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Althochdeutsche Zaubersprüche

  • Christa M. Haeseli: Magische Performativität. Althochdeutsche Zaubersprüche in ihrem Überlieferungskontext. (Philologie der Kultur 4) Würzburg: Königshausen & Neumann 2011. 256 S. 3 s/w, 17 farb. Abb. Paperback. EUR (D) 29,80.
    ISBN: 978-3-8260-4549-3.
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Thematik, Textgrundlagen, Zielsetzung der Arbeit

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Christa M. Haeselis Untersuchung, eine Dissertation der Universität Zürich, versucht in sieben Kapiteln dem von ihr so genannten Aspekt einer »magischen Performativität« auf der Textbasis ausgewählter »althochdeutscher Zaubersprüche« auf die Spur zu kommen. Nach der Einleitung sollen zunächst »kulturhistorische Einblicke« (Kapitel 2, S. 29–60) die Abgrenzung der Magie zu Medizin und Religion leisten, Kapitel 3 widmet sich dem Aspekt von Mündlichkeit und Schrift, das nächste Kapitel (4) nimmt die Überlieferungsträger der althochdeutschen Sprüche in den Blick (hier wird vor allem auf die Mischsprachigkeit und die Überlieferungssituation, Marginalie und/oder planmäßiger Eintrag, abgestellt), die Kapitel 5–7 bilden die eigentlichen Hauptkapitel: Anhand von drei Sammelhandschriften bzw. einigen in sie inserierten Sprüchen werden »Fallstudien« generiert. Zu den ausgewählten Handschriften zählen Trier, Stadtbibliothek Hs 40/1018 80, eine Glossen- und Exzerptsammlung aus dem 10./11. Jh., Bonn UB Cod. S 218, eine Sammelhandschrift mit medizinischem Anspruch aus dem 11. Jh., sowie Paris BN Cod. nouv. acq. lat. 229, eine astronomisch-medizinische Sammelhandschrift aus dem 12. Jh.

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Die Handschriften sind so ausgewählt, dass sie die Überlieferungssituation der Sprüche illustrieren können: in der Trierer Hs. stehen einschlägige Texte »an den Rändern einer Glossarhandschrift« (S. 87), die Bonner Hs. zeige die »marginale und planmäßige Überlieferung in einer artes-Handschrift« (S. 121) und die Pariser Hs. übermittle die Beschwörungen »als feste Bestandteile eines mönchsmedizinischen Faszikels« (S. 159). Insofern ist die Auswahl der Handschriften nachzuvollziehen, doch ist dieser schmalen Auswahl auch die bescheidene Primärtextbasis geschuldet: im Kern die Trierer Tiersprüche, »Contra malum malannum«, »Contra uberbein«, »Contra caducum morbum«, »Contra uermem edentem«, »Ad fluxum sanguinis narium«, »Ad equum errehet«, »Contra uermes pecus edentes«, dem kundigen Interessierten gut bekannte Textzeugen also. Die Beschränkung der Kerntextbasis muss freilich für sich genommen noch nichts besagen, wenn hinsichtlich des Themas ausreichend Vergleichsmaterial herangezogen wird; das ist leider jedoch gerade nicht der Fall, nur sehr vereinzelt werden Vergleichstexte beigebracht. Das ist bedenklich, existieren doch nahezu 40 althochdeutsche Überlieferungsträger mit über 40 Beschwörungen und viele Tausend mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Beschwörungen.

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Althochdeutsche »Zaubersprüche« und der Aspekt ihrer Performativität im schriftlichen Kontext

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Die Untersuchung setzt auf einen zweifachen Zugriff: Zum einen wird der Überlieferungskontext des Textmaterials, wie gesagt eine Auswahl der sogenannten »althochdeutschen Zaubersprüche«, untersucht, der zweite Fokus liegt auf dem Aspekt der »Performativität« (dazu weiter unten). Beides ist über die von Haeseli so bezeichneten »Rahmungen« (siehe ebenfalls weiter unten), die zum Beispiel den Überlieferungskontext meinen, immerhin locker miteinander verknüpft. Die Betrachtung der Überlieferungssituation der althochdeutschen Beschwörungen ist an sich ein interessanter und wichtiger Ansatz, sie ist jedoch umfassend und ausgesprochen differenziert bereits von Ernst Hellgardt 1 erarbeitet worden. Seine Untersuchung wird denn auch von Haeseli »in den Grundzügen« (S. 15) übernommen, wobei sie jedoch im Gegensatz zu Hellgardt nach Alter der Überlieferungsträger der althochdeutschen Texte ordnet, nicht nach der Eintragungszeit der Sprüche (S. 15). Das mag für ihre Auswahl der drei genannten Handschriften und hinsichtlich ihrer Frage nach Marginal- und/oder planmäßiger Überlieferung angehen, doch ist es, wenn man den Fokus auf die Sprüche selbst legt, irritierend.

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Für Irritationen sorgt Haeselis Untersuchung jedoch vor allem im Hinblick auf den zweiten Fokus, der die von ihr sogenannte »Magische Performativität« betrifft. Beobachtungen zum Performanzaspekt finden sich, meist eingebettet in eine Gesamtinterpretation der relevanten Beschwörungen, in der einschlägigen Forschungsliteratur und zudem gibt es ausgezeichnete Untersuchungen zu Ritualanweisungen etc. im Zusammenhang mit ethnographischem Material. Eine systematisierende Zusammenschau ist jedoch tatsächlich ein Desiderat – und sie ist es leider auch noch nach der Lektüre von Haeselis Untersuchung. Das hat mehrere Ursachen, eine liegt im, wie gesagt, sehr beschränkten Textmaterial: Um den performativen Status der althochdeutschen Texte überhaupt adäquat verorten zu können, hätte hier sehr viel mehr zusätzliches Material beigebracht werden müssen. Und zudem: Bei Kenntnis einer umfangreicheren Materialbasis hätte die Verfasserin vermutlich selbst auf manche der wenig lohnenden Differenzierungen rund um ihren Kernbegriff der »Performativität« gewinnbringend verzichtet. Dazu einige Beispiele.

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Mit ihrer Auffassung der performance, die sie »bewusst für den ›Auftritt‹ eines Textes im schriftlichen Kontext verwendet« (S. 50), will Haeseli »gegen die schematische Vorstellung von situativer, wirkmächtiger mündlicher Aufführung versus dauerhaftem, wirkungslosem, schriftlich fixiertem Text« argumentieren (ebd.). Welcher Kenner der Magie über Zeiten und Räume hinweg hätte denn je so eine grundsätzliche Dichotomie behauptet? Denn tatsächlich ist gut belegbar, dass der Umfang der (schriftlichen) Beschwörungstexte bereits in ältester Zeit zunimmt, sozusagen in der Blütezeit der Magie und Jahrtausende vor den althochdeutschen Sprüchen! So kennen z.B. altbabylonische Texte noch keine geschriebene Ritualanweisung, erst nach der Mitte des zweiten Jahrtausends gibt es Hinweise auf eine rituelle Einbettung. Wie Maul hinsichtlich der ältesten bekannten Texte ausführte, ist es eine »uralte Tradition, die dicenda schriftlich niederzulegen (und vielleicht sogar während des Rituals von der Tafel abzulesen), die mit den dicenda aufs engste verbundenen agenda aber eher den nicht schriftlichen Überlieferungsformen zu überlassen« 2 . Erst im Wissen um solche Dinge, dass also auch Schrift in ältesten Texten zur magischen Praxis gehört, kann man vorsichtig danach fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen die schriftliche Aufzeichnung einer Beschwörung immerhin erste Depravierungsspuren signalisiert in dem Sinn, dass sie auch ein archivalisches Interesse neben der praktischen Anwendung, bzw. diese dominierend, dokumentiert. In diesem Fall könnte man Haeseli zustimmen, wenn sie von einer »Art Kipp- oder Umschlagsstatus« (S. 134) spricht.

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Mündlich situative versus schriftliche performances – eine mehr oder weniger künstliche Unterscheidung

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Ein weiteres: Haeseli geht es nach eigener Aussage nicht um »situative performances«, deren »Aufführungspraktiken und Wirkungsbedingungen im oralen Kontext zu rekonstruieren wären« (S. 10), da »solche Rekonstruktionsversuche mangels konkreter Anhaltspunkte notwendigerweise spekulativ bleiben müssen« (ebd.). »Vielmehr werden die Texte in ihrem handschriftlichen Kontext als schriftliche performances betrachtet und auf ihre performativen Strategien hin analysiert« (ebd.).

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Was die magische Praxis betrifft, ist diese Unterscheidung von mündlich situativen versus schriftlichen performances mehr oder weniger künstlich: Wer sich mit »performativen« magischen Beschwörungshandlungen befasst hat – sie können sowohl von gesprochenen Texten mit konstituiert oder eingerahmt sein bzw. durch die »Übergabe« (z.B. auch durch: Vergraben, Einmauern, Einpflocken, Anbinden, Verbrennen etc.) von schriftlich fixierten »heiligen« Worten wirkmächtig aufgeladen – weiß sehr gut, dass die Art und Weise der Einbindung solcher Texte (ob nun mündlich oder schriftlich) eben je nach Situation (Beschaffenheit von Adressat, Publikum, Beschwörer, Bedeutung von Zeit und Raum etc.) variiert wird. Und insofern kann auch der schriftliche Text (ob als Ganzes oder verkürzt geboten) situativ gebunden sein, wie andererseits der am einzelnen Buchstaben festhaltende mündliche Spruch seinen festen Platz innerhalb eines Rituals haben kann. Solche Texte (mündlich und schriftlich) – und hier hat Haeseli recht – sind gleichermaßen »geschlossen« (weil sozusagen sakrosankt) und »offen«. Bereits die Kenntnis einer Auswahl der schriftlich fixierten mittelhochdeutschen wie frühneuhochdeutschen Beschwörungen 3 zeigt, wie sich die schriftlichen performances, um mit Haeseli zu sprechen, über die Jahrhunderte änderten, freilich ohne je die als basal gedachten Wirkkategorien ernsthaft zu gefährden, und das ist nun wirklich spannend. Auch aus dieser Sicht ist Haeselis Versuch mit dem eingeschränkten Material bedenklich, vor allem dann, wenn man davon generalisierte Feststellungen ableiten will.

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Ärgerlich ist zudem, wenn hierbei das Argument der Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit sozusagen je nach Bedarf abgeändert wird: Haeselis apodiktische Einlassung – wie sie dazu kommt, muss offen bleiben, sie beschäftigt sich leider ja gerade nicht mit früheren performativen Strategien der Magie – »dass Sprachmagie sich immer schon mündlicher und schriftlicher Strategien mit je unterschiedlichen Implikationen bedient hat, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen oder zu steigern« (S. 11), passt kaum zu ihrer Feststellung hinsichtlich ihres eigenen Untersuchungsmaterials, dass »die althochdeutschen Zaubersprüche vor ihrer Verschriftlichung (und parallel dazu) mündlich im Rahmen von magischen Ritualen verwendet und tradiert« wurden (S. 49). Um es deutlich zu sagen: Wer sich in der Hauptsache mit performativen Strategien der Magie befasst, sollte zumindest wissen, wie so etwas sozusagen in situ funktioniert(e).

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Fehlende Berücksichtigung ethnologischer Forschung

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Haeselis Argumentation, die ethnologische Diskussion sei nicht zu berücksichtigen, entbehrt jeder Grundlage. Denn ihrer Meinung nach hat eine solche Diskussion »ihren Schwerpunkt im Verstehen von außereuropäischem Denken« und Haeseli gewichtet »aufgrund dieses Fokus die Erforschung des performativen Potentials der Zaubersprüche auf der Textebene weniger stark« (S. 24): Genau das Gegenteil ist der Fall: Gerade innerhalb der ethnologischen Forschung 4 sind performative Strategien ein häufiger und ergebnisintensiver Untersuchungsgegenstand. Und die Behauptung, dass sich »unüberbrückbare Differenzen ergeben [...] etwa hinsichtlich des spezifischen Glaubenshintergrunds sowie der damit verbundenen Bedingtheit von Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Zaubersprüchen« (S. 24), ist schlichtweg nicht richtig: Dass das Grundphänomen der Magie diachron und synchron überall auf der Welt in seinen basalen strukturellen Setzungen bemerkenswert ähnlich ist, ist hinlänglich bekannt.

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Die dünne Materialbasis und die Ignoranz gegenüber wichtigen (ethnologischen) Untersuchungen zur Performativität der Magie rächen sich denn auch deutlich: Die dürftigen Fallstudien (Kapitel 5 bis 7) bringen in ihren Ergebnissen kaum Neues bei. Ihr Rekurs auf die Austinschen »explizit performativen Äußerungen«, hier etwa die »Referenzen auf göttliche Personen, deren Hilfe erbeten wird« (S. 199), der Verweis auf Paraverbales, und das meint hier die voces magicae, sowie auf »nonverbale Zeichen in Form von Kreuzen, Tau-Zeichen oder Sakramentalien« (S. 200), der Hinweis auf die Generierung von Performativität »in der Materialität von Schrift(-trägern)« (S. 201) – das alles ist bekannt und wird leider in weiten Teilen nur oberflächlich und wenig differenziert übermittelt. Die Ausführungen Haeselis zu den »begleitende[n] Handlungen« zum Beispiel, wie etwa dem »Raunen« (S. 179 f.) kommen über die Formulierung von Gemeinplätzen nicht hinaus. Dabei hätte man hier sehr gut die Bemühung vieler Beschwörungen um eine »heightening communication« (Tambiah) bzw. um einen »heated discourse« im Gegensatz zum »cool discourse« (Malinowski) der Alltagssprache deutlich machen können. 5 Und dieses Versäumnis ist bedauerlich, denn gerade die Anweisungen zu den Begleithandlungen bilden ein Kernstück des performatorischen Aspekts der Magie. Auch genügt es nicht, das Tau- bzw. das Kreuzzeichen, auf das Haeseli gerne abstellt, etwa als performatives christliches Schutzzeichen (etwa S. 200) wahrzunehmen. Das Kreuzzeichen wird zum Beispiel auch beim sogenannten »Mortbeten«, dezidiertem Schadenszauber also, verwendet, und vermeint hier in piktogrammhafter Deutlichkeit das Martyrium (Jesu Christi), das dem Gegenüber angewünscht wird.

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»Rahmungen« und »Zauberwörter« und die historiola

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Doch weiter: Als »die besonders häufig verwendeten performativen Strategien der Zaubersprüche« bezeichnet Haeseli die sogenannten »Rahmungen« (S. 202): Es handelt »sich hierbei um Rahmungen durch den Überlieferungskontext, durch Prätexte, auf welche die historiolae anspielen, oder durch Paratexte wie etwa liturgische Formeln, insbesondere Gebete« (ebd.). Auch das ist hinlänglich bekannt und vor allem teilweise besser in einem umfassenderen Interpretationsangebot der jeweiligen Beschwörungen eingebettet vermittelt.

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Ärgerlich ist die Diffusion hinsichtlich der sogenannten »Zauberwörter«. Haeseli geht mehrfach davon aus, dass diese voces magicae »bedeutungsfern« (z.B. S. 127) oder »asemantisch« (S. 141, S. 157) seien, sie spricht von »asemantische[n] Abracadabra-Wörter[n]« (S. 139). Es ist längst erkannt, dass sich eben z.B. die sogenannten »Abrakadabra«-Beschwörungen als verballhornte Formeln zum Teil bis ins Elamische bzw. Subaräisch-Hurrische verfolgen lassen, also ursprünglich Sinn transportierten und nicht bedeutungslose Zauberformeln sind. Kurz: Es ist seit langem bewiesen, dass die voces magicae oder nomina arcana nicht auf sinnloser und willkürlicher Bildung beruhen. Für Haeseli verweisen diese voces magicae auf eine »andere Welt, die magischen Gesetzen unterworfen ist und deren poietisch-performatives Potential für die Zauberhandlung genutzt wird« (S. 141). Kurz zuvor spricht sie sogar von der »Welt der Alterität« (S. 140), wiederum später von der »›magische[n]‹ oder ›mythische[n]‹ Welt« (S. 141): Diese schwer verdauliche (Begriffs-)Verwirrung ist nicht nur an sich ärgerlich, sie reicht viel weiter, belegt sie doch, dass Haeseli die fundamentalen Wirkprinzipien der Magie, die sie offenbar in einer mythisch-magischen Anderwelt (?) verortet, nicht in ihrem Zusammenhang registriert. Existieren doch neben der historiola als »Charta« der magischen Wirksamkeit, die sich tatsächlich heiliger bzw. mythischer Personen und Schauplätze bedient, mannigfache Aspekte sozusagen intrinsischer Wirkprinzipien der Magie.

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Nicht ausgelotete Forschungsperspektiven

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Haeseli moniert, dass einschlägige Forschungsarbeiten zur Magie bzw. zur Theorie des magischen Worts ein »zu wenig differenzierte[s] Konzept eines magischen Sprachbegriffs« beschreiben bzw. den magischen Sprach- oder Zeichenbegriff angeblich »nicht konzise« (S. 190) definieren. Solche Äußerungen lassen auf ein lohnendes neues Konzept hoffen – das jedoch wird schlichtweg nicht geliefert. Da, wo neu anzusetzen gewesen wäre, geschieht es nicht weitgehend genug. Als Beispiel wäre hier der Rekurs auf Strohschneiders »Text-Reliquie« zu nennen, den Haeseli bezüglich eines lateinischen Oblatenzaubers gegen Fieber beibringt (S. 187) – aber nicht in möglichen weiteren Bezügen verfolgt. Lohnend wäre es sicherlich auch gewesen, tiefer gehende Betrachtungen im Unterkapitel »Assertiver Sprechakt als Wirkungsgarantie« anzustellen, das leider gerade eine halbe Seite umfasst und worin versichert wird, dass solche »assertiven Sprechakte zur Versicherung der Wirkung in Zaubersprüchen häufig vor[kommen]« (S. 175): Das ist gewiss richtig, doch fehlt schlichtweg das Belegmaterial hierzu. Und das ist nicht der einzige Fall, in dem Haeseli Behauptungen aufstellt, sich jedoch nicht um entsprechende Belegtexte hierzu kümmert. Dass dann die für das Thema tatsächlich sehr wichtige »Namenmagie« (Haeseli: »die Namenmagie [gehört] zu den zentralen performativen Praktiken der Zaubersprüche«, S. 188) in zwei ausgesprochen oberflächlichen und sehr allgemein gehaltenen Kapiteln mit Handbuchcharakter nur knapp abgehandelt wird, ist nicht nachzuvollziehen. 6

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Fazit

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Hinsichtlich schwieriger und komplexer Themen, zu denen die Magie sicherlich gehört, ist es gewiss so, dass man bei neuen Untersuchungen froh sein muss, wenn bei Sichtung der bestehenden Forschung und unter Beibringung umfänglichen Materials bescheidene neue Durch- und Ausblicke hinsichtlich eines spezifischen Themenausschnitts formuliert werden können. Jüngst hat das vorbildlich Elke Krotz geleistet, die dem Varianzaspekt in magischen Wanderformeln in einem profunden Abgleich von über 40 Handschriften vermittels präziser philologischer Textarbeit mit bewunderungswürdiger Akribie nachgegangen ist. 7 All dies, die subtile Textanalyse, den systematisierten Zugriff und den forcierten forscherischen Impetus, der sich eben auch in der Kenntnis umfangreichen, relevanten Vergleichsmaterials ausdrückt, lässt Haeselis Untersuchung in weiten Teilen vermissen. In gewisser Hinsicht ist diese Untersuchung Blendwerk: Der flüssige Schreibstil und immer wieder neu verpackte Redundanzen kaschieren durchaus gefällig die massiven Defizite dieser Arbeit. Und dazu passt dann auch Haeselis Praxis, paraphrasierend und leicht abgewandelt wie selbstverständlich mit zentralen Begriffshorizonten bzw. Beschreibungsinventaren der einschlägigen Forschung zu jonglieren, ohne dabei den Zugriff immer exakt offen zu legen, Stichwörter: Magie und Ordnung, magische Mimesis, Zitieren des Mythologems als Analogie, Fusion von Vergangenheit und Zukunft in der Historiola, mythopöische Zeit und Permanenz usw. ….

 
 

Anmerkungen

Ernst Hellgardt: Die deutschen Zaubersprüche und Segen im Kontext ihrer Überlieferung (10. Bis 13. Jahrhundert). Eine überlieferungsgeschichtliche Skizze. In: Atti Accademia Peloritana die Pericolanti. Classe di Lettere e Belle Arti 71 (1995). Messina 1997, S. 5–62.   zurück
Stefan M. Maul: Zukunftsbewältigung. Eine Untersuchung altorientalischen Denkens anhand der babylonisch-assyrischen Löserituale (Namburbi). (Baghdader Forschungen, Band 18). Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern 1994, S. 170.   zurück
Ich denke hier zum Beispiel an die über tausend erhaltenen Beschwörungen gegen den dämonisch gefassten Wurm.   zurück
z.B. Tambiah, Maul, Mauss, Malinowski, Lévi-Strauss, Evans-Pritchard, um nur einige wichtige Namen zu nennen.   zurück
Ähnliches, was die Oberflächlichkeit der Darstellung betrifft, gilt dann auch für das »Treten« (S. 181 f.). Gemeint ist der Tritt auf ein lahmendes Pferdebein in der Pariser Pferdebeschwörung.   zurück
Auch fehlt die wichtige und bekannte Studie Düwels zu Buchstabenmagie und Alphabetzauber. Klaus Düwel: Buchstabenmagie und Alphabetzauber. Zu den Inschriften der Goldbrakteaten und ihrer Funktion als Amulette. In: Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), S. 70–110.   zurück
Elke Krotz: ›Sibasi pari cumba.‹ Varianz in magischen Wanderformeln. In: Monika Schulz (Hg.): ›vindærinne wunderbærer mære.‹ Gedenkschrift für Ute Schwab. (Studia Medievalia Septentrionalia Band 24). Wien: Fassbaender 2013, S. 205–261.   zurück