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Antike Autoren in Text und Bild - Frühe Drucke mit Holzschnitt-Illustrationen.

  • Catarina Zimmermann-Homeyer: Illustrierte Frühdrucke lateinischer Klassiker um 1500. Innovative Illustrationskonzepte aus der Straßburger Offizin Johannes Grüningers und ihre Wirkung. (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 36) Wiesbaden: Harrassowitz 2018. 464 S. 88 Abb.
    ISBN: 978-3-447-10939-0.
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Die von der Kunsthistorikerin Catarina Zimmermann-Homeyer vorgelegte Monographie (Diss. Bonn 2014) behandelt einige der zentralen illustrierten Klassikerausgaben des Straßburger Druckerverlegers Johann Grüninger (tätig 1483-1531). Wie Homeyer ausführt, ist Grüninger einer der führenden und besonders innovativen Buchproduzenten in diesem Segment. Angesiedelt in Straßburg, um 1500 Zentrum des oberrheinischen Humanismus, konnte Grüninger u.a. mit Gelehrten wie Jacob Locher (Horaz-Ausgabe 1498) und Sebastian Brant (Boethius 1501, Vergil 1502) zusammenarbeiten. Die kunsthistorische Analyse der Bildzyklen bettet Zimmermann-Homeyer ein in die Frage nach den Beiträgen der Gelehrten nicht nur für die Textauswahl, -bearbeitung und -kommentierung, sondern auch nach deren möglichem Einfluss auf die Illustrationskonzepte bis zum nicht antikisierenden, gotischen Stil und der inhaltlichen und motivischen Ausarbeitung der Holzschnitte. Sie greift ausführlich auf verlegerische und herausgeberische Paratexte wie Pro- und Epiloge, Kolophone, Widmungen und Briefe zurück. Ihr Ziel ist »ein intensives Studium des jeweiligen Buches als editorisches Gesamtkonzept.« (S. 15)

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Fallstudien zu Terenz und Vergil

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Den »wichtigsten Buchunternehmen um 1500« (S. 17) nähert sich die Autorin mit zwei Schwerpunkten: Basel 1496 mit dem Erscheinen der »Komödien« des Terenz sowie der Vergil-Ausgabe von 1502. Das Hauptkapitel zu den Terenz-Illustrationen geht von illustrierten Handschriften des Werks und dem Vergleich des Grüninger-Drucks mit den zeitnahen Ausgaben in Lyon (Johannes Trechsel, 1493) und Venedig (Lazarus de Soardis, 1497) aus. Zimmermann-Homeyer arbeitet als wichtigstes Ergebnis die enge Verbindung neuartiger Textbeigaben mit dem Illustrationskonzept der Straßburger Ausgabe heraus. Schlüssel dazu sind die bei Grüninger neu entwickelten ganzseitigen Argumentumbilder zu jeder Komödie mit den nebenstehenden »Declarationes figurae«: »Während sich die Textillustrationen noch in der Anordnung der Figuren an den Lyoner Vorbildern orientiert haben mögen, wird in den großen Holzschnitten etwas völlig Neues geschaffen. Sie haben ganz eindeutig den Zweck, dem Leser durch ein Schaubild zu helfen, den zuweilen recht komplexen Inhalt der jeweiligen Komödie zu erfassen.« (S. 140) Ausführlich geht die Verfasserin auf mnemotechnische Verfahren in den Argumentumbildern ein und belegt Grüningers Interesse an der »Ars memorativa« durch Publikationen in seinem Verlag dazu, z.B. von Thomas Murner. Das Illustrationskonzept, einschließlich des ökonomischen Verfahrens der aus mehreren, variabel einsetzbaren kleinen Holzstöcken zusammengesetzten Textholzschnitte, bezeichnet Zimmermann-Homeyer als »wegweisend für die Buchillustration« (S. 180). Abschließend untersucht sie die nachfolgenden Ausgaben der Terenz-Komödien in Straßburg und das Fortleben der Illustrationen.

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Das zweite Hauptkapitel behandelt die illustrierte lateinische Gesamtausgabe der Werke des Vergil von 1502, für die Sebastian Brant einen »völlig neuen Kommentartypus« (S. 203) beisteuerte und auch das Illustrationskonzept beratend betreute: »Die Illustrationen sind von herausragender Qualität und verraten eine sorgfältige inhaltliche Bearbeitung durch den Gelehrten.« (S. 291). Zusammenfassend betont die Verfasserin die bisher beispiellose Detailfülle der Illustrationen, die die Handlung kontinuierlich verfolgen und in die Brant Textkommentare, gelehrte Anspielungen und zeitgenössische Ereignisse verwob. Brant selbst begriff die Bilder als Vermittler von Inhalten und mnemotechisches Instrument, nicht für ein nicht-lesefähiges (illiterates) Publikum, aber an den lateinkundig gebildeten, nicht gelehrten Leser gerichtet. (vgl. S. 252 f.)

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Auch die möglichen Bildvorlagen in der Handschriftentradition, in volkssprachlichen Ausgaben und der zeitgenössischen Druckgraphik finden in diesem Kapitel Beachtung: »Eine eingehende Untersuchung dieser druckgraphischen Versatzstücke hat ergeben, dass zwei bedeutende Meister für die Ausführung in Frage kommen. Zum einen halte ich es für wahrscheinlich, dass Georg Schongauer, ein Bruder Martin Schongauers, nach seiner Ankunft in Straßburg für Johannes Grüninger tätig war. […] Zum anderen deuten die zahlreichen Zitate und kompositionellen Übernahmen aus der Dürer-Graphik auf den in Straßburg tätigen Maler Hieronymus Greff.« (S. 305)

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Buchillustration im Kontext

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Zu Beginn beklagt die Autorin, dass die frühen, besonders die nordalpinen Buchholzschnitte bisher nur »dürftiges« Interesse der Kunsthistoriker erfahren hätten und die illustrierten Bücher der Aufmerksamkeit von Buchwissenschaftlern und Philologen oder Theaterwissenschaftlern überlassen worden seien (S. 15). Zimmermann-Homeyers interdisziplinäre Untersuchungen zu einem bedeutenden Korpus illustrierter Straßburger Klassikerausgaben füllen diese Lücke in der Gesamtschau von Text und Bild vorbildlich. Zudem gelingt es ihr, einen Einblick in die Arbeitsprozesse der Grüninger-Werkstatt und ihrer Zusammenarbeit mit Gelehrten und Künstlern in der gemeinsamen Arbeit am Buchkonzept zu geben. Zwar ist der Focus kunsthistorisch, die fast fünfzig Seiten umfassende Forschungsbibliographie sowie die Auseinandersetzung damit in 1495 Fußnoten auf weniger als 300 Textseiten zeigen die hier geleistete Kärrnerarbeit bei der kritischen Aufarbeitung der kleinteiligen Forschungssituation. Die Fülle der (neu) erzielten Ergebnisse kann an dieser Stelle nicht ausführlich dargestellt werden; ausführliche Zusammenfassungen zu den Kapiteln sowie die Schlussbetrachtung bieten einen guten ersten Zugang. Abgerundet wird der Band durch den Tafelteil, ein Personen- und Sachregister.