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Die Filmlogik der Logik-Maschine

Alexanders Florins Untersuchung über „Computer im Kino“

  • Alexander Florin: Computer im Kino. Die narrative Funktion von Computern in us-amerikanischen Filmen. Nordersted: Books on Demand 2009. 180 S. Paperback. EUR (D) 10,90.
    ISBN: 978-3-8391-3190-9.
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Die vorliegende Monografie ist vom Autor als Magisterarbeit im Wintersemester 2007/08 im Fachbereich Anglistik/Amerikanistik der Berliner Humboldt-Universität eingereicht worden. Neben dem Titel des Umschlags »Computer im Kino. Eine wissenschaftliche Untersuchung« enthält sie einen zweiten Titel »Die narrative Funktion von Computern im us-amerikanischen Kino. Zwischen Objekt und Subjekt – doch nichts ohne den Menschen« im Schmutztitel des Bandes, der bereits eine Eingrenzung in Hinblick auf den aspektierten theoretischen Fokus der Arbeit und die Gegenstandsherkunft vornimmt.

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Funktionen des Computers im Film

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Alexander Florin stellt in seinem Einleitungskapitel (Kapitel 1) diesen Gegenstand zunächst vor: Es geht um das Ding »Computer«, das im Film als technisches Artefakt in verschiedenen Funktionen dargestellt wird – zumeist als Maschine im Bild, zeitweilig jedoch lediglich als Diskurs in der Rede der Figuren. Stets jedoch, konstatiert der Autor, bekommt der Computer einen Einfluss auf die Narration, weswegen sich eine Analyse rechtfertige (vgl. S. 3). Eine solche Untersuchung setzt jedoch voraus, dass sowohl der Gegenstand als auch die Methodik ein- und abgegrenzt werden. Für die technische Definition des Computer wählt der Autor die kanonische Theorie John von Neumanns (EVA-Prinzip, vgl. S. 11), die er dann um »psychologische« Komponenten erweitert, welche sich indirekt daraus ableiten lassen: Dass Computer nichts anderes tun, als eingegebene Signale zu verarbeiten und auszugeben, hat Peter Krieg, den Florin zitiert, dazu veranlasst, den Computer als »paranoide Maschine« zu qualifizieren: Sie tut das, was sie tut, stur und ohne Rücksicht auf andere Implikationen und Konsequenzen. Aus dieser interessanten Gegenüberstellung von technischem Prinzip und medialer Wirkung des Computers ließe sich eine hochinteressante »Spannungsgeschichte« der Computerdarstellung im Film aufstellen; Florin interessieren jedoch andere, basalere Aspekte.

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Er wählt ein Sample von 10 Filmen, das er aufgrund ihrer hohen Diskursivität (gemessen am Kassenerfolg der Filme) zusammenstellt. Diese Filme unterteilt er nach den in ihnen auftauchenden Computer in drei ontologische Kategorien: »reale« Computer sind solche, die es auch in der Publikumsrealität gibt; »realitere« Computer »entspr[echen] der Publikumsrealität bzw. [sind] darin potenziell real« (S. 4 f.); »realistische« Computer sind »plausible Nachbildung[en] der Wirklichkeit; wirklichkeitsnah« (S. 5); »inkredible« Computer sind all jene, die nicht unter die ersten Kategorien fallen und deshalb von Florin nicht berücksichtigt werden. Welche problematischen Konsequenzen diese Einteilung mit sich bringt, ob sie überhaupt möglich, beziehungsweise sinnvoll ist, wird weiter unten diskutiert werden.

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Da Dinge im Film, sofern sie nicht bloß zur Ausstattung des Filmbildes gehören (und eigentlich sogar dann noch), einen Einfluss auf den Filmplot bekommen, ist es angezeigt, ihre narrative Funktion zu untersuchen. Florin sieht den Computer im Film in drei Funktionen: als »Objekt-Computer[], also einer vorwiegenden Computernutzung in Form von Requisiten« (S. 7), als »Setting-Computer[]«, die »nicht mehr einzelnen Figuren zugeordnet [sind und damit] keinen individuellen Zwecken wie eMail-Kommunikation oder Figur-gegen-Feind-Kämpfen« (S. 83 f.) unterliegen und schließlich als »Subjekt-Computer«, die so erscheinen »als könnten diese selbstbestimmt handeln« (S. 115). Florin stützt sich bei dieser phänomenologischen Einordnung vor allem auf Eigenbeobachtung und lässt zuvor unternommene, vor allem medien- und kulturwissenschaftlich orientierte Untersuchungen des Computers außer Acht. Ein Vorgehen, das ebenfalls nicht nur positive Konsequenzen für die Untersuchung nach sich zieht.

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Theoretische Fundierung

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Methodisch orientiert sich der Autor in Kapitel 2 an der kanonischen Narrationstheorie des Films und zieht hierfür David Bordwell, Edward Branigan und Seymour Chatman als Theoretiker hinzu, deren Ansätze er jedoch nicht systematisch vorstellt, sondern bruchstückhaft – und zeitweilig in Fußnoten – in seine eigenen Überlegung einfügt. Entsteht zunächst der Verdacht, dieses Vorgehen verfolge das Ziel, durch Theorie-Exkurse nicht zu weit vom Thema »Computer als narratives Element« abzuweichen, verliert Florin im Zuge des Theoriekapitels dann jedoch häufig selbst den Faden und verstrickt sich in narratologische Detailfragen. Die lange Fußnote 24 über die narrative Einordnung eines Geschehens wie »Es regnet« (S. 29), in der der Autor dann zunächst beschreibt, dass dahinter phänomenologisch steht: »Wassertropfen fallen aus Wolken auf die Erde und nässen diese« (ebd.) soll beispielhaft für diese Verstrickung zitiert werden.

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Gegen Ende des Theoriekapitels, bei der Darlegung des Spannungsbogens zwischen »phantastisch und realiter« nimmt der Autor dann die folgenreichste Abgrenzung für sein Vorhaben vor, die vor dem Hintergrund, dass für eine Magisterarbeit nur beschränkte Arbeitszeit und eng bemessener Argumentationsraum zur Verfügung steht, zwar verständlich ist, seine Untersuchung jedoch aus dem bisher geführten Diskurs über den Computer als Medium präventiv ausschließt: »Wie Filme die Wahrnehmung von Computern beeinflussen, ist keine Frage meiner Ausarbeitung« (S. 36). Der Verfasser ist sich über die langjährige kultur- und medienwissenschaftliche Diskussion, die sich hinter dem, was er »Wahrnehmung« nennt, verbirgt, zwar bewusst, er ignoriert sie jedoch. Das hat Konsequenzen für alle drei untersuchten Computer-Kategorien, die nämlich – zwar nicht zum Film, jedoch in anderen Zusammenhängen – bereits vielfach und mit gewinnbringenden Einsichten untersucht wurden.

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Objekt-Computer

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Diese Konsequenz zeigt sich bereits bei der Untersuchung der »Objekt-Computer« in Kapitel 3, deren Fetisch-Charakter (vgl. S. 50) Florin zwar (an)erkennt, die Debatten um den Computer als »evokatorisches Objekt« 1 er aber nicht aufführt, weswegen bereits hier die Überlappung von Computer als Objekt und Computer als Subjekt unerkannt bleiben. Die hier von Florin aspektierten Filme werden vor allem daraufhin befragt, wie groß die »Realitätskonformität« (S. 47) der in ihnen dargestellten Computer und ihre Verwendung durch die Filmfiguren ist. Nicht erst hier und bei weitem nicht zum letzten Mal stellt Florin unter dem Begriff »Logik« (S. 65) beziehungsweise »Logiklöcher[]«(S. 69) filmischen Diskurs und außerfilmische Wirklichkeit einander gegenüber, um daraus ein Qualitätsargument abzuleiten: Computer, die dem Sosein der Technik in der außerfilmischen Welt entsprechen, sind realitätskonform; welche Möglichkeiten sich der Autor durch diese vulgär-ontologische Gegenüberstellung in Hinblick auf den Computer als »Wunschmaschine« nimmt, ist gar nicht zu bemessen. Und so ergeben sich im Fortgang lediglich Fragen, wie etwa die, welcher Film aufgrund seiner Computer-Darstellung »am meisten gealtert« (S. 63) erscheint, also nicht mehr heutigen Vorstellungen von Computern entspricht; oder ob sich ein Filmplot nicht auch ohne Computer hätte realisieren lassen (S. 78 ff.) – eine Frage, die der Autor auch in den folgenden Kapiteln immer wieder in den Rang eines Untersuchungskriteriums erhebt und dabei nonchalant von der Analyse zur Produktionskritik überwechselt.

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Setting-Computer

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Die »Setting-Computer«, die Florin im vierten Kapitel untersucht, besitzen bereits einen antagonistischen Charakter: »Das Individuum, die einzelne Figur steht einem unpersönlichen, nicht-individuellen Computer gegenüber« (S. 84). Dieser Konfrontation entsprechen die meisten Computer-Angst-Szenarien der Science-Fiction seit den 1950er-Jahren und Florin stellt mit »Tron« (1982) auch gleich einen der prominentesten Vertreter dieser Filme vor, den er als eine Allegorie auf den Kampf um den Betriebssystem-Markt versteht. (Das 2011 in den Kinos gestartete Remake »Tron: Legacy« hat diese Annahme in ihrem Plot bestätigt.) Dass Unix keineswegs ein freies System ist, wie Florin schreibt, und der »Master« im Film eben nicht bloß eine Herrschaftsfigur, sondern auch ein Zugriffsverwaltungs-Konzept (Master/Slave-Systeme) von Mehrplatz-Unix-Installationen ist, gehört zu den wenigen faktischen Fehlern der ansonsten sehr auf technisch detaillierte Richtigkeit (vgl. insbesondere die Bildunterschriften!) besonnenen Monografie.

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Ein wenig problematisch ist in Hinblick auf die Narrationstheorie hier die Verwendung des Begriffs »Focalizer« (S. 93), bei dem schon allein der Gebrauch des englischen Terminus stutzig macht. Fokalisierte Figuren sind ein seit Genette vielfach diskutiertes Konzept der Erzähltheorie; bei Florin dient der Begriff zeitweilig als Pendant zur Identifikationsfigur (S. 93), zeitweilig in seinem korrekten Gebrauch als Figurenperspektive auf die Erzählung (Tabelle 4.2, S. 112), wobei Florin jedoch an keiner Stelle auf die gebräuchlichen Distinktionen 2 eingeht, was nicht bloß im Rahmen einer Magisterarbeit hätte geschehen sollen. Auch die eingangs bereits als problematisch beschriebene ontologische Kategorisierung in »real«, »realiter« und »realistisch« wird vom Autor terminologisch nicht aus einem bestehenden Theoriefundus entlehnt, sondern erscheint für die Arbeit eigens entwickelt. Hier hätte der Rückgriff auf die Dokumentarfilm-Debatte 3 wesentlich schärfere Terminologien erbracht, die dann auch nicht mehr bloß der Gegenüberstellung von gezeigter vs. außerfilmisch vorhandener Technik dienlich gewesen wären, sondern darüber hinaus auch etwas über den Sinn hinter der Abweichung verraten hätten.

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Computer als Subjekte

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Die Computer als Subjekte sind schließlich das Thema des vorletzten, fünften Kapitels. In Hinblick auf den an der »technischen Realität« orientierten Blick des Autors können dabei natürlich lediglich Scheinsubjekte gemeint sein – solche, die im Betrachter (und/oder der Figur) den Eindruck von Subjekthaftigkeit evozieren. Insbesondere hier hätte ein Hinzuziehen der oben genannten Debatte zum Computer als evokatorisches Objekt Klarheit verschaffen können. Die Filme, die der Autor hier analysiert, sind kanonisch: »WarGames« (1986) und »2001 – A Space Odyssey« (1968) mit ihren Akronym-Computern WOPR und HAL9000, die durch ihre Subjektwerdung zur Bedrohung für die Protagonisten werden. Florin nennt diese Computer »anthropomorph« (S. 119) und meint damit die emotionale und psychische »Menschenförmigkeit« und nicht etwa deren Äußeres. Selbiges diskutiert er jedoch noch kurz anhand von »Androiden« (S. 116ff.), wobei er allerdings terminologisch abermals allzu willfährig verfährt, wenn er zwischen Cyborgs und Androiden (von Robotern spricht er lediglich am Rande) unterscheidet und dabei deren wirklich gut untersuchte Kulturgeschichte 4 lediglich streift.

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Fazit

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Florins Buch ist, wenngleich auch kein vollständig gelungener, so doch ein brauchbarer Ansatz für eine systematische Untersuchung der Computerdarstellung im Film. Es liefert einen ersten, ausbaufähigen methodischen Ansatz, schlägt eine grobe Systematik der Film-Computer vor und zeigt – auch wenn der Autor es nicht beabsichtigt – Möglichkeiten für eine Einordnung seiner und ähnlicher Arbeiten in den Diskurs über den »Computer als Medium«. Dass zumindest im deutschsprachigen Raum bislang keine ähnlich umfangreiche systematische Abhandlung zum Thema vorliegt, sondern jetzt erst als Magisterarbeit reüssiert, lässt über die vorangegangenen Kritikpunkte beinahe hinwegsehen. Der Schluss von Florins Arbeit verlässt den analytischen Ansatz (und selbst gesetzten Vorsatz nicht über die »Wahrnehmung von Computern« zu sprechen) jedoch vollständig und erscheint in seiner Aussage zudem recht kritikwürdig.

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Bei einer so vielfältigen und zeitweise auch so verwirrenden Arbeit ist es dem Autor sichtlich nicht leicht gefallen, ein passendes Fazit zu finden. Hier orientiert sich Florin nach einer kurzen Rekapitulation seiner im Vorfeld gewonnenen Erkenntnisse offenbar unbewusst an dem von ihm eingangs schon zitierten (S. 4) Technikkritiker Joseph Weizenbaum. Florin prospektiert in einem »[f]atale[n] Ausblick« (S. 132 f.) die negativen Konsequenzen der »Demokratisierung der Medien [als] ›Demokratisierung von Verbrechen‹«, bei der »über die Welt verstreute Perverse« […] unaufwändig miteinander in Kontakt» (S. 133) treten können, und konstatiert eine durch Computer-Filme mitverschuldete „Trivialisierung der Technologie« (S. 134). Ironisch ließe sich angesichts dieser mit dem Hauptteil der Arbeit völlig unzusammenhängend geäußerten technophobischen Projektionen sagen: Hätte Alexander Florin auch eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf den Computer als Angst-Maschine eingenommen, müsste er konsequenterweise in einer nächsten ähnlichen Publikation seine eigene Monografie auch unter die Lupe nehmen.

 
 

Anmerkungen

Sherry Turkle: Die Wunschmaschine. Vom Entstehen der Computerkultur. Reinbek: Rowohlt 1986 und Erhard Tietel: Das Zwischending. Die Anthropomorphisierung und Personifizierung des Computers. Regensburg: Roderer 1995.

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intern, extern, unfokalisiert – vgl.: Gérard Genette: Die Erzählung. München: Fink 1998.

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z. B. konstruktivistische, vgl.: Kersten Reich, Lucia Sehnbuch, Rüdiger Wild (Hgg.): Medien und Konstruktivismus. Eine Einführung in die Simulation der Kommunikation. Münster u.a.: Waxmann 2005.

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vgl. Bernhard Dotzler, Peter Gendolla, Jörgen Schärfer (Hgg.): MaschinenMenschen. Eine Bibliografie. (Reihe: Bibliografien zur Literatur- und Mediengeschichte, Band 1) Frankfurt/M u.a.: Peter Lang 1992.

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