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Zwischen Selbst-Ermächtigung und
Selbst-Unterwerfung

Sozial- und kulturwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Schönheitsoperationen und anderen Körpertechnologien

  • Paula-Irene Villa (Hg.): schön normal. Manipulationen am Körper als Technologien des Selbst. Bielefeld: transcript 2009. 282 S. Kartoniert. EUR (D) 28,80.
    ISBN: 978-3-89942-889-6.
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Tell me what you don’t like about yourself!

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»Tell me what you don’t like about yourself« – Diese Erzählaufforderung steht in der fiktionalen US-amerikanischen TV-Serie Nip/Tuck am Anfang einer jeden Konsultation der beiden Schönheitschirurgen Sean McNamara und Christian Troy. Sie untermauert eine der Grundthesen des von Paula-Irene Villa herausgegebenen Bandes zu Schönheitsoperationen und ähnlichen Körpertechnologien: Die Arbeit am Körper ist nicht lediglich eine am Körper als äußerer Hülle, sondern eine Arbeit am (körperlichen) Selbst, durch das sich Personen sozial positionieren (8). Der TV-Serie und dem
sozial-/ kulturwissenschaftlichen Sammelband ist gemein, dass sie kosmetische Chirurgie nicht als eine ethisch-moralische Frage der Veränderbarkeit der menschlichen Natur betrachten, sondern als gesellschaftliches Phänomen. Davon ausgehend, dass sich Schönheitsoperationen in einem Kontinuum von Körpertechnologien befinden, die vom Friseurbesuch über die Diät, das Fitnesstraining u.ä. reichen (S. 11), versammelt der Band neben Beiträgen, die sich direkt mit der Schönheitschirurgie befassen, flankierend Texte zu den körperpolitischen Performances von Stelarc und Valie Export (Markus Brunner), »Schönheitshandeln, Schmerznormalisieren; Körper inszenieren« (Nina Degele), »Fitness als Selbstmanagement in John von Düffels Romansatire Ego« (Anne Fleig) und über »Somatische Selbsttechniken in der Kinderwunschbehandlung« (Charlotte Ullrich). Den Schwerpunkt des Bandes bilden jedoch soziologische und medienwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der chirurgisch unterstützten Arbeit am Körper. Den zentralen Topos aller Texte bildet dabei die Spannung zwischen der Schönheitschirurgie als Mittel zur Selbstermächtigung einerseits und als Technik zur Unterwerfung des Selbst unter gesellschaftliche Normen andererseits. Dies resultiert unter anderem daraus, dass sich die meisten AutorInnen theoretisch an den Arbeiten Michel Foucaults, insbesondere seinen Texten zur Gouvernementalität 1 , orientieren. Wie bereits im Titel des Bandes anklingt, wird Schönheitschirurgie in diesen Beiträgen als eine Technologie des Selbst gefasst, was eine »Gleichzeitigkeit von Freiheit und dem Zwang zur Selbstgestaltung« (Maasen, S. 101) impliziert. Diese Gleichzeitigkeit wird sowohl theoretisch analysiert (Maasen, Morgan) als auch empirisch untersucht, etwa anhand von Interviews (Meilli), der Reality-TV Serie The Swan (Seier / Surma, Strick, Villa) und den Diskussionen um Michael Jacksons chirurgische Veränderungen (Davis).

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It don’t matter if you’re black or white? 2

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Nach dem Tod von Michael Jackson und der darauf folgenden weltweiten medialen Aufmerksamkeit hat der Text von Kathy Davis zu »Surgical Passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase« unerwartet an Aktualität gewonnen. Am Beispiel der Diskussionen um Jacksons chirurgisch vielfach veränderte Erscheinung zeigt Davis, dass bei ethnisch Marginalisierten oder people of color kosmetische Chirurgie vornehmlich als Praxis zur Beseitigung ethnisch markierter Merkmale und damit mit einem Fokus auf race betrachtet werde, während bei ›weißen‹ Personen eher die Angleichung an hegemoniale Geschlechternormen diskutiert werde. Sie plädiert daher dafür, in Analysen von kosmetischer Chirurgie nicht entweder auf race oder auf gender zu fokussieren, sondern »zu bestimmen, wie diese und andere Kategorien der Differenz bzw. Ungleichheit spezifische Konstellationen von Hierarchie, Exklusion und Ausbeutung hervorbringen.« (S. 45) Dabei wird die Schönheitschirurgie auch von Davis immer als Arbeit am Selbst betrachtet. Dieses Plädoyer für eine intersektionale Perspektive auf Schönheitschirurgie, das relativ am Anfang des Bandes steht, wird leider im Folgenden bestenfalls punktuell umgesetzt, und so formuliert auch die Herausgeberin in ihrem den Band abschließenden Text die Betrachtung von »milieuspezifischen Körper-Selbst-Kulturen« (S. 265) eher als Forschungsdesiderat denn als Programm des vorliegenden Bandes.

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Der Selbstoptimierungsimperativ: Theorie & Praxis

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Die Texte von Sabine Maasen zu Schönheitschirurgie als Form bio-ästhetischer Gouvernementalität und Kathryn Pauly Morgan zu »Fett-Hass, Schlankheitsoperationen und biomedikalisierte[n] Schönheitsideale[n] in Amerika« erweitern den Blick hin zu einer Perspektive, in der Schönheits- bzw. Schlankheitsoperationen als Teil neoliberaler Biopolitik gelesen werden. Der von Maasen in ihrem anspruchsvollen Essay entwickelte Begriff der »bio-ästhetischen Gouvernementalität« erlaubt es »den Verbindungen zwischen physischem Sein und der moralisch-politischen Existenz nachzugehen« (S. 115) und dadurch die scheinbar individuelle Praxis der Schönheitschirurgie in breiteren politischen Veränderungen zu verorten. So liest Maasen die Schönheitschirurgie als Element eines gegenwärtig geforderten Selbstmanagements, in dem Körper und Subjektivität als Teil einer »rationalisierten Lebensführung« (S. 114) normalisiert werden. Maasen konstatiert eine »gesellschaftsweite Durchsetzung« (S. 101) der Schönheitschirurgie, die auf die Herstellung einer Subjektivität zielt, in der sich das Motiv der Selbstoptimierung und das Gebot der Verantwortung für das Gemeinwohl verbinden (S. 102/3). Anhand der Analyse empirischer Studien zeigt sie auf, dass die Operationswilligen über komplexe Legitimationsstrategien verfügen und durchaus handlungsmächtig sind. Ihr Motiv, so wird demonstriert, ist dabei die Erlangung von Normalität und Authentizität, denn: »Wer schön ist, ist ganz sich selbst, fühlt sich gut und hat Erfolg.« (S. 104) Schönheitschirurgie wird damit als Mittel zur sozialen Distinktion (S. 113) und als eine Praxis des von Ulrich Bröckling als neoliberale Subjektform konstatierten »unternehmerischen Selbst« (S. 114) verortet. Dabei sei es »plausibel anzunehmen, dass jede Praxis in unterschiedlich ambivalenten Verhältnissen disziplinierende und ästhetisch-existentielle Momente enthält« (S. 115), sich also im eingangs benannten Paradox der Gleichzeitigkeit von Selbst-Unterwerfung und Selbst-Ermächtigung befinde.

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Die Diskussion von Schönheitschirurgie als Element biopolitischer Gouvernementalität erscheint überzeugend und bietet gleichzeitig die Grundlage für weitere Überlegungen. Zum einen behandelt Maasen die Schönheitschirurgie auf einer sehr allgemeinen Ebene. Mit Davis könnte daher anschließend nach den unterschiedlichen gesellschaftlichen Codierungen von unterschiedlichen Praxen wie Brustvergrößerung oder Augenlidoperationen gefragt werden. Zum anderen wirft der Text Fragen nach der empirischen Durchsetzung und Anerkennung von Schönheitsoperationen auf. Maasen selbst konstatiert einerseits die gesellschaftliche Durchsetzung der Schönheitschirurgie (S. 101), stellt aber andererseits mit Bezug auf eine empirische Studie fest, dass das soziale Umfeld der Operationswilligen den chirurgischen Eingriffen in der Regel kritisch gegenüber steht (S. 109), was eher gegen eine breite Akzeptanz spricht. Dieser Widerspruch wird von der Autorin jedoch weder thematisiert noch aufgelöst.

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Der Band begegnet den Fragen nach Differenzierung und gesellschaftlicher Durchsetzung zum einen mit einer empirischen Relativierung durch Barbara Meili, die ästhetische Chirurgen zu ihren Legitimationsstrategien befragt hat; zum anderen durch den auf eine schönheitschirurgische Praxis, die Schlankheitsoperationen, begrenzten Text von Kathryn Pauly Morgan. Meilis Beitrag geht von einer »Verwunderung« und dem »alltagsweltlichen Eindruck, dass Schönheitschirurgie beileibe noch keine Selbstverständlichkeit geworden ist« aus (S. 120). Eröffnet wird der Beitrag von einer kurzen, erhellenden Darstellung der Geschichte der kosmetischen Chirurgie, deren Abgrenzungen von und Überschneidungen mit Nachbardisziplinen (wie der rekonstruktiven Chirurgie) und der Kritiken an schönheitschirurgischen Praktiken. Darauf stellt Meili ihre Auswertung zweier Interviews mit Schönheitschirurgen vor, in der sie zu dem Ergebnis kommt, dass für die Schönheitschirurgen immer noch ein »großer Legitimationsbedarf« (S. 138, Herv. i. O., vgl. auch S. 134) bestehe. In Auseinandersetzung mit Sekundärliteratur, die von einer weitgehenden Normalisierung der Schönheitschirurgie ausgeht (Maasen, Villa) und damit zu Meilis Ergebnissen im Widerspruch steht, stellt dieser Artikel die These eines derzeitigen Umbruchs in der gesellschaftlichen Beurteilung der Schönheitschirurgie zur Diskussion (S. 139 f.). Diese These erscheint jedoch eher als ein Kompromiss zwischen den beiden Positionen denn als empirisch belegt.

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Kathryn Pauly Morgan wiederum betrachtet mit Schlankheitsoperationen eine spezifische Form der Schönheitschirurgie, und zwar anhand des fiktiven Beispiels einer als ›fett‹ geltenden Frau vor dem diskursiven Hintergrund des »Fett-Hasses« in den USA. Für diesen gesellschaftlichen und politischen Kontext sieht sie »›Gewichtsmanagement‹« als »das amerikanische Ideal einer körperbezogenen Gouvernementalität«, das »auf eine Gesellschaft wachsamer und vor allem gefügiger Individuen [zielt, MW], von denen jedes einzelne gewogen und vermessen und geschlossenen Kategorien entlang einer Hierarchie von ›normal‹ bis ›krankhaft fettleibig‹ zugeordnet wird.« (S. 151) Vor diesem Hintergrund habe sich ein »systematischer Fett-Hass« entwickelt, der sich gesellschaftlich, kulturell und politisch in vielfältiger Weise äußere (S. 152 f.) und dessen diskriminierende und stigmatisierende Folgen Morgan prägnant zusammenfasst (S. 153 f.). Anders als bei anderen Formen der Schönheitschirurgie spielt bei Schlankheitsoperationen der Diskurs um gesundheitliche Risiken und deren Prävention eine zentrale Rolle. So kommt im gewählten Beispiel zur kosmetischen die bariartrische Chirurgie hinzu, die für Operationen zur nachhaltigen Verhinderung von Adipositas zuständig ist und, in diesem Fall, die Nahrungsaufnahme durch einen Magen-Bypass kontrolliert. Morgan spricht daher von einer »biomedikalisierten techno-ästhetischen Subjektivität« (S. 155 ff.), in der durch neue mikrochirurgische Verfahren der Magen als ein »kleines Panoptikum« (S. 157) fungiere und in der die als risikobehaftet angesehene ›fette‹ Körperlichkeit »gegen eine ideale neoliberale, verantwortungsbewusste und Gesundheitsrisiken minimierende Subjektivität« (S. 157) getauscht werde. Die bereits angesprochene Frage nach der derzeitigen Durchsetzung und Anerkennung chirurgischer Praktiken (in diesem Fall kosmetischer gekoppelt mit bariartrischer) wird von Morgan im Rahmen eines von Elisabeth Beck-Gernheim entwickelten Vier-Phasen-Modells zur Entwicklung technologischer Veränderungen 3 betrachtet (S. 158 ff.). Innerhalb dieses Modells verortet Morgan Schlankheits-operationen im Übergang von der Phase der »politisch unregulierten Anwendung« (S. 159) zur Phase der »Normalisierung und Schaffung eines Marktes«, in der Technologie als »›persönliche Befreiung‹« angesehen werde (S. 160 ff.). Morgans Aufsatz bietet eine sorgfältig ausgearbeitete Analyse für die USA und regt damit zu weiteren Überlegungen zum mittlerweile auch in Deutschland sich intensivierenden »Kreuzzug gegen Fette« 4 und dessen Bedeutung im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Veränderungen an.

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The Swan – Fernsehen als Unterstützung der Lebensführung

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Ebenfalls mithilfe der foucaultschen ›Werkzeugkiste‹ analysieren Andrea Seier und Hanna Surma die Makeover-Show The Swan – Endlich schön 5 , in der 14 Kandidatinnen mit Hilfe verschiedener Körpertechnologien von Jogging bis zur Schönheitschirurgie ein neues, schöneres Selbst erlangen wollten. Die Autorinnen betrachten die Sendung als eine Form des »Fernsehens der Mikropolitiken« (S. 173), in dem »Medientechnologien und Technologien der Selbst- und Fremdführung miteinander verzahnt« werden (S. 175). In einer überzeugenden Analyse zeigen sie, wie die auch in anderen Formaten wie Frauenzeitschriften übliche Vorher / Nachher-Erzählung den ZuschauerInnen ein Wissen zur Verfügung gestellt wird, das Optimierungsbedarf und -möglichkeiten »sichtbar [...] und damit potentiell für jede/n nachvollziehbar« macht (S. 186). Dies geschieht unter anderem durch den Einsatz von ExpertInnen und die Fragmentierung des als defizitär benannten Körpers in seine zu optimierenden Einzelteile. Dabei erscheine, so Seier / Surma, das ›Nachher‹ des bearbeiteten Körper-Selbst authentischer als der unbearbeitete Körper (S. 191). Auch dieses Autorinnen-Duo konstatiert eine Gleichzeitigkeit von Unterwerfung und Ermächtigung: Im Erlernen von Techniken zur Selbstführung, wie sie in The Swan angeboten werden, sehen sie einen potentiellen Zuwachs an Handlungsmacht (S. 194/5). Darüber hinaus gehend erwächst für sie in Anlehnung an die von Donna Haraway entwickelte (in den Debatten um Schönheitschirurgie erstaunlich selten eingebrachte) Cyborg-Figur 6 möglicherweise ein feministisches Potential: In Sendungen wie The Swan oder in Performances wie denen von Orlan würden »Vergeschlechtlichungsprozesse im produktiven Sinne als ›Problem‹ und als Ort kultureller und sozialer Auseinandersetzung« (S. 196) sichtbar. Dadurch biete sich für feministische KritikerInnen die »Möglichkeit, feministisch-strategische Lektüren von Selbstentwürfen vorzunehmen, die geradezu als (antifeministische) Gegenmodelle in Erscheinung treten.« (S. 196) Wie aus der Kritik jedoch das »utopische Moment« (S. 196) erwachsen kann, lassen die Autorinnen offen.

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Auch Simon Strick betrachtet die Vorher / Nachher-Narration in The Swan aus einer foucaultschen Perspektive vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Unterwerfung und Ermächtigung; allerdings mit einem Fokus auf das »Mikronarrativ der Wiederherstellung der Geschlechtsintegrität via Umgestaltung des Körpers« (S. 203). Stärker als Seier und Surma nimmt er die biographische Arbeit am geschlechtlichen Selbst in den Blick, indem er herausarbeitet, dass das Defizitäre des Selbst häufig als geschlechtliche Verfehlung inszeniert wird. Er argumentiert, dass »der Umschlagpunkt zwischen altem und neuem Selbst, zwischen ›Vorher‹ und ›Nachher‹ also, nicht nur als körperliche Grenzsituation erzählt [wird, MW], sondern als eine vollständige Auslöschung des Selbst und die totale Reduktion auf einen Materialstatus.« (S. 208) Strick grenzt sich mit seiner Analyse von den meisten anderen AutorInnen des Bandes ab, indem er herausstellt, dass durch die Schaffung des ›Nachher‹ Handlungsmächtigkeit lediglich simuliert werde (S. 215), während »Leiden, Ohnmacht und Auslöschung als eine spezifische Bedingung der weiblichen Verkörperung (embodiment)« (S. 212) festgeschrieben werden.

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The Swan wird in diesem Band mit gleich drei Analysen ein großer Stellenwert beigemessen, der einerseits aufgrund der breiten öffentlichen Diskussion um die Sendung und ihrer für das deutsche Fernsehen bis dahin einzigartigen Radikalität gerechtfertigt erscheint. Andererseits bleiben jedoch Fragen offen, die in der weiteren Betrachtung der medialen Inszenierung von Schönheitschirurgie untersuchenswert wären: The Swan wurde nach nur einer Staffel eingestellt und die Gründe dafür werden lediglich angedeutet (»mäßige[r] kommerzielle[r] Erfolg«, S. 253). Wenn die Sendung hier unter anderem als Anleitung zu neoliberaler Selbstführung gelesen wird, so scheint dies vom Publikum nicht vollständig angenommen worden zu sein. Was bedeutet das für die Analysen? Wie ist es zu bewerten, dass auch in den USA The Swan nur über zwei Staffeln lief, während die fiktional um Schönheitschirurgie kreisende Serie Nip/Tuck, in der Identifikationsangebote immer wieder zerstört werden, in den USA mittlerweile in der sechsten Staffel läuft und auch in Deutschland (wenn auch auf einem sehr späten Sendeplatz) nach wie vor ausgestrahlt wird?

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Die Geburt einer neuen Geschlechterdifferenz?

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Auch Paula-Irene Villa analysiert in ihrem anregenden, den Band abschließenden Text die Sendung The Swan, bettet dies jedoch in allgemeinere Analysen zu Körpertechnologien, insbesondere der Schönheitschirurgie, ein und entwickelt daraus weitergehende gesellschaftstheoretische Thesen, die auf derzeitige Geschlechterverhältnisse bezogen sind. Die erste ihrer drei Thesen lautet, dass wir derzeit der »Geburt einer neuen Geschlechterdifferenz im Zeichen ihrer technischen Machbarkeit« (S. 248) beiwohnen. Anders als bislang, so Villa, werde die Re-/Produktion der Geschlechterdifferenz nicht durch Naturalisierung verschleiert, sondern durch die Anwendung verschiedener Körpertechnologien als Arbeit am körperlichen Selbst sichtbar gemacht. Dem unterliege mit dem Ideal des »unternehmerischen Selbst« ein ökonomischer Imperativ, der eine fortdauernde Optimierung verlange (S. 248 f.). Ihre zweite These bezieht sich auf eine Gleichursprünglichkeit von »Selbstermächtigung und Selbstbeherrschung qua Körper« (S. 250), deren Entstehung Villa im Kontext der Zweiten Frauenbewegung sieht. Die Kämpfe um die Verfügungsmacht über den eigenen Körper haben dabei gleichzeitig den Weg bereitet für die »bewusste Manipulation des Körpers im Dienste hegemonialer Normen« (S. 250):

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Feministische Körperpraxen haben gewissermaßen ihren historischen Anteil an der Normalisierung der Selbstbeobachtung, der Selbstkontrolle und der Selbstregulierung, die für die gegenwärtige ›Optimierung durch Selbstbestimmung‹ typisch sind. (259 f.)
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Die dritte These widmet sich ausführlicher als die Einleitung dem dort bereits gesetzten Kontinuum verschiedener Körperpraktiken – beziehungsweise, in Villas Terminologie, »Körpermanipulationen« – vom Friseurbesuch bis zur Brustvergrößerung (S. 255 ff.). Diese Thesen erläutert sie unter anderem anhand der Analyse der TV Formate The Swan und Spieglein, Spieglein 7 . Darin greift sie einen Faden auf, der den Band durchzieht, aber kaum explizit benannt wird: »Dass Menschen – authentisch, unzweifelhaft und glaubwürdig – leiden, weil sie körperliche ›Makel‹ haben, wird [in den TV-Formaten; MW] nie thematisiert als ein gesellschaftliches Problem.« (S. 266, Herv. i. O.) Weiterhin erscheint – auch bezogen auf andere Texte des Bandes – wichtig, dass Villa vor der Gleichsetzung von Subjekt und Individuum, von (medialen) Diskursen und konkreten individuellen Handlungen warnt und betont, dass die diskursive Ebene, die in einem Großteil der Texte des Bandes betrachtet wird, »nur die halbe Wahrheit« (S. 267) erzähle. Damit verweist Villa auf ein Forschungsdesiderat auf der Ebene sozialer Handlungen und der Erfahrungen von Menschen für den hiesigen kulturellen Kontext. Vor dem Hintergrund der anderen Texte bietet der zeitdiagnostische Abschluss des Bandes durch seine herausgestellten Thesen eine breite Diskussionsgrundlage zur gegenwärtigen Verfasstheit der Geschlechterverhältnisse und verkörperter Subjektivität.

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Fazit

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Der lesenswerte Band bietet einen guten Überblick zu Forschungen zur Schönheitschirurgie im deutschsprachigen Kontext, der durch ausgewählte Texte zu anderen angrenzenden Körpertechnologien ergänzt wird. Die Texte sind in weiten Teilen so ausgesucht und angeordnet, dass sie unterschiedliche Aspekte beleuchten und sich ergänzen. Allerdings produziert die starke Präsenz von Ansätzen, die sich an Foucaults Arbeiten zur Gouvernementalität orientieren, einige Redundanzen. Dies erscheint teilweise als eine Frage der Textauswahl, wie der Bezug im Titel auf das Konzept der Technologien des Selbst anzeigt. Gleichzeitig verweist es jedoch auch darauf, dass es sich dabei um eines der derzeit in sozial-/kulturwissenschaftlichen Betrachtungen beliebtesten Analysewerkzeuge handelt. Damit geht allerdings das auch von Villa benannte Ungleichgewicht der Forschung zugunsten von Diskursanalysen einher, was Fragen wie die nach der gesellschaftlichen Akzeptanz der Schönheitschirurgie provoziert. Eine stärkere Verbindung von Diskurs- und individueller Handlungsebene hätte dem Band gut getan, ebenso wie eine stärkere Differenzierung in der Betrachtung, die nicht nur auf Geschlecht reduziert bliebe, sondern auch ›Rasse‹, Ethnizität, Klasse und deren Verwobenheit in einzelnen schönheitschirurgischen Praktiken mit einschlösse und damit Fragen aufwürfe, die in diesem Band weitgehend ausgespart bleiben.

 
 

Anmerkungen

In seinen späten Schriften entwickelt Foucault das Konzept der Gouvernementalität, im Rahmen dessen dem Begriff der Regierung eine zentrale Rolle zukommt. Er umfasst die Vermittlung von Macht und Subjektivität, von Herrschaftstechniken und Technologien der Selbstführung. Vgl. Thomas Lemke, Susanne Krasmann und Ulrich Bröckling: Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien. Eine Einleitung. In: Lemke, Krasmann u. Bröckling (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2000, S. 7–40.   zurück
Michael Jackson: Black or White. 1991, Sony Music   zurück
Elisabeth Beck-Gernsheim: The Social Implications of Bioengineering. Atlantic Highlands, New Jersey: Humanities Press 1995.   zurück
Henning Schmidt-Semisch und Friedrich Schorb (Hg.): Kreuzzug gegen Fette. Sozialwissenschaftliche Aspekte des gesellschaftlichen Umgangs mit Übergewicht und Adipositas. Wiesbaden: VS Verlag 2008.   zurück
Pro7, Erstausstrahlung am 21.09.2004.   zurück
Donna J. Haraway: A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: Donna J. Haraway: Simians, Cyborgs, and Women. The Reinvention of Nature. New York, London: Routledge 1991, S. 150–181.   zurück
VOX, Erstausstrahlung am 17.03.2008.   zurück