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Zur »Neuerfindung« der Literaturkritik

  • Christina Gansel / Heinrich Kaulen (Hg.): Literaturkritik heute. Tendenzen, Traditionen, Vermittlung. Göttingen: V&R unipress 2015. 340 S. Gebunden. EUR (D) 49,99.
    ISBN: 978-3-8471-0246-5.
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Ein wenig erinnert das gegenwärtige feuilletonistische Räsonnement über Literaturkritik und ihre angeblich durch Laienrezensionen verursachte Krise an Michael Endes Die unendliche Geschichte: Ein großes Reich befindet sich in einem elenden Zustand, denn es wird bedroht durch ein diffuses, um sich greifendes Nichts, das, passt man nicht auf, bald alles aufgefressen haben wird. Aufgrund eines in sich verschachtelten Diskurses, der sich wiederum nur um sich selbst dreht, wird die rettende Lösung geboren: Man muss dem Kind einfach nur einen neuen Namen geben, es wie einen Phönix aus der Asche neu erstehen lassen und es in frischem Gewand der Welt präsentieren, dann kann alles gut werden.

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In der Dynamik dieser Debatte, die sich mitunter sehr leidenschaftlich ausnimmt, das Feuilleton aber dennoch ein ums andere Mal beschäftigt, tut es gut, wenn sich die Stimme der Wissenschaft zur Literaturkritik äußert. Schließlich verspricht diese Instanz eine distanziert-rationale und analytische Perspektive. Der in diesem Sinne lakonisch unaufgeregte Titel »Literaturkritik heute« des von Heinrich Kaulen und Christina Gansel herausgegebenen Sammelbandes scheint daher genau das zu sein, was die Diskussion um die Literaturkritik entschärfen kann. Die aktuelle Debatte um den Zustand und die Entwicklung der Literaturkritik ist darin zwar durchaus präsent, aber eben nicht nur und erst recht nicht mit so viel Untergangsrhetorik. Vielmehr geht es den Herausgebern darum, eine breiter gefächerte Sichtweise auf den Gegenstand einzunehmen.

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Ausgehend von der sinngemäßen These, dass die Literaturwissenschaft die Literaturkritik bisher marginalisiert habe, will man sich daher »der Praxis der Literaturkritik, ihrer Ausweitung in unterschiedlichen Medien sowie der unterschiedlichen Qualität der produzierten Texte im Rahmen der Rezeption von Literatur« (S. 10) widmen. Aus der Notwendigkeit der Praxisorientierung leiten die Herausgeber ab, dass sich diese bereits in einer zunehmenden Präsenz von Literaturkritik in den Curricula der deutschen Universitäten manifestiere, 1 und untermauern auf diese Weise ihre These. Gleichzeitig sei jedoch nach wie vor festzustellen, dass die Literaturkritik nur in Ausnahmefällen »zu den Untersuchungs- und Lehrgegenständen des Faches« gehöre und dass »Ansätze zu einer historischen und theoretischen Selbstverständigung eher selten« (ebd.) auszumachen seien. Die ohnehin schon wenig reflektierte Praxis der Literaturkritik würde durch ein ebenso wenig fundiertes »methodologisches Rüstzeug« begleitet, weswegen auch dieser Umstand als Desiderat zu erkennen und ihm anhand des Bandes beizukommen sei,

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indem Literaturkritik als ein interdisziplinärer Gegenstand konstituiert wird und literatur- wie sprachwissenschaftliche Analysen Facetten von Literaturkritik erschließen, Modellierungen der Formen von Literaturkritik vorschlagen und sich den (ästhetischen) Gestaltungsprinzipien in Literaturkritiken widmen. Zudem wird der aufstörende Charakter von Literaturkritik beleuchtet und als Analysekategorie eingeführt. (ebd.)
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Aufbau und Ziele des Bandes: Literaturkritik für das 21. Jahrhundert?

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Im Rahmen von sechs thematischen Abschnitten sollen diese drei Programmpunkte (Praxisbezug, methodische Basis und Analysekategorie »aufstörender Charakter«) näher beleuchtet werden. Die Herausgeber fassen die einzelnen Beiträge des Bandes zur Benennung dieser Anschnitte zusammen und begründen damit die eingangs erwähnte breiter gefächerte Sichtweise auf den Gegenstand Literaturkritik. Ein erster Komplex besteht aus zwei Beiträgen und beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Literaturkritik und Emotionen. Darauf folgt ein etwas größeres Konglomerat von insgesamt fünf Beiträgen im thematischen Rahmen der Literaturkritik im 21. Jahrhundert, worunter vor allem auch der Gebrauch von Online-Medien zu zählen ist. Das, was die Herausgeber als den »aufstörenden Charakter« von Literaturkritik bezeichnen, wird in einem dritten Abschnitt deutlich, der durch zwei Beiträge konstituiert wird. Darauf folgen ein historischer sowie ein pädagogischer Themenrahmen, wobei ersterer fünf Beiträge zählt, letzterer wiederum zwei. Der Band wird abgeschlossen durch zwei letzte Beiträge, die eine textlinguistische Theoriearbeit sowie eine praxisbasierte Berichterstattung aus Sicht eines Kritikers liefern.

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Es scheint auf den ersten Blick dem Format des Germanistentages 2013 in Kiel geschuldet zu sein, dessen Ergebnis der vorliegende Sammelband im Rahmen der Sektion »Literaturkritik« darstellt, dass das Vorwort der Herausgeber Ambitionen formuliert, die so nicht zu erfüllen sind. Unter dem Motto »Germanistik für das 21. Jahrhundert« wurde vor drei Jahren nicht nur der Versuch gestartet, die universitäre Germanistik mit der Deutschdidaktik in einen fruchtbaren Dialog zu bringen, sondern es wurden auch zahlreiche programmatische Ziele in Kombination mit auffällig häufiger Grundsatz- und Tabula rasa-Rhetorik artikuliert. Die Germanistik habe sich, so der Tenor in einigen Panels, aus dem Elfenbeinturm herauszuwagen und breitenwirksamer zu werden. Außerdem solle sie sich von den poststrukturalistischen Altlasten ebenso befreien wie von den überfrachteten Theoriedebatten der 1980er und 1990er Jahre, die mitunter ins Nichts geführt hätten.

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Das Vorwort des Bandes scheint zunächst aufzugreifen, was man sich beim Germanistentag auf die Fahnen geschrieben hat, nur zu dem Preis, dass die Rechtfertigung der Bandkonzeption zu umfassend ist und daher aufgesetzt wirkt. Dies ist aber höchstwahrscheinlich nicht nur der Aufbruchssemantik der Tagung geschuldet, sondern auch einer Fehleinschätzung beim Verfassen des Vorworts. Ein Mangel »historische[r] und theoretische[r] Selbstverständigung« im Fach Literaturwissenschaft, wie es die Herausgeber monieren, ist angesichts der Publikationsfülle der letzten drei bis vier Jahrzehnte nicht zu bestätigen, im Gegenteil: Sozialgeschichtlich gesehen gibt es einige Publikationen vornehmlich seit den 1980er Jahren, die bis heute beispiellos sind und der Konkurrenz harren. Theoretisch aufgearbeitet wurde die Literaturkritik durch textlinguistische, aber auch literaturwissenschaftliche Arbeiten, sei dies in Form einzelner Aufsätze, oder in Form von Sammelbänden und Monographien. 2 2007 beispielsweise wurde ein viel zitierter und bis dato zum Standardwerk avancierter Band von Thomas Anz und Rainer Baasner herausgegeben, der nach wie vor zu angeregten Diskussionen führt. Dieser Band kann der Aufmerksamkeit der Herausgeber nicht entgangen sein, denn Teile des Vorwortes im vorliegenden Band weisen eine deutliche Ähnlichkeit mit dem Vorwort von Anz und Baasner auf. 3 Der folgende Vergleich verdeutlicht dies. Kaulen und Gansel schreiben:

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»Bislang scheint die Literaturkritik […] von der Literaturwissenschaft unterschätzt worden zu sein, was sich in der Tatsache zeigt, dass die Praxis der Literaturkritik wenig untersucht ist. […] In dem Maße wie sich [sic!] Literaturwissenschaft der Geschichte des Faches zugewandt hat und es zu einer notwendigen Praxisausrichtung gekommen ist, werden zunehmend Fragen der Literaturvermittlung diskutiert (an Schulen und Universitäten). […] Allerdings gehört die Literaturkritik nur in Ausnahmen zu den Untersuchungs- und Lehrgegenständen des Faches. Trotz einer sich zunehmend evaluierenden und evaluierten Gesellschaft finden sich Ansätze zu einer historischen und theoretischen Selbstverständigung eher selten.« (ebd.)
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Anz und Baasner hingegen formulieren:

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»Die Bedeutung der Literaturkritik wurde von der Literaturwissenschaft bislang erheblich unterschätzt, die literaturkritische Praxis kaum untersucht. Während in der literaturwissenschaftlichen Forschung und Lehre die Geschichte der eigenen Disziplin sowie die Literaturvermittlung an Schulen und Universitäten zu etablierten Bestandteil des Faches oder einer sich verselbständigenden Fachdidaktik wurden, fand die massenmediale Vermittlung von Literatur durch Literaturkritik nur zögernd Aufnahme in den Kanon literaturwissenschaftlicher Untersuchungsgegenstände.
[…] Ansätze zur historischen und theoretischen Selbstreflexion finden sich selten oder sind wenig fundiert.«
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Schließlich wird auch nicht klar, was die Herausgeber mit der »Praxis der Literaturkritik« genau meinen. Wenn es nicht einfach nur um die Beobachtungen eines bestimmten Teils des literaturbetriebliches Tagesgeschäftes geht, der im Übrigen in hohem Maße erforscht wird, sollte man meinen, es handle sich um eine (im harmlosen Sinne des Wortes) praxeologische Auseinandersetzung mit Literaturkritik, also um die Untersuchung literaturkritischer Praktiken, impliziter Handlungsmotivationen und -determinanten sowie Beziehungskonstellationen. In dieser Hinsicht hätten Kaulen und Gansel zum Teil Recht, 4 denn praxeologisch ausgerichtete Forschungsbeiträge zur Literaturkritik gibt es in der Tat noch nicht sehr viele. Doch dies kann nicht der Anspruch gewesen sein, denn sonst hätte sowohl von Seiten der Herausgeber als auch von vielen Beiträgern eine stärkere Reflexion zum Thema Praxeologie stattfinden müssen, die die Ausrichtung des Bandes klarer konturiert hätte. Denn auf diese Weise einem Forschungsdesiderat nachzukommen, lässt man sicherlich nicht unkommentiert.

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Die Leistung einzelner Beiträge

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Die Kritik am Vorwort der Herausgeber trübt jedoch nicht die Qualität einzelner Beiträge, die häufig auf sehr hohem Niveau argumentieren. Ich möchte im Folgenden drei Beiträge herausgreifen und beispielhaft hervorheben.

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Tatsächlich dem Desiderat einer Praxisorientierung entsprechend fragt beispielsweise Jan Süselbeck danach, ob der Verriss aus den Feuilletons allmählich verschwindet. Er eröffnet mit einer kurzen praxeologischen Analyse verschiedener literaturkritikbezogener Handlungsmuster im Literaturbetrieb und zeigt auf, dass und inwiefern zwischenmenschliche Kontakte eine wesentliche Rolle bei der Meinungsbildung über Literatur spielen. Vor allem Verrisse seien dabei ein sensibles Textformat, da sie mitunter schwere Folgen für den Status des Autors oder die Beziehung zwischen dem Autor und dem Kritiker haben können. Von dieser Prämisse ausgehend will Süselbeck klären, »warum Verrisse auch heute im Feuilleton weiter wichtig bleiben« (S. 182). Dazu beruft er sich vor allem auf Marcel Reich-Ranickis Ansichten zum Verriss und stellt eine von diesem benannten Funktion des Verrisses heraus: die Symptomatisierungsfunktion, »eine jeweils möglichst genau zu begründende Form der Zeitkritik […], mit der das Extreme im Exemplarischen erkundet werde.« (S. 184). Verrisse seien, so Süselbeck Reich-Ranicki folgend, »immer Ausdruck eines positiven Strebens gewesen« (S. 184), da sie stets bessere Literatur gefordert hätten. Man dürfe sie jedoch nicht mit bloßer Meinungsäußerung verwechseln, »die sich in ihrer betonten Subjektivität als kaschiertes Geschmacksurteil jeder Plausibilität entziehen, sondern [es handle sich] um fundierte und begründete Werturteile« (S. 185). So gesehen seien Verrisse sogar von einem gewissen aufmerksamkeitsökonomischen Vorteil: Im Sinne einer »any publicity is good publicity« argumentiert Süselbeck für einen gesteigerten Aufmerksamkeitswert, der dem Autor und seinem Text zugutekommen könne. Die Texte, die Süselbeck für die heutige Verrisspraxis illustrierend zu Rate zieht, sind zwar ohne erkennbaren Grund ausgewählt worden, doch nutzt sie der Autor nicht, um (wie leider sehr viele seiner literaturwissenschaftlichen Kollegen) vom Einzelnen aufs Ganze zu schließen, sondern um davon ausgehend überhaupt erst Thesen aufzustellen. Bestimmte Formen von Verrissen könnten beispielsweise wichtige Kontroversen anstoßen (siehe dazu etwa die Kracht-Debatte) oder »problematisch erscheinende Hypes« (S. 191) in Frage stellen. Süselbeck geht in seinem Aufsatz nicht nur sehr gründlich vor, sondern er entlarvt nebenbei ein Problem, welches sich gerade mit Blick auf die argumentative Stichhaltigkeit feuilletonistischer Metatexte, mitunter aber auch der Literaturkritikforschung aufdrängt. Insbesondere hier werden Positionen selten aufgrund verlässlicher Daten oder plausibler Argumentation eingenommen, sondern vielmehr auf der Basis subjektiver Beobachtungen oder idiosynkratischer Kriterien für die Auswahl von Beispielen aufgebaut. Süselbeck braucht daher nicht besonders auszuholen, um die Frage nach dem Verschwinden von Verrissen zu beantworten, sondern es reicht, wenn er einfach nur einige Gegenbeispiele aufzählt, um die subjektive kulturpessimistische Bedrohung auszuhebeln, eine bestimmte Textsorte sei kurz vor dem Aussterben.

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Einen ähnlichen, jedoch wesentlich deutlicher positionierten Ausgangspunkt nimmt Thomas Ernst ein. Indem er moniert, dass sich die Literaturkritikforschung auch lange nach der Etablierung des Internets als ernstzunehmendes Kommunikationsmedium in Bezug auf Literatur weigere, dieses als ebenso ernstzunehmenden Forschungsgegenstand zu erkennen, weist er auf ein großes Defizit der Literaturkritikforschung hin. »Jenseits der Dichotomie von ›wertvoller Print‹ und ›wertloser Online-Literaturkritik‹«(S. 95) sucht Ernst nach Möglichkeiten, um differenziertere Analysemöglichkeiten für eine angemessene Betrachtung der jeweiligen Gegenstände zu schaffen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass sich neun Formate der Online-Literaturkritik ausmachen ließen, die wiederum in drei Typen einzuordnen seien: Online-Präsenzen der Print-Literaturkritik, redaktionelle und individuelle Formen der Online-Literaturkritik sowie Online-Literaturkritik als User Generated Content in Sozialen Medien (Vgl. S. 102). An der Aufteilung, wie sie Thomas Ernst vornimmt, lässt sich sicherlich Kritik üben oder der eine oder andere Punkt ergänzen. Wichtig ist jedoch, und das ist ein wesentliches Verdienst von Ernsts Aufsatz, dass hier ein fundierter und durchdachter Vorschlag für künftige Auseinandersetzungen mit Online-Kritik geliefert wird, der sich a) über die verpönte amazon-Kritik hinaus mit Online-Phänomenen literarischer Kommunikation beschäftigt und b) den bis dato implizit gesetzten normativen Charakter klassischer Literaturkritik nicht auf diese Phänomene überträgt.

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Schließlich zeigt José Fernández Pérez in einem klar strukturierten und in allen Belangen einleuchtenden Beitrag, welche Rolle die Literaturkritik im Deutschunterricht spielt und welche Potenziale sie im Hinblick auf den schulischen Umgang mit literarischen Texten zu entfalten vermag. Pérez widmet sich dabei zunächst einer allgemeinen Einordnung der Literaturkritik in den curricularen Ablauf, indem er exemplarisch ein Lehrwerk (die Reihe Deutsch plus) auf seine Einbeziehung der Literaturkritik hin beleuchtet. Daraufhin geht der Autor im Speziellen auf ein Medium der Literaturkritik ein: den Rundfunk. Im Rahmen dreier Spielarten hörbasierter Literaturkritik zeigt Pérez auf, welche Möglichkeiten diese im Deutschunterricht bieten können. Die Short Teenage Stories als erste Spielart sind Teil einer Reihe des Südwestdeutschen Rundfunks, haben insgesamt 66 Folgen und dauern nur wenige Minuten. Der Autor zeigt auf, anhand welcher Elemente des Beitrags sich Jugendliche beispielsweise mit den Inhalten identifizieren können (etwa durch altersspezifische Musik) oder aufgrund welcher Effekte Spannung erzeugt und Aufmerksamkeit generiert werden kann. Als konkretes Beispiel dient der Beitrag zu Wolfgang Herrndorfs Roman Tschick, bei dem häufig das akustische Element quietschender Reifen eingesetzt wird, um die Dynamik der Reise mit dem gestohlenen Auto zu untermalen. Eine zweite Spielart ist das Autoreninterview. Anhand der Reihe Schriftsteller im Gespräch, die von der ARD Mediathek zur Verfügung gestellt wird, wird erläutert, dass der Stellenwert solcher Interviews für »das Verhältnis von der Autobiografie des Autors zum Werk« ebenso relevant ist wie für den Zweck, »die poetologischen Prinzipien des Autors am Werk zu überprüfen« (S. 297). Das Autorporträt wählt Pérez als letzte Sorte von Hörfunkkritik. Am Beispiel eines 2009 im Hessischen Rundfunk ausgestrahlten Porträts über Christa Wolf zeigt sich, dass dieses eine »sinnvolle Ergänzung dar[stellt], um die Entwicklung der Autorin und ihr Werk im Deutschunterricht differenziert zu erörtern« (S. 301 f.). Die wesentlichen Vorteile einer Einbindung von Hörfunkkritik fasst Pérez im Vorfeld seiner Illustrationen, aber auch in einem Fazit zusammen. Insbesondere durch das Internet hätte diese Form der Kritik »einen deutlichen Mehrwert an Attraktivität gewonnen« (S. 302). Allerdings bedürfe es eines »offenen und bewussten Medienumgang[s]« (ebd.) auf Seiten der Pädagogen, um diese Möglichkeiten in vollem Umfang auszuschöpfen.

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Fazit

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Die insgesamt 19 Beiträge bieten von ihrer thematischen Ausrichtung und disziplinären Herkunft, mitunter aber auch von ihrer wissenschaftlichen Qualität her ein relativ heterogenes Gesamtbild. Nicht immer wird bei der Lektüre das ohnehin sehr lose formulierte Programm des Bandes klar. Zwar lässt der Untertitel »Tendenzen – Traditionen – Vermittlung« eine gewisse integrative Ausrichtung erahnen, indem er die Entwicklung gegenwärtiger Literaturkritik, ihre historischen Bezüge sowie ihr Vermittlungspotenzial anspricht und miteinander zu vereinen sucht. Allerdings trifft diese Ausrichtung auf einen großen Teil des Bandes nicht zu. Außerdem stehen die Beiträge, die zumindest unter eines dieser Titelschlagworte fallen könnten, nicht unbedingt in einer systematischen Beziehung zueinander bzw. zu einem übergeordneten Ziel des Bandes respektive des durch den Untertitel angesprochenen Themas. Stattdessen drängt sich dem Leser das Gefühl auf, dass die oftmals sehr speziellen Beiträge lediglich aneinander gereiht wurden, was aber vor allem auch dem etwas unübersichtlichen Programm des Germanistentags geschuldet sein mag. Hinsichtlich vieler Texte, die den hier beispielhaft besprochenen in nichts nachstehen, ist das durchaus schade. Allerdings kann sich der eine oder andere Autor sicherlich damit trösten, dass es noch viel zu forschen gibt. Die Literaturkritik befindet sich in einem wahrscheinlich immerwährenden Entwicklungsstadium und solange ihre Geschichte weitergeht, ohne sich durch ihren selbstbezüglichen Diskurs zu vernichten, wie sie es manchmal zu tun droht, solange lässt sich die Literaturkritik als lohnenswerter Forschungsgegenstand im Blick behalten. Doch das ist eine andere Geschichte.

 
 

Anmerkungen

Hiermit mögen sicherlich Studiengänge wie die an den Universitäten Duisburg-Essen oder Bamberg gemeint sein, in denen das kritische Schreiben seminaristisch geübt wird.   zurück
Vgl. für einen kleinen, aber hilfreichen Überblick Günther Fetzer: Literaturvermittlung. In: Ursula Rautenberg / Ute Schneider (Hg.): Lesen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin / München / New York: De Gruyter 2015, S. 648.   zurück
Vgl. Thomas Anz / Rainer Baasner: Vorwort. In: T. A. / R. B. (Hg.): Literaturkritik. Geschichte – Theorie – Praxis. München: C. H. Beck 2007, S. 7–12. Ein bis heute viel zitierter theoretischer Beitrag von Thomas Anz findet sich in eben diesem Band. Vgl. Thomas Anz: Theorien und Analysen zur Literaturkritik und zur Wertung. In: T. A. / R. B. (Hg.): Literaturkritik. Geschichte – Theorie – Praxis. München: C. H. Beck 2007, S. 194–219.   zurück
Ich setze diesen Vorbehalt, da einige Publikationen zumindest Anhaltspunkte für praxeologische Vertiefungen liefern können, beispielsweise: Heinz Ludwig Arnold / Matthias Beilein (Hg.): Literaturbetrieb in Deutschland. 3. Auflage. Neufassung. München: edition text + kritik 2009. Vgl. Rezension auf IASL-Online: http://www.iaslonline.de/index.php?vorgang_id=3184.   zurück