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Als Mann gebären

  • Christine Kanz: Maternale Moderne. Männliche Gebärphantasien zwischen Kultur und Wissenschaft (1890-1933). München: Wilhelm Fink 2009. 473 S. 23 s/w Abb. Kartoniert. EUR (D) 49,90.
    ISBN: 978-3-7705-4829-3.
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Mit Maternale Moderne. Männliche Gebärphantasien zwischen Kultur und Wissenschaft (1890–1933) legt Christine Kanz eine für die Literaturwissenschaft ebenso bedeutsame wie materialreiche Studie vor, die neue Einsichten für die Epoche der kulturellen Moderne ermöglicht. Kanz’ Analysen fußen auf der Beobachtung, dass das Phantasma männlicher Geburt im ausgehenden 19. Jahrhundert und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in geradezu obsessiver Manier verhandelt wird. Um sich der Vielfalt der kulturellen Repräsentation dieser Gebärphantasien widmen zu können, beschäftigt sich Kanz nicht nur mit Literatur, sondern erweitert ihre Perspektive und deckt zusätzlich den Bereich der Kunst sowie des Filmes ab.

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Kanz geht es darum, gängige geschlechtlich codierte Topoi zu problematisieren, die Vatergeburtsphantasien »zu Metaphern für Kunstproduktion« (S. 55) im Sinne geistiger Schöpfung erklären. Dass dieser Konnex in den Literatur- und Kulturwissenschaften auch heute noch fortbesteht, erklärt Kanz als Resultat einer gewissen Verunsicherung, die in Anbetracht einer zunehmenden Auflösung geschlechtlicher Grenzen zutage tritt. Eine derartige »metonymische Verkennungsstruktur« (S. 55) – eine Formulierung, die Kanz einer Studie Yahya A. Elsaghes entnimmt – lässt sich zurückführen auf die Furcht, dass mit dem Konzept einer konkret-körperlichen Vatergeburt die Destabilisierung des geschlechtlich semantisierten Oppositionspaares aktiv/passiv einhergeht. Bei dem männlichen Bedürfnis, tatsächlich ein Kind zu gebären, handelt es sich jedoch, wie Kanz demonstriert, um eine historische, nicht nur ästhetisch motivierte Konstante, die sich von archaischen Phantasien bis hin in die Gegenwart nachzeichnen lässt. So zeigt Kanz unter anderem, dass in der christlichen Lehre Jesus als mütterlich konfiguriert wird; er »gebäre aus seiner Herzwunde, und statt mit Milch nähre er seine Kinder mit seinem Fleisch und Blut« (S. 28). Auch um 1900 sieht die Autorin in den Schriften Benjamins und Nietzsches eine frappierende Häufung von Gebärmetaphern. In Anlehnung an Überlegungen Derridas erscheinen, so Kanz, diese beiden bedeutenden Philosophen der Moderne als »Denker der Schwangerschaft« (S. 52).

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Wie notwendig es ist, zwischen männlicher Geburt als Metapher und konkreter männlicher Gebärphantasie zu unterscheiden, veranschaulicht Kanz unter anderem anhand ausgewählter Beispiele aus dem kulturellen Feld. Die signifikante Präsenz fiktiver Männerfiguren, die im spezifischen Kontext der kulturellen Moderne »Kinder gebären (wollen)« (S. 59), führt Kanz einerseits auf die Verherrlichung von Mutterschaft zurück, andererseits bewirkt die Modifikation der traditionellen Geschlechterordnung eine Krise des männlichen Selbstbildes. 1

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An diese männlichen Gebärphantasien sind weitere, für die Moderne charakteristische Entwicklungen gebunden: die Erschließung eines neuen Wissens, das aus der Faszination entsteht, die von der »Materie, dem Stofflichen und dem Körper sowie – wohl aus diesem Konglomerat resultierend oder es zumindest begleitend – dem ungestümen Drang nach einer Intensivierung des Lebens« (S. 59) ausgeht.

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Gebärphantasien im Naturalismus, in der Psychoanalyse und im Expressionismus

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Insbesondere drei Bereiche der kulturellen Moderne zeichnen sich, so Kanz, durch eine Häufung männlicher Gebärphantasien aus: Der Naturalismus, die Psychoanalyse und der Expressionismus. Innerhalb des Naturalismus erleben die Begriffe der ›Mutter(schaft)‹ und der ›Geburt‹ eine deutliche Hochkonjunktur (vgl. S. 99); der Naturalismus insgesamt wird von Hermann Bahr in das semantische Feld von Geburt gerückt und, so Bahr, als »Entbindung der Moderne« bezeichnet (S. 99). Kanz kann unter anderem am Beispiel des Autorenkollektivs Arno Holz und Johannes Schlaf nachweisen, dass dem naturalistischen Programm durchaus die »Forderung nach einer männlichen gebärenden Kunst [Hervorhebung im Original]« (S. 105) inhärent ist. Die Selbstbeschreibungen des von Kanz humoristisch betitelten »Arbeits-Ehepaares« (S. 105) Holz und Schlaf konfigurieren Holz als väterlich zeugenden Part, Schlaf hingegen als mütterlich-schwangeren Part. Das heißt, dass innerhalb des Naturalismus die »diversen ästhetischen und literarischen Produktionsvorgänge […] oft mit der nicht an biologische Körper gebundene[n] Zuweisung eines ›männlich-zeugenden‹ bzw. eines ›weiblich-empfangenden‹ Charakters« (S. 105) einhergehen.

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Im Kontext der Psychoanalyse wird durch die kritische Auseinandersetzung mit Freuds androzentrischem Konzept des ›weiblichen Penisneides‹ speziell die 1926 von Karen Horney entwickelte Denkfigur des ›männlichen Gebärneides‹ zu einem bestimmenden Paradigma. Wie Kanz darlegt, geht Horney davon aus, dass die Unfähigkeit des Mannes, Kinder zu gebären, die zentrale Triebfeder für männliche Kulturleistungen bildet. Auch Erich Fromm bedient sich des Konzeptes des ›männlichen Gebärneides‹ und entwickelt seine Theorien in Auseinandersetzung mit dem babylonischen Schöpfungsmythos, der von dem siegreichen Kampf Marduks gegen die Große Mutter Tiamat – und somit der Ablösung des Matriarchats durch das Patriarchat – erzählt. Dieser von Fromm angeführte Schöpfungsmythos ist im Rahmen der von Kanz vorgenommenen Untersuchung zur Maternalen Moderne deshalb von Bedeutung, weil er die »traditionelle Kunstschöpfungsanalogie mit der neueren Gebärneidtheorie» (S. 136) verbindet und einige Motive mit dem im weiteren Verlauf der Studie analysierten Mafarka-Roman Filippo Tommaso Marinettis teilt.

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Ähnlich wie im Naturalismus finden sich zahlreiche Figurationen des männlichen Gebärers in der Phase des Expressionismus. So manifestiert sich im Leben und in den Texten Rilkes ein »ausgeprägter Schwangerschaftsneid« (S. 140). Dabei handelt es sich sowohl um männliche Schwangerschaft in tradierter Form als Metapher für Kunstschöpfung als auch um Phantasien einer tatsächlichen, körperlichen Schwangerschaft. Phantasien, die in den von Kanz angeführten Erinnerungen an Rilke von Lou Andreas-Salomé dokumentiert sind. Rilke war erfüllt, wie Kanz Salomé zitiert, von einer »undarstellbare[n] Sehnsucht nach Schwangerschaft« (S. 140). Rilkes literarische Arbeiten zeichnen sich durch ein Oszillieren zwischen metaphorischer und konkreter Geburt aus, beide Pole ziehen sich motivisch durch Rilkes gesamtes Werk. Dass die Transgression geschlechtlicher Grenzen durch den Gebrauch konkreter Gebärmetaphern keinesfalls mit der Aufgabe misogyner Überzeugungen einhergeht, zeigt sich sowohl in Rilkes Kunst als auch in seinem Schwangerschaftskonzept: Erstens reklamiert er die Sphäre der Kunst ausschließlich für sich als Mann: »[Die] Schöpfung des Künstlers [komme] der Schöpfung Gottes gleich, womit Rilke ein für allemal die Überlegenheit des Mannes über die Frau etabliert[ ]« (S. 143).

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Zweitens ist Rilkes Gebärneid, so Kanz unter Rückbezug auf eine psychoanalytisch motivierte Untersuchung Erich Simenauers, derart ausgeprägt, dass er »Schwangerschaft weder den Frauen überlassen noch sie mit ihnen teilen wollte« (S. 143). Rilke beansprucht also den Akt der Schöpfung für sich in allen Bereichen: auf dem ästhetischen wie auf dem konkret-körperlichen Feld.

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Die in den männlichen Gebärphantasien zum Ausdruck kommenden und nur vermeintlich paradox anmutenden Formen misogyner Geschlechtertransgressionen, die in Rilkes Schriften und Selbstentwürfen Eingang finden, treten in besonders eklatanter Manier in der »faschistoide[n] Virilität und Retortenmystik« (S. 148) der Expressionisten Ernst Weiß und Ernst Jünger zutage. In ihren Texten schlägt sich das »Gegenteil von Kunstschöpfung, nämlich männliche Selbstgeburten im Tode, an deren Ende der neu erstarkte, soldatische Mann steht« (S. 148), nieder. Am Beispiel der Erzählung Franta Slin (1919) von Weiß illustriert Kanz Strategien der »Rehabilitation männlichen Machtverlustes […][,] wie ihn der ›Mann der Moderne‹ im Gefolge des Ersten Weltkriegs erlitt« (S. 151). Die konkreten Gebärphantasien kompensieren die kriegsbedingte Kastration des titelgebenden Offiziersdieners Franta Slin – der Mann erfährt im Tod seine heroische Neugeburt.

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Dem Autor Franz Kafka widmet sich Kanz in ihrem Kapitel zum Expressionismus in ausführlicher Weise. Neben Kafkas Das Urteil und Ein Landarzt beleuchtet Kanz die posthum erschienene Erzählung Forschungen eines Hundes en détail. Mittels psychoanalytischer Überlegungen Freuds zur melancholischen Einverleibung demonstriert Kanz, dass der Text als »eine (allerdings versteckt artikulierte männliche) Gebärphantasie gelesen werden [kann], als es um eine Exkorporation geht, in deren Folge ein neuer bzw. anderer Hund [neben dem Ich-Erzähler, der ein Rüde ist] existiert« (S. 168). Kafkas Text operiert mit einem Verfahren, das den Sinnesorganen des Hundes eine »faszinierende Doppelbedeutung« (ebd.) zukommen lässt und diese als weibliche Reproduktionsorgane codiert. Der Hund wird so zu einer männlichen Mutter, eine Konfiguration, die in mehreren Arbeiten Kafkas zu finden ist und mit der Kafka Geschlechterentwürfe erprobt, die sich deutlich vom »soldatisch-phallischen Maskulinitätsideal« (S. 175), wie es die Texte von Weiß oder Jünger favorisieren, abheben. Kafka geht es, so unterstreicht Kanz, »gerade um die Suche nach neuen Männlichkeiten jenseits des konventionellen und von ihm gehassten soldatischen Virilitätsideals, dem er vor allem im Brief an den Vater […] abgeschworen hatte« (S. 175).

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Männliche Gebärphantasien im Futurismus

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Am »Dreh- und Angelpunkt« (Klappentext) von Kanz’ Studie steht der Roman Filippo Tommaso Marinettis Mafarka der Futurist. Marinetti, den Kanz als den »Geburtshelfer der Moderne« (S. 180) bezeichnet, entwirft in seinem ›afrikanischen Roman‹ eine männliche Gebärphantasie, die die Omnipotenz des Protagonisten Mafarka besiegelt. Das Produkt der Vater-Geburt ist Gazourmah, ein neuer futuristischer Übermensch, der durch seine Flügel aus Metall die Grenze zwischen Mensch und Maschine überschreitet und dadurch allmächtig ist. Als problematisch erscheint der Roman deshalb, weil er zahlreiche rassistische und misogyne Phantasien in sich vereint (Marinetti war Anhänger des italienischen Faschismus unter Mussolini), die jedoch, wie Kanz in ihrer Untersuchung darlegt, keinesfalls frei von Brüchen und Ambivalenzen sind. Eine deutliche Ambivalenz scheint zum einen in der Übermensch-Figur Gazourmah auf: Der zum ›Supermann‹ des Futurismus stilisierte und angebetete Sohn Mafarkas entspricht keinesfalls, wie angenommen werden müsste, einem hegemonialen Ideal von Hellhäutigkeit. Vielmehr besitzt Gazourmah das Gesicht eines Schwarzafrikaners (vgl. S. 193). Zum anderen wird die männliche Omnipotenz Mafarkas sowie sein übersteigerter Frauenhass partiell durch seine effeminierten Züge konterkariert. Kanz unterstreicht, dass Maskulinität in Marinettis Roman »generell als komplex und differenziert, und keineswegs eindimensional konstruiert« (S. 186) erscheint. Vor allem Maternalität erscheint als zentrale Eigenschaft Mafarkas: »Der ägyptische Diktator, der immer wieder Sehnsucht nach seiner eigenen Mutter artikuliert […], wird sogar selbst als mütterlich charakterisiert. Denn er hat schließlich maternale Gefühle seinem Bruder […], später auch seinem Sohn gegenüber« (S. 188).

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Ein weiterer Widerspruch, der das Genre des futuristischen Romans in Frage stellt, wird anhand seines Traditionsbezuges deutlich: Obwohl Marinetti »so vehement und publikumswirksam jeglichem Rückgriff auf das […] [Vergangene] abgeschworen hatte« (S. 206), bedient er sich in Mafarka verblüffend oft archaischer Motive. Die im Roman entworfene Geburtsphantasie wird unter Bezug auf zahlreiche Mythologeme wie die Golem-Legende oder das Homunkulus-Konzept entwickelt; nicht zuletzt ist die männliche Geburt selbst ein archaisches Thema. Gleichzeitig antizipiert Mafarka die Gegenwart, so Kanz, und nimmt Praktiken des bioengineering und der Ektogenese vorweg: »Was der fiktive Mafarka schon Anfang des 20. Jahrhunderts ersonnen hat, scheint hundert Jahre später machbar: Wissenschaftler arbeiten derzeit an einer künstlichen Gebärmutter« (S. 223).

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Neue Zusammenhänge: der ›material turn‹ um 1900

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Nachdem sich Kanz im Anschluss an die Mafarka-Analyse zahlreichen weiteren Repräsentationen männlicher Gebärphantasien in verschiedenen künstlerischen Medien gewidmet und diverse Ausprägungen des Mutterkultes innerhalb der kulturellen Moderne nachgezeichnet hat, entfaltet sie in ihren Überlegungen zum ›material turn‹ um 1900 Thesen, die für zukünftige Debatten um die Moderne und um männliches Gebären wegweisend sind. Der ›material turn‹ lässt sich, wie Kanz zeigt, als Reaktion auf die einschneidenden Erkenntnisse in den Naturwissenschaften um die Jahrhundertwende begreifen, mit denen eine »Wahrnehmung des Verlusts von Materie« (S. 360) einhergeht. Das »Verschwinden der Materie« wurde, Kanz zufolge, zum »kulturellen Paradigma« (S. 360). Beispielhaft ist diese Verlusterfahrung in Hofmannsthals Ein Brief sowie im Kontext der gesamten Sprachkrise um 1900 dokumentiert. Mit den Ängsten vor dem »Verschwinden der Materie« (S. 360) wird in der Kunst unterschiedlich umgegangen. In der Bildenden Kunst sind »Tendenzen der Vergeistigung und Abstraktion» (S. 360) zu verzeichnen, und es kommt zur »Neubesinnung auf Materie« (ebd.) wie im Futurismus und Dadaismus. Das Zelebrieren und die Rückgewinnung des Materiellen stehen, wie Kanz ausführt, in engem Zusammenhang mit Maternalität. Ein Zusammenhang, der zugleich etymologisch begründet ist und im Rahmen von Kanz’ Studie zentrale Bedeutung erhält: »Bereits der etymologische Zusammenhang von Mutter, lateinisch mater, und Materie, auf den auch Freud hingewiesen hatte, legt […] nahe, innerhalb einer Reflexion über Mutterschaft auch über das Stoffliche, die Materie, nachzudenken« (S. 372). Vor diesem Hintergrund lässt sich die von Marinetti entwickelte Ästhetik der Taktilität, also einer Kunst, die auf den »Tastsinn zentriert« (S. 373) ist, als Versuch sehen, das Materielle zu privilegieren. Hinsichtlich dieser futuristischen Ästhetik erinnert Kanz an die »berühmten Bücher aus Metall von Marinetti« (S. 375). Das zunächst »leblose« Material der Bücher lässt sich durch den Tastsinn im Sinne einer Energetisierung beleben oder beseelen (vgl. S. 375): »Aufgrund ihres Materials dürften [die Bücher aus Metall] bei längerem Anfassen Körperwärme speichern und damit tatsächlich energetisiert, d.h. in Marinettis Sinne ›verlebendigt‹ werden« (S. 375). Plausibel ist es, dieses – männlich dominierte – futuristische Interesse »an intensivster Sinnes- und Körperwahrnehmung sowie an der […] Materie« mit dem »materialen körperlichen Vorgang der Geburt zu assoziieren« (S. 378).

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Kanz’ bemerkenswerte Leistung ist es, »d[as] neue[ ] Interesse an [der] Geburt durch den Mann« (S. 385) auf luzide Art und Weise mit dem ›material turn‹ zu verbinden, »wie er sich Anfang des 20. Jahrhunderts herauskristallisierte« (S. 385). Dabei bezeichnet Kanz die um 1900 stattfindenden geschlechtlichen Verschiebungen als völlig neues Phänomen: »Während der Konnex von Materie und Geburt […] nicht neu ist, sondern im Gegenteil ein uraltes Stereotyp aufruft, ist das Bemühen bzw. der Kampf um die Verschiebung ihrer geschlechtsspezifischen Konnotierung […] hier umso frappierender, um nicht zu sagen: avantgardistisch« (S. 385).

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Tatsächlich zeigt sich in der Gegenwart – Kanz schlägt zum Abschluss ihrer Studie einen Bogen zum frühen 21. Jahrhundert –, dass die unter anderem in der kulturellen Moderne entworfenen Phantasien männlicher Geburt die »mentalen Voraussetzungen geschaffen haben« (S. 428) für aktuelle wissenschaftliche Bestrebungen, Reproduktion jenseits des weiblichen Körpers zu ermöglichen. Die Studie stellt auf diese Weise »gemeinsame Wissensräume vor[ ]«, die sich »die Kultur(-wissenschaften) und Natur(-wissenschaften) auf dem Gebiet der Geburt teilen« (S. 428). Das heißt auch, dass die Gebärphantasien auf dem Feld der Kunst nötig waren, »um zunächst einmal verschiedene Experimente vorzuformulieren und Szenarien gedanklich durchzuspielen« (S. 428).

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Fazit

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Kanz’ Studie bildet, das sollen die obigen Ausführungen deutlich gemacht haben, einen Meilenstein innerhalb kulturwissenschaftlicher Forschungen. Maternale Moderne besticht nicht nur durch die vielfältige und gewissenhafte Auswahl des Materials, sondern auch durch die Koppelung unterschiedlicher Wissensgebiete, die sowohl für die kulturwissenschaftlich orientierte Literaturwissenschaft als auch für die Gender Studies ein Gewinn sind. Sowohl die stringente Fokussierung auf Phantasien einer tatsächlich körperlichen männlichen Geburt, die klar von männlichen Gebärphantasien im Sinne eines metaphorischen Verweises auf künstlerische Produktion abgegrenzt wird, als auch die Rekonstruktion bislang nicht beachteter Zusammenhänge zwischen dem ›material turn‹ und Entwürfen von Vater-Geburten in der kulturellen Moderne erweisen sich als wichtige Erkenntnisse, die zu weiteren Auseinandersetzungen um die Moderne und ihre Geschlechterkonzepte führen werden.

 
 

Anmerkungen

Diese ›Krise der Männlichkeit‹ wird u.a auch bearbeitet von Walter Erhart / Britta Herrmann (Hg.): Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit. Stuttgart/Weimar: Metzler 1997 und Birgit Dahlke: Jünglinge der Moderne. Jugendkult und Männlichkeit um 1900. Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2006.

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