IASLonline

Doppelte Texte

  • Henrike Lähnemann / Michael Rupp (Hg.): Williram von Ebersberg: Expositio in Cantica Canticorum und das 'Commentarium in Cantica Canticorum' Haimos von Auxerre. Berlin, New York: Walter de Gruyter 2004. XXXV, 290 S. 1 Abb. Leinen. EUR (D) 128,00.
    ISBN: 3-11-017724-2.
[1] 

Um 1060 entstand im oberbayerischen Ebersberg das »am besten überlieferte Werk der frühmittelhochdeutschen Literatur«: 1 Willirams Paraphrase und Kommentar zum Hohenlied. Mit seiner Expositio in Cantica Canticorum verfolgte der Verfasser, Abt des Ebersberger Benediktinerklosters, keine unehrgeizigen Ziele: In den Zeiten eines Tiefstandes der exegetischen Studien, so Williram in der Praefatio zu seinem Hoheliedkommentar, will sein Werk Hilfestellungen geben zum unerlässlichen Studium der Heiligen Schrift.

[2] 

Zugang zu den ›Liedern der Lieder‹ gewährt Williram dabei auf Latein wie auch in der Volkssprache – und kreiert damit eine singuläre Kombination von Vulgatatext und doppeltem Kommentarteil, die sich in den (frühen) Handschriften als Synopse dreier Textspalten manifestiert. Der lateinische Text des Hohenlieds in der mittleren Spalte ist flankiert von einer lateinischen Versparaphrase und -ausdeutung in der linken, von einer volkssprachigen Prosaübertragung und einer deutsch-lateinischen Prosakommentierung in der rechten Spalte.

[3] 

Beinahe über den gesamten damaligen deutschen Sprachraum verteilt, bezeugen über 40 erhaltene Handschriften das Interesse an der Expositio im Früh- wie im Hochmittelalter; die frühe neuzeitliche Rezeption eröffnet 1528 der Abdruck durch Menrad Molther. 2

[4] 

Der Hoheliedkommentar
in doppelter Ausgabe

[5] 

Willirams weit verbreiteter Hoheliedkommentar ist in der germanistischen Forschung natürlich nicht unberücksichtigt geblieben. Auf die erste Edition durch Joannes Schilter 1726 in drei Spalten folgt 100 Jahre später diejenige Hoffmanns von Fallersleben, der jedoch, wie nach ihm auch Joseph Seemüller (1878) und Willy Sanders (1971), nur die rechte Spalte, also die deutsche Prosaübersetzung und die deutsch-lateinische Kommentierung abdruckt und den lateinischen Text außen vor lässt.

[6] 

Den dadurch erweckten Eindruck einer Selbstständigkeit des volkssprachigen Textes, wie sie übrigens auch die Williram-Auszüge in Braunes Althochdeutschem Lesebuch suggerieren, 3 korrigiert Erminnie H. Bartelmez, deren akribische Arbeit die (bisher) maßgebliche kritische Ausgabe der Expositio in Cantica Canticorum darstellt. 4 Darin ersetzt sie allerdings die Horizontalsynopse durch eine Vertikalsynopse der drei Textspalten, setzt also die Einzelspalten untereinander. Dem neuzeitlichen Rezipienten wird somit das von Williram intendierte Layout vorenthalten.

[7] 

Um so erfreulicher ist es, dass in den letzten Jahren einerseits durch Schützeichel / Meineke, andrerseits durch Lähnemann / Rupp gleich zwei neue Editionen der Expositio erschienen sind, die den lateinischen wie den deutschen Text in drei senkrechten synoptischen Spalten samt einer Übersetzung ins Neuhochdeutsche wiedergeben. Dabei verfolgen diese beiden neuen Ausgaben (und der Vorwurf der Redundanz wird somit schon im Keim erstickt) durchaus grundverschiedene Absichten.

[8] 

Diejenige von Schützeichel / Meineke, 5 eine handschriftengetreue Edition des Ebersberger Codex Cgm 10, ist dezidiert auf einen lexikographischen Zugriff ausgerichtet, was sich unter anderem darin bemerkbar macht, dass entgegen dem Untertitel gerade keine »Übersetzung«, sondern nur eine Teilübersetzung rein der alt- beziehungsweise frühmittelhochdeutschen Abschnitte vorgenommen wird und der lateinische Text komplett unberücksichtigt bleibt. 6

[9] 

Das erklärte Ziel der 2004 erschienenen Expositio-Edition von Henrike Lähnemann und Michael Rupp, über die hier im Besonderen zu berichten ist, besteht nun darin, »den Text so nah wie möglich an seinem ursprünglichen handschriftlichen Layout und so verständlich wie möglich in seinem Gehalt zu präsentieren« (Vorwort, S. VII). Eine Williram-Ausgabe für den interessierten Leser also, die einen Abdruck samt vollständiger Übersetzung nicht nur des Hoheliedkommentars, sondern auch seiner Hauptquelle, des Commentarium in Cantica Canticorum Haimos von Auxerre, verspricht und damit Willirams Text vor allem »besser lesbar machen« (S. XX) will.

[10] 

Williram für Textleser

[11] 

1. Hinführung zum Text

[12] 

Lähnemann / Rupp schicken ihrer Ausgabe ein Einführungskapitel über »Die Expositio in Cantica Canticorum in ihrem Umfeld und in der Forschung« voraus (S. IX-XIX). Der etwas vage Begriff des »Umfelds« wird in drei Unterkapiteln mit recht plakativen Titeln genauer eingegrenzt.

[13] 

• Unterkapitel 1 »Geistesgeschichtlicher Hintergrund. Ein Kommentar zur ›Praefatio‹« liefert neben biographischen Rahmendaten Willirams eine Einbindung des Textes in die Tradition der mittelalterlichen Bibelexegese und konkretisiert deren Status innerhalb des monastischen Wissenschaftsbetriebes. Geschickt werden dabei die zu vermittelnden Backgroundinformationen an eine Interpretation der Praefatio geknüpft.

[14] 

• Unterkapitel 2 »Theologische Prämissen. Die Hoheliedtradition« widmet sich den biblischen Cantica Canticorum als »gewachsene[r] Texteinheit« (S. XV) und beschreibt Phasen der Textentstehung und -kommentierung. Betont wird dabei die Offenheit des Hoheliedtextes für Varianz, die auch zu Auslegungsvarianten etwa zwischen Williram und seiner Hauptquelle Haimo von Auxerre führen kann (s. S. XVI).

[15] 

• Unterkapitel 3 mit dem (wohl gewollt) anachronistischen Titel »Konzeption der ›Expositio‹. Layout als Programm« beschreibt den nicht zuletzt durch die dreispaltige Textgestalt erzeugten Reiz der Expositio als ein »vielstimmiges Nebeneinander von Bibel und Auslegung [...]«und »als Programm dieses Werks [...], das versucht, das Hohelied und seine Auslegung polyphon und trotzdem in einer geschlossenen Form zu inszenieren« (S. XVIII). Abgerundet wird dieses Unterkapitel durch einen kurzen Abriss der Forschung zur berühmt gewordenen lateinisch-deutschen Mischsprache Willirams. Wie auch in den anderen Einleitungsunterkapiteln werden dabei grundlegende Forschungspositionen genannt und ausreichend Literaturhinweise angegeben.

[16] 

• Unterkapitel 4 schließlich gibt einen »Abriß der Forschungs- und Editionsgeschichte« (S. XIX).

[17] 

Das Einführungskapitel stellt somit Basisinformationen über den Autor, sein Werk und dessen Produktions- beziehungsweise Rezeptionskontexte prägnant zusammen und gibt nicht, wie im Vorwort irreführend angekündigt, »die Begründung von Text- und Apparateinrichtung« (S. VII). Dies geschieht in Kapitel II »Editions- und Einrichtungsprinzipien der Ausgabe« (S. XXIII).

[18] 

2. Editionsprinzipien und Texteinrichtung

[19] 

Leithandschrift

[20] 

Der Text der neuesten Williram-Ausgabe folgt »der ältesten Handschrift Br« (S. XXI). Leithandschrift ist also die (verschollene und nur mehr in Schwarzweiß-Aufnahmen konsultierbare) Breslauer Williram-Handschrift, die zusammen mit der von Schützeichel / Meineke herangezogenen Ebersberger Handschrift Cgm 10 die älteste und wohl autornächste Textüberlieferung repräsentiert. 7 Die Auswahl von Br wird nicht explizit begründet. Nun zeigt sich eine der Eigenarten von Willirams Hoheliedbearbeitung darin, dass er, Regieanweisungen ähnlich, die Reden des biblischen Textes durch Beischriften durchweg bestimmten Sprecherrollen (voces) zuordnet (vox Christi, Ecclesiae, Synagogae usw.). Die Erwähnung bei Lähnemann / Rupp, dass Br im Gegensatz zu Cgm 10 »die Strukturierung durch die voces noch ansatzweise erkennen läßt« (S. XXI), ist dabei nicht wirklich schlagkräftig, da sich die voces-Strukturierung in Br auf vier Fälle beschränkt 8 und für die verbleibenden 145 Versikel anhand der Leidener Handschrift ergänzt werden muss (vgl. S. XXVII). Dass Br auch der kritischen Edition von Bartelmez zugrunde liegt, wird nur in einem Nebensatz erwähnt, hätte aber ruhig stärker betont werden können, da sich daraus nützliche Synergieeffekte gewinnen lassen. Dazu aber später noch genaueres.

[21] 

Texteinrichtung

[22] 

Die Drei-Spalten-Synopse der Breslauer Handschrift wird beibehalten; soweit möglich werden die (von Williram eingeführten) Einzelversikel nicht umgebrochen, so dass in vielen Fällen nur ein Versikel pro Seite abgedruckt wird. Die nochmalige Untergliederung der linken und rechten Spalte in Paraphrase beziehungsweise Übersetzung und Auslegung bleibt im Druckbild durch Initialensetzung gut erkennbar. Die 149 Versikel werden durchgezählt, auf die drei Einzelspalten wird mit den Siglen L (lateinische Versparaphrase und lateinischer Verskommentar), V (Vulgatatext) und D (deutscher beziehungsweise deutschlateinischer Prosatext) Bezug genommen. Die Zählung innerhalb der Einzelspalten erfolgt für die linke Spalte versweise, wobei die »Leoniner [...] entsprechend der Struktur ihrer Binnenreime nach der Penthemimeres [...] umgebrochen, aber als ein Vers gezählt werden« (S. XXIV). Der Prosatext der V- und D- Spalte wird satzweise gezählt, auf Teilsätze wird dabei mit Kleinbuchstaben referiert: Diese Vers- und Satzzählung erscheint gerade im Gegensatz zur einfachen Zeilenzählung bei Schützeichel / Meineke kompliziert und bedarf durchaus der näheren Explikation (»Die Angabe I DIb bezieht sich also auf [...] das zweite Kolon des ersten Satzes innerhalb der rechten Spalte des ersten Versikels« [S. XXIV]). Ein Vorteil ergibt sich jedoch aus dem komplexen Zählsystem Lähnemanns / Rupps: Die Verszählung der neuen Williram-Ausgabe stimmt mit derjenigen von Bartelmez überein und ermöglicht es somit – jedenfalls für die linke Spalte –, direkt von der synoptischen Textausgabe in den umfangreichen und unüberbotenen Variantenapparat von Bartelmez zu springen.

[23] 

Schön wäre es gewesen, wenn die Herausgeber, in der Kopfzeile oder in Apparat 1, Folioangaben der Breslauer (und eventuell der Ebersberger) Handschrift eingefügt hätten, gerade da eine Seite der Edition nicht auch einer Seite der Handschrift entspricht.

[24] 

Normalisierungen

[25] 

Ganz im Sinne einer Optimierung der Lesefreundlichkeit orientiert sich die Textwiedergabe zwar »in der optischen Präsentation an der dreispaltigen Form der ältesten Handschriften, aber nicht im Sinne einer diplomatischen Wiedergabe, sondern in der normalisierenden Aufbereitung der ältesten Handschrift Br« (S. XXI). Die von Lähnemann / Rupp vorgenommenen Normalisierungen betreffen

[26] 

• Graphien (zum Beispiel wird das handschriftliche ow durchgängig zu ouw, nîeth zu nîeht, su/zu zu sw/zw),

[27] 

• Groß- beziehungsweise Kleinschreibung (Personifikationen und metonymische Wortverwendungen werden großgeschrieben),

[28] 

• Zusammen- beziehungsweise Getrenntschreibung und die Interpunktion (unter anderem werden Ausrufezeichen eingefügt).

[29] 

Damit wird weitaus stärker in den Text eingegriffen als zum Beispiel in der handschriftengetreuen Ausgabe von Schützeichel / Meineke – ein Procedere, dass sich aber dadurch rechtfertigen lässt, dass die neueste Expositio-Edition weniger Material für den Sprachhistoriker oder den Lexikographen bieten will als vielmehr eine Lektüre-Ausgabe, die »die literar- und kulturgeschichtliche Dimension des Werks neben der sprachgeschichtlichen Bedeutung wieder [...] erschließen« (S. XX) soll.

[30] 

Apparate

[31] 

Diese Intention manifestiert sich auch in den Apparaten.

[32] 

• Apparat 1 soll »die textkritische Überprüfung gewährleisten und Bibelstellen nachweisen [...]« (S. XXVII). Während die Nachweise von Bibelstellen und Autoritätenzitaten akribisch durchgehalten und in einem Bibelstellenverzeichnis im Anhang auch zusammengeführt werden, erscheint die versprochene textkritische Überprüfung doch recht dürftig. Angegeben werden nur Varianten aus der Ebersberger Handschrift Cgm 10 und – für die voces-Angaben – aus der Leidener Handschrift Ley. Gerade um die in der Einführung ja beschworene Varianz und Offenheit des Textes nachvollziehen zu können, wird man hier weiterhin mit dem Variantenverzeichnis von Bartelmez arbeiten müssen – was aufgrund der identischen Spaltenbezeichnung und Verszählung aber auch gut durchführbar ist (s. oben).

[33] 

• Apparat 2 gibt den Hoheliedkommentar Haimos von Auxerre nach der Ausgabe von Hittorp 9 vollständig wider; zur leichteren Orientierung ist vor den jeweiligen Haimo-Kommentar der entsprechende Hoheliedtext (in Kapitälchen) samt Stellenangabe per cola et commata der Stuttgarter Vulgata gesetzt.

[34] 

3. Übersetzung

[35] 

Das bei weitem größte Verdienst der neuen Williram-Ausgabe ist die erstmalige Übersetzung aller drei Textspalten, die, um es vorwegzunehmen, sehr gut gelungen ist. In einem Unterkapitel ihrer »Editions- und Einleitungsprinzipien« schildern Lähnemann / Rupp Besonderheiten, die bei der Übersetzung der Expositio zu beachten sind (S. XXIX ff.):

[36] 

1. Die drei Textspalten repräsentieren drei unterschiedliche sprachliche Ebenen: Der Vulgatatext der Mittelspalte, dessen Latein von dem hebraisierenden Griechisch der Septuaginta geprägt ist, unterscheidet sich stilistisch stark von Willirams lateinischer Versparaphrase und -kommentierung der linken Spalte: das biblische Übersetzungslatein trifft auf leoninische Hexameter, die biblische Prosa auf Willirams Verse. Verstärkt wird dieses Spannungsverhältnis noch durch die volkssprachige rechte Spalte, die in einer Art Wissenschaftssprache lateinische Begriffe in den alt- beziehungsweise frühmittelhochdeutschen Satzbau integriert.

[37] 

2. Diese drei Ebenen beziehen sich wechselseitig aufeinander: der Kommentar auf den Hoheliedtext beziehungsweise auf die Versparaphrase, die Übersetzung auf den lateinischen ›Originaltext‹, der volkssprachige Kommentar auf den lateinischen Kommentar. Besonders interessant sind dabei natürlich Abweichungen innerhalb der Kommentarabschnitte zu ein und derselben Hoheliedstelle, Übersetzungsvarianten zum Beispiel der lateinischen Versparaphrase und der deutschen Übersetzung.

[38] 

Eine Übersetzung ins Neuhochdeutsche kann es sich nicht zur Aufgabe machen, die drei unterschiedlichen Sprachebenen der Einzelspalten zu imitieren, indem zum Beispiel die Hexameterverse der linken Spalte in der neuhochdeutschen Übersetzung nachgedichtet werden. Lähnemann / Rupp haben deshalb richtig entschieden, »die [...] systematischen Unterschiede nicht konsequent ins Neuhochdeutsche mitübersetzen zu wollen« (S. XXXI). Wohl lassen sich aber Übereinstimmungen oder Differenzen der drei Textspalten untereinander in der »Übersetzung der Übersetzung« (S. XXXI) berücksichtigen. Verwendet Williram in der deutschen Übertragung den Fachbegriff der tôife (4 D2b), in der lateinischen Kommentierung aber nur lavacrum anstelle des zu erwartenden und bei Haimo anzutreffenden baptismum, sollte sich dies auch in der neuhochdeutschen Übersetzung widerspiegeln. Und das tut es bei Lähnemann / Rupp auch, die mit ihren Übersetzungen ›Bad‹ beziehungsweise ›Taufbad‹ Willirams differenzierte Wortwahl gerade nicht einebnen, sondern beibehalten (s. S. XXXI). Somit gelingt es ihrer Übersetzung, deren Hauptanliegen das Verständnis des Inhalts ist, den lateinischen Text nachvollziehbar zu machen und gleichzeitig Interesse zu wecken an den Denk- und Argumentationsstrukturen Willirams und Haimos.

[39] 

Die neuhochdeutsche Übersetzung der Expositio ist aber nicht nur stilistisch gelungen, sondern auch drucktechnisch gut umgesetzt: Dem Abdruck des Textes der Breslauer Handschrift und der zugehörigen Apparate auf der linken Seite steht die neuhochdeutsche Übersetzung auf der rechten Seite jeweils direkt gegenüber, so dass ein Überprüfen der Übersetzung am Original und vice versa unaufwändig möglich ist. Gut gelöst ist die Darstellung der übersetzten lateinisch-deutschen Mischsprache, deren ursprünglich lateinische Bestandteile durch Kursivierung abgesetzt sind. Abgerundet wird die neuhochdeutsche Übersetzung der Expositio durch eine Übersetzung auch des Commentariums Haimos wiederum im Apparat.

[40] 

Auf einen Blick

[41] 

Die neueste Edition von Willirams Expositio in Cantica Canticorum, so kann man ex negativo resümieren, ist keine Ausgabe für ›Diachronisten‹: Sie ermöglicht weder Untersuchungen zu sprachgeschichtlichen Entwicklungen (dazu ist der Sprachstand zu stark normalisiert und der Variantenapparat bei weitem zu knapp gehalten) noch Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte (dass im Laufe der Überlieferung von der dreispaltigen Textsynopse vielfach abgewichen wird, erwähnen Lähnemann / Rupp nicht einmal). 10 Stattdessen gewährt diese Ausgabe einen synchronen Einblick in die früheste Überlieferung von Willirams Text und ermöglicht es ihrem Benutzer, nicht nur die drei Textspalten, sondern auch deren neuhochdeutsche Übersetzung auf einen Blick erfassen zu können. Damit ist der Weg frei für literatur- und kulturgeschichtliche Williraminterpretationen, die Fragen stellen zum Verhältnis von Latein und Volkssprache, von Text und Kontext, von ›Original‹ und Kommentierung. Die prägnanten Einführungskapitel und besonders die gelungene neuhochdeutsche Übersetzung werden nicht nur dem interessierten Leser hilfreich sein, sondern prädestinieren Lähnemanns / Rupps Ausgabe gerade auch für die Anwendung in der universitären Lehre, in der Willirams Expositio endlich wirklich ›gelesen‹ werden könnte.



Anmerkungen

Kurt Gärtner: Verfasserlexikon Bd. 10, Sp. 1161.   zurück
Ebd., Sp. 1161.   zurück
Vgl. Althochdeutsches Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Wörterbuch versehen von Wilhelm Braune. Fortgeführt von Karl Helm. 17. Auflage bearbeitet von Ernst A. Ebbinghaus. Tübingen 1994, S. 75–78.   zurück
Erminnie H. Bartelmez (Hg.): The Expositio in Cantica Canticorum of Williram, Abbot of Ebersberg 1048–1085. A critical edition. Philadelphia 1967.   zurück
Rudolf Schützeichel / Birgit Meineke (Hg.): Die älteste Übersetzung von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Edition – Übersetzung – Glossar (Studien zum Althochdeutschen 39) Göttingen 2001.   zurück
Vgl. dazu die IASLonline-Rezension zu Schützeichel / Meineke von Elke Krotz: URL: http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/krotz1.html [04.08.2003].   zurück
Vgl. z.B. Kurt Gärtner: Zu den Handschriften mit dem deutschen Kommentarteil des Hoheliedkommentars Willirams von Ebersberg. In: Volker Honemann / Nigel F. Palmer (Hg.): Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Tübingen 1988, S. 1–34, v.a. S. 6.   zurück
Siehe dazu Tabelle III bei Erminnie H. Bartelmez (Anm. 4), S. xxviii.   zurück
Dessen Text von 1529 liegt auch der Ausgabe der Patrologia Latina zugrunde: Haymonis Halberstatensis [!] Episcopi Commentarium in Cantica Canticorum PL 117, Sp. 295–358.   zurück
10 
Dazu v.a. Kurt Gärtner (Anm. 7), S. 10 ff. und die ausführlichen Handschriftenbeschreibungen in Erminnie H. Bartelmez (Anm. 4), S. xii ff. Ein Projekt zur Überlieferungsgeschichte der Expositio hat Henrike Lähnemann übrigens angekündigt, vgl. URL: http://www.mediaevum.de/forschen/projekt_henrike_laehnemann3.htm [15.03.2005].   zurück