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I. Die »Mythen«
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In seiner großen Untersuchung, die sich an ein breiteres Publikum wendet, ohne dabei zu populär werden zu wollen, geht es Herfried Münkler um das Beziehungsdreieck von Mythen, Bildungsbürgertum als Träger der nationalen Mythen und jeweiligem politischem Herrschaftssystem: Wie bildet das deutsche Bürgertum im Rückgriff auf welche Mythen welches »Selbstbewusstsein« (S. 15), welche »Identität« (S. 21), welche »Selbstdeutungen« (S. 30) schaffenden Narrationen, Ikonografien und Inszenierungspraktiken aus und welche Handlungsoptionen resultieren daraus für die jeweilige Politik bzw. für das jeweilige Herrschaftssystem? Dies ist – auch wenn sich Münklers Material zu einem nicht geringen Teil aus literarischen Quellen, allen voran Heinrich Heine, speist – doch eine genuin politikwissenschaftliche Perspektivierung der Frage nach den »Deutschen und ihren Mythen«.
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Unter ›Mythen‹ subsumiert Münkler – in deutlicher Erweiterung des üblicherweise damit Gemeinten – Sagen, reale und fiktive mythisierte historische Figuren sowie Erinnerungsorte im Sinne des von Pierre Nora entwickelten Konzepts der Lieux de mémoire
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, das in Deutschland vor allem durch die drei von Etienne François und Hagen Schulze herausgegebenen Bände Deutsche Erinnerungsorte bekannt geworden ist.
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Von daher können neben die Nibelungen Einzelfiguren wie Arminius, Barbarossa, Tacitus, Faust, Luther, Friedrich der Große und Königin Luise gestellt werden, neben Landschaften und Orte wie Rhein, Kölner Dom, Weimar, Nürnberg und Dresden
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antifaschistischer Widerstand in der DDR sowie Währungsreform und Wirtschaftswunder der BRD der frühen Jahre.
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Auch wenn die so expandierte Rede von ›Mythen‹ zur schnellen Verständigung und gleichsam als Abkürzung für den komplizierten Sachverhalt des gesamten denkbaren Ensembles ›langdauerstabiler Sinnkomplexe mit Surplus für die nationale Identitätsbildung bei mäandrierender Funktionalisierung‹ sicher durchaus geeignet ist, bleibt doch zu überlegen, ob es im Sinne einer präzisen Terminologie besonders günstig ist, so disparate Gegenstände wie mythisierte historische Figuren, Figuren der Literatur, geografische Einheiten und politische Maßnahmen bzw. Maßgaben unter der selbst schon mehr als vieldeutigen Bezeichnung ›Mythen‹ zu subsumieren.
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Auch der in der Einleitung unternommene Versuch einer prozessualen Charakterisierung von Mythen als zunächst vornehmlich narrativen Gebilden, die dann in Form von Gemälden, Zeichnungen, Denkmälern usw. verbildlicht (ikonisiert) und damit räumlich expandiert werden, um schließlich rituell, etwa in Form von Feiertagen re-inszeniert und damit auch zeitlich ausgedehnt zu werden, kann daran nur wenig ändern. Einzige Kriterien der Unterscheidung von Mythen und Erinnerungsorten sind für Münkler nämlich der Grad ihrer qualitativen bzw. quantitativen Verdichtung, ihre Bedeutung über längere Zeitspannen hinweg und schließlich ihre politische Anschlussfähigkeit, wobei die paradigmatische Akkumulationskapazität der Erinnerungsorte, die Münkler auch »Mythensammler« (S. 297) nennt, größer zu sein scheint, als die der mythisierten Figuren. Allerdings kombinieren gerade die eindrucksvollsten, in verschiedenen Versionen reproduzierten Analysebeispiele Münklers, wie etwa Hitlers Besuch am Grab Friedrichs des Großen oder der des Luise-Sarkophags durch ihren Sohn Wilhelm vor dem Krieg gegen Frankreich 1870/71, die Personen und die Orte miteinander.
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II. Die »Deutschen«
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Mit Versionen im übertragenen Sinne hat man es auch beim Fixpunkt »die Deutschen« zu tun, der nicht ganz unproblematisch ist. Denn leicht ließe sich fragen, ob es quer durch die Jahrhunderte wirklich eine durchgehend identische Konstruktion oder gar eine sich selbst ›treu‹ bleibende ontologische Entität ›die Deutschen‹ gegeben hat oder bis heute gibt, oder ob man es nicht vielmehr mit vielen verschiedenen Konstruktionen von »die Deutschen« zu tun hat. Die Perspektivierung von einem sich mehr oder weniger gleich bleibenden Standort »die Deutschen« aus geht nämlich nur dann auf, wenn man – wie Münkler – von ihnen als ›den Deutschen‹ nach 1989 spricht und dieses Konstrukt dann trotz aller Differenzierungen zumindest implizit auch auf die für die Untersuchung relevanten historischen Schnitte der Analyse bezieht.
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III. »Die Deutschen und ihre Mythen«
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Das erste der insgesamt fünf großen Kapitel handelt von solchen »Nationalmythen« wie Barbarossa, den Nibelungen und Doktor Faustus, die nach Münkler vor allem »von der Herkunft der Deutschen« erzählen, zugleich aber auch »Zukunftsversprechen« abgeben, sodass »Vergangenheit und Zukunft« miteinander kurzgeschlossen werden:
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Nicht selten sind sie Versprechen und Fluch in einem: Was als Erzählung daherkommt, wird, sobald sie zum Paradigma der eigenen Geschichte erhoben ist, zum Bann des Wahrnehmens und Handelns. Gilt das Berichtete erst als Nationalepos, Nationalmythos oder Nationalfigur, wird das, was eben noch literarisches Spiel oder durch eine Lokalsage vermittelte Erinnerung war, zur verbindlichen Vergangenheitsdeutung und zur Vorhersage des Zukünftigen. Aus profanem Spiel wird heiliger Ernst. (S. 28)
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Die damit stets eminent politisch wirksamen Mythen dienen zudem dazu, wie Kapitel zwei am mythisch grundierten »Kampf gegen Rom« (S. 141) zeigt, Wir/Sie-Vorstellungen zu entwickeln, das heißt, sie sind ein wichtiger Faktor im Prozess von Inklusion und Exklusion, der Grenzziehung zwischen Eigenem und Fremdem (vgl. S. 29), der sich an Tacitus, Hermann/Arminius und Luther ebenso exemplarisch beobachten lässt wie am Gang nach Canossa.
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Die Beschäftigung mit dem im Zentrum des dritten Kapitels stehenden »Preußenmythos« sieht Münkler als »Suche nach den narrativ-ikonischen Wurzeln des deutschen Sonderwegsbewusstseins« an. »Ausgangspunkt für die Vorstellung, es gäbe einen deutschen Weg in eine eigene Moderne«, sei »der Aufstieg Preußens im 18. Jahrhundert und der Mythos von der ›deutschen Sendung‹ Preußens« gewesen (S. 29). Die preußischen Mythen – so Münkler weiter – hätten erzählt, »wie dieser Sonderweg zu beschreiten sei«, wobei vor allem »Dienst und Pflicht und – zunächst zumindest – Bescheidenheit im Zentrum« gestanden hätten (S. 29).
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Einen Wechsel der Gegenstände vollzieht dann das an »Orten und Räumen« orientierte vierte Kapitel, das mit der Burg ein »Symbol für Schutz und Trutz, Sicherheit und Freiheit, Verheißung und Erlösung« in den Blick nimmt; mit der Stadt »Verkörperung[en] nationaler Identität wie regionalen Stolzes« und mit einer so »sagenumwobene[n]« Landschaft wie dem Rhein einen »Inbegriff des Nationalen« sowie »eine Vorstellung von Kultur, die als Kompensation verfassungspolitischer Defizite und machtpolitischen Scheiterns nutzbar war« (S. 29). Die analysierten Beispielkomplexe sind hier Wartburg, Weimar (und die deutsche Klassik), Nürnberg und Dresden sowie der ach so ›deutsche‹ Rhein. Ein Highlight des Buches stellt dabei der Abschnitt zu Nürnberg und Dresden dar, in dem es nicht nur gelingt, die verschiedenen historischen Mythisierungen der beiden Städte aufzuzeigen, sondern auch das implizite, zeitverschobene Wechselspiel zwischen ihnen sichtbar zu machen: Der ursprünglich an Nürnberg festgemachte ›reichsdeutsche‹ Nationalstolz, an den auch der Nationalsozialismus anzuknüpfen suchte, wird mit der Bombardierung Dresdens an anderem Ort zerstört, die leer gewordene Funktionsstelle Nürnberg wird zum Ort der Kriegsverbrecherprozesse, also genau gegenläufig zum Macht- und Stolzmythos des Nationalsozialismus besetzt. Das Muster ist nicht unbedingt neu: Schon Napoleon soll sich nach seinem Einzug in Berlin als eine bis ins Private hinein fortgeführte Form der Okkupation ins Bett der geflüchteten Königin Luise gelegt und deren zurückgelassene Liebesbriefe gelesen haben; so jedenfalls der spätere Luisenmythos.
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Im abschließenden fünften Kapitel werden »Gegenmythen« präsentiert, womit noch einmal eine Funktion von Mythen im Detail verfolgt wird, die das zweite Kapitel bereits als Grenzziehung zwischen ›WIR‹ und ›SIE‹ thematisiert hat. Stärker heraus arbeitet Münkler hier jedoch, wie der »mythenpolitisch untermauerte Überlegenheitsanspruch der Gegenseite mit eigenen politischen Mythen beantwortet« wird (S. 29). Das gelingt besonders gut für den in der DDR so wichtigen Mythos vom antifaschistischen Widerstand sowie die Währungsreform und das Wirtschaftswunder in den frühen Jahren der Bundesrepublik. Etwas schwächer dagegen fällt der letzte Abschnitt zur Ablösung des Mythos durch Schlagzeilen und Werbekampagnen aus, der eher dazu dient, die Argumentationslinie bis in die neueste Zeit fortzuführen, als einen stringenten Anschluss an die bis dahin durchgängig verfolgte Frage nach dem Wechselverhältnis von Mythen und Politik herzustellen.
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Ein Resümee oder eine Zusammenfassung des entwickelten Gedankengangs am Ende des voluminösen Buches fehlt, sodass der Leser mit dem deutschen Papst Benedikt etwas abrupt aus dem Reigen der vielen Mythen von germanischer Vorzeit bis heute entlassen wird.
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IV. Konzept
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Seine Geschichte(n) der politischen Funktion von Mythen (bzw. der über längere Zeit hinweg wirkungsvollen ›großen Narrationen‹) rekonstruiert Münkler stets von der Gegenwart aus rückwärts, indem er zunächst an die Anfänge zurückgeht und dann Schritt für Schritt die Entwicklungen, verschiedenen Versionen, Stufen, Funktionalisierungen und auch Umdeutungen nachzeichnet, die dann wieder bis in die jüngste Vergangenheit reichen. Dieses Vorgehen erlaubt es, eine mythenkritische Perspektive einzunehmen, die theoretisch an Roland Barthes Mythen des Alltags – ergänzt um einzelne Theoreme der strukturalen Anthropologie von Claude Lévi-Strauss, wie etwa das des Ausgleichs von Gegensätzen durch Dioskurenpaare (Goethe und Schiller) oder Tricksterfiguren (Bismarck) – anschließt, obwohl Münkler gegen Roland Barthes’ Stoßrichtung, den Mythen in der Kritik ihre Wirksamkeit zu entziehen, an einer das Überleben politischer Einheiten sichernden Funktion der Mythen festhält.
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So wird auf der einen Seite zwar immer wieder die Gemachtheit der Mythen und Narrationen herausgearbeitet, dasjenige also, worin sie von realen Bezügen abweichen, das, was in ihrer politischen Funktionalisierung forciert in den Vordergrund gerückt oder umgekehrt ebenso aktiv ausgeblendet wird. Andererseits wird das Festhalten an der politisch wichtigen Funktion von Mythen (was ihre Reproduktion einschließt) durch punktuellen Rückgriff auf die erinnerungstheoretischen Arbeiten von Jan Assmann und vor allem auf Hans Blumenbergs Arbeit am Mythos abgesichert. Die vielfältigen Versionen, Anpassungen, Umerzählungen und Neufunktionalisierungen von Mythen, auf die schon Roland Barthes (Stichwort ›bricolage‹) und Claude Lévi-Strauss (Stichwort ›Blätterstruktur des Mythos‹) hingewiesen haben, lassen sich nämlich mit Hans Blumenberg als permanente Arbeit am Mythos verstehen, die nie wirklich abgeschlossen und – zumindest für Münkler – auch heute noch nötig ist, da es die Mythen sind, »die Zutrauen und Mut erzeugen und politische Reformen begleiten und absichern können« (S. 12). Kurz: Sein doppelter Rekurs auf Barthes und Blumenberg erlaubt es Münkler, Kritik an historischen Konstellationen von Mythen zu formulieren, ohne ihnen eine mögliche positive Funktionalität von vornherein und auch noch für die heutige Zeit absprechen zu müssen.
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V. Das Ende der Mythen?
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In dem von ihm untersuchten zeitlichen Spektrum sieht Münkler zwei große Einschnitte in der politischen Funktionalisierung von Mythen: Während das ausgehende 18. und dann das gesamte 19. Jahrhundert extensiv auf Mythen zurückgegriffen hätten, sei dieser historisch akkumulierte Bestand durch den Nationalsozialismus nahezu vollständig diskreditiert worden, woraus sich nach 1945 ein gewisses Vakuum an politischer Nutzung von Mythen ergeben habe, ein Vakuum, das tendenziell bis heute andauere.
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Aber fehlten in den 1950er Jahren wirklich die politischen Mythen (im Sinne mythisierter historischer Personen) oder hätte man sie nicht nur an anderer Stelle und in anderem Gewand als bis dato aufsuchen müssen? Pointiert an einem Beispiel formuliert: Ersetzt Sissi nicht die Königin Luise auf eine in der Nachkriegszeit unanstößige Weise in Form des ›tröstlichen Heimatfilms im Adelsmilieu‹? Wird die der Königin Luise von Preußen und Sissi gemeinsame strukturelle Position der Verbürgerlichung nicht dann in den späten 1990er Jahren noch einmal mit Lady Di reproduziert, sodass Luise und Sissi zusammen mit Lady Di ganz nach dem jakobsonschen Modell von Paradigma und Syntagma wechselseitig reaktualisiert werden können?
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Wie sonst, wenn nicht durch solche Reproduktionszyklen wäre die Tatsache von gleich drei Luisenausstellungen in Berlin zum 200. Todestag zu erklären?
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Strukturfunktional betrachtet, ist die heute wichtige Frage dann aber nicht, welche Funktion der Mythos Königin Luise heute noch haben könnte, oder ob er – wie Münkler meint – »historisch versiegt« sei (S. 273), sondern wie die Struktur dieses Mythos und seine Funktionen durch mythisierte Figuren wie Lady Di, Evita Perón und demnächst vielleicht noch ganz andere beerbt, re-aktualisiert und damit reproduziert wird. Und dies nicht nur aus der Vergangenheit heraus in die Gegenwart oder die Zukunft, sondern auch umgekehrt.
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Dennoch ist Münklers Frage, ob die »Berliner Republik« eines neuen, eigenen Gründungsmythos bedarf, ob uns aktuell »Großerzählungen« fehlen (S. 12), nicht unberechtigt. Allerdings setzt die Frage voraus, dass es eine breitere Trägerschicht für den vermissten Mythos geben könnte. Sah Münkler die Deutungshoheit der Mythen im 19. Jahrhundert noch an das Bildungsbürgertum gebunden, so müsste man heute berücksichtigen, dass wir es mit einer hochgradigen Ausdifferenzierung der Gesellschaft in eine Vielzahl politisch-kultureller Milieus zu tun haben, und zwar auch innerhalb des Spektrums des alten Bildungsbürgertums, was Soziologen, Leseforscher, Medienwissenschaftler, Historiker und Politologen in den letzten Jahren aus unterschiedlichster Perspektive, im Befund aber unisono, bestätigt haben.
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Dann aber läge auch der Gedanke einer mit der Ausdifferenzierung in relativ unabhängige Milieus korrespondierenden Diversifizierung politischer Mythen für diese Milieus auf der Hand. Das so zum einen erheblich erweiterte, zum anderen in der Öffentlichkeit nicht mehr für jeden und jedes Milieu und Submilieu sichtbare und wirksame Mythenarsenal und erst recht seine dann ebenso vielfältigen Funktionen wären deutlich schwieriger zu rekonstruieren als die über das gesamte Bildungsbürgertum hinweg breit verankerten Mythen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
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VI. Fazit
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Herfried Münkler gelingt der schwierige Balanceakt zwischen Wissenschaft und verständlicher Darstellung in seinem Buch weitestgehend, auch wenn hier und da zugunsten der Lesbarkeit Abstriche in der Detailgenauigkeit hingenommen werden müssen. So wirken die Übergänge zwischen einzelnen Abschnitten und Kapiteln bisweilen etwas abrupt, wodurch sich auch insgesamt der Eindruck einer Sammlung von Einzelfällen bzw. -analysen einstellt, die zwar das gesamte infrage kommende zeitliche Spektrum abdecken, aber über punktuelle Kopplungen hinaus keinen inneren Zusammenhang zwischen den einzelnen Mythen erkennen lassen.
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Alternativ denkbar wäre gewesen, die Entwicklung und dann Figurenstruktur des deutschen Mythensystems gerade in seinem Zusammenhang aufzuzeigen: Welche Mythen sind funktional äquivalent, welche sind synchron, welche diachron gegeneinander ersetzbar, welche stellen Knotenpunkte bisheriger Entwicklungen dar (wie beispielsweise der Bismarckmythos als Ort der Kopplung einer Realismus- und einer Idealismusschiene im preußisch-deutschen Mythensystem). Für solche Fragestellungen würde sprechen, dass kaum ein mythisierender Text darauf verzichtet, einen Mythos durch Vorläufer und den Verweis auf Nachfolger in beide Richtungen historischen Denkens abzusichern. Damit integrieren die Texte aber in der Regel die beiden Funktionen, die Münkler analytisch voneinander trennt, nämlich zum einen Ursprungsmythen zu liefern, zum anderen ein attraktives Zukunftsversprechen zu machen.
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Dass ein solcher Blick auf Mythenkonstellationen bei Münkler keine Rolle spielt, hat seinen Grund unter anderem darin, dass einige wichtige Personenmythen ausgespart wurden, neben Goethe und Schiller, die unter dem ›Ort‹ Weimar mit abgehandelt werden, insbesondere der Luther- und Bismarckmythos. Dass letzterer schon an anderer Stelle behandelt worden ist (vgl. S. 30), trägt kaum als Argument, denn es hätte auch auf die ausführlich besprochene Königin Luise zugetroffen.
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Etwas weit gehen bisweilen die fast schon in Merksatzform formulierten mythentheoretischen Feststellungen, die zwar im ersten Moment einleuchten, für die man aber im nächsten bereits etliche Gegenbeispiele anführen möchte.
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So entwickelt Münkler gleich im Einleitungskapitel die Hypothese, dass mythische Narrative eher Veränderungen befördern (etwa als Zukunftsoptionen), Denkmäler und Bilder aber eher »bewahrenden Charakter« haben. Wie aber konnte dann das Brandenburger Tor vom Symbol der Teilung und Unfreiheit zum Symbol der Freiheit werden? Sind Bilder und Denkmäler in ihrem ›mythischen Gehalt‹ nicht immer durch begleitende Narrative gedeckt, sodass beide medialen Formen der Mythisierung gar nicht unabhängig voneinander gedacht werden können?
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Hier wäre noch einmal neu anzusetzen, nicht gegen, sondern auf der Basis dessen, was Münkler mit seinem Buch geleistet hat, nicht zuletzt in den Detailstudien, von denen die zu Faust, Barbarossa/Barbablanca und Nürnberg/Dresden auch über die Grenzen der Politikwissenschaft hinaus von großem Interesse sein werden.
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