Brochs zu konsultieren sein, erschüttert sie doch zahlreiche unreflektierte Vorannahmen und scheinbare Gewissheiten der Broch- und Musil-Philologie sowie der literaturwissenschaftlichen Moderne-Forschung insgesamt. Ihre wichtigste und weit über den konkreten Gegenstand hinausweisende Leistung dürfte in einer vollkommenen Neuperspektivierung und -bewertung erzählerischer Auktorialität liegen. Für ihre zukünftige gewinnbringende Benutzung sei nur kursorisch angemerkt, dass die Zitate aus den Primärtexten nicht immer vertrauenswürdig sind (Auslassungen und nachträgliche Kursivierungen werden generell nicht ausgewiesen) und in der Bibliographie mehrere im Fließtext zitierte Arbeiten fehlen. 18 Angesichts der Tatsache, dass es sich beim Verfasser nicht um einen Muttersprachler handelt, ist bei aller Kompliziertheit zahlreicher Wendungen positiv hervorzuheben, dass die Ausführungen über eine schwierige Materie meist gut verständlich bleiben. Anschaulich gemacht wird in der angezeigten Untersuchung jedenfalls »die Notwendigkeit einer immer noch fehlenden diachronischen, historisierenden Narratologie« (S. 106). Eine solche wird von Martens’ Buch zwar nicht bereitgestellt, doch können dessen Ergebnisse immerhin als wichtige Vorarbeit dazu gelten.

 
 

Anmerkungen

Drei Kapitel wurden ausgelagert und in der Folge separat veröffentlicht: Es handelt sich um Detailanalysen zur Kurzprosa Brochs und Musils, die auf das Analyseverfahren der großen Romane einstimmen sollten, nämlich 1. der Methodologischen Novelle Brochs, deren merkwürdige Kombination schwerfälliger Kulturkritik mit spielerisch-reflexiver modernistischer Prosa-Ästhetik ein anderes Licht auf die Schlafwandler werfe (vgl. G. M.: Spielräume des auktorialen Diskurses bei Hermann Broch: Eine methodologische Novelle. In: Orbis Litterarum 59 (2004), H. 4, S. 239–269); 2. eines vergleichbaren Kontrasts zwischen expliziter Poetik und erzählerischer Epistemologie in Musils Triëdere, der sich nicht auf konzeptioneller Ebene, sondern erst unter Berücksichtigung genetischer (Vergleich der unterschiedlichen Fassungen) und stilistischer Aspekte erklären lasse (vgl. G. M.: Die Straßenbahn der Moderne. Zum Verhältnis von Stil und Epistemologie in Robert Musils Nachlaß zu Lebzeiten. In: G. M. / Clemens Ruthner / Jaak De Vos (Hg.): Robert Musil anders. Neue Erkundungen eines Autors zwischen den Diskursen. (Musiliana 11) Bern: Peter Lang 2005, S. 229–257); 3. um einen sprachlich-rhetorischen Vergleich von Jüngers und Musils Texten zu Gestalt und Gestaltbildung, mit dem der Gewinn des rhetorisch-narratologischen Ansatzes auch methodologisch verteidigt und veranschaulicht werden soll (vgl. G. M.: Argumente für die ›Gestalt‹ des ›neuen Soldaten‹? Musils Mann ohne Eigenschaften und Jüngers Der Arbeiter im sprachlich-rhetorischen Vergleich. In: Neophilologus 92 (2008), H. 2, S. 279–300).   zurück
Vgl. etwa Sibylle Deutsch: Der Philosoph als Dichter. Robert Musils Theorie des Erzählens. (Beiträge zur Robert-Musil-Forschung und zur neueren österreichischen Literatur 5) St. Ingbert: Röhrig 1993; Elizabeth Guilhamon: Du diagnostic à la représentation: Die Schlafwandler d’Hermann Broch. In: Le texte et l’idée 12 (1997), S. 115–143.   zurück
Vgl. Hartmut Böhme: Eine Zeit ohne Eigenschaften. Robert Musil und die Posthistoire. [1986] In: H. B.: Natur und Subjekt. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988, S. 308–333; Rolf Günter Renner: Transformatives Erzählen. Musils Grenzgang im »Mann ohne Eigenschaften«. In: The Germanic Review 66 (1991), S. 70–80.   zurück
Die Verwendung des zuletzt zitierten, mittlerweile gängigen Begriffs erscheint Martens so verwegen, dass er ihn in Anführungszeichen setzt und durch ein kurioses Luhmann-Zitat legitimiert, worin Sprachwissenschaftler und Literaten dazu auffordert werden, endlich die »grundlosen Unebenheiten sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten [zu] bereinigen.« (S. 24, Anm. 13)   zurück
Vgl. Sabine Döring: Ästhetische Erfahrung als Erkenntnis des Ethischen. Die Kunsttheorie Robert Musils und die analystische Philosophie. Paderborn: mentis 1999.   zurück
Vgl. Florence Vatan: Musil et la question anthropologique. Préface de Jacques Bouveresse. Paris: PUF 2000.   zurück
Ob diese durchaus nachvollziehbare Entscheidung der Mehrdimensionalität und dem inneren Spannungsreichtum der behandelten Texte gerecht wird, bliebe noch zu diskutieren.   zurück
Dass die linguistischen Termini »Idiolekt und Soziolekt« Martens als »Substanzkategorien« (S. 30) gelten, die zu überwinden sind, leuchtet nur bedingt ein, denn sie können problemlos relational begründet werden.   zurück
Vgl. dazu den Überblick in Ingrid Berger: Musil mit Luhmann. Kontingenz – Roman – System. (Musil-Studien 34) München: Fink 2004, S. 14–16, sowie die nicht dort, sondern bei Martens selbst verzeichneten Arbeiten von Pott (1994), Wagner (1994) und Mehigan (2005).   zurück
10 
Vgl. Götz Müller: Ideologiekritik und Metasprache in Robert Musils Roman »Der Mann ohne Eigenschaften«. (Musil-Studien 2) München, Salzburg: Fink 1972, passim, bes. S. 9–11; Hartmut Böhme: Anomie und Entfremdung. Literatursoziologische Untersuchungen zu den Essays Robert Musils und seinem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften«. (Skripten Literaturwissenschaft 9) Kronberg/Ts.: Scriptor 1974, passim, bes. S. 2–4; Stefan Howald: Ästhetizismus und ästhetische Ideologiekritik. Untersuchungen zum Romanwerk Robert Musils. (Musil-Studien 9) München: Fink 1984, passim, bes. S. 104–106 u. 370–373. Frank Maier-Solgk: Sinn für Geschichte. Ästhetische Subjektivität und historiologische Reflexion bei Robert Musil. (Musil-Studien 22) München: Fink 1992, S. 254, spricht dementsprechend ausdrücklich von »Musils ideologiekritische[m] Literaturverständnis« und verweist dabei insbesondere auf die Ergebnisse der Arbeit von Götz Müller.   zurück
11 
Unter Berufung auf Luhmann: Soziale Systeme, S. 25, vertritt Martens selber die These, »dass moderne Kommunikation (vorwiegend) selbstreflexiv geworden ist, dass sie kommuniziert, indem sie auf ihre eigenen Benennungspraktiken hinweist und dass es dementsprechend keinen privilegierten Platz für Ideologiekritik mehr gibt, da diese zum Baustein der Kommunikation selbst geworden ist.« (S. 12) Wenig später stellt er diejenigen Untersuchungen, die Musil angeblich als »Sprachrohr der Kritischen Theorie und Ideologiekritik« behandeln, sogar ausdrücklich jenen gegenüber, die ihn »als Vertreter einer ›affirmativen‹ Systemtheorie im Sinne Luhmanns« präsentieren (S. 26 f.). Er konstruiert somit eine regelrechte Opposition zwischen ideologiekritischer und systemtheoretischer Musil-Deutung, die er in seiner eigenen Arbeit allerdings nicht konsequent durchhält.   zurück
12 
Die hier nicht näher zu diskutierende Differenz zwischen Martens Vorgehensweise und Links elementarer (Inter-)Diskursanalyse leuchtet ein, weniger aber die in diesem Zusammenhang ausbleibende Diskussion der eine Seite später erwähnten Pionierstudie von Walter Moser: Diskursexperimente im Romantext. Zu Musils Der Mann ohne Eigenschaften. In: Uwe Baur / Elisabeth Castex (Hg.): Robert Musil. Untersuchungen. Königstein/Ts.: Athenäum 1980, S. 170–197, die bereits vor Link mit dem Interdiskursivitäts-Begriff operiert.   zurück
13 
Vgl. allerdings das nachgelieferte generöse Friedensangebot an die so und noch mehr gescholtene »geistesgeschichtliche Forschung«: »Ich behaupte nicht, dass die hier vorgeschlagene Behandlung die einzig mögliche Verfahrensweise ist; manches spricht ebenso sehr für die konzeptionelle Aufschlüsselung der vielen von Broch und Musil verwendeten Begriffe in ihrer Fremdreferenz.« (S. 47) Warum dann aber ebd. die ganze Polemik?   zurück
14 
Das Konzept des ›polyphonen‹ Romans wird nur anhand des frühen Dostojewski-Buchs diskutiert, während die späteren, auch terminologisch differenzierteren Arbeiten Bachtins zur Polyphonie unerwähnt bleiben.   zurück
15 
»Brochs Text zeigt auf jeden Fall, dass die Polyphonie eines Textes nicht quantitativ aus der Menge der in ihm repräsentierten Stimmen oder der generellen Abwesenheit eines auktorialen Mediums abgeleitet werden kann, sondern vielmehr aus deren textinterner Inszenierung herrührt.« (S. 65)   zurück
16 
Im Kontext dieser subtilen Beobachtungen Martens’ überrascht die Fehldeutung folgender Passage aus den Schlafwandlern als »extern fokalisierte Reformulierung«, wie auch die (bei Broch kaum begegnende) externe Fokalisierung an anderer Stelle etwas schwammig definiert wird (vgl. S. 267): »denn wird er [Esch] Amerika auch kaum mehr zu Gesicht bekommen, er wird den Weg dorthin nicht mehr verlassen, wird sich nicht umwenden, trotz des Unsichtbaren, der mit der Lanze folgt, bereit zuzustoßen, und ein Wissen, schwebend zwischen Wunsch und Ahnung, sagt ihm, daß der Weg nur Symbol und Andeutung eines höheren Weges ist« (S. 70 f.).   zurück
17 
Vgl. etwa Vera Nünning / Ansgar Nünning: Making Gendered Selves. Analysekategorien und Forschungsperspektiven einer gender-orientierten Erzähltheorie und Erzähltextanalyse. In: Sigrid Nieberle / Elisabeth Strowick (Hg.): Narration und Geschlecht. Texte – Medien – Episteme. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2006, S. 23–44, hier S. 36, die im Anschluss an Ina Schabert die gendertheoretischen »Implikationen«, »die aus der übergeordneten und privilegierten Position auktorialer Erzähler resultieren«, wie folgt bestimmen: »Da heterodiegetische Erzählinstanzen Einblick in das Bewusstsein aller Figuren haben, gleichzeitig an mehreren Schauplätzen anwesend sein können und Überblick über den gesamten Handlungsverlauf besitzen, weisen sie implizit Merkmale auf, die traditionell eher Männern als Frauen zugeschrieben wurden wie z.B. Aktivität, intellektuelle Überlegenheit, Kontrolle über Ereignisse, Dominanzstreben gegenüber anderen.«   zurück
18 
So werden folgende Kurzverweise im Literaturverzeichnis nicht, unvollständig, widersprüchlich oder falsch aufgelöst: Freese 1974 (S. 22; = Wolfgang Freese: Robert Musil als Realist. Ein Beitrag zur Realismus-Diskussion. In: Literatur und Kritik 9 (1974), S. 514–544), Graevenitz 1982 (S. 106), Ronell 2001 oder 2002 (S. 27 u. 425), Werber 1992 (S. 47), Wilhelm 1989 (S. 122).   zurück