Graeme Dunphy

Martin von Opava bei den Briten




  • Wolfgang-Valentin Ikas: Martin von Troppau (Martinus Polonus), O.P. (gest. 1278) in England. Überlieferungs- und wirkungsgeschichtliche Studien zu dessen Papst- und Kaiserchronik. (Wissensliteratur im Mittelalter 40) Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert 2002. 448 S. 5 s/w, 4 farb. Abb. Leinen. EUR 58,00.
    ISBN: 3-89500-313-1.


[1] 

Sofern man das überblicken kann, hat Martinus Oppaviensis England nie besucht. Der Wirkungsbereich des Dominikaners bewegt sich auf einer Achse von seinem mährischen Geburtsort Opava (verdeutscht auch: »Troppau«) nördlich nach Prag und Polen, dann südlich nach Rom und Bologna, wie seine vielfältigen Namensbezeichnungen belegen: Ob er am korrektesten als Martinus Polonus, Martin z Opavy oder Martin von Troppau anzusprechen ist, ist wohl eine Frage der politischen Korrektheit, Martin von England war er jedoch noch nie. Doch sein Chronicon pontificum et imperatorum wurde jenseits des Ärmelkanals sehr früh rezipiert und übte einen beachtlichen Einfluss auf die dort beheimatete Chronistik aus.

[2] 

Seine Präsenz auf den Inseln ist jedoch häufig unterschätzt worden. Während die Überlieferung von Martins Chronik im allgemeinen etwa von Anna-Dorothee von den Brincken 1 tiefgreifend erforscht worden ist, hat die mangelnde Aufmerksamkeit seitens der englischsprachigen Forschung (als Ausnahmen sind William Matthews und Peter Lucas hervorzuheben) eine Lücke gelassen: Die Wirkungsgeschichte dieser Chronik in England und Schottland ist kaum aufgearbeitet worden. Dabei ist ihr Einfluss auf die spätere englische Chronistik (etwa Trevet, Capgrave, Higden) wohl bekannt.

[3] 

In dieser Würzburger Dissertation, der eine Reihe von kleineren Veröffentlichungen vorausgegangen ist, will Wolfgang-Valentin Ikas diese Lücke schließen. Ikas’ Buch ist in vier Teile gegliedert, wobei die kurze Einleitung (sieben Seiten) und die Zusammenfassung (vier) als »Teile« gelten: Also, effektiv eine Zweiteilung der eigentlichen Untersuchung in Teil II, »Handschriftenanalyse der überlieferten Textzeugen« (S. 7–149) und Teil III, »Inhaltliche Analyse und Wirkungsgeschichte« (S. 151–330). Teil II zielt darauf hin, die Überlieferung zu dokumentieren und zu ordnen, Teil III möchte die Programme der Bearbeiter zu eruieren, sowohl der Schreiber der neuen Fassungen der Martinschronik als auch der Autoren unabhängiger Werke, die aus ihr schöpfen.

[4] 

Die Handschriften

[5] 

Ziel der ersten Hälfte des Buches ist es also, erstmals die britischen Handschriften überhaupt zu ermitteln, sie dann zu ordnen, wobei die ganze Frage des Stemmas noch einmal durchdacht werden muss. Als Ausgangspunkt werden die bekannten und auch mehrere bisher unbekannte Handschriften vorgeführt. Ikas ist bemüht, eine Liste der aus den Britischen Inseln stammenden Handschriften aufzustellen (S. 7–25). Ohne die Gesamtheit der handschriftlichen Überlieferung der Martinschronik (weit über 400 Stück) im einzelnen zu überprüfen, was anscheinend nicht vorgenommen werden konnte, kann er wenigstens eine provisorische Liste präsentieren, indem er davon ausgeht, dass nur ein Bruchteil der Handschriften über den Ärmelkanal gewandert ist. Dementsprechend beginnt er mit einer Liste der in Großbritannien und Irland befindlichen Handschriften, eliminiert einige wenige, die nachweislich französischer, italienischer, deutscher oder niederländischer Herkunft sind, und fügt dafür diejenigen hinzu, die in kontinentaleuropäischen Bibliotheken liegen, aber nachweislich von den Inseln stammen. Das heißt, sofern keine anderslautenden Informationen vorhanden sind, gilt der heutige Standort als maßgebendes Indiz für das Herkunftsland. Dies ist jedoch vor allem bei Handschriften in Bibliotheken auf dem Kontinent gefährlich, da Ikas hier auf Vermerke in teilweise veralteten Katalogen zurückgreift. Trotzdem dürfte die so erstellte Liste als Basis für die weiterführende Diskussion ausreichen, und sie ist auf jeden Fall ein großer Fortschritt gegenüber dem, was bisher versucht wurde.

[6] 

Ikas ist zu gratulieren, dass er auch neue Handschriften gefunden hat, beispielsweise in der Bibliothek des Londoner College of Arms, einem doch eher abgelegenen Fundort. Neufunde wurden auch in kontinentalen Bibliotheken gemacht. Insofern diese ebenfalls kontinentaler Provenienz sind, werden sie nur kurz erwähnt, aber die neuen Zeugnisse der Inselrezeption der Chronik werden detailliert besprochen und in die Liste integriert. Am Ende der Untersuchung stehen 83 inseleuropäische Exemplare und Fragmente für die weitere Analyse zur Verfügung. Eine Stärke dieses Teils der Abhandlung sind die übersichtlichen Tabellen, die es leicht machen, Daten aufzufinden und zu vergleichen.

[7] 

Stemmata

[8] 

Als nächstes bespricht Ikas die Klassifizierungsmodelle, nach denen diese 83 Handschriften einzuordnen sind (Teil II.2, S. 26–32). Er diskutiert zuerst die Modelle Weilands 2 und von den Brinckens, bevor er dann einen eigenen Beitrag vorstellt. Ludwig Weiland hatte aufgrund von Unterschieden des zeitgeschichtlichen Stoffes drei Rezensionen identifiziert, in denen er die Feder des ursprünglichen Chronisten vermutete, Rez. A (um 1268), Rez. B (1271) und Rez. C (um 1277), wobei Rez. A nur durch eine einzige Handschrift vertreten ist: Für die insularen Handschriften bedeutet dies also eine Zweiteilung in Gruppen B & C. Von den Brincken war von der graphischen Darstellung ausgegangen: Martin hatte seine Chronik auf den Blättern so angelegt, dass die Papstgeschichte auf den linken, die Kaisergeschichte auf den rechten Seiten stand, mit einer Zeile pro Jahr und 50 Jahren pro Seite, wobei sich jeweils die Angaben zur Papst- und zur Kaisergeschichte eines bestimmten Jahres genau gegenüberstehen.

[9] 

Im Laufe der Überlieferungsgeschichte wird dieses System stufenweise korrumpiert, und nach dem Grad dieser Verschmelzung teilt von den Brincken die Handschriften in sieben Klassen ein: I bleibt dem ursprünglichen Konzept treu, II ist noch annalistisch, vergibt aber nicht mehr eine Zeile pro Jahr, III ist nicht mehr annalistisch angelegt, bei IV geht die Seiteneinteilung verloren (also abwechselnd 50 Jahre Päpste, dann 50 Jahre Kaiser ungeachtet der Seitenwechsel), bei VI erfolgt der Wechsel nicht mehr im 50jährigen Abstand, und in VII werden die Päpste und Kaiser grundsätzlich getrennt. Da diese Entwicklungen beim Abschreiben nicht rückgängig gemacht werden können, sind die möglichen Abhängigkeiten begrenzt und definierbar (siehe Gruppenstemma S. 29).

[10] 

Zu diesen beiden Ansätzen schlägt Ikas einen dritten vor: die Analyse der Textenden (Explizite). Es geht hier um Textvarianten, etwa est defunctus gegenüber defunctus est (Tabelle S. 33). Prinzipiell ist es logisch, neben Weilands historisch-sachlichem und von den Brinckens graphischem Kriterium auch einen textanalytischen Versuch für die Erstellung des Stemmas zu benutzen, aber warum dann nur den letzten Satz berücksichtigen? Angesichts der Masse der Textzeugnisse kann nur eine stichprobenartige Variantenanalyse vorgenommen werden, aber die Aussagekraft des Vergleichs hätte durch Kontrollproben von anderen Stellen der Chronik unterstützt werden sollen. Doch ein Großteil von Ikas’ Interesse gilt den Fortsetzungen, und der letzte Satz des Haupttextes wird ihm wohl aufgefallen sein. Die Fortsetzungen selbst bieten natürlich auch ein Kriterium für die Gruppierung der Handschriften, und Ikas’ Vergleich basiert auf der Verbindung der unterschiedlichen Schlusssätze mit den verschiedenen Fortsetzungen. Es folgt nun eine Tabelle der Handschriften und Fragmente (S. 33–51), eine Tabelle der Fortsetzungen (S. 52–69) und eine Tabelle der bekannten Provenienzen (S. 70–86). Mit der letzteren verbunden ist eine interessante Diskussion der Orden und Universitäten, die die Chronik benutzten.

[11] 

Nach diesen Vorarbeiten bemüht sich Ikas um eine Ordnung der Handschriften englischer und walisischer Provenienz. In langen und detaillierten Ausführungen (S. 87–146) versucht er aufgrund der gesammelten Informationen die Handschriften in elf Gruppen einzuteilen, Stemmata der Beziehungen der Textzeugnisse innerhalb dieser Gruppen zu erstellen, und auch die Beziehungen der Gruppen aufeinander teilweise zu eruieren. In der Regel sind die Argumente logisch aufgebaut und gut nachvollziehbar, obwohl nicht ganz deutlich wird, warum die Tatsache, dass eine Handschrift von verschiedenen Händen geschrieben worden ist, darauf hindeuten soll, dass sie als Vorlage einer Gruppe dient, während andere von einer einzigen Hand stammenden Zeugnisse die Abschriften sein sollen (S. 100). Die hier herausgearbeiteten Abhängigkeiten sind aber im Allgemeinen überzeugend und bringen zum ersten Mal Ordnung in die bisher unübersichtliche Masse der Textzeugen.

[12] 

Leider erschwert es Ikas dem Leser, bei der Lektüre dieses Abschnitts die in den vorangegangenen Tabellen enthaltenen Informationen vor Augen zu halten: Die Handschriften werden durch ihre Signaturen sowie durch seine eigene Sigle gekennzeichnet, doch die Tabellen sind nicht nach diesen Daten geordnet. Wenn ich also auf S. 94 von der Edinburgher Handschrift lese (National Library of Scotland: Advocates 18.4.9), die dort unter der Sigle A2 aufgeführt wird, kann ich nur mit einigem Aufwand entdecken, dass die vorausgesetzten Realien auf der (unnummerierten!) Seite 36 unter der »laufenden Nummer« 10 zu finden sind. Dieses Versagen der Benutzerfreundlichkeit ist jedoch insgesamt für Ikas untypisch.

[13] 

Ausbau der Martinschronik

[14] 

Die zweite Hälfte des Buches befasst sich mit dem programmatischen Ausbau der Tradition der Martinschronik in den britischen Inseln, erstens mit den in den Handschriften dieser Chronik selbst vorgenommenen Innovationen, dann aber auch mit den durch Martin inspirierten Entwicklungen in der weiteren insulareuropäischen Chronistik.

[15] 

Zuerst bietet Ikas einen Überblick über die komplexe Frage der Fortsetzungen (S. 151–180), von denen fast 20 auf den Britischen Inseln entstanden sind. Vor allem zu der Papstchronik gibt es eine ganze Reihe von britischen continuationes pontificum, aber auch continuationes imperatorum sind zu verzeichnen; warum die Kaiserfortsetzungen vergleichsweise seltener sind, darauf geht er erst in der Zusammenfassung ein (S. 332–333): Das politische Augenmerk lag in England nicht so sehr auf dem Imperium. Die bereits edierten Fortsetzungen sind teilweise nur in sehr alten, vorkritischen Ausgaben vorhanden, und es fehlte bis jetzt die notwendige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihnen. Ikas versucht eine neue Annäherung an diese Texte, in dem er jeden einer ausführlichen Beschreibung unterzieht, die Entstehungssituation und Wirkungsgeschichte erläutert, und vor allem der Frage der Beziehungen der Fortsetzungen untereinander nachgeht. Die Transkription von Probetexten veranschaulicht beispielsweise das Verhältnis von C.I.brev. zu C.I.angl. (S. 173–174). Hier gelingt dem Autor eine sehr spannende Darstellung. Dieser Teil des Buches steht in Zusammenhang mit Ikas’ Teilausgabe der Fortsetzungen, die in den Monumenta Germaniae historica erscheinen soll 3 und alle dreizehn bislang unedierten Fortsetzungen aufarbeitet, weshalb Ikas im vorliegenden Band auf eine Diskussion dieser Textgruppe verzichtet und sie lediglich auflistet (S. 179–180). Das ist natürlich als Werbung in eigener Sache geschickt, aber doch etwas ärgerlich, denn es bedeutet, dass sämtliche Fortsetzungen immer noch nicht an einer einzelnen Stelle übersichtlich und leicht zugänglich gewürdigt worden sind.

[16] 

Unter der Rubrik »Textexzerpte und Interpolationen« (S. 181–206) wendet sich Ikas im Weiteren einer Reihe von Handschriften zu, die Teile der Martinschronik in einem anderen Rahmen wiedergeben. Die Handschrift Sloane 289 ist ein gutes Beispiel (S. 187–193). Das längere Exzerpt in dieser Sammelhandschrift erklärt sich zwar als ex Martino Polono, ist jedoch so weit geändert worden, dass von den Brincken von »Unkenntlichkeit« sprechen kann. Ikas möchte den Text vollständig charakterisieren und sein Programm identifizieren, nämlich »Denkwürdigkeiten« aus der Geschichte wohl ermahnend zu sammeln: Die Stelle ist höchst interessant. Bei der Dubliner Handschrift fällt die Besprechung jedoch kürzer aus (S. 193–195). Hier befinden sich fünf Martin zugeschriebene Seiten, die Ikas zu Recht als wenig mehr als einen Papstkatalog beschreibt. Ob diese nun wirklich von Martin stammen, fragt sich Ikas erst in den letzten Zeilen seiner Darstellung – da hätte man gerne eine eingehendere Analyse gehabt.

[17] 

Die Cambridger Handschrift Gonville & Caius 449 / 390 bietet eine besonders interessante Variante. Martins graphisches Layout modifizierend, legt sie die Chronik dreiteilig an: auf den Versoseiten steht wie in der Urfassung die Papstchronik, recto dagegen eine zweispaltige Säkulargeschichte mit Martins Kaiserchronik in der linken Spalte und in der rechten eine neue Chronik der Könige von England. So wird die Weltchronik gleichzeitig zu einer Landeschronik: Das ist der überzeugendste Versuch, aus Martins Werk eine inhärent angelsächsische Neufassung zu gewinnen. Diesem raffinierten Machwerk widmet Ikas die gebührende Aufmerksamkeit mit einer 20-seitigen Analyse (S. 207–234), einschließlich der üblichen tabellarischen Übersicht, die ja immer wieder eine Stärke seiner Abhandlung ist. Auch hier ist die Beschreibung der graphischen und inhaltlichen Besonderheiten des Denkmals sorgfältig und kompetent.

[18] 

Eine viel zu kurze Behandlung der mittelenglischen Übersetzungen bringt die Liste der Adaptationen der Martinschronik zu ihrem Abschluss. Martins Werk wurde in die meisten europäischen Volkssprachen übertragen, und ins Englische gar zweimal. Hier gehen Ikas’ Ausführungen leider kaum über das hinaus, was Embree schon 1999 in seiner Ausgabe der mittelenglischen Texte bemerkt hatte. Gerne hätte man eine überzeugende Theorie gehört, warum und für wen diese Übersetzungen angefertigt wurden.

[19] 

Einfluss auf der Chronistik

[20] 

Das Stichwort »Martin in England« muss aber auch die breiteren Rezeptionswellen dieses vielgelesenen Geschichtswerk berücksichtigen. Der lange Abschnitt III.5, »Verwendung der Martinschronik durch insulare Geschichtsschreiber« (S. 239–329), beschäftigt sich mit einer Reihe von spätmittelalterlichen englischen und schottischen Historikern, in deren Schriften Martin als Quelle herangezogen wird. Hierzu gehören auch die Konkordanztafeln (S. 335–363), welche wörtliche Übernahmen im Einzelnen belegen.

[21] 

Die Abhandlungen der Chronisten in diesem Teil des Buches sind ausführlich und informativ. Oft geht es hauptsächlich um Realien, die auch anderswo zu lesen sind, aber sie auf diese Art zusammenzutragen ist sinnvoll. Vor allem neu ist hier die durch genaue Vergleiche unterstützte Analyse der Abhängigkeiten dieser Schreiber von Martins Papst- und Kaiserchronik. Nur bei Nicholas Trevet war dieser Aspekt schon einigermaßen aufgearbeitet worden, doch nie so detailreich wie hier. Besonders gelungen ist zum Beispiel die Untersuchung zu John Capgrave (S. 303–311), die belegen kann, wie Capgrave Martin auf langen Strecken folgt und weitaus intensiver rezipiert als bisher erkannt worden war. Unter den weiteren besprochenen Chronisten befinden sich Ps. Peter von Ickham, Richard von Durham, Matthew von Westminster, Andrew von Wyntoun, Thomas Rudborne und John Rous, um nur die wichtigsten zu nennen.

[22] 

Die Frage, warum Martin ausgerechnet bei den Historikern der Britischen Inseln so beliebt war, lässt sich auf verschiedene Art und Weise beantworten. Teilweise hatte es wohl mit der Päpstin Johanna zu tun, deren Lebensgeschichte vornehmlich durch seine Chronik verbreitet wurde. Wenn man nach der Häufigkeit des Zitierens urteilen darf, ist gerade diese Passage bei den Inselbewohnern besonders gut angekommen. Außerdem macht Ikas darauf aufmerksam, dass Martin auf den Inseln weniger Konkurrenz hatte, im Gegensatz zu Frankreich oder Italien, wo einheimische Chroniken in dieselbe Marktlücke stießen (S. 333).

[23] 

Allgemeine Überlegungen

[24] 

Mit einigen allgemeinen Überlegungen will ich schließen. Als Titel der Arbeit hätte prägnanter schlicht Martin von Troppau in England gewählt werden können; die jetzige Formulierung erscheint etwas überfrachtet. Auf unnötige Details (abweichende Namensform, Ordenszugehörigkeit, Todesjahr) hätte man an dieser Stelle ebenso verzichten können wie auf Sonderzeichen (Sterbekreuz), die in Bibliothekskatalogen, Internetseiten u.s.w. schlecht darstellbar sind. Gravierender jedoch ist, dass Textzeugen und Bibliotheken aus dem gesamten Bereich der Britischen Inseln stets – und auch im Titel des Bandes – unter der Rubrik »englisch« aufgeführt werden, was ich als schottischer Rezensent dem Autor nicht so recht verzeihen kann.

[25] 

Davon abgesehen hinterlässt dieser Band einen guten Eindruck. Der Ziel der Abhandlung war ehrgeizig und wurde im Großen und Ganzen erreicht: In fast allen abgehandelten Bereichen schreiten unsere Kenntnisse voran, und trotz gelegentlicher Einwände und Unzufriedenheiten liest man die Arbeit mit großem Gewinn. Die Argumentation ist leicht nachvollziehbar, auch wenn ihre Ausrichtung teilweise sehr technisch ist: Zum Bezug zum geistigen Leben des mittelalterlichen Lesers hätte ich als Literaturwissenschaftler gerne mehr erfahren, aber Ikas ist Historiker und meidet das spekulativ-interpretatorische. Große Mengen an Informationen werden tabellarisch so dargeboten, dass der Band auch als Nachschlagwerk zur Handschriftenkunde dienen kann. Der Leser wird durch eine großzügige Palette an Hilfsmitteln bedient: Das Buch enthält Landkarten von den Entstehungsorten der Martinschronikhandschriften (S.86) und der von Martin abhängigen Chroniken (S. 321), neun Seiten von Abbildungen aus Handschriften, eine vollständige Bibliographie und ein ausgezeichnetes Register.


Prof. Dr. Graeme Dunphy
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Angewandte Natur- und Geisteswissenschaft
Münzstraße 1
DE - 97070 Würzburg

Besuchen Sie den Autor auf seiner Homepage!

Ins Netz gestellt am 23.08.2004

IASLonline ISSN 1612-0442

Diese Rezension wurde betreut von unserer Fachreferentin Dr. Bettina Wagner. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Natalia Igl.

Empfohlene Zitierweise:

Graeme Dunphy: Martin von Opava bei den Briten. (Rezension über: Wolfgang-Valentin Ikas: Martin von Troppau (Martinus Polonus), O.P. (gest. 1278) in England. Überlieferungs- und wirkungsgeschichtliche Studien zu dessen Papst- und Kaiserchronik. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert 2002.)
In: IASLonline [23.08.2004]
URL: <http://www.iaslonline.de/index.php?vorgang_id=782>
Datum des Zugriffs:

Zum Zitieren einzelner Passagen nutzen Sie bitte die angegebene Absatznummerierung.


Anmerkungen

Anna-Dorothee von den Brincken: Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau (Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten historischen Text). DA 41, 1985, S. 460–531.   zurück
Ludwig Weiland (Hg.): Martini Oppaviensis chronicon pontificum et imperatorum. MGH SS 22, 1872, S. 377–475.   zurück
Da der Rezensent diese Ausgabe nicht einsehen konnte, wurde sie in dieser Besprechung nicht berücksichtigt.    zurück