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Die berühmteste gedruckte Chronik des 15. Jahrhunderts und ihre Textgenese

  • Bernd Posselt: Konzeption und Kompilation der Schedelschen Weltchronik. (Monumenta Germaniae historica: Schriften 71) Wiesbaden: Harrassowitz 2015. LIV, 600, 16 S. zahlr. Abb. Gebunden. EUR (D) 84,00.
    ISBN: 978-3-447-10434-0.
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Die Schedelsche Weltchronik ist ein besonderes Buch. Es erschien 1493 in Nürnberg in einer lateinischen und einer deutschen Ausgabe im Großfolioformat mit jeweils über 1800 Abbildungen und einem Umfang von jeweils um die 600 Seiten. Für kaum eine andere Inkunabel ist die Quellenlage derart gut. So verwundert es nicht, dass dieses Werk immer wieder Gegenstand intensiver Analysen war. Mit Posselts Arbeit liegt nunmehr die siebte Dissertation zur Schedelschen Weltchronik vor. Bisher wurde das Werk an sich betrachtet (Joseph Sprengler, Würzburg 1905), die Illustrationen untersucht (Ingeborg Ramseger, Masch. Diss. Berlin 1943; Leonhard Sladeczek, Baden-Baden/Straßburg 1965, Diss. Münster 1948), die Produktion analysiert (Christoph Reske, Wiesbaden 2000, Diss. Mainz 1999) und die Rezeption in Augenschein genommen (Jonathan Green, Frankfurt/M. 2006, Diss. Urbana-Champaign 2003). Am Anfang stand jedoch eine bemerkenswerte Textuntersuchung der lateinischen Ausgabe durch Michael Haitz (Hartmann Schedel’s Weltchronik. Diss. München 1899), die über 100 Jahre die Grundlage zur philologischen Wertung der Weltchronik bildete.

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Hieran möchte Posselt, der nach einer Diskussion der Forschungsliteratur das mangelnde philologische Interesse an der Weltchronik beklagt, mit seiner Arbeit anknüpfen. Im Gegensatz zu Haitz geht es Posselt aber nicht nur um die Ermittlung der Kompilationsvorlagen, sondern vor allem um die Art und Weise, wie der Nürnberger Stadtarzt Hartmann Schedel kompilierte. Hierzu gliedert er seine Untersuchung in sechs Kapitel mit vorgestelltem Abkürzungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einer Zusammenfassung und zwei Anhängen. Im ersten Anhang liefert Posselt erstmals eine an der Foliierung orientierte vollständige Übersicht über Inhalt und Vorlagen der Schedelschen Weltchronik, im zweiten Anhang folgt eine genaue Textsynopse verschiedener Städte sowie zu zwei Päpsten. Abgeschlossen wird das Werk durch ein Namensregister und 16 farbige Bildtafeln.

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Untersuchungsmethode

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Im einleitenden Kapitel 1 (S. 1–53) werden die Entstehung, die Konzeption, der Forschungsstand und der Aufbau sowie die Ziele der Untersuchung skizziert. Demnach besteht die Weltchronik einerseits aus einer durch Reihung von Biographien aufbauenden Chronik, andererseits aus Enea Silvio Piccolominis Europa. Haitz hatte nur die Vorlagen des letzten Fünftels der lateinischen Weltchronik, also die jüngere Geschichte ab dem 12. Jahrhundert ermittelt (fol. 202v-258v), Posselt erweitert dies um die restlichen 200 Blätter (fol. 1r-202v) und bestimmt darüber hinaus für ausgewählte Vorlagen die »konzeptionelle Bedeutung für Struktur, Inhalt und Gehalt der Schedelschen Weltchronik« (S. 49).

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Vorlagen für den Text der Weltchronik

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Kapitel 2, »Die Kompilation der Schedelschen Weltchronik« (S. 54–94), thematisiert zum einen die verwendeten Vorlagen, zum anderen die Ergebnisse der Kompilationsanalyse, beginnend mit einem Blick auf die Zeugnisse und Forschungen zu diesem Untersuchungsgebiet. Bereits 1494 erkannte Schedels Zeitgenosse Johannes Trithemius die Weltchronik als Zusammenstellung aus Giacomo Filippo Forestis Supplementum chronicarum. Den Quellen zur Weltchronik ist zu entnehmen, dass man im Nürnberger Humanistenkreis, dem Schedel selbst angehörte, mit der Textzusammenstellung unzufrieden war und eine Überarbeitung insbesondere der Partien zu den deutschen Landen durch Conrad Celtis plante. Die bisherige Forschung erkannte in der Weltchronik eine wortgenaue Verarbeitung der Vorlagentexte, die überwiegend von italienischen Humanisten stammen. Aus Posselts Skizze von Schedels Hauptquelle, dem Supplementum, geht hervor, dass Schedel diesem nicht nur die Texte, sondern auch die Grundstruktur entnommen hatte. Bereits das Supplementum war eine Kompilation, zwar mit Nennung der verarbeiteten antiken Autoren, nicht jedoch der zeitgenössischen Werke, aus denen Foresti primär geschöpft hatte, wie Flavio Biondos Historiarum ab inclinatione Romani imperii decades und dessen Italia illustrata sowie Bartolomeo Platinas Liber de Vita Christi ac omnium pontificum. Diese Werke finden sich allesamt auch in der Weltchronik verwendet, wie Posselt in seiner anschließenden Analyse ausführt. Von den über 2100 insbesondere biographischen Artikeln der Weltchronik (Haitz hatte etwa 450 untersucht) lässt sich in über 1300 Artikeln das Supplementum als Quelle nachweisen (fol. 7v-256v), in fast 220 Artikeln, natürlich beschränkt auf das sechste Weltalter, Platinas Vitae pontificum und Biondos Decades. In über 250 Artikeln wurde Werner Rolevincks Fasciculus temporum verwendet und in 50 Artikeln das Chronicon des Antoninus Florentinus. Die Vorlagen werden dabei von Posselt exemplarisch in einem chronologischen Abriss der Weltchronik skizziert.

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Schedels Kompilationsverfahren

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Kapitel 3 (S. 95–168) beschäftigt sich mit der Frage, wie Schedel kompilierte. Trotz der ungewöhnlich vielen Quellen zur Entstehungsgeschichte der Weltchronik haben sich hierzu keine Entwürfe erhalten. Posselt legt zunächst die bisherigen Vorstellungen dar. Bei der Kompilation werden fremde Texte zu einem neuen zusammengestellt, wobei der repräsentativen, informativen und nützlichen Auswahl (compilatio) und der Anordnung (ordinatio) eine besondere Bedeutung zukommt. Hierzu muss der Text detextualisiert und dekontextualisiert werden, um in der Kompilation wiederum retextualisiert und rekontextualisiert zu werden. Als Grundoperationen können die Selektion des Grundtextes und die Übergabe an den Text wiedergebenden Prozessor formuliert werden, wobei dies unverändert, gar nicht oder in veränderter Form erfolgen kann, worunter Löschen, Einfügen, Austauschen, Paraphrasieren oder Umstellen verstanden wird. Dieses Konzept soll nach Posselt aber nicht wie bisher nur den einzelnen Satz berücksichtigen, sondern alle vier Untersuchungsebenen der Weltchronik, neben dem Satz auch die Artikel, die Seite und die gesamte Chronik. Des Weiteren differenziert Posselt nach den 1) Grundformen der Kompilation (der identischen Übernahme aus nur einer Vorlage, eine bloße Aneinanderreihung bei Textelementen größeren Umfangs, der Verschränkung für Textelemente kleineren Umfangs aus zwei oder mehr Vorlagen), den daraus entstandenen 2) Kompilationsstrukturen (der Wortlaut des kompilierten Textbestandes wird den jeweiligen Vorlagen zugewiesen) und 3) ersten einfachen Funktionszuschreibungen der kompilierten Texte (äußere Gesichtspunkte wie Umfang, Anordnung innerhalb des kompilierten Textes und die Verbindung mit anderen Übernahmen bzw. ihrer Textumgebung).

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Bei Schedel findet sich die einfache identische Übernahme des Textes einer einzelnen Vorlage vor allem bei kürzeren Artikeln, was lediglich auf ein Drittel der 2100 Artikel zutrifft, charakteristisch ist vielmehr die Verwendung von zwei oder mehr Vorlagen, die Schedel als AB oder ABABA anordnete. Für ihn ist eine hohe Komplexität der Kompilationsstruktur typisch, meist mit kompliziertem Anfang und Ende. Posselt konnte bei dem Artikel zu »Semiramis« auf fol. 25r für 19 Druckzeilen 13 Vorlagenwechsel nachweisen. Markierungen, also Belege der Textvorlagen, sind in der Weltchronik selten, angestrebt wird ein Lesetext. Schedel legte kaum Quellen offen und setzte sich kaum kritisch mit dem Text auseinander. Damit bewegte er sich nicht auf der Höhe seiner Zeit. Dass er jedoch mit der Markierungstechnik humanistischer Historiographen vertraut war, zeigte er im Text zur Stadt Nürnberg, für deren angeblich antike Gründung entsprechende Autoritäten zitiert werden mussten. In diesem Zusammenhang ist die Rückseite des 1490 datierten Entwurfsblatts für die Illustration zum Gottvater mit der Beschreibung der menschlichen Monster zu fol. 12r von Bedeutung, die wohl den ältesten bekannten Teiltext zur Weltchronik darstellt. Hier sind nicht nur die Vorlagen detailliert genannt, sondern auch zusätzliche Quellen zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema. Diese wissenschaftliche Kompilation unterscheidet sich signifikant von der übrigen Arbeitsweise in der Weltchronik. Posselt sieht hierin entweder das Werk einer anderen Person, oder aber den frühen Entstehungszeitpunkt dokumentiert, »als Ausdruck früher, noch tastender Versuche« (S. 132). Letzteres scheint doch sehr nahe zu liegen: Dass Schedel auch »wissenschaftlich« kompilieren konnte, belegt der Nürnbergtext. Wenn uns dieselbe Art beim frühesten bekannten Textfragment zur Weltchronik begegnet, also der an den Anfang der Weltchronik gehörende Text von der Rückseite der Gottvaterzeichnung, dann dürfte Schedel dies wohl ursprünglich für die ganze Weltchronik geplant haben. Wie andere Untersuchungen zu den erhaltenen Artefakten ergeben haben (Reske), wurden ursprüngliche Planungen zur Weltchronik noch zu Beginn abgeändert – in der gedruckten Weltchronik zeigt sich dies nur noch bei dem zu groß dimensionierten Gottvater-Holzschnitt. Man hat also schon zu einem frühen Zeitpunkt nicht nur das Konzept praktikabler gemacht, sondern scheint auch einen lesbareren Text angestrebt zu haben. Die spätere Kritik der Zeitgenossen an Schedel betraf ja nicht die Kompilation, sondern fehlende Inhalte, wie die Geschichte der deutschen Lande.

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Bei seiner Kompilationsanalyse behält Posselt die ältere Unterscheidung nach dem grammatischen (Kohäsion) und dem semantisch-thematischen Zusammenhang (Kohärenz) als heuristisches Instrument bei. Hierbei stellt er fest, dass Schedel kohäsive und kohärente Anknüpfungspunkte für den Vorlagenwechsel nutzte, Substantive wiederholte oder durch andere bzw. Pronomina oder Pronominaladverbien ersetzte. Die Substitution von Eigennamen durch Pronomina erlaubte Schedel die wörtliche Übernahme großer Textteile, was ihm viel Zeit bei der Kompilation einsparte. Bei der Artikelstruktur orientierte er sich an seiner Hauptvorlage: Wie im Supplementum findet sich eine ausgeprägte Einleitung mit Grundinformationen zur Person, gefolgt von einem chronologisch geordnetem Teil. Die Kürzungen der Vorlagentexte erfolgten nicht aus inhaltlichen, sondern aus formalen Gründen, da sie in die Doppelseitenkonzeption der Weltchronik eingefügt werden mussten. Obwohl es sich bei Schedels Vorlagen meist selbst um Kompilationen handelt, bleibt deren Intention stets erhalten, mit Tendenz zur Objektivierung, indem Schedel Kommentare entfernte. So kommt Posselt zu dem Ergebnis, dass Schedels Kompilation »auf der Verarbeitung der Werke humanistischer Schriftsteller Italiens [beruht], der Aneignung ihrer Themen und Methoden sowie der Umsetzung und Weiterentwicklung in ein eigenständiges Werk, das sowohl in der kontinuier­lichen Verbindung von Text- und Bildelementen einen originellen künstlerischer[!] Ausdruck findet als auch die auf Italien beschränkte Perspektive der italienischen Humanisten auf die eigene Umwelt, das Reich und die sich formierende eigene Nation weitet« (S. 168). Bei dieser aus inhaltlicher Perspektive geführten Argumentation bleibt die Rolle der Maler bei der Text-Bild-Konzeption unberücksichtigt.

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Fallstudien: Papstbiographien und Stadtbeschreibungen

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In Kapitel 4 (S. 169–231) werden die Biographien der Päpste als Ganzes betrachtet, stellen sie doch die größte kohärente Gruppe historischer Personen in der Weltchronik dar. Die Untersuchung der Vorlagen und des wiederkehrenden Aufbauschemas der Papstbiographien erlaubt es, die Wechselwirkung von Aufbau und Kompilation darzustellen. Die 227 Biographien machen mehr als die Hälfte der gesamten Chronik aus und enthalten grundlegende Informationen in der Einleitung, wie Name, Herkunft und Zeitraum, im Mittelteil die Vita und Aktivitäten sowie im Schluss die Ordinationen, das Ende als Märtyrer, die Grablege, die Dauer des Pontifikats und die Sedisvakanz. Schedel orientierte sich dabei vor allem an Platina und Foresti, deren Werke er für 200 Biographien heranzog. Anhand der im Anhang I (S. 417–513) vollständig wiedergegebenen Textsynopse von Pius II. und Paul II. nimmt Posselt eine genauere Untersuchung der Varianzen gegenüber den Vorlagen vor. Es zeigt sich »einerseits die relative Konstanz des textuellen Bestandes, der in graduell unterschiedlichem Ausmaß abgewandelt kompiliert wird, und andererseits auch die Konstanz der textuellen Schemata« (S. 231). Die Papstbiographien der Weltchronik folgen der in den Vorlagen vorgegebenen festen Gattungstradition.

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Auf eine solche Gattungstradition konnte Schedel bei den Stadtbeschreibungen, die im Kapitel 5 (S. 232–365) näher betrachtet werden, nicht zurückgreifen, auch wenn sie sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Er folgte hier wiederum seinen Vorlagen, der Italia Illustrata und dem Supplementum, die ihren Schwerpunkt natürlich in Italien hatten. Verwendet wurde auch Piccolominis Europa, kaum jedoch dessen Germania, die nur topische Darstellungen der florierenden Orte im Deutschen Reich enthielt, verfasst als Antwort auf die Klage des Mainzer Erzbischofs wegen der hohen deutschen Abgaben an Rom. In der Weltchronik finden sich 24 Orte aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, 19 aus Italien und 28 aus anderen Regionen. Anhand der genaueren Untersuchung von Trier, Mainz, Genua, Köln, Tiberius, Wien, Nürnberg, Bamberg und Prag, deren Textsynopsen im Anhang II (S. 514–582) wiedergegeben sind, kann Posselt einen dreiteiligen Aufbau nachweisen: die Gründungsgeschichte, die historische Entwicklung mit Aufstieg, Expansion, Herrschaftsbereich und schließlich der Niedergang mit der abschließenden Nennung der vorhandenen Reliquien. Die Städte wurden dabei unter Berücksichtigung des Text-Bild-Bezugs chronologisch nach ihrem angenommenen Gründungszeitpunkt eingeordnet, bei dem sich Schedel am Supplementum orientierte. Rätselhaft war bisher, warum die bildlichen Darstellungen von Trier und Mainz als einzige deutsche Städte nicht authentisch sind. Posselt liefert hier einen interessanten Erklärungsversuch: als die ältesten deutschen Städte traten sie in der Weltchronik bereits sehr früh auf, wo möglicherweise noch keine authentische Ansicht angestrebt war.

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Zur Gesamtkonzeption des Werks

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Das Kapitel 6 ist der Konzeption der Weltchronik gewidmet (S. 366–407). Durch die gegenüber Haitz ausgeweitete Vorlagenerschließung kann Posselt nachweisen, dass Schedel für den ersten Teil der Weltchronik intensiv Rolevincks Fasciculus temporum nutzte. Dieses häufig aufgelegte Geschichtskompendium folgte einer schon bei Petrus von Poitiers im 12. Jahrhundert zu findenden, horizontal ausgerichteten diagrammatischen Gestaltung. Deutlich wird der Vorlagencharakter unter anderem auf fol. 40r der Weltchronik. Schedel übernahm aus dem Fasciculus die fünf Personen mit dem Namen »Boos«, da der aus der Bibel zu berücksichtigende Zeitraum als Lebenszeit für nur eine Person unglaubwürdig war. Posselt sieht daher den Fasciculus nicht nur als Vorlage »für die Textkompilation [...], sondern auch auf konzeptioneller Ebene für die Inserierung und Modellierung der genealogischen und dynastischen Linien in die Schedelsche Weltchronik« (S. 378). Rein inhaltlich betrachtet, liegt hier eine vergleichbare Struktur vor, doch das Gestaltungskonzept der Weltchronik folgt nicht dem horizontal angeordneten Medaillon-Typus des Fasciculus, sondern dem variabel angeordneten Wurzel-Jesse-Typus, der verbreitet war, wie dies beispielsweise die Predella des kurz vor der Weltchronik geschaffenen Krakauer Hochaltars des Nürnberger Maler Veit Stoss zeigt. Dieser Umstand ist ein Beleg dafür, dass die Maler für das Gestaltungskonzept der Weltchronik mitverantwortlich waren, wie dies an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde (Reske).

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Im Weiteren vollzieht Posselt makrostrukturelle Betrachtungen, bei denen er konzeptionelle Vorbilder für die Weltchronik nicht nur im Fasciculus, sondern auch im Supplementum erkennt. Ausgehend von den Gliederungsebenen der Weltchronik, beginnend mit der kleinsten, den in sich geschlossenen einzelnen Artikeln, folgen die einzelnen in sich geschlossenen Seiten. Der für die Buchgestaltung übliche über mehrere Seiten fortlaufende Text ist in der Weltchronik die Ausnahme. Einerseits sind direkt erkennbare Doppelseitenkonzeptionen zu finden, wie etwa bei den Stadtansichten oder den übergreifenden Stammbäumen, andererseits bildeten nach Posselt in sich geschlossene Einzelseiten eine inhaltliche Einheit, was auch für mehrere aufeinanderfolgende Doppelseiten zutreffen könne.

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Fazit

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Posselt legt eine akribische, nicht immer leicht zu lesende Textuntersuchung vor, die nunmehr den gesamten lateinischen Text der Weltchronik umfasst. Er sieht in der Kompilation keine minderwertige Tätigkeit, sondern ein Textproduktionsverfahren, bei dem aus den Vorlagen übernommenes Material detextualisiert und dekontextualisiert wird, um als eigenständiger Text in einem neuen Textgefüge retextualisiert und rekontektualisiert zu werden. Damit würdigt er Schedels Tätigkeit in größerem Maße, als dies in der bisherigen Literatur der Fall war. Posselt legt mit diesem Werk die umfänglichste philologische Untersuchung des lateinischen Textes der Weltchronik vor und löst Haitz als Standardwerk ab. Als inhaltliches Forschungsdesiderat zur Weltchronik steht nunmehr noch eine Untersuchung der Übersetzungstätigkeit von Georg Alt ins Deutsche aus.