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St. Emmeram als Bildungszentrum im 15. Jahrhundert

  • Peter Schmid / Rainer Scharf (Hg.): Gelehrtes Leben im Kloster. Sankt Emmeram als Bildungszentrum im Spätmittelalter. München: Verlagsbuchhandlung GmbH & Co. KG Martin Meidenbauer 2012. 284 S. zahlr. Abb. Gebunden.
    ISBN: 978-3-89975-285-4.
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St. Emmeram zählt zu den monastischen Institutionen, die über Jahrhunderte hinweg immer wieder ausgesprochene Blütezeiten erlebten. Bereits für das frühe und hohe Mittelalter darf das Kloster als ein Bildungszentrum angesprochen werden und das gilt in hohem Maße auch für das späte Mittelalter und näherhin für das 15. Jahrhundert, das hier im Mittelpunkt steht.

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Der anzuzeigende Band versammelt die ausgearbeiteten Vorträge einer interdisziplinären Tagung, die aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt mit dem Titel »Universität und Benediktinerorden. Erwerb und Gebrauch gelehrten Wissens in den Benediktinerklöstern Regensburgs im Spätmittelalter« erwachsen war. Insgesamt 11 Beiträge finden sich hier vereinigt, die sich grob in drei Sektionen unterscheiden lassen.

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Regensburg und St. Emmeram im späten Mittelalter

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Zunächst finden vornehmlich die lokalen Verhältnisse in St. Emmeram im 15. Jahrhundert und die Einbettung des Stiftes in das Gefüge der weltlichen und geistlichen Institutionen innerhalb der Reichsstadt Regensburg Berücksichtigung. Am Beginn steht dabei ein Überblick über die Entwicklung des Klosters im 15. Jahrhundert durch Franz Fuchs (»St. Emmeram im 15. Jahrhundert«, S.13-36). Der Verfasser kann deutlich machen, dass eine glückliche Wirtschafts- und Personalpolitik dem noch zu Beginn des Jahrhunderts zahlungsunfähigen Kloster zu neuerlicher Blüte verhalf. Vor allem mit dem (am 16. Juni) 1423 gewählten Abt Wolfhard Strauss setzte ein erneuter Aufschwung ein.

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Hieran anschließend widmet sich Rainer Scharf (»Gelehrte in St. Emmeram im Zeichen von Adelsdominanz und Reforminitiativen«, S.37-59) der Geschichte der universitären Gelehrsamkeit in St. Emmeram. Bemerkenswert sind in dem Überblicksaufsatz insbesondere die neu dargebotenen Quellen zu Fridericus Amann.

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Ebenfalls einen bildungsgeschichtlichen Zugang hat David Sheffler gewählt (»Kloster, Kirche, Stadt. Bildung im spätmittelalterlichen Regensburg«, S.61-69). Er kann zeigen, dass die Schulen in jenem Jahrhundert gänzlich unter der Kontrolle kirchlicher Institutionen standen, in der Reichsstadt somit in jener Zeit offenbar (noch) kein Bedarf für die Errichtung einer städtisch-bürgerlichen Schule bestand; erst im 16. Jahrhundert sollte eine solche, das so genannte Gymnasium Poeticum, eröffnet werden.

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Verortung im überregionalen Kontext

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Eine zweite Gruppe von Vorträgen weitet den Blick auf überregionale Vorgänge. So kann Beat Immenhauser (»Der Universitätsbesuch von Ordensklerikern im Alten Reich des späten Mittelalters«, S.71-92) herausarbeiten, dass die Benediktinerabteien im 15. Jahrhundert nicht unbedingt zu den bildungsaffinsten aller monastischen Niederlassungen zu zählen sind. Das gilt auch für St. Emmeram in Regensburg. Die Einstellung zu universitärer Bildung war vielmehr in hohem Maße von der persönlichen Haltung des jeweiligen Abtes abhängig. Den Status der lateinischen Literatur in den ständischen Klöstern des Spätmittelalters nimmt anhand einiger Fallbeispiele Konrad Vollmann in den Blick (»Glanz und Elend der Literatur in den Klöstern des späten Mittelalters«, S.93-101) und muss dabei überwiegend Stillstand konstatieren.

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Welche Möglichkeiten boten sich einem Mönch im ausgehenden Mittelalter, wenn er sich mit den zu jener Zeit modernen humanistischen Studien befassen wollte? Dieser Frage spürt Harald Müller nach (»Maria oder Minerva! Möglichkeiten und Grenzen humanistischer Betätigung in spätmittelalterlichen Benediktinerklöstern«, S.103-117) und kann deutlich machen, dass der Humanismus damals ein ausgesprochenes Nischendasein führte und einzelne Mönche teils mit erheblichen Widerständen zu rechnen hatten, wenn sie sich diesen Studien widmen wollten.

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Beiträge zu einer Bildungsgeschichte des späteren Mittelalters

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Ein dritter Teil der Vorträge vereinigt bildungsgeschichtliche Beiträge im weitesten Sinne. Da ist Alfons Knoll zu nennen (»Theologie im Wandel. Spurensuche im spätmittelalterlichen St. Emmeram«, S.119-138), der anhand von drei ausgewählten mittelalterlichen Bibliothekskatalogen den im Kloster rezipierten theologischen Texten nachspürt. Einen instruktiven Beitrag zur Bibliotheksgeschichte des 15. Jahrhunderts bietet Bettina Wagner (»Ein Wissensraum im Wandel. Die Bibliothek von St. Emmeram zur Zeit von Laurentius Aicher (1459-1507)«, S.139-186). Während sich in dem Jahrhundert zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und der Mitte des 15. Jahrhunderts nur verhältnismäßig wenig am Grundgefüge der Emmeramer Bibliothek verändert hatte, wandelte sich die Sammlung in der zweiten Hälfte dieses Säkulums durch den Zuwachs der Privatbibliothek Hermann Pötzlingers sowie aufgrund des zunehmenden Erwerbs gedruckter Bücher nun grundlegend. Wagner rekonstruiert anhand der noch vorhandenen Bände die damals neu erarbeitete Systematik Aichers.

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Der Bedeutung eines frühen Mathematikers und Naturwissenschaftlers, Fridericus Amann, ist der Beitrag von Menso Folkerts gewidmet (»Fridericus Amann und seine Bedeutung für die mathematischen Wissenschaften im 15. Jahrhundert«, S.187-211). Folkerts arbeitet heraus, welche Ausnahmestellung Amann mit diesen Interessen in seiner Zeit einnahm.

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Julia Knödler beschreibt sodann Schul- und Studienhandschriften des 15. Jahrhunderts und zeigt ihre Besonderheiten und ihre Bedeutung für den mittelalterlichen Lehrbetrieb auf (»Schul- und Studienhandschriften des 15. Jahrhunderts aus St. Emmeram als Quellen zur spätmittelalterlichen Bildungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung studentischer Musterbriefe«, S.213-242).

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Abschließend kann Ian Rumbold nach einer Lebensskizze von Hermann Pötzlinger, des Rector Scolarium von St. Emmeram, v. a. mit Neuerkenntnissen zu dessen berühmten Musikbuch (Clm 14274) aufwarten (»Lehren und Lernen in der St. Emmeramer Klosterschule im Spätmittelalter. Hermann Pötzlinger als Rector Scolarium zur Zeit der Melker Reform«, S.243-259).

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Ein Orts- und Namenregister (S.267-283) erschließt den wichtigen und gelungenen Band. Die überaus lehrreiche Aufsatzsammlung bietet vielfältige Einblicke in die Bildungsgeschichte des späten Mittelalters und zeigt zugleich, wie lohnend der interdisziplinäre Zugriff auf ein vermeintlich nur lokal begrenztes Thema sein kann.