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Inhaltsübersicht
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Die Dissertation von J. Alexander Bareis stellt ein mutiges Unterfangen dar: Wohlwissend, dass die Menge der Arbeiten zur Theorie der Fiktion (innerhalb der Literaturwissenschaft – und erst recht in anderen Disziplinen wie Film- und Theaterwissenschaft oder Philosophie) schon vor seiner eigenen Studie schier unüberschaubar ist (vgl. S. 11), wagt sich der Autor dennoch ans Werk. Erklärtes Ziel ist, ausgehend von »einer allgemeinen Theorie der Fiktion«, zumindest die »Grundzüge einer Theorie des literarischen fiktionalen Erzählens« herauszuarbeiten. Bareis fragt also in seiner Promotionsarbeit nach nichts Geringerem als nach dem »Spezifische[n] der literarischen Fiktion« (S. 12).
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Die allgemeine Fiktionstheorie, die sich Bareis als Ausgangspunkt seiner Überlegungen wählt, ist die des amerikanischen Philosophen Kendall L. Walton.
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Daher beginnt Bareis seine Dissertation mit einer auch dem Laien verständlichen, aber dennoch präzisen Darstellung von Waltons Theorie aller darstellenden Kunstformen als »game of make-believe« (S. 17–48). Im zweiten Teil (S. 49–116) folgt eine rudimentäre, aber dennoch solide Zusammenschau einiger wichtiger Grundprobleme und aktueller Konzepte von spezifisch literaturwissenschaftlichen Fiktionstheorien. Bareis wählt diese Theorien bewusst danach aus, dass sie sich »entweder direkt auf Walton und sein Modell beziehen, […] daran spezifische Kritik üben oder mittels anderer theoretischer Modelle ähnliche Problemstellungen wie im Rahmen des Modells von Walton zu lösen versuchen« (S. 88).
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Die wissenschaftliche Hauptleistung von J. Alexander Bareis findet sich dann im dritten Teil seiner Doktorarbeit, der den meisten Raum der Studie einnimmt (S. 119–220). Hier entwickelt der Autor die »Grundzüge« eines Modells, das Waltons Fiktionstheorie – unter Einbezug der soeben dargestellten literaturwissenschaftlichen Fiktionstheorien – auf die Analyse und Beschreibung fiktionalen Erzählens hin zuspitzt. Er überprüft zunächst, »welche Konsequenzen eine Verwendung der Fiktionstheorie Waltons in der Literaturwissenschaft für narratologische Grundprobleme wie die Definition von Erzählung und des Erzählers« hat. Anschließend untersucht er, wie sich potentiell »fiktionsspezifische erzähltechnische Strategien der Narratologie unter Berücksichtigung der erzielten Ergebnisse aus einer Verwendung der Theorie Waltons« überprüfen lassen (vgl. S. 16).
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Teil I: Kunst und Kinderspiel Bareis’ Darstellung von Kendall L. Waltons Fiktionstheorie »Mimesis as Make-Believe. On the Foundations of the Representational Arts« (1990)
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Waltons allgemeine Fiktionstheorie wird von Bareis einleitend zusammengefasst, ehe er jeden der darin enthaltenen Begriffe genau expliziert. Für Walton – so Bareis – sind darstellende Kunstwerke »Objekte, die die soziale Funktion besitzen, als Requisiten in einem Make-Believe-Spiel zu dienen« (S. 19). Eine solche »Requisite« (z.B. ein Buch, ein Gemälde oder auch ein Film) »schreibt Vorstellungen vor«, weshalb sie als »Aussage« »fiktional« ist. Somit erzeugt die Requisite als fiktionale Aussage eine »fiktionale Wahrheit« (vgl. ebd.).
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»Fiktionale Welten« wiederum sind laut Walton »ein Geflecht von voneinander abhängigen fiktionalen Wahrheiten« (S. 33).
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Dieses »Geflecht« besteht aber nicht nur aus direkt im Kunstwerk generierten, »primären fiktionalen Wahrheiten«, sondern eben auch aus den indirekt generierten, »impliziten fiktionalen Wahrheiten«. Das sind die ›Leerstellen‹ der Darstellung, die der Rezipient automatisch nach dem »Realitätsprinzip« (S. 37 f.) oder aber nach dem »Prinzip der allgemeinen Überzeugung (S. 39) auffüllt. »Fiktionalen Wahrheiten« zu erzeugen unterliegt, so Walton, stets der »gängigen soziokulturellen Praxis«, welche »sowohl kulturell als auch historisch wandelbar ist« (S. 29). Generell kann ein konkreter Rezipient mit allen möglichen Objekten seiner Umwelt private Make-Believe-Spiele spielen. Er kann etwa Wolken als fiktionale Darstellung von Tieren ansehen (vgl. S. 24). Aber Walton betont, dass es eben auch Objekte gibt, bei denen die Funktion des Generierens fiktionaler Wahrheiten schon »im Akt des Herstellens intendiert war« (vgl. ebd.). Dies sind die darstellenden Kunstwerke.
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Waltons Theorie hat also, wie Bareis ganz richtig herausarbeitet, sowohl eine produktions- als auch eine rezeptionsbezogene Seite: Objekte fordern zum einen eine »Entscheidung« des Rezipienten, ob er sie als »Fiktion« oder »Nicht-Fiktion« (oder überhaupt als Darstellung) wahrnehmen will. Zum anderen benötigt die Wissenschaft aber immer auch eine »theoretische Unterscheidung« zwischen »Fiktion« und »Nicht-Fiktion«. Diese theoretische Unterscheidung besteht eben genau darin, »ob ein Werk im Sinne Waltons Vorstellungen vor-schreibt [sic!
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] oder nicht« (S. 218, Hervorhebungen im Original). Schon bei dieser einleitenden Kurzdarstellung von Waltons Theorie wird eine zentrale Schwierigkeit in Bareis’ Unterfangen deutlich: Wie sind Waltons Begriffe auf Deutsch wiederzugeben? Eine deutsche Übersetzung des zentralen Begriffs »game of make-believe« bleibt Bareis beispielsweise in seinem gesamten Werk schuldig. Damit umgeht er die Mehrdeutigkeit des englischsprachigen Ausdrucks: »Kinderspiel«? »Nachahmungsspiel«? »Als-ob-Spiel«? »Spiel des Glauben-Machens«?
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In jeder dieser (z.T. recht künstlichen) Alternativen würde im Deutschen eine eigene Begriffsgeschichte mitschwingen, die von Walton so nicht gemeint ist. Walton gehe es, so Bareis, um die Analogie der »implizit verstandenen Regeln«, die zwischen dem kindlichen »game of make-believe« und dem »Generieren fiktionaler Wahrheiten« durch darstellende Kunstwerke bestehe (vgl. S. 31). Offenbar will Bareis darüber hinausgehende, philosophische oder kulturgeschichtliche Assoziationen möglichst erst gar nicht aufkommen lassen.
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Das Dilemma der Unübersetzbarkeit wissenschaftlicher Fachsprache hat aber auch Bareis nicht komplett umgehen können: Problematisch erscheint z.B. seine Übersetzung von »fictional world« als »fiktionale Welt« (vgl. S. 19). Herrscht doch im Deutschen mittlerweile weitgehende Einigkeit darüber, »›fiktional‹ als Prädikat von Texten, Geschichten, Diskursen o.ä.« von »›fiktiv‹ als Prädikat von Gegenständen« zu unterscheiden!
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Generell zeichnet sich Bareis’ Studie jedoch durch ein hohes Problembewusstsein und größtmögliche Präzision in der Wahl ihrer Begrifflichkeiten aus. So gliedert Bareis seine Rekonstruktion von Waltons Theorie nach dem Prinzip, deren einzelne Kernbegriffe (»Requisiten«, S. 34 f.; »Vorstellen / Imaginieren«, S. 35 f.; »Prinzipien des Generierens«, S. 36–42; »Werkwelt und Spielwelt«, S. 42–46) minutiös zu explizieren und ihre kritische Diskussion in der neueren Fachliteratur, mit seinen eigenen Stellungnahmen versehen, wiederzugeben.
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Besonders wichtig ist Bareis dabei zu Recht Waltons an Aristoteles (nicht an Platon!) orientiertes Verständnis der »Mimesis« als »Darstellung« bzw. »darstellende Kunstform«, oder – in Bezug auf literarische Texte – auch »detailgetreue Schilderung« im Sinne eines »realistischen« Erzählens (vgl. S. 20–23). Dass Walton mit einem solchen Mimesis-Begriff von Seiten der Literaturwissenschaft nicht unkritisiert geblieben ist, versteht sich von selbst und wird von Bareis dementsprechend genau referiert und pointiert kommentiert (vgl. S. 24–31). Die detaillierte und durchaus auch kritische Darstellung von Waltons Theorie dient Bareis aber nur als Voraussetzung für die Entfaltung seines eigenen, narratologisch akzentuierten Ansatzes.
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Teil II: Analytische Philosophie und Erzähltheorie Waltons allgemeine Fiktionstheorie im Lichte aktueller literaturwissenschaftlicher Fiktionstheorien
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Wie will Bareis nun Waltons allgemeine Theorie der Fiktionalität darstellender Kunstwerke für die Narratologie nutzbar machen? Die bekannterweise ausufernden Diskussionen um die Oppositionspaare »Fiktion vs. Wirklichkeit«
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und »Fiktion vs. Wahrheit«
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streift Bareis zu Recht nur en passant (S. 55–69), um stattdessen seine eigene, zwar philosophisch voraussetzungsärmere, dafür aber für die Literaturwissenschaft unverfänglichere und vor allem praktikablere Unterscheidung von literarischer »Fiktion und Nicht-Fiktion« ins Spiel zu bringen (vgl. S. 69–86):
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Da Walton »Fiktion« nur durch das »Vor-Schreiben von Vorstellungen«, d.h. das Generieren von »fiktionalen Wahrheiten« definiert, bietet die Übertragung seines allgemeinen Ansatzes ins Feld der Narratologie laut Bareis den großen Vorteil, »dass für die Unterscheidung von Fiktion und Nicht-Fiktion auf die Begriffe Wahrheit und Wirklichkeit nicht zurückgegriffen werden« müsse (S. 69).
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Der Begriff der Fiktion bleibt so grundsätzlich »unabhängig von der Fiktivität des Dargestellten« (S. 115), d.h. also auch von den umstrittenen »Kategorien Wirklichkeit und Wahrheit und dem damit zusammenhängenden Verständnis der Referenz fiktionaler Werke« (S. 113).
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Dieser große Vorteil, den Waltons Theorie damit für die Literaturwissenschaft bereit hält, wird von Bareis im Kapitel 2.5. (S. 86–113) vor Augen geführt: Hier kontrastiert Bareis seine eigene, von Walton ausgehende Unterscheidung von narrativer Fiktion und Nicht-Fiktion mit der Behandlung desselben fiktionstheoretischen Grundproblems in einer beeindruckenden Fülle von anderen Ansätzen der Fiktionstheorie (u.a. in sprachhandlungs- und kommunikationstheoretischen, intentionalistisch argumentierenden, semiotischen bzw. analytisch-philosophischen und spezifisch erzähltheoretischen Konzepten).
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Teil III: »Mimesis der Stimme« Waltons Ansatz als Grundlage eines neuen, »integrativen Modells« des fiktionalen literarischen Erzählens
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Nach diesen soliden Vorarbeiten kommt Bareis zum Kern seines Anliegens: der Nutzbarmachung des Walton’schen Fiktions-Verständnisses (das sich ja auf alle darstellenden Kunstarten bezieht) für die Neubegründung eines »integrativen Modells des fiktionalen literarischen Erzählens«. Hierin liegt der Unterschied von Bareis’Ansatz, der von Walton ausgeht und insofern bewusst intermedial ist, zu anderen Ansätzen, die vom Paradigma Literatur ausgehen und insofern rein sprachhandlungstheoretisch orientiert sind, wie etwa Frank Zipfels Studie Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität (2001).
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Für Bareis’ Vorhaben müsse vor allem das ›klassische‹ Mimesis-Verständnis vieler erzähltheoretischer Ansätze modifiziert werden:
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So wie Waltons theoretische Unterscheidung von Fiktion und Nicht-Fiktion die Frage nach »Wahrheit« oder »Referenz auf Wirklichkeit« ausklammert, so bezieht sich auch Bareis’ Mimesis-Verständnis nicht auf diese philosophisch umstrittenen Kategorien. Das ›game of make-believe‹ der fiktionalen Erzähltexte, die ja einen Teilbereich der darstellenden Kunstformen im Sinne Waltons ausmachen, ist eben durch eine besondere Art der »Mimesis« gekennzeichnet. Nämlich durch die »Darstellung und Nachahmung des Erzählens«, nicht etwa durch die »Darstellung und Nachahmung von Wirklichkeit auf der Ebene des Erzählten« (S. 215):
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Fiktionale Erzählungen sind dadurch definiert, dass es zumindest implizit im Rahmen des privaten Make-Believe-Spiels des Rezipienten fiktional wahr ist, dass die Erzählung dem Rezipienten erzählt oder auf andere Weise vermittelt wird. (ebd.; Hervorhebung im Original)
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Damit bietet Bareis auch – fast wie nebenbei! – eine überzeugende Antwort auf die kontroverse und für die Narratologie nicht ganz unwichtige Frage nach der Existenz einer »Erzählinstanz« in »scheinbar erzählerlosen Erzählungen« an: Selbst wenn sie im Text nicht manifestiert sei, so werde »die Erzählinstanz [doch] als fiktionale Wahrheit im Spiel des Rezipienten generiert« (ebd.). Sie muss insofern gar nicht in der »Werkwelt« explizit sein, denn sie ist eine »implizite fiktionale Wahrheit, die in der Spielwelt des Rezipienten generiert« wird (vgl. S. 152; Hervorhebungen von S.K.). – Eine verblüffend einfache und doch im Rahmen der Walton’schen Fiktionstheorie völlig korrekte Lösung für ein so altes Problem! Abschließend prüft Bareis dann noch – sozusagen in einem dem ›Theorieteil‹ angehängten ›Anwendungsteil‹ (Kap. 3.4.) –»potentiell fiktionsspezifische erzähltheoretische Konzepte« wie unzuverlässiges Erzählen, Metalepse, mise en abyme, Metafiktion und Metanarration im Lichte seiner auf Walton aufbauenden Bestimmung von fiktionalem Erzählen (S. 172–214).
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Die Auswahl dieser »Konzepte«, die Bareis schon im Kapitel 2.4.1. unter den »intrinsischen Fiktionssignalen« eingereiht hat (vgl. S. 76–78), könnte ein bisschen genauer begründet werden: Warum überprüft der Autor gerade diese (genau diese und nur diese) »erzähltheoretischen Konzepte« als »rein fiktionsspezifische narratologische Strategien«? Und ob sich z.B. die narrative »Metalepse« (vgl. S. 201–214) überhaupt als ›Erzählstrategie‹ kategorisieren lässt, wäre noch einmal eine ganz andere Frage. Für Genettes Standardbeispiel einer Metalepse aus Vergils Bucolica
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(bei Bareis auf S. 203 erwähnt) gilt dies ja zweifellos: Hier wird innerhalb einer Dichtung die Fähigkeit der dichterischen Sprache hervorgehoben, dem Zuhörer fiktive Dinge so vor Augen zu führen, als wären sie tatsächlich präsent.
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Bei dieser Metalepse handelt es sich also tatsächlich und ganz eindeutig um eine ›Erzählstrategie‹, auch genannt »métalepse discoursive«.
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Aber Metalepsen können eben auch einfach Motive in einer Erzählung sein (dann genannt »métalepse ontologique«, vgl. ebd.), wie z.B. im von Bareis selbst (S. 209) erwähnten Beispiel, dass »fiktionale Figuren in der ›Realität‹« nach ihrem eigenen Autor suchen. Hierbei handelt es sich eindeutig um ein Inhaltselement der Werkwelt (auf der Ebene der ›histoire‹) und ganz offenkundig nicht um eine ›Erzählstrategie‹. Diese kleine Ungenauigkeit macht Bareis aber dadurch wett, dass er es im Rahmen seines eigenen, von Walton ausgehenden Modells des fiktionalen Erzählens zu einer wirklich praktikablen Definition des notorisch mehrdeutigen Begriffs der Metalepse bringt:
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Metalepsen überschreiten nicht die Grenze zwischen »Werk« und »Wirklichkeit«, sondern generieren »die fiktionale Wahrheit, dass die fiktional-ontologische Grenze des fiktionalen Werkes überschritten wird« (S. 213) – was natürlich selbst wieder nur innerhalb des Werkes stattfinden kann (sonst wäre es ja keine »fiktionale Wahrheit«)! An dieser beispielhaft herausgegriffenen Behandlung des Problembereichs »Metalepse« kann man sehen, wie umsichtig Bareis die ausufernde narratologische Fachliteratur in seine eigenen Überlegungen einbezieht, aber vor allem auch: wie überaus tauglich sein neues Theoriemodell für die konkrete Anwendung ist!
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Würdigung des Inhalts
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Die Dissertation
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von J. Alexander Bareis ist überhaupt ein wichtiger, aber leider recht abgelegen publizierter
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Beitrag zur aktuellen Fiktions- und Erzähltheorie. Sein Ansatz, Waltons allgemeine Fiktionstheorie – unter Einbezug moderner Arbeiten der Narratologie – zum Ausgangspunkt seiner eigenen, auf das fiktionale literarische Erzählen zugeschnittenen Theorie der »Mimesis des Erzählens« zu machen, ist ganz eindeutig innovativ und in sich auch völlig überzeugend. Bareis leistet somit auch einen wichtigen Beitrag zur Allgemeinen Literaturwissenschaft: Zum einen kommt Bareis das sicher nicht geringe Verdienst zu, Kendall L. Waltons interessanten Ansatz zu einer generellen Theorie aller darstellenden Kunstformern zum ersten Mal auf Deutsch (in korrekter und verständlicher Form!) in seiner Gesamtheit dargestellt zu haben.
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Aufmerksamkeit für Waltons Werk zu erregen ist in einer Zeit, in der gerade innerhalb der Komparatistik bzw. der »Interarts Studies« vermehrt wieder nach »universellen Konzepten« der Ästhetik gefragt wird,
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an sich schon ein löbliches Unterfangen. Zum anderen ist aber auch seine Zusammenschau aktueller erzähltheoretischer Ansätze im dritten Teil der Arbeit äußerst gelungen: Von der frühen Romantheorie über Diskursnarratologie, die strukturalistische bis hin zur poststrukturalistischen bzw. postmodernen und schließlich ›natürlichen‹ Narratologie, (vgl. S. 123–137) handhabt der Autor mit bewundernswerter Souveränität und großer Umsicht die disparatesten Ansätze sowie ihre jeweilige kritische Behandlung in den jeweils aktuellen Forschungsdebatten.
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Über diese Zusammenfassungen hinaus bietet Bareis’ Studie aber vor allem auch eine wirklich eigenständige Forschungsleistung, nämlich die Nutzbarmachung der allgemeinen Aussagen Waltons über Kunstwerke generell für die spezifischen Fragestellungen der Literaturwissenschaft, genauer gesagt: für den auf fiktionale Texte gerichteten Teil der narratologischen Literaturwissenschaft. Als besonders anregend könnten sich in dieser Hinsicht Bareis’ abschließende Überlegungen zu weiterführenden Studien auswirken, etwa zur Überprüfung der speziellen Bedingungen, unter denen Waltons allgemeine Fiktionstheorie z.B. auch für Lyrik oder Dramatik oder sogar »im Rahmen einer intermedialen Erzähltheorie« adaptiert werden könnte (vgl. S. 217–219).
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Würdigung der Form
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Die gesamte Arbeit von J. Alexander Bareis ist dankenswert übersichtlich aufgebaut: Eine klare Gliederung in drei Hauptteile, explizit als solche ausgewiesene Zusammenfassungen am Ende jedes dieser drei Hauptteile und ein Abstract von einer Seite Länge (in englischer Sprache) ermöglichen auch dem eiligen Leser eine rasche Orientierung über Bareis’ Thesen und Vorgehensweise. Wer sich die Zeit nimmt, die gut 220 Seiten des Buches von vorne bis hinten zu lesen, der findet sich von einem stringenten Argumentationsgang in präziser literaturwissenschaftlicher Fachsprache geleitet, der auch vor gelegentlichen Wiederholungen zum Zwecke der besseren Erinnerbarkeit seiner Hauptthesen nicht zurückschreckt.
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Die Literaturliste ist reichhaltig und auf dem neuesten Stand (2007, Datum der Promotion) der Fachdiskussion, sowohl was die Narratologie allgemein als auch was die Fiktionstheorie um und nach Walton angeht. Für eine noch bessere Handhabung des Buches wäre eventuell noch die Beigabe eines Registers wünschenswert gewesen.
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