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„Eine besonders begeistigte Individualität“. Neue Forschung zum Juristen und Philologen Karl Hartwig Gregor von Meusebach (1781-1847)

  • Dietrich Lückoff: Aus dem Leben und Kleben des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von Meusebach. Stuttgart: S. Hirzel 2020. XX, 612 S. 32 farb. Abb. Hardcover. EUR (D) 92,00.
    ISBN: 978-3-7776-2632-1.
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Im Herbst 2020 ist bei S. Hirzel in Stuttgart Dietrich Lückoffs Buch Aus dem Leben und Kleben des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von Meusebach erschienen – und zwar unter schwierigen Umständen. 1 Denn der Autor starb 2014 unerwartet und konnte das Werk nicht selbst fertig stellen, sodass es letztlich aus seinem (hauptsächlich digitalen) Nachlass ediert werden musste. Dass die Publikation des Buches in seiner vorliegenden Form dennoch zustande kam, ist umfangreichen Arbeiten eines größeren Personenkreises zu verdanken. Vorbemerkungen geben darüber Auskunft (S. IX-XI).

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In meiner Rezension werde ich schwerpunktmäßig auch unerfüllte Desiderate des Buches herausarbeiten und lose Enden der Forschung aufzeigen, an denen der Autor selbst nicht mehr arbeiten konnte. Die wissenschaftliche Qualität des Werks wurde von der Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel (Humboldt-Universität zu Berlin) begutachtet, woran sich eine formale und inhaltliche Redaktion anschloss. Eine grundsätzliche Neukonzeption, Ergänzungen oder größere Umformulierungen des Textes wurden dabei nicht angestrebt.

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Gerüchteweise gehört Meusebach auch heute noch zu den bekanntesten Persönlichkeiten aus der Geschichte der Germanistik, insbesondere in der Mediävistik, Volkslied- und Romantikforschung. Dennoch gab es zu ihm nur wenige Studien, seine Persönlichkeit blieb trotz regelmäßigen Erwähnungen unscharf. »Meusebach ist weitestgehend vergessen worden, sowohl was seine literarischen als auch seine literaturgeschichtlichen Leistungen betrifft«, 2 heißt es in einem der nur drei Forschungsartikel, die in der einschlägigen germanistischen Bibliographie BDSL Online zu dieser Person nachgewiesen werden.

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Auch wenn man den tendenziell fragmentarischen Charakter des Publikationsprojekts und dessen traurige Umstände einrechnet, so ist durch Lückoffs Buch doch ein wesentlicher Fortschritt erreicht. Der Autor präsentiert in seiner etwa 650-seitigen biographischen Quellendokumentation den Familienmenschen in seinem privaten Umfeld und auf weiten Strecken den gelehrten und bestens vernetzten Grandseigneur im vormärzlichen Berlin und stellt damit – nach ersten Arbeiten noch aus dem 19. Jahrhundert – die Forschung zu Meusebach auf eine neue Grundlage.

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Der hauptberufliche Jurist wurde 1781 in eine alte thüringische Adelsfamilie geboren, heiratete die ebenfalls aus thüringischem Uradel stammende Ernestine von Witzleben und gehörte seit seinem Wirken als Präsident des rheinischen Revisionshofs in Koblenz zur hochgebildeten preußischen Beamtenelite. Neben den adligen Familien Gneisesau, Clausewitz, Savigny und Arnim gehörten die Familie Grimm und jüngere wissenschaftliche Talente wie Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt zum engsten Freundeskreis der Familie Meusebach.

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Nachdem Meusebach 1840 sich, seiner Familie und seiner Bibliothek zwischen Potsdam und Werder in Geltow an der Havel einen Altersruhesitz im italienischen Stil bauen ließ, starb er schon 1847 als frühpensionierter Richter des rheinischen Revisionshofs in Berlin, an dem er seit 1819 in der Kriminalistik wirkte. Seine Fragment gebliebenen Studien zu dem frühneuhochdeutschen Dichter Johann Fischart erschienen erst mehr als dreißig Jahre später postum.

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Zu Meusebach und seiner Familie, aber auch zu den anderen oben genannten Personen präsentiert Lückoffs Biographie großenteils unbekannte oder schwer zugängliche Archivmaterialien – Briefwechsel, Tagebucheinträge aus Meusebachs sogenannten Weißen Büchern, Zeichnungen und Porträts –, die historische Konstellationen und Alltagsereignisse aus der Nahperspektive dokumentieren und manchmal nur Lückoff zugänglich waren. Die Kapitel des Buches folgen den Lebensphasen Meusebachs: 1781-1802 Kindheit auf dem thüringischen Gut Voigtstedt, Schulzeit in Roßleben, Studienzeit in Göttingen und Leipzig, 1803-1814 Jurist in Dillenburg, 1815-1818 in Koblenz und drei weitere Kapitel 1819-1847 zu den Jahren in Berlin.

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Essentiell für das Buch sind auch die vielen Abbildungen, die nicht nur illustrieren, sondern oftmals historische Quellen eigenen Rechts sind, indem zum Beispiel Orte von Meusebachs Leben und Wirken genau recherchiert und abgebildet wurden. Als Abbildung für den Einband wurde zum Beispiel ein bis dato unbekanntes Pastellporträt Meusebachs von Eduard Daege aus Privatbesitz des US-amerikanischen Familienzweigs ausgewählt. 3 Eine Farbbilderstrecke mit 32 unpaginierten Tafeln zeigt inhaltlich besonders interessante Orte, Personen und Dokumente.

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Das Buch heißt mit Bedacht ›Aus dem Leben‹, weil eine umfassende Biographie Meusebachs nach derzeitiger Sachlage nicht möglich ist […] Zuviel Material ist nicht ediert, Meusebachs Werdegang in seinem eigentlichen Beruf eines hohen Juristen nicht erfasst; auch die Bibliothek nicht erforscht, (S. VIII)
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schreibt Lückoff in seinem aus handschriftlichen Notizen zusammengetragen Vorwort und skizziert die Vorarbeiten, die allesamt noch aus dem 19. Jahrhundert datieren:

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Grundlagen der biographischen Darstellung sind die erste Biographie Meusebachs von Karl Schwartz sowie das Material aus den Vorworten und Anmerkungen Camillus Wendelers zu den beiden Büchern Fischartstudien des Freiherrn von Meusebach und Briefwechsel des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von Meusebach mit Jacob und Wilhelm Grimm. (ebd.)
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Lückoff lässt auf weiten Strecken die von ihm edierten Quellen selbst sprechen und verbindet diese mit kurzen und sparsam gesetzten, aber kenntnisreichen Kommentaren und mit Zusammenfassungen von Lebensstationen Meusebachs. In Fußnoten kommentiert der Autor nur für das Verständnis allernötigste Textstellen, etwa weniger bekannte Personen, Kosenamen, spezielle Orte, fremdsprachliche Passagen; in den Quellen angedeutete historische Zusammenhänge können so nur andeutungsweise herausgearbeitet werden. 4 Lückoff wurde mitten in seiner Arbeit unterbrochen.

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Wie Meusebach sich intensiv dem Dichter Fischart widmete, erforschte Dietrich Lückoff wiederum Meusebach mit einer Ausdauer und Liebe zum Detail, die über die heute oftmals projektfinanzierte und kurzlebige Forschung hinaus geht. Lückoff war promovierter Romanist, der auch, wie Meusebach, als Lyriker und Publizist literarisch tätig war. Nicht nur, dass Lückoff unbekannte Archivmaterialien auswertete, die in seinem Buch ausgewählt gedruckt werden, er besuchte und photographierte auch die Originalschauplätze aus Meusebachs Leben. Mit Meusebach verband ihn auch seine Schulzeit in Dillenburg. So kann Lückoff aus Dillenburg berichten: »Der Garten hat sich erhalten, ein verwunschener Ort bis heute. Es ist nur ein paar Jahrzehnte her, dass er im Volksmund noch immer Meusebachs Garten genannt wurde« (S. 104).

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Das Buch ist einerseits auch für ein breiteres kulturhistorisch interessiertes Publikum geschrieben, andererseits werden sich die privaten Alltagsberichte den Leserinnen und Lesern erst mit einem gewissen geschichtlichen Vorwissen erschließen, da zum Beispiel die vorkommenden Personen kaum erläutert werden. Bei genauer und linearer Lektüre des Buches entfaltet sich aber ein Panorama des intellektuellen Berlin und des Familienlebens der Hauptfiguren aus einer weitgehend unbekannten Perspektive in selten erreichter Detailliertheit. Hoffmann von Fallersleben, Bettina von Arnim und andere sind zu sehen, wie sie in Bezug auf Meusebach agieren, mit ihm kommunizieren und den Alltag verbringen.

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Meusebach und die deutsche Philologie

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Meusebach veröffentlichte selbst nur selten etwas. Sein Beruf und die Arbeit mit und an seiner Bibliothek ließen ihm wenig Zeit; dazu kam ein gewisser Hang, sich in den gesammelten Materialien zu verzetteln. Auch seine Skepsis gegenüber dem Veröffentlichungswettlauf der noch jungen deutschen Philologie, seine Kritik vorschnellen wissenschaftlichen Publizierens (S. 358), sein Bestreben, einen Gegenstand vor Publikation vollständig zu erfassen, hemmten ihn.

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Zu Lebzeiten ist unter seinem Namen keine germanistische Publikation erschienen, dafür aber eine Reihe von kenntnisreichen pseudo- bzw. anonym publizierten Rezensionen, unter anderem zu den Spezialinteressen Fischart und deutsches Kirchenlied, zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe und zu Bettina von Arnims Briefwechsel mit einem Kinde von 1835, eine fast 50 Spalten der Allgemeinen Literatur-Zeitung einnehmende Besprechung, die der später berühmte Philologe Moriz Haupt wortreich lobte:

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der treffenden, feinen, zierlichen und dichterischen [stellen] sind gar zu viele und mein höchstes lob gebührt dem geiste der in dem ganzen waltet und es zu schöner einheit zusammenhält, jenem künstlerischen und sittlichen und […] echt goethischen sinne für mass. dieser durchdringt Ihre ganze recension und bedingt und begründet tadel und lob. (S. 452)
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Die ohnehin problematische Unterscheidung Dilettant und Spezialist scheint für die Charakterisierung Meusebachs unbrauchbar zu sein. Dass sich Meusebach in gewissem Maß selbst als Literat verstand, widerspricht nicht seinem Spezialistentum. Er war noch dem 18. Jahrhundert, der vorromantischen, der empfindsamen Literatur verbunden, schrieb als junger Mann Gedichte, bewunderte Wieland und Gleim, eiferte in Humor und Stil seinem Jugendhelden Jean Paul nach. Gegen vorherige wissenschaftsgeschichtliche Forschung 5 stellt Lückoff fest: »Wenn Meusebach den Eindruck hatte, andere belächelten ihn oder blickten auf ihn abschätzig herab als einen bloßen Liebhaber und Amateur der Literatur und Philologie, konnte er äußerst empfindlich, aufgebracht, ja grob reagieren« (S. 477).

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Anders als etwa die Brüder Grimm – zumal als Berufsjurist – trat Meusebach nicht mit regelmäßigen wissenschaftlichen Aufsätzen und Monographien hervor, sein wissenschaftliches Talent konzentrierte sich auf die Sammlung deutscher Literatur des 16. bis 18. Jahrhunderts, er unterstützte Nachwuchswissenschaftler, indem er sie seine Bibliothek nutzen ließ und mit Material versorgte, sie in seinen Freundeskreis herausragender Philologen einführte und seinen Einfluss für ihre Karriere einsetzte. 1823 wurde Hoffmann von Fallersleben von Meusebach dabei unterstützt, eine Bibliothekarstelle zu erhalten:

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Hoffmann reicht sofort ein Bittgesuch um die Custodenstelle in Breslau ein, ein Gesuch, das er am 14. Januar 1823 wiederholt. Bei dieser wie bei weiteren Gelegenheiten hat Meusebach seine alten Beziehungen zum Wohle seines neuen Schützlings diskret spielen lassen. (S. 339)
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Meusebach als Mittelpunkt eines Beziehungsgeflechts der frühen Germanistik bietet für die gegenwärtige netzwerktheoretisch orientierte Literaturwissenschaft einen Anknüpfungspunkt, zumal aktuelle Pilotstudien bisher die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fokussieren oder an der theoretischen Fundierung des Konzepts arbeiten. 6 Es wäre zum Beispiel zu überlegen, ob Meusebach im philologischen Netzwerk in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – in netzwerktheoretischer Terminologie – die Position eines broker, eines Mittlers zwischen anderen Akteuren, besetzte und, wenn ja, ob und wie er damit »Informations- und Kontrollvorteile« 7 innerhalb des Netzwerks gewinnen konnte. Andere wichtige Akteure waren immerhin eng mit ihm verbunden: Lachmann, Grimm, Hoffmann, Haupt.

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Nach seinem Tod schilderte Meusebachs Frau Ernestine die Arbeitsweise ihres Mannes, der oft die halbe Nacht in seiner Bibliothek arbeitete, Bücher ordnete, las und exzerpierte. Am Ende seines Lebens verstärkte sich laut Ernestines Beschreibung Meusebachs Hang, sich zwar wie kein Zweiter in Themen einzuarbeiten, dabei aber die Ergebnisse nur schwerlich in Publikationen umzuformen.

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Noch immer saß er die Nächte bis 2-3 Uhr auf trug sich Abends alles zusammen zu seinen Arbeiten, ohne daß bedeutendes gefördert wurde, und oft warf er die Feder ungeduldig weg mit dem Ausruf »ich kann auch gar nicht mehr schreiben.« Dabei stellte sich die schon von der frühesten Jugend an wundersame Zusammenstellung seiner Natur immer greller hervor. (S. 556)
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Der Germanist Friedrich Zarncke, der die Bibliothek katalogisierte, konnte nachweisen, »daß er [Meusebach] mehr als 20,000 Bände nicht bloß durchgelesen, sondern auf’s mühsamste, oft mehrmals zu verschiedenen Zwecken, Seite für Seite durch ausgezogen hat […]«(S. 578). Meusebach gehörte im 19. Jahrhundert zu den besten Kennern der neueren deutschen Literatur.

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Charakteristisch für Meusebachs Arbeitsweise und seine Stellung im damaligen Wissenschaftssystem ist die sogenannte Grimmelshausen-Affäre, die Lückoff in seinem Buch aber nicht erwähnt – an diesem Beispiel zeigt sich eine inhaltliche Lücke des Werks, die dem frühen Tod des Autors geschuldet ist. 2010 hat Andreas Bässler ebenjene Zusammenhänge aus Meusebachs Perpektive aufgearbeitet. Bis 1837/38 war der wahre Verfasser des Simplicissimus unbekannt, der Roman wurde in der Ausgabe von 1836 noch unter dem Verfassernamen Samuel Greifenson von Hirschfeld geführt. Hermann Kurz, dessen Publizität sich in dieser Sache auf die südwestdeutsche Provinz beschränkte, und Julius Ludwig Klee argumentierten 1837 für Christoffel von Grimmelshausen, Theodor Echtermeyer dann in einem weiteren Beitrag aus dem März 1838.

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Meusebach berichtete in einem Brief an den hessischen Innenminister Ludwig Hassenpflug vom 8. April 1837, dass er schon vor 14 Jahren Grimmelshausen als Verfasser ermittelt habe. 8 Durch mühsames Studium der barocken Originale – für die Zeit schon eine genuine Forschungsleistung – fand er heraus, dass die simplicianischen Schriften unter den verschiedenen Verfassernamen Samuel Greifnson vom Hirschfelt, German Schleifheim von Sulsfort, Melchior Sternfels von Fugshaim, Michael Regulin von Sehmsstorff, Simon Leugfrisch vom Hartenfels, Erich Stainfels vom Grufensholm, Israel Fromschmit von Hugenfels allesamt anagrammatisch auf den Namen Christoffel von Grimmelshausen zurückführbar sind. Bässler argumentiert dafür, dass Meusebachs Aussage, er habe schon seit 1822/23 an der Dechiffrierung des Simplicius-Verfasser gearbeitet, korrekt ist und also Meusebach als Entdecker des Verfassers gelten muss.

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Eine Affäre wurde die Entschlüsselung des Verfassernamens deswegen, weil Meusebach in Klees und Echtermeyers Publikationen ein Plagiat seiner eigenen Entdeckung sah. Tatsächlich ist Echtermeyers Auflösung mit derjenigen Meusebachs identisch. Bässler ermittelt als Verbindungsglied zwischen Meusebach, Echtermeyer und Klee keinen anderen als Moriz Haupt, der mit Meusebach und Klee eng befreundet war und in Echtermeyers Zeitschrift veröffentlichte. Ob Haupt tatsächlich Meusebachs Entdeckung verbreitet hat, ist nicht bis in die Details rekonstruiert worden. Als eine andere Verbindung zwischen Meusebach und Klee vermutet Bässler die Brüder Grimm, weil Klee als Exzerptor für das Grimm’sche Wörterbuch tätig gewesen sei. 9

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Die Beziehung zwischen den Grimms und Klee stellt sich aber etwas anders dar als Bässler vermutet. Klee hätte zwar gerne den Simplicissimus für das Wörterbuch exzerpiert, 10 kam aber wegen seiner umfangreichen Goethe-Exzerption doch nicht dazu. Jacob Grimm und Klee sahen sich erstmals im Sommer 1838 in Leipzig, der Briefwechsel zwischen Klee und Grimm beschränkt sich auf einige wenige Briefe ab 1852. 11 Da Klee schon 1837 über Grimmelshausen publizierte, scheiden die Brüder Grimm höchstwahrscheinlich als Mittelsmänner aus – vor 1838 und danach wurde der überdies nur sehr sporadische Kontakt zwischen Klee und den Brüdern Grimm vor allem indirekt über die anderen Leipziger (Reimer, Hirzel, Haupt) vermittelt. Moriz Haupt – und nicht die Brüder Grimm – hat als Kommunikationskanal zwischen Meusebach und Klee fungiert.

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Mehrere studierte Philologen – mit Klee gar ein habilitierter – arbeiteten intensiv an der Grimmelshausen-Frage oder – so die schärfere Lesart – übernahmen ungekennzeichnet die Entdeckung von Meusebach. Als hauptberuflicher Jurist war Meusebach karrieremäßig nicht auf die Teilnahme im Publikationswettlauf der sich etablierenden deutschen Philologie angewiesen. Trotzdem tritt er in der Grimmelshausen-Affäre gerade nicht als bloßer Dilettant auf, sondern als herausragender Experte, der unter der nicht erfolgten Publikation seiner Entdeckung zu leiden hatte.

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Ein Forschungsdesiderat bleiben Meusebachs Fischart-Studien, die in Lückoffs Buch zwar immer wieder genannt, aber nicht eingehend behandelt werden. Wie auch zu Grimmelshausen fehlt ein eigenes Kapitel zu Fischart, dessen Werk und Meusebachs Fischart-Studien. Ausführlicher kommt der andere Lieblingsautor Jean Paul zur Sprache, vor allem in den Kapiteln zum jungen Meusebach.

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Meusebach und seine Bibliothek

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Möchte man Meusebachs Position innerhalb der frühen deutschen Philologie und die Wichtigkeit seiner Bibliothek für seine Zeitgenossen näher bestimmen, lohnt sich ein Blick auf die Kooperation mit Karl Lachmann, dessen Lessing-Ausgabe von 1838-1840 richtungsweisend für das neugermanistische Editionswesen war. »Als Lachmann seine große Ausgabe der Werke Lessings veranstaltete, konnte er sich auf die fast vollständigen Bestände von Erstausgaben in Meusebachs Lessing-Sammlung stützen« (S. 481 f.).

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Zarncke, dessen Bericht über die Bibliothek im Anhang S. 576-584 abgedruckt ist, sah einen »Hauptvorzug derselben« darin, dass sie

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nicht das Werk eines sammelnden Liebhabers ist, sondern daß sie mit wissenschaftlichem Sinne zu wissenschaftlichem Zwecke, aus dem Bedürfniß, Zeugniß zu haben von dem geistigen und sittlichen Leben der deutschen Nation, sich entwickelt hat, man möchte sagen, sich von innen nach außen auferbaut hat. (S. 578)
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Meusebach selbst – bis heute wird er oft Bibliophiler genannt – grenzte sich vom geringen Anspruch eines dilettierenden Büchersammlers ab, der wahllos antiquarisches Zeug anhäufte. Zum Geburtstag 1823 schickte ihm Hoffmann von Fallersleben eine Kiste alter Bücher, worauf er äußert empfindlich reagierte:

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Ich lasse mirs ja gefallen, daß Sie Sich ein Kenner dünken u. mich für einen Liebhaber ansehen; aber übernehmen Sie Sich doch gefällig in Ihrem hohen Muthe nicht gar zu sehr! Sie wissen ja, daß geübte Samler, auch wenn sie selbst um den Inhalt der Bücher sich nicht bekümmern, nach u. nach doch ein sehr feines Ausgefühl gewinnen für wirklich Gesuchtes u. Gutes; warum wollen Sie nun mir, von dem Sie doch wissen, daß ich wenn auch nur mit Liebhaberaugen doch auch zuweilen ins Inwendige hineinsehe, allen Takt im Sammeln absprechen? (S. 477)
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Dass Meusebach »auch zuweilen ins Inwendige« der Bücher schaute, ist eine deutliche Untertreibung. Schon Zarncke, wie oben zitiert, kam zu dem Ergebnis, dass Meusebach einen Großteil seiner Bibliothek nach verschiedenen Fragestellung exzerpierte und auswertete.

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Meusebach betrachtete seine systematische Sammlung der neuhochdeutschen Literatur nicht nur als ein persönliches, sondern als ein Einzelinteressen übersteigendes, gleichsam nationales Projekt:

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Nicht hauptsächlich für mich sammle ich die alten Dichter, sondern für die Nachwelt, daß sie erhalten werden, daß sie nicht untergehen, daß noch nach Jahrhunderten ein Mann so viele Freude dran hat wie ich jetzt, aber nur nicht so viele Mühe, sie zusammen zu suchen, wie ich jetzt, (S. 329)
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schrieb er 1821 an Clemens August Schlüter. Diese Spannung zwischen persönlichem Sachinteresse und einer Sammlung nationalen Ausmaßes, als die sie auch von Zeitgenossen apostrophiert wurde, wird von Lückoff nicht näher untersucht. Auch wäre zu fragen, wie weit das Konzept des Nachlassbewusstseins bei der Interpretation von Meusebachs Sammelleidenschaft tragen würde. Vergleichbar ist übrigens die Privatbibliothek Joseph von Laßbergs.

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Meusebachs Bibliothek wurde postum vom preußischen Staat aufgekauft und gehörte zu den wichtigsten Erwerbungen der Königlichen Bibliothek, der heutigen Berliner Staatsbibliothek. Zarncke gibt folgenden Überblick:

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I. Es ist [Meusebach] in einem gewiß seltenen Umfange gelungen, in den häufigsten Fällen der princeps [also der Erstausgabe] der Ausgabenreihe theilhaft zu werden, und zwar in vielen Fällen des 17. und 18. Jahrhunderts den Literatoren noch völlig unbekannte Ausgaben als principes aufzuweisen. […] II. Die Vollständigkeit der Ausgabenreihen ist oft überraschend, in nicht wenigen Fällen unbedingt erreicht. […] III. Ein ganz vorzüglicher Werth liegt endlich in der Menge der kleinen, minder beachteten Schriften, die man das Füllsel der Literatur nennen möchte. (S. 583)
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Eine jüngere und kürzere Beschreibung der Bibliothek, die sicher auch auf Zarnckes Text zurückgreift, findet sich im Fabian-Handbuch, dem Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. 12

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Angesichts dessen, dass die Bibliothek heute als Meusebachs Hauptvermächtnis gilt, gibt Lückoff ihrer Erforschung verhältnismäßig wenig Raum, sondern er verlässt sich auf Beschreibungen aus erster Hand wie diejenige von Zarncke. Auch bei diesem zentralen Thema bleibt das Buch also leider lückenhaft. Es wäre interessant zu wissen, welche Wissenschaftler insgesamt über die Jahre Meusebachs Bibliothek besucht und benutzt haben, in welchen Forschungsbeiträgen Texte aus der Bibliothek veröffentlicht wurden. Die Erforschung von Meusebachs eigenen Arbeiten mit und in seiner Büchersammlung wäre aus der Perspektive historischer Arbeitsweisen von großem Interesse. Seine Lektüreverfahren, seine Annotations- und Exzerpiertechnik, seine Kenntnis älterer deutscher Sprachstufen werden in Lückoffs Buch nicht näher untersucht.

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»MEUSEBACH, einer der liebenswürdigsten und sonderbarsten menschen, die es geben kann« (Jacob Grimm)

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Ohne Meusebachs Sinn für das Seltene, Abwegige und Kleine wären viele literarische Drucke bis heute sicher nicht überliefert worden. Aber auch alltägliche Druckerzeugnisse wie Zeitungen gehörten, neben den vielen und oftmals seltenen Büchern, zu seiner Sammlung. Ein junger Besucher, Rudolf Baier, damals noch Student, berichtet 1842 aus dem Hause Meusebach:

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Nach dem Kaffee wurden ein paar große Folianten vorgenommen, die im Zimmer auf dem Klavier ihren Platz hatten. Es waren zwei Bände, Papptafeln umfassend, die mit Ausschnitten aus Zeitungen beklebt waren. Meusebachs Humor und sein Sinn für das Seltsame, Verschrobene, Burleske, Kapriziöse, Lächerliche, ja Unsinnige hatte seit lange Gefallen daran gefunden, öffentliche Ankündigungen und Mitteilungen zu sammeln, die durch ihren Inhalt oder ihre Fassung in der angegebenen Richtung wirkten […]. (S. 536)
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Baier schildert Meusebachs Klebekunst, die titelgebend für Lückoffs Buch geworden ist. Bekannt sind auch Meusebachs protodadaistische Klebebriefe, Briefe, in denen Teile des Textes aus Zeitungsausschnitten bestehen, mit denen er unter anderem die Kinder der Familie Grimm zu Weihnachten erfreute.

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Mit den Grimms pflegte die Familie Meusebach ein enges Freundschaftsverhältnis. Jacob Grimm widmete Meusebach 1828 das Buch über Deutsche Rechtsaltertümer, Meusebach erhielt von den Brüdern Grimm wertvolle Bücher und Handschriften als Geschenke, etwa eine spätmittelalterliche Neidhart-Handschrift, und Jacob Grimm setzte Meusebach in seiner Vorrede zum Deutschen Wörterbuch ein kleines Denkmal (hieraus auch Grimms Zitat in der obigen Abschnittsüberschrift; von Lückoff S. 560 zitiert). Meusebach hingegen rezensierte humoristisch Grimms Deutsche Grammatik.

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Meusebach als Jurist

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Der junge Karl von Meusebach – so sein Rufname – studierte zwar die Rechte, hatte aber ständigen Kontakt zu bekannten Philologen seiner Zeit, in der Universität und privat. So wohnte er als Gymnasiast des Domgymnasiums Merseburg vier Jahre lang bei dem Konrektor und klassischen Philologen Johann Augustin Wagner, der mit Übersetzungen und Ausgaben klassischer und mittelalterlicher lateinischer Texte hervortrat. 13 In Göttingen war einer von Meusebachs Lehrern der berühmte Jurist Gustav Hugo, 14 daneben hörte er aber auch bei dem Orientalisten Eichhorn, dem klassischen Philologen und Orientalisten Heyne und anderen Professoren der philosophischen Fakultät.

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Christian Gottlob Heyne stand nicht nur mit Lessing, Herder und Winckelmann in Kontakt, er bildete auch eine Reihe nachher bedeutender Philologen aus, etwa Georg Friedrich Benecke. In Leipzig setzte sich dieser illustre Umgang fort, wo Meusebachs Vermieter Gottfried Hermann war, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der wichtigsten klassischen Philologen Deutschlands wurde.

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Meusebach war im – wenn man so sagen kann – römisch-deutschen Recht ausgebildet, eignete sich in der Franzosenzeit aber auch das neue französische auf der Grundlage des Code Napoléon an und galt auf dem Gebiet als seltener Experte (S. 126). Im hessischen Dillenburg, der Heimat seiner Frau, wirkte er als Staatsanwalt, um dann in Koblenz einen steilen Karriereschritt zu machen und nun in preußischen Diensten Präsident des dortigen Revisionshofes zu werden, der mit dem Status des heutigen Bundesgerichtshofs – damals aber nur zuständig für die rheinischen preußischen Gebiete mit französischem Recht – verglichen werden kann.

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In Berlin war er dann Richter am Rheinischen Revisions- und Kassationshof, der Nachfolgeinstitution des 1819 aufgelösten Koblenzer Gerichts. Savigny war dort sein Kollege. Die Stelle in Berlin bedeutete für Meusebach einen Karriereknick, denn er erhielt dort keinen vergleichbar hohen Posten wie in Koblenz. 15 Das lag wahrscheinlich daran, dass er die sogenannte Koblenzer Adresse unterschrieb, eine von Joseph Görres initiierte Petition an den preußischen König, die sich gegen die preußische Reaktion und für die Einführung einer Verfassung aussprach. Details zu diesem Vorgang sind noch unklar und wurden von Lückoff nicht weiter erforscht.

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Der berühmteste Fall, den Meusebach zu bearbeiten hatte, war der Mordprozess gegen den Kölner Kaufmann Peter Anton Fonk, »der erste moderne deutsche Sensationsprozeß« (S. 339). Meusebach hatte als letztinstanzlicher Richter über das im Rheinland gefällte Todesurteil zu entscheiden und bestätigte es nach langer Bearbeitung der Akten. Heute wird sein Urteil als Fehler angesehen.

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Generell galt Meusebach als guter und gewissenhafter Jurist, der sich in alle Details seiner Fälle einarbeitete. Lückoff erkennt in Meusebachs literaturkritischer Behandlung von Bettinas Goethe-Buch juristische Methodik wieder: »Meusebach ging mit äußerster Akkuratesse ans Werk, er behandelte das Buch wie einen Fall vor Gericht, den es in allen Aspekten zu bedenken gilt« (S. 443). Und weiter schreibt Lückoff:

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Er lobt und verteidigt das in seinen Augen höchst Schätzenswerte des Buches, manchmal gar gegen dessen Autorin selbst. Er hält ein ausgewogenes Plädoyer. Und nach 48 Spalten skrupulösen Abwägens fällt der hohe preußische Richter am letzten Appellationsgericht für die im fernen Rheinlande oder der näheren und weiteren Umgebung begangenen kapitalen Verbrechen, zu Berlin, und in seiner Eigenschaft als Rezensent das genaue Gegenteil eines Todesurteils:
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Das Buch wird der Unsterblichkeit schwer zu entziehen seyn. (S. 447, letzter Satz ein Zitat Meusebachs)
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Die kriminalistisch-literarische Analogie erstreckt sich sogar auf die Wahl des Büromaterials. Meusebach schrieb die geheim gehaltene und anonyme Rezension auf Papier im Format seiner Kriminalakten, damit Besucher beim Anblick seines Schreibtisches keinen Verdacht schöpfen konnten.

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Nicht nur, dass die Beziehung von juristischer und philologischer Methodik hätte eindringlicher aufgearbeitet werden können (man denke etwa an den Zusammenhang zwischen dem ursprünglich juristischen Begriff des Fakts und dem der philologischen Belegstelle), auch Meusebachs tatsächliche berufliche Tätigkeiten kommen in der Biographie kaum zur Sprache, obwohl Aktenmaterial dazu sicherlich vorhanden wäre.

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Dieses Desiderat könnte zum Beispiel von dezidiert rechtshistorisch orientierter Forschung aufgegriffen werden. Meusebachs Biographie bietet gutes Quellenmaterial für das Forschungsfeld Recht und Literatur. Während deutsche Dichterjuristen gut bekannt sind, gehört Meusebach gewissermaßen umgekehrt dem unbekannteren Typus des Juristenphilologen an. Vielleicht hat er Luthers vielzitierte Meinung geteilt: »Denn ein Jurist, der nicht mehr denn ein Jurist ist, ist ein arm Ding«. 16

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Ausblick

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In der zunächst positiven Rezeption von Napoleons Politik ähnelt Meusebach anderen Intellektuellen. In der napoleonischen Zeit, 1808, sticht sein Kosmopolitismus heraus: »Was heißt Vaterland? Die Erdscholle, auf welcher ich zufällig geboren worden?« (S. 134). Meusebach als Mittelpunkt freundschaftlicher Geselligkeit scharte dann in Koblenz bekannte Persönlichkeiten aus den Befreiungskriegen wie den General Gneisenau und den jüngeren Clausewitz um sich – auch diese Zeit ist anekdotenreich: Zu Gneisenaus Geburtstag lieh Meusebach einen Elefanten aus, »der mit einem Blumenstrauß im Rüssel den feierlichen Zug der Freunde zu Gneisenaus Haus anführte« (S. 273).

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Meusebachs Tagebücher – von ihm Weiße Bücher wegen der zunächst weißen Seiten genannt – sind ein Zeugnis seiner Lust an der Sprache, in denen man von Abendmondscheinspielen, Weidenwellenhöhlen oder der Morgenveilchenlese liest (S. 6); in seinen Traumaufzeichnungen entwickelte Meusebach eine facettenreiche Topik seiner Träume, die er mit quasi kriminalistischer Methode analysierte (S. 235). Biedermeierliches Zeitkolorit und Alltagsszenen werden in der Biographie immer wieder durch Erlebnisberichte von Augenzeugen vermittelt:

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Im Arbeitszimmer leistete er [August von Cohausen] dem verehrten Manne [Meusebach] oft Gesellschaft, der dann besonders gemütlich war, wenn er in seinem violetten Schlafrocke, die von ihm unzertrennliche Pfeife im Munde, da sass und seinen Kaffee schlürfte, zu dessen Mitgenuss er jeden Besucher einlud; er trank fast zu jeder Tageszeit Kaffee und hatte in seinem Zimmer stets ein Kohlenbecken, um dieses Lieblingsgetränk warm zu halten; im Zimmer flogen immer einige Turteltauben umher und legten sich in keiner Weise Zwang auf. (S. 418, aus einem früheren biographischen Text von Karl Schwartz)
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Man hört Bettina von Arnim im Frankfurter Dialekt reden: »Meusebach, Meusebach, bleib Sie hier, ich bin so hingerisse!« (S. 427), und Meusebach spricht den jugendlichen Herman Grimm in bester Berliner Schnauze an: »Du lebber Jott, Sie sind so schiefgewickelt als schiefgemault« (S. 550).

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Die Stärke von Lückoffs Buch liegt in der mit zahlreichen Originalquellen gestützten und dadurch sehr detaillierten Erforschung von Meusebachs Biographie. Besonders für die Kindheit und Jugend vor und um 1800 besitzt die Darstellung in ihrer Ausführlichkeit und Genauigkeit einen Seltenheitswert. In wissenschaftshistoriographischer Hinsicht gibt es – wie gesagt auch dem frühen Tod des Autors geschuldet – große Lücken: Meusebachs konkrete philologische Arbeiten, besonders zu Fischart, und die Erforschung seiner Bibliothek in arbeitspraktischer Hinsicht. Auch seine Tätigkeit als arrivierter preußischer Jurist bleibt ein Forschungsdesiderat. Für das Studium dieser übrig gebliebenen Themen bietet Lückoffs Werk aber den besten Ausgangspunkt.

Philip Kraut M. A.

Humboldt Universität zu Berlin

Institut für deutsche Literatur

Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel

Hegelplatz

DE – 10099 Berlin

kraut@grimmbriefwechsel.de

www.grimmbriefwechsel.de

 
 

Anmerkungen

Zitat im Titel meiner Rezension nach Bettina von Arnim: »sie [Meusebachs Bibliothek] enthält nicht nur einen Schatz den man nirgend wiederfindet, sondern sie hat auch durch ihre kenntnißvolle mit dem Scharfsinn einer besonders begeistigten Individualiät[!] geleiteten Sammlung und Anordnung, eine über alle Bibliophilenweisheit hinaus ragende geniale Eigenthümlichkeit gewonnen, was sie unschätzbar macht« (S. 573). – Berthold Friemel (Berlin) sei herzlich für die Diskussion einiger inhaltlicher Aspekte des Buches gedankt, die im vorliegenden Text besprochen werden.   zurück
Andreas Bässler: ImWettlauf um die Entschlüsselung. Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach auf den Spuren und in den Fußstapfen Grimmelshausens. In: Simpliciana 32 (2010), S. 435-456, hier S. 455. – Siehe auch Jürgen Schulz-Grobert: Meusebach, Karl Hartwig Gregor Freiherr von. In: Christoph König (Hg.), Birgit Wägenbaur u. a. (Bearb.): Internationales Germanistenlexikon 1800-1950. Bd. 2. Berlin, New York: de Gruyter 2003, S. 1208, und ebd. in der Einl., Bd. 1, S. XV: »Sammler wie Joseph Freiherr von Laßberg oder Hartwig Gregor von Meusebach üben in der Konstitutionsphase des Fachs wichtige Funktionen aus«.   zurück
Für weitere unbekannte Abbildungen aus US-amerikanischem Familienbesitz, die in Lückoffs Buch erstmals gedruckt werden, siehe den Abbildungsnachweis S. XVII-XX.   zurück
Andreas Bässler (wie Anm. 2, S. 440) spricht generell hinsichtlich Meusebachs Briefstil von »jederzeit anspielungsreicher Diktion«, die »Entschlüsselung und Verständnis für den Außenstehenden« ungemein erschwere. »In die vielerlei Allusionen auf Anekdoten aus dem engeren Freundes- und Familienkreis mischen sich literarische Anspielungen […]« (ebd.).   zurück
Zu einer bisherigen Beschreibung Meusebachs als Amateur siehe Andreas Bässler (wie Anm. 2, S. 455), der sich mit seiner Argumentation für Meusebach als Grimmelshausen-Forscher dezent gegen Kolk richtet: »Kolk nimmt ihn [Meusebach] exemplarisch für einen überholten Gelehrtentypus des sammelnden Liebhabers, der Erkenntnisse publizitätsscheu nur für sich oder im engsten Freundeskreis genoss und der dann in der Formierung der Germanistik als akademischer Disziplin um 1800 obsolet wurde«. (Bezogen auf: Rainer Kolk: Liebhaber, Gelehrte, Experten. Das Sozialsystem der Germanistik bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Jürgen Fohrmann / Wilhelm Voßkamp (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart: Metzler 1994, S. 48-114, bes. S. 60 f.) Bässler (a. a. O., S. 456) spricht anders als Kolk eher von einem »unerfüllt gebliebenen Gelehrtenleben[]«Meusebachs.   zurück
Siehe etwa die Schwerpunkte der Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge 29 (2019), Heft 1 und der Zeitschrift für deutsche Philologie 139 (2020), Heft 2.   zurück
Zu dem Konzept siehe Hannes Fischer: »Ohne den Parade Rok der Autorschaft«. Heinrich Christian Boie als Broker. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 139 (2020), Heft 2, S. 203-223, das angeführte Zitat S. 208.   zurück
Andreas Bässler (wie Anm. 2), S. 435 f. Zu korrigieren ist Bässlers mehrmalige Bezeichnung Hassenpflugs als preußischer Innenminister (recte hessischer).   zurück
Andreas Bässler (wie Anm. 2), S. 451.   zurück
10 
Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimmmit den Verlegern des »Deutschen Wörterbuchs« Karl Reimer und Salomon Hirzel. Hg. von Alan Kirkness, unter Mitarb. von Simon Gilmour (Kritische Ausgabe 5) Stuttgart: S. Hirzel 2007, S. 105, Nr. 48, Z. 17 f.   zurück
11 
Alan Kirkness: Geschichte des Deutschen Wörterbuchs. 1838-1863. Dokumente zu den Lexikographen Grimm. Mit einem Beitr. von Ludwig Denecke. Stuttgart: S. Hirzel 1980, S. 66 sowie Berthold Friemel, Stephan Bialas und Ingrid Pergande-Kaufmann gemeinsam mit Bettina Hartz, Leonore Martin und Claudia Priemer unter Mitw. von Ludwig Denecke, Uwe Meves und Ruth Reiher: Verzeichnis von Jacob und Wilhelm Grimms Briefwechsel. Version 4.0. Überarb. von Marcus Böhm, Berthold Friemel, Vinzenz Hoppe und Philip Kraut. Datenbankprogrammierung: Friedrich Ueberreiter. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin 2015, s. v. Klee, Julius Ludwig. URL: www.grimmnetz.de/bv/ (18.12.2020).   zurück
12 

Meusebachs Bibliothek »war zu seinen Lebzeiten Anziehungspunkt für namhafte Persönlichkeiten des kulturellen und geistigen Lebens, von denen sich besonders Bettina von Arnim nach seinem Tode für die geschlossene Erhaltung der Bibliothek und ihren Ankauf durch Friedrich Wilhelm IV. einsetzte. Ihr Gesamtbestand betrug 25.000 Werke in 36.000 [Bänden], gegliedert in zwei Hauptabteilungen und den wissenschaftlichen Apparat. Die erste Abteilung umfaßte deutsche Literatur vornehmlich des 16. bis 18. Jhs, der sich als besondere Gattungen Volkslieder, geistliche Lieder, Dramen, Satiren, Volksbücher, Sprichwortsammlungen u. a. anschlossen, eine selbständige Luthersammlung mit 3500 [Bänden] sowie Theologie und historische Flugschriften aus der Reformationszeit. Als Autoren waren neben Luther u. a. besonders Johann Fischart und Goethe vertreten. Zur zweiten Abteilung gehörten Werke der Sprach- und Sittengeschichte, auch Kosmographien, Chroniken, Sammlungen oder Einzelausgaben von Orts- und Landrechten, naturwissenschaftliche und mythologische Werke, als Anhang auch griechische, lateinische und neulateinische Klassiker. Der zur Bibliothek gehörige Apparat enthielt Meßkataloge, Kataloge von Auktionen, Antiquariaten und privaten Bibliotheken, biographische und bibliographische Nachschlagewerke, Lexika, Wörterbücher, Grammatiken und anderes. 1096 Autographe und 228 [Handschriften] gelangten in die Handschriftenabteilung. Die Druckschriften wurden in den Hauptbestand eingearbeitet. Allein die erhalten gebliebenen Liedsammlungen mit 2000 [Bänden] sowie die Einblattdrucke des 16. und 17. Jhs stellen einmalige literarische Denkmäler und Quellen dar«. In: Fabian-Handbuch, s. v. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK). URL: http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?SBB-PK_3 (18.12.2020).

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13 
Wagners Edition der Chronik Thietmars von Merseburg wurde erst durch Johann Martin Lappenberg ersetzt, über dessen MGH-Ausgabe im Grimm-Lappenberg-Briefwechsel diskutiert wird. Siehe das Register s. v. Wagner, Johann Augustin in: Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Johann Martin Lappenberg, Friedrich Lisch und Georg Waitz. Im Anschluss an Wilhelm Braun und Ludwig Denecke hg. von Berthold Friemel, Vinzenz Hoppe, Philip Kraut, Holger Ehrhardt und Roman Alexander Barton. (Kritische Ausgabe 8) Stuttgart: S. Hirzel 2021 (in Druckvorbereitung).   zurück
14 
Siehe zu Hugo vor allem den Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo. Hg. von Stephan Bialas. (Kritische Ausgabe 3) Stuttgart: S. Hirzel 2003.   zurück
15 
Zugleich führte er auch später noch den Koblenzer Präsidententitel; Chefpräsident an dem Berliner Gericht war aber Christoph Wilhelm Heinrich Sethe; insofern ist die wohl aus der ADB übernommene Angabe im Internationalen Germanistenlexion falsch, dass Meusebach »Präsident des rheinischen Revisionshofes in Berlin« war (Jürgen Schulz-Grobert [wie Anm. 2], S. 1208).   zurück
16 
Martin Luther: Tischreden 1531-46. Bd. 6: Tischreden aus verschiedenen Jahren. [Hg. von Ernst Kroker.] (WA TR 6) Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1921, S. 328, Nr. 7021. Luthers Sentenz ist auch zitiert in einem für die Germanistik nützlichen juristischen Überblicksartikel: Romy Klimke: Recht & Literatur – Ein Plädoyer für mehr Schöne Literatur im Jurastudium. In: Juristische Ausbildung Jg. 2016, S. 1125-1132, hier S. 1128.   zurück