Joachim Gruber

Albrecht Dürer und der Humanismus




  • Thomas Schauerte: Albrecht Dürer - Das große Glück. Kunst im Zeichen des geistigen Aufbruchs. Herausgegeben von Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück / Museums- und Kunstverein Osnabrück. Bramsche: Universitätsverlag rasch 2003. 230 S. 155 s/w Abb. Kartoniert. EUR 32,00.
    ISBN: 3-935326-91-2.


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Dürer im Norden

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Das Kulturgeschichtliche Museum der Stadt Osnabrück beherbergt als Dauerleihgabe eine bedeutende Sammlung von Dürergrafik des Osnabrücker Sammlers und Antiquars Dr. Konrad Liebmann. Aus Anlaß des 475. Todestages von Albrecht Dürer ist diese Sammlung in einer wichtigen Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Der renommierte Dürer-Forscher Thomas Schauerte konnte für die Realisierung gewonnen werden; er nutzte die Gelegenheit, das graphische Werk Dürers in einen weiten humanistischen Kontext zu stellen. Verstanden als Dokumente eines »geistigen Aufbruchs« wurden die Blätter der Sammlung durch zahlreiche Leihgaben besonders norddeutscher Museen ergänzt, sodaß ein beeindruckendes Kompendium von Zeugnissen des deutschen Humanismus am Anfang des 16. Jahrhunderts entstand. Daher darf sich die im Katalog dokumentierte Ausstellung nicht nur des Interesses der Kunsthistoriker, sondern aller mit der Erforschung des Humanismus Verbundenen sicher sein. Von daher mag es auch legitim sein, die vorliegende Arbeit aus der Sicht des Philologen zu würdigen. Selbstverständlich muß dabei eine Auswahl aus den 146 Objekten getroffen werden.

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Dürer als Humanist

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Die um die Grafik Dürers gruppierten Exponate sollen »Dürers vielfältige Beziehungen zur humanistischen Bewegung« (S. 11) dezidiert in den Mittelpunkt der Ausstellung rücken. Dieser humanistischen Bewegung nähert sich das Ausstellungskonzept in drei Schritten: »Tod, Ruhm und Nachruhm zur Zeit Dürers«, »Antikenrezeption, Archäologie und Numismatik: Humanistische Bildthemen« und »Kultur der Gelehrsamkeit«. Alle drei Themen erhellen das Wesen des Humanismus und der Kunst der Renaissance im Sinne Jacob Burckhardts: Selbsterkenntnis des Menschen als eines Individuums und Wiederentdeckung der Antike. Den zu Lebzeiten Dürers sich entfaltenden deutschen Humanismus sieht Schauerte als »den tragenden Boden für Dürers Sendungsbewußtsein, seine künstlerische Autonomie, sein Streben nach Ruhm und Nachruhm«, vor allem aber für seinen Erkenntnisdrang (S. 11). Die von Celtis und anderen immer wieder erhobene Forderung nach Pflege der Studia humaniora in Deutschland, aus der sich dann auch eine Überlegenheit gegenüber den Italienern ergeben wird, erfüllt Dürer durch seine Buchholzschnitte; selbstbewußt signiert er als Germanus oder Alemannus (S. 13). Unterschiedlich erforscht sind Dürers Beziehungen zu seinen humanistischen Zeitgenossen, besonders aber zu den Anfängen der Archäologie in Deutschland. Hier zeigen die Beiträge des Katalogs neue und spannende Aspekte auf.

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Longum vivus in aevum

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Die Sorge um den irdischen Nachruhm, aber auch das Bewußtsein vom Fortleben im eigenen Werk ist für antikes wie humanistisches Denken eine feste Größe. Während aber die zu Lebzeiten Dürers verstorbenen italienischen Künstler wie Mantegna oder Raffael durch entsprechende Grabdenkmäler verewigt wurden, erscheint das Grabmal Dürers auf dem Nürnberger Friedhof von St. Johannis als ein Familiengrab, das sich nicht von den benachbarten Bürgergräbern unterscheidet. Nichtpatrizische Herkunft und fehlende finanzielle Mittel dürften dafür der Grund gewesen sein. Aber wie seine humanistischen Zeitgenossen, allen voran Konrad Celtis, war auch Dürer, nicht zuletzt durch die Drucklegung seiner theoretischen Schriften (Beispiele Nr. 22 – 28), um sein und seines Werkes Fortleben besorgt. Der Katalog erschließt diesen bisher offensichtlich so noch nicht hinreichend gewürdigten Tatbestand in einem umfassenden Rundblick, ausgehend von den nach seinem Tod entstandenen Bildnissen Dürers – ein »letztgültiges« Selbstporträt Dürers gibt es nicht, aus welchen Gründen auch immer. Naheliegend verfolgt Schauerte sodann das Todesmotiv im Werk Dürers, so in dem Scheibenriß von 1502 (Nr. 7) für den hochgebildeten Humanisten Sixtus Tucher, in dem Kupferstich mit dem Wappen des Todes von 1503 und schließlich in dem Kupferstich Ritter, Tod und Teufel von 1513, von Dürer selbst Reuther genannt. 1

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In den Kontext des Nachruhms und der Beziehung Dürers zu zeitgenössischen Humanisten gehört die Vorzeichnung zum Fugger-Epitaph (1510) mit dem Thema Simson erschlägt die Philister (Nr. 10), bei dem sich auch die Frage (als Forschungsaufgabe) nach dem Verhältnis Dürers zum Augsburger Patriziat und Humanistenkreis um Peutinger stellt.

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Wie humanistischer Nachruhm ins Bild gesetzt wird, erfährt der Ausstellungsbesucher an einer Reihe von Darstellungen, die zunächst keinen direkten Bezug zu Dürer haben: an dem vielbesprochenen Sterbebild des Konrad Celtis, das der Augsburger Hans Burgkmair geschaffen hat (Nr. 11), 2 an dem Programmbild des allegorischen Reichsadlers (Nr. 12), das in der Tradition von Dürers Philosophie-Holzschnitt von 1502 (Nr. 102) steht, an der Darstellung einer Dichterkrönung und an den Insignien des Collegium poetarum et mathematicorum in Wien, dem Celtis vorstand (Hans Burgkmair, 1505). Dürers Titelholzschnitt zur zweiten Ausgabe der Werke der Hrotsvit von Gandersheim, 1501 bei Arthur Peypus in Nürnberg gedruckt, führt wiederum zu Celtis. Hatte dieser doch die Handschrift, auf der der Druck beruht, in St. Emmeram in Regensburg entdeckt. Im Titel ist der Humanist zu sehen, wie er Friedrich dem Weisen die Ausgabe überreicht. Und wenn auf einem zweiten Blatt, ebenfalls nach einem Entwurf Dürers, dargestellt wird, wie Hrotsvit ihr Werk Otto dem Großen übergibt, dann stehen die beiden Szenen in einem gleichsam typologischen Bezug: Wie sich, worauf Celtis in einem Begleitbrief an Friedrich hinweist, das Haus Wettin auf die Ottonen zurückführte und Friedrich der Weise somit zu einem neuen Otto dem Großen geworden ist, so kann der Humanist seine Leistung der Edition neben die der Dichterin stellen. In die von Schauerte hervorgehobene Panegyrik sind der Herrscher ebenso wie der selbstbewußte Humanist eingeschlossen, der die Bildmitte des Titels einnimmt und dessen Kniefall vor dem Herzog eher angedeutet als vollzogen erscheint. 3

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Geht man wohl nicht fehl, wenn man die Celtis-Darstellungen und Illustrationen seiner Werke nicht zuletzt als wohlüberlegte Selbstinszenierungen versteht, so bedurfte das Schaffen Dürers offensichtlich nicht dieses eigenen Bemühens. Als neuen Apelles (die Geschichte von der Verleumdung des Apelles ist im Katalog gut dokumentiert) rühmen ihn die Zeitgenossen. Mag das bei der Tafel des Hans Daucher von 1522 (Nr. 16) unsicher sein, so sind die literarischen Zeugnisse (Nr. 19–21) um so eindeutiger.

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In die Jahre zwischen 1512 und 1519 fallen zahlreiche Arbeiten und Projekte, die Dürer für Kaiser Maximilian und dessen »gedechtnus« durchführte. Der Katalog beginnt die Reihe mit dem Bildnis des Kaisers von 1519 (Nr. 33), das in vier Fassungen vorliegt. Während die Ehrenpforte (Nr. 35) zunächst eher eklektisch besprochen wird, 4 zeigen die folgenden Objekte motivische Zusammenhänge mit dem größten Holzschnitt der Kunstgeschichte (S. 62) sowie, dokumentiert durch das Wappen des Johannes Stabius (Nr. 36), die Zusammenarbeit der Dürer-Werkstatt mit dem Humanisten. Italienische Zeugnisse (Nr. 37, 38) führen hin zum Großen Triumphwagen, der auf einer Klapptafel opulent präsentiert wird (Nr. 39). Allerdings hätte man gerne, entsprechend der Zielsetzung der Ausstellung, gerade hier die Einordnung in den humanistischen Kontext etwas ausführlicher dargestellt gesehen. Nicht nur, daß der Text von Willibald Pirckheimer stammt, 5 auch die Parallelisierung von Sonne und Herrscher ist nicht nur eine Vorwegnahme der Ideologie Ludwigs XIV., sondern vor allem eine genuin antike Vorstellung, die schon bei Augustus einsetzt und besonders auch bei Konstantin ausgeprägt war. 6 Natürlich war sie den Humanisten geläufig. 7 Ergänzend treten motivisch verwandte Arbeiten von Georg Pencz, Hans Süß von Kulmbach, Hans Burgkmair und anderen hinzu.

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Ein letzter Abschnitt dieses Kapitels ist der Darstellung von Zeitgenossen gewidmet, vor allem den prächtigen Kupferstichen mit den Bildnissen Pirckheimers, Erasmus’ von Rotterdam, Philipp Melanchthons, Friedrichs des Weisen und (in qualitativem Abstand) Albrechts von Brandenburg. Die Porträts von Pirckheimer und noch mehr von Erasmus stellt Schauerte in den Kontext des humanistischen Nachruhms, der Auftraggeber und Künstler in gleicher Weise umfaßt. Die Unsterblichkeit des Geistes und des Werkes ist, wie auch in der Darstellung Philipp Melanchthons, der Grundtenor der beigefügten Tituli. Ingenium und opera entziehen sich zwar letztlich der bildlichen Darstellung, aber die Werke des bildenden Künstlers haben die gleiche Funktion der Sicherung des Nachruhms wie die des schreibenden Autors. 8

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Antiquitates

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Der zweite Teil der Ausstellung ist der Frage nach der Beziehung Dürers zu den Antikensammlungen seiner humanistischen Freunde gewidmet, ein Forschungsbereich, der offensichtlich noch kaum in Angriff genommen ist. 9 Während Dürers Kenntnis des bei Apianus und Amantius 1534 beschriebenen, 1502 am Magdalensberg gefundenen Jünglings (Nr. 58) unsicher ist, 10 zeigt Schauerte anhand des Kupferstichs Adam und Eva von 1504 (Nr. 60) konzentriert die vielfältigen möglichen antiken Einflüsse von der Proportion bis zur Symbolik auf. Eine Quelle dazu könnte in der Kenntnis Dürers von Peutingers Sammlungen liegen, und gerade die um 1500 aufgefundene und in den Besitz Peutingers gelangte Darstellung Merkurs auf einem Kalksteinrelief wirft die Frage nach dem Einfluß dieser Darstellung auf verwandte Motive Dürers (S. 120) auf, für dessen Beziehungen zu dem Augsburger Humanistenkreis auch die Ausführungen zu Nr. 91 wichtig sind. Dieser Fund führt mitten hinein in die Diskussion um Anfänge der archäologischen Interessen in Deutschland. Für die Inschriftenpublikation Peutingers Romanae vetustatis fragmenta (Nr. 67) konnte Schauerte leider nicht mehr die Untersuchung von Martin Ott berücksichtigen. 11 Ohne Zweifel erwartete Maximilian von Peutinger »die vermeintlich bruchlose Fortführung des antiken Imperium Romanum, die er in seinem kaiserlichen Amt verkörperte, literarisch und bildlich zu veranschaulichen« (S. 121), und Peutinger bewies, »die Stadt mit dem an Augustus erinnernden Namen war auch als antike Stadt beschreibbar«. 12 In der wesentlich umfangreicheren Inschriften-Sammlung von Apianus und Amantius von 1535 (Nr. 69) ist Dürers Einfluß noch im Titelholzschnitt des Hans Brosamer greifbar. Im Gegensatz zu Ott vermittelt Schauerte eine Vorstellung von dem typographischen und literarischen Reichtum der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis und ebenso von der durch Johann Schöffer veranstalteten zweiten Auflage (Mainz 1520). Pirckheimers antiquarisch-archäologische Interessen dokumentiert die der postumen Werkausgabe beigegebene Darstellung der Igeler Säuler (Nr. 74), des Grabmals der Secundini (nicht Secundarier!). Der Kupferstich führt »durch die um wissenschaftliche Korrektheit bemühte Schilderung Pirckheimers in Dürers nächste Umgebung«(S. 130).

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Den Kontext der Antikenrezeption Dürers und gleichzeitiger Italiener zeigen nicht nur die antikisierende Architektur des Tempelgangs Mariens von 1503 (Nr. 75), sondern auch die mehrfach dargestellten Gruppen antiker mythologischer Figuren (Nr. 77–80). Dabei führen die Akt- und Proportionsstudien Dürers (auch aus dem christlichen Themenkreis) wieder zu Celtis und seiner Würdigung des Malers zurück (S. 138), und das Motiv des Traums des Paris, von Albrecht Altdorfer 1511 in einem Holzschnitt gestaltet (Nr. 85), läßt Verbindungen zum Regensburger Humanistenkreis (Georg von Sinzenhofen, Joseph Grünpeck) wahrscheinlich werden. Immer wieder besticht die Darstellung Schauertes durch die Fülle der zusammengetragenen Details, die das Thema »Dürer und der Humanismus« stets neu variieren, so etwa in dem Hinweis auf Pirckheimers Übersetzung der Tabula Cebetis als Motivvorlage für das Kleine Glück (Nr. 89), in einer möglicherweise durch Celtis vermittelten Vergilstelle (S. 147 f. zu Nr. 92), in einer motivischen Beziehung zwischen dem von Celtis herausgegebenem Seneca-Drama Hercules furens und Dürers Herkules-Holzschnitt von 1496 / 98 (Nr. 96; vgl. Nr. 114 die Deutung der Eisenradierung Der Verzweifelnde).

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In dem berühmten Kupferstich Nemesis von 1501 / 02 (Nr. 98) sieht Schauerte ein »frühes Zeugnis für seine (sc. Dürers) Auseinandersetzung mit drei wesentlichen Konstanten humanistischer Bilderfindung: der Kenntnis der zeitgenössischen und klassischen Dichtung, der Vertrautheit mit antiken Bildmotiven und dem Bemühen um naturwissenschaftliche Exaktheit in der Menschen- und Landschaftsdarstellung« (S. 154). So wird denn der Katalogleser über die Melencolia I von 1514, verstanden als »Denkbild«, das, wie die Ehrenpforte, zumindest teilweise dem Betrachter die Deutung des Bildes überläßt (S. 158), in einer glücklichen Form der Anordnung wieder zurückgeführt zu den Holzschnitten der Amores-Ausgabe von 1502. 13 Er umkreist gleichsam, mit einem Seitenblick auf den Florentiner Neuplatonismus (Nr. 100; auch der Sol iustitiae, Nr. 104, ist in diesem Zusammenhang bedeutsam), die besonders fruchtbaren »humanistischen« Jahre Dürers am Anfang des 16. Jahrhunderts. Komprimiert und informativ sind die Deutungen des Philosophia-Holzschnitts vorgetragen (Nr. 102). Wichtig ist dabei der Aspekt, daß durch die Anordnung des Dürer-Monogramms als Abschluß der Artes die Rolle der bildenden Kunst unmißverständlich deutlich gemacht wird (S. 161; vgl. Nr. 103 mit dem Urteil Melanchthons).

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Ergänzt wird diese Reihe durch einige Objekte italienischer oder antiker Herkunft, die das für Dürer wie für Pirckheimer so wichtige Thema »Hieroglyphik« in einen größeren Zusammenhang stellen (Nr. 106–111). Den Schluß dieses Kapitels bilden die Erörterungen weiterer antiker Bildthemen verschiedenen Inhalts, wobei die Diskussion um den sogenannten Frauenraub (Nr. 116) vor dem Hintergrund der Auffindung des Laokoon und der als Herkules am Scheideweg benannten mythologischen Szene (Nr. 117) weiterhin offen ist.

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Hieronymus – Erasmus

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»Kultur der Gelehrsamkeit« ist der dritte und kürzeste Abschnitt überschrieben. Er umkreist jene beiden Darstellungen, die Schauerte als Idealbilder des Gelehrten zur Zeit Dürers versteht. Nicht nur die Beziehung zum größten Humanisten der Zeit ist für die vorliegende Gesamtthematik von zentraler Bedeutung, sondern auch die zum Reuchlin-Kreis, die sich aus dem Titelblatt zum Epistolare beati Hieronymi (Nr. 120) erschließen läßt; 1492 tritt Dürer in Basel in dieses humanistische Umfeld ein. In der Einführung zu diesem Abschnitt zeigt Schauerte klar den Unterschied zwischen dem lateinischen Humanistenbrief mit »Ergebenheitsadressen, klugen Gedanken und Lesefrüchten für die Nachwelt« und jenen muttersprachlichen Mitteilungen »profaner Begebenheiten« (S. 183 f.), aus dem heraus die Tatsache erklärbar wird, warum Dürer an »der Kultur humanistischer Gelehrsamkeit« (S. 184) nicht als Epistolograph teilnahm, aber gleichwohl durch den Erwerb einer Bibliothek und durch seine Buchproduktion.

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Von dem Titelblatt von 1492 an wiederholen sich die Hieronymus-Darstellungen über Hieronymus in der Wüste (um 1497), Hieronymus in der Felsengrotte und Hieronymus beim Weidenbaum (beide1512) bis hin zum berühmten Hieronymus im Gehäuse von 1514 (Nr. 121). Ihre vergleichende Zusammenstellung erschließt eingängig Dürers Umgang mit diesem Thema, und Altdorfers gleichzeitige Darstellung (Nr. 125) führt wieder zu dem Regensburger Humanistenkreis (vgl. Nr. 85), während die bislang Hans Schäufelein zugeschriebene Darstellung des Albrecht von Eyb, Autorenbild seines 1511 in Augsburg gedruckten Spiegel der Sitten (Nr. 127), jetzt in die Nähe von Hans Burgkmair gerückt wird (S. 197). Rätselhaft bleibt weiterhin der sogenannte Traum des Doktors (Nr. 129). Dokumente zu Dürers mathematisch-geometrischen Proportionsstudien, insbesondere zu den lateinischen Übersetzungen der Dürer-Schriften durch Joachim Camerarius, runden diesen Aspekt der humanistischen Thematik ab. Den Beschluß bilden Belege für das zusammen mit Benedictus Chelidonius Musophilus gestaltete große Buchunternehmen des Marienlebens und andere Editionen aus dem Dürer-Umkreis.

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So präsentiert sich dieser Katalog als eine Dokumentation humanistischer Beziehungen um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, die noch vielfach in ihren Einzelheiten unerforscht sind. In dem energischen Anstoß, den Thomas Schauerte diesem Aspekt der Frühen Neuzeit vermittelt, in der kenntnisreichen Verknüpfung von Kunst- und Literaturwissenschaft, die beide Disziplinen befruchtet, und nicht zuletzt in der Fülle der mitgeteilten Details liegt der besondere Wert dieses Buches.


Prof. Dr. Joachim Gruber
Haselhofstraße 37
DE - 91058 Erlangen

Ins Netz gestellt am 09.12.2004

IASLonline ISSN 1612-0442

Diese Rezension wurde betreut von unserem Fachreferenten Prof. Dr. Gernot Michael Müller. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Julia Ebeling.

Empfohlene Zitierweise:

Joachim Gruber: Albrecht Dürer und der Humanismus. (Rezension über: Thomas Schauerte: Albrecht Dürer - Das große Glück. Kunst im Zeichen des geistigen Aufbruchs. Herausgegeben von Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück / Museums- und Kunstverein Osnabrück. Bramsche: Universitätsverlag rasch 2003.)
In: IASLonline [09.12.2004]
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Datum des Zugriffs:

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Anmerkungen

Schauerte greift nicht die verbreitete Deutung des Reuthers als eques Christianus auf, sondern erinnert an den Kriegertyp des berittenen Söldners. »Mit dessen gefürchteter Brutalität und Beutegier erführe der Protagonist des Kupferstiches dann allerdings eine deutliche Wendung ins Negative.« (S. 33) Von daher wäre dann nicht der öfters genannte thematische Bezug zu Erasmus’ Enchiridion militis Christiani gegeben, sondern zur humanistischen Kritik am Raubrittertum der Zeit, wie sie etwa Celtis schon 1492 in seiner Ingolstädter Rede artikuliert hat: Exuite, generosi viri, exuite et purgate latrocinia (vgl. die Erläuterungen zu Conradi Celtis Protucii: Paenegyris ad duces Bavariae. Wiesbaden 2003, S. 99 f.).   zurück
Das Autorenbild des Bernardino Corio von 1503 (Nr. 128) nimmt manche der Bildtraditionen vorweg (S. 199).   zurück
So illustriert der Holzschnitt auch trefflich die von Schauerte einleitend (S. 11 f.) dargestellte neue soziale Stellung des Humanisten.   zurück
Thomas Schauerte hat ihr eine eigene Monographie gewidmet: Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers. München, Berlin 2001.   zurück
Erst S. 81 zu Nr. 41 erwähnt.   zurück
Vgl. z.B. Frank Kolb: Herrscherideologie in der Spätantike. Berlin 2001, S. 63 ff. u.ö.   zurück
Epist. 25 spricht Celtis Maximilian als Apoll an, der bekanntlich mit Phoebus = Sol gleichgesetzt wurde.   zurück
Unter diesem Aspekt wäre erneut zu diskutieren, ob der Satz im Titulus Melanchthons mentem non potuit pingere docta manus wirklich »befremdlich« anmutet, wie Schauerte S. 93 anmerkt.   zurück
Wie drängend die Frage ist, zeigt der Umstand, daß in einer der jüngsten Publikationen zum Thema der Antikenrezeption (Martin Ott: Die Entdeckung des Altertums. Der Umgang mit der römischen Vergangenheit Süddeutschlands im 16. Jahrhundert. Kallmünz 2002) Dürer überhaupt nicht erwähnt wird.   zurück
10 
Ebenso wie die des Raymund Fugger (vgl. Nr. 71), die Beatus Rhenanus bewunderte.   zurück
11 
Siehe Martin Ott (Anm. 9). Eine Besprechung dieser wichtigen Untersuchung erscheint in Gymnasium 2005; vgl meine vorläufige Publikation unter URL: http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~gruber/ott.pdf.   zurück
12 
Martin Ott (Anm. 9), S. 169.   zurück
13 
Vgl. die Besprechung des Schweinfurter Ausstellungskatalogs in IASLonline unter URL: http://www.iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/gruber.html (07.05.2002).   zurück