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Wirklichkeit rein aus Hirnrinde in acht Bänden

  • Gottfried Benn: Sämtliche Werke (Stuttgarter Ausgabe). In Verbindung mit Ilse Benn herausgegeben von Gerhard Schuster (Bände I-V) und Holger Hof (Bände VI-VII / 2). 7 Bände in 8 Bänden. Stuttgart: Klett-Cotta 2004. 5168 S. Gebunden. EUR (D) 278,00.
    ISBN: 3-608-93635-1.
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Im Herbst 2003 ist der siebte, in zwei Teilbände untergliederte Band der Sämtlichen Werke von Gottfried Benn erschienen. Damit liegt die Benn-Edition des Klett-Cotta Verlags, die zwischen 1986 und 1991 von Gerhard Schuster und, nach zehnjähriger Unterbrechung, seit 2001 von Holger Hof herausgegeben wurde, nunmehr komplett vor. Diese Tatsache allein ist Anlass genug, der anzuzeigenden Ausgabe eine ausführliche Besprechung zu widmen. Hinzu kommt, dass eine solche Besprechung geradezu als Desiderat der Literaturwissenschaft bezeichnet werden kann, da man sich mit der verdienstvollen editorischen Arbeit von Schuster und Hof bislang kaum eingehend auseinandergesetzt hat. Zwar existieren instruktive Anzeigen zu einzelnen Bänden, die aber meist knapp gehalten oder nicht für ein akademisches Publikum geschrieben und in der Tagespresse 1 erschienen sind. In keiner der anerkannten germanistischen Fachzeitschriften ist bislang eine Würdigung der Benn-Edition vorgelegt worden. 2 Diese Zurückhaltung ist insofern verwunderlich, als Benn zweifellos als einer der renommiertesten deutschsprachigen Dichter des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann, der die expressionistische Lyrik, das literarische Leben der Weimarer Republik und die künstlerische Szene im westlichen Nachkriegsdeutschland der 1950er Jahre maßgeblich geprägt hat und über seinen Tod hinaus nicht nur für die Generation von Dieter Wellershoff und Peter Rühmkorf, sondern bis heute ein wichtiger Bezugspunkt der Diskussion unter Autor(inn)en geblieben ist. 3

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Die Ausgabe enthält in den ersten beiden Bänden Benns gesamte Lyrik und in den folgenden drei Bänden die Prosa zwischen 1910 und 1950. Trotz der langen und mit einem Herausgeberwechsel verbundenen Zeitspanne, in der die Arbeit an ihr ruhte, hat sich Hof im Prinzip an den von seinem Vorgänger entworfenen Editionsplan (V, S. 263) gehalten und in den verbleibenden beiden Bänden die Prosa von 1951 bis 1956, die Szenen und Dialoge, Das Unaufhörliche, die Gespräche und Interviews, einige Nachträge und die medizinischen Schriften sowie – dies hatte Schuster nicht geplant – den literarisch relevanten Nachlass ediert. Die Feststellung dieser prinzipiellen, die Einheitlichkeit der Ausgabe garantierenden Kontinuität ist aus heutiger Perspektive wichtiger als die weder vom Verlag noch von einem der beiden Herausgeber angeschnittene Frage, welche Umstände die auffällige Auslieferungszäsur und den Herausgeberwechsel herbeigeführt hatten. Da Hof dennoch unverkennbar andere editorische Akzente setzt als Schuster, empfiehlt es sich, die zwei in den Verantwortungsbereich verschiedener Herausgeber fallenden Teile der Benn-Ausgabe zunächst separat zu besprechen.

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I

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Beginnen wir also mit den ersten beiden Bänden der Edition, welche die Lyrik enthalten. Schuster übernimmt die von Benn kurz vor dessen Tod autorisierte Gedichteauswahl von 1956 und trägt im zweiten Band die dort nicht aufgenommenen Texte sowie eine reichliche Anzahl von Nachlasstexten nach. Dies ist gleich aus mehreren Gründen problematisch: Erstens werden somit einzelne wichtige Gedichte des Frühwerks, wie zum Beispiel der sowohl die Gesammelten Schriften (1922 / 23) als auch den ersten Teil der Gesammelten Gedichte (1927) programmatisch einleitende Prolog [1920] (II, S. 51 ff.), in den zweiten Band verbannt und jenes Bild des Lyrikers Benn prolongiert, das der Autor und wohl mehr noch sein Verlag in dem politisch und kulturell restaurativen Klima der 1950er Jahre aufzubauen bestrebt waren. Schusters Bemerkung, dass »das Denkbild vom altgewordenen Autor als glättendem Widersacher seines Frühwerks [...] in die Irre führt« (I, S. 329), ist ihrerseits irrig, weil sie zwar auf das einzelne Gedicht, nicht aber auf die spätere Auswahl und Zusammenstellung der Lyriksammlungen zutrifft. Außerdem widerlegt sich Schuster mit seinen auf die einschlägige Dokumentation von 1966 4 zurückgreifenden Ausführungen zur Entstehung der Gesammelten Gedichte (1956) selbst, weil aus ihr die zeitbedingten Motivationen und Rücksichtnahmen, die bei der Zusammenstellung dieser Ausgabe leitend waren, klar hervortreten. Zweitens geraten durch die Kanonisierung der Lyrikauswahl letzter Hand die Vielzahl der früheren, kunstvoll konzipierten Gedichtesammlungen von der Morgue (1912) bis zu Aprèslude (1955) trotz des relativ sorgfältig gearbeiteten Apparats 5 nicht angemessen in den Blick, obwohl der Herausgeber selbst den Sachverhalt hervorhebt, dass dem Autor Benn

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wie wenigen Lyrikern der Moderne [...] Auswahl und Anordnung von Gedichtfolgen [...] ein jedesmal neu zu lösendes Problem [blieben ...] Benn vermochte niemals das Gefüge einmal ausgerundeter Zyklen oder Gruppen unverändert zu belassen [...] Mit jeder neuen Publikation werden alte Abgrenzungen gelöscht und neue Zuweisungen geschaffen. (I, S. 329)
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Drittens kann nunmehr – löst man sich von der Frage nach der adäquaten Würdigung von Einzelpublikationen oder Sammelbänden zugunsten einer werkübergreifenden Betrachtungsweise – Benns aufschlussreicher, keineswegs homogener und von einer Vielzahl biographischer, zeit- und kulturgeschichtlicher Faktoren abhängiger Werdegang als Lyriker nur mittels eines aufwändigen Blätterns zwischen den Text- und Apparatteilen von zwei Bänden rekonstruiert werden.

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Dass die allzu eng an Benns Autorintention und verlagspolitischen Erwägungen der 1950er Jahre angelehnte Darbietungspraxis von Benns Lyrik ein Fehler ist, hätte man bei Friedrich Wilhelm Wodtke nachlesen können, der schon 1970 an einer für die Benn-Forschung zentralen Stelle im Zuge seiner Ausführungen über die Wellershoff-Ausgabe 6 die auch dort befolgte Praxis, sich an Benns Auswahl letzter Hand zu halten, kritisiert hat:

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Am wenigsten befriedigt B[an]d 3, da er die Ges[ammelten] Gedichte (1956) mit ihrer die Chronologie zerstörenden Anordnung Benns unverändert abdruckt und erst im Anhang den umfangreichen Rest veröffentlichter oder aus dem Nachlass stammender Gedichte chronologisch ordnet. Dadurch werden viele Gedichtzyklen auseinander gerissen, und die Übersicht über die Entwicklung Benns wird unnötig erschwert. 7
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Diesem Einwand hat Bruno Hillebrand Rechnung getragen, der im ersten, vier Jahre vor Schusters Edition erschienenen Band seiner Benn-Ausgabe 8 die Gedichte in der Reihenfolge der Erstdruckfassungen angeordnet und zugleich die Zyklen unangetastet gelassen hat. Ähnlich ist man beispielsweise auch im Gedichteband der kritischen Lasker-Schüler-Ausgabe vorgegangen, wo man sich ebenfalls für eine chronologische Anordnung gemäß der Erstdrucke entschieden und dazwischen die »kleineren Sammlungen« integriert hat, »die als in sich geschlossene Textformen betrachtet werden müssen oder die selbst überwiegend Erstdrucke enthalten«. 9 Obwohl natürlich auch diese Verfahrensweise nicht nur Vorteile besitzt und daher – im Fall der Lasker-Schüler-Ausgabe – zum (allerdings teilweise unbegründeten) Widerspruch herausgefordert hat, 10 entspricht sie doch eher den Anforderungen einer kritischen Edition und trägt allen oben erwähnten Einwänden Rechnung. Wenn Schuster im Übrigen meint, der von ihm erarbeitete Anhang »stell[e ...] die bibliographische Chronologie des [Bennschen] Gedichtwerks wieder her« (I, S. 327), so kann ein Blick in den Apparatband der Lasker-Schüler-Ausgabe zeigen, wie man diesen Anspruch wesentlich transparenter und benutzerfreundlicher einlösen kann.

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In den Bänden 3 bis 5 hat Schuster die Unterscheidung nach Gattungsbegriffen negiert und sämtliche Prosaarbeiten Benns chronologisch »nach den Daten der ersten Veröffentlichung bzw. dem Abschluss eines Textes« (V, S. 263) abgedruckt. Dies ist in Anbetracht des besonderen Charakters von Benns Prosa begrüßenswert, weil jede Rubrizierung der Texte deren implizite Interpretation und damit einen Eingriff in eine nach wie vor offene Forschungslage bedeutet hätte. 11 Diskussionsbedürftig ist jedoch der Sachverhalt, dass Herausgeber und Verlag sich für den Abdruck der Fassungen letzter Hand entschieden haben. Darunter versteht Schuster hinsichtlich der bis 1934 publizierten Texte zu Recht nicht die im westlichen Nachkriegsdeutschland wieder vorgelegten Fassungen, sondern im Wesentlichen jene Versionen, die in die von Benn zusammengestellten Sammelbände zwischen 1928 und 1934 eingegangen sind. Die Entscheidung für deren Abdruck wurde eventuell durch die bereits angesprochene, von Hillebrand vorgelegte und ausnahmslos Erstdrucke bietende Benn-Edition begünstigt, deren zweiter Band unter dem Titel Prosa und Autobiographie schon 1984 vorgelegt worden war. Da sich diese Edition durch sorgfältige Textkritik auszeichnet und insofern wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sie in den Anhängen der von Schuster verantworteten Bände mit keiner Silbe erwähnt wird. Fühlte man sich durch ein früher gestartetes, den eigenen Entscheidungsspielraum einengendes Konkurrenzunternehmen überrumpelt, oder war man von Anfang an gesonnen, die Fassungen letzter Hand zu präsentieren? Man hätte über diese Frage gern etwas erfahren, zumal Schuster seine editionsphilologisch keineswegs selbstverständliche Option überhaupt nicht begründet. Immerhin befindet sich die Benn-Forschung durch die Koexistenz von zwei philologisch anspruchsvollen Ausgaben jetzt in der angenehmen Lage, den Erstdruck und die Fassung letzter Hand eines Benn-Textes parallel lesen zu können und nicht die jeweils andere Version über den kritischen Apparat rekonstruieren zu müssen.

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Bei seiner Auswahl der Druckvorlagen hat Schuster jedoch Fehlentscheidungen getroffen, die als dogmatische Fixierung auf die Fassung letzter Hand bezeichnet und aus werkgeschichtlicher Perspektive zurückgewiesen werden müssen. Dies betrifft zum Beispiel den Epilog (1921), den Lebenslauf eines Intellektualisten (1934) und die Rede auf Stefan George (1934). In den ersten beiden Fällen hat sich Schuster von dem Umstand verleiten lassen, dass die Texte in modifizierter Form als Bestandteile größerer, später publizierter Arbeiten Verwendung fanden. Dies führt zu den inakzeptablen Lösungen, dass zum einen der Epilog nur als Bestandteil und in der Version von Epilog und Lyrisches Ich abgedruckt, dieser 1927 vorgelegte Text aber chronologisch im Jahr 1921 verortet und dass zum anderen der Lebenslauf zwar 1934 eingegliedert, aber nach der Fassung in Doppelleben (1950) präsentiert wird, während Doppelleben selbst nur in der um den Lebenslauf amputierten Form erscheint. 12 Damit wird der wichtigste, nach 1945 publizierte Bezugstext für die Diskussion über Benns Rolle im Dritten Reich nur verstümmelt geboten, wobei im Übrigen nicht nachvollziehbar ist, weshalb die von Benn gewünschten, durch Fraktur- oder Kursivschrift realisierten druckgraphischen Hervorhebungen seiner Selbstzitate aus »typographischen Gründen [...] zwischen doppelter Anführung in Grundschrift« (IV, S. 585) gesetzt worden sind. Dies gilt umso mehr, als es im ersten Band der Ausgabe problemlos möglich war, das Gedicht Kann keine Trauer sein in Kursivschrift »typographisch vom übrigen Bandinhalt [abzuheben]« (I, S. 328). Im Fall der George-Rede wird Schuster gar den eigenen Editionsgrundsätzen untreu, indem er sich nicht für deren Abdruck nach Kunst und Macht (1934), sondern ohne jede Begründung nach der um die von – wie Benn sich 1950 ausdrückte –»politisch überflüssigen Stellen« gereinigte (zit. nach IV, S. 549) Nachkriegsversion entschied, obwohl er den Sammelband von 1934 ausdrücklich als Textträger der Fassungen letzter Hand erklärt hatte (IV, S. 488).

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Der Abdruck aller drei erwähnten Spätfassungen ist deshalb verfehlt, weil er eine Missachtung der ursprünglichen kulturpolitischen beziehungsweise literaturhistorischen Situationen erkennen lässt, denen die Texte ihre Entstehung verdanken. Der Lebenslauf wäre von Benn 1950 nicht geschrieben worden, sondern geht auf den von Börries von Münchhausen ausgelösten Streit über Benns angeblich jüdische Abstammung zurück. 13 Die spezifische Funktion der George-Rede, die den schwierigen Balanceakt zwischen Kooperationsofferten an die neuen Machthaber und künstlerischer Selbstbehauptung versucht, kann nur vor dem Hintergrund der Vereinnahmungsversuche Georges durch das NS-Regime adäquat begriffen werden. Beide Texte – das sei hier in Anbetracht des eben angeführten Benn-Zitats zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich angemerkt – enthalten zwar peinliche, die Nationalsozialisten umwerbende Formulierungen. Sie lassen sich aber keinesfalls darauf reduzieren, sondern besitzen durchaus auch regimekritische, die Autonomie der Kunst unmissverständlich einfordernde Passagen. Epilog und Lyrisches Ich schließlich ist keineswegs ein homogener Text, dessen zweiter, für Benns Produktionsästhetik erstmals zentrale Formulierungen aufweisender Teil einfach als »Weiterführung« (III, S. 466) des sechs Jahre früher entstandenen Epilogs verstanden werden kann, weil die beiden Textteile unterschiedliche Autorenrollen entwerfen. Der nicht erfolgte Abdruck des älteren Textteils als eigenständiger Essay letzter Hand droht diesen Sachverhalt zu verdecken und lässt überdies auch dessen Sonderstatus zu wenig ins Bewusstsein treten: Der Epilog ist der einzige längere essayistische Text, den Benn als Selbstanzeige für einen Sammelband verfasst hat (III, S. 466).

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II

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Im »Editorischen Bericht« zu Band 6 bekundet der neue Herausgeber Holger Hof das »Bemühen, den bisherigen editorischen Prinzipien zu folgen« (VI, S. 743), kündigt aber auch einige Unterschiede zur bisherigen Editionspraxis an. Die von Schuster verfolgte chronologische Textanordnung gemäß dem Zeitpunkt des Erstdrucks wird durch eine Reihung nach dem Datum der Fertigstellung eines Werks ersetzt; nur wenn dieses Datum sich nicht feststellen lasse, entscheide der Erstdruck über die Textplatzierung. Des Weiteren werden von Benn gewünschte Hervorhebungen nicht mehr durch Kursivschrift, sondern durch Sperrungen kenntlich gemacht und Titel, die nicht von Benn stammen, sondern nachträglich von Redakteuren oder Herausgebern hinzugefügt wurden, kursiviert und – wenn es sich um Reihentitel von Rundfragen handelt – überdies zwischen einfache Anführungszeichen gesetzt. Die gravierendste Änderung gegenüber den von Schuster erarbeiteten Bänden betrifft jedoch die Behandlung und Darbietung des Nachlasses.

[15] 

Nachdem 1991 nach dem Tod Ilse Benns 80 weitere, Schuster zuvor nicht zugängliche Arbeitshefte und Tageskalender Benns in den Besitz des Deutschen Literaturarchivs in Marbach übergegangen waren, stellte sich für den neuen Herausgeber die Frage, ob sein Vorgänger mit dem von ihm ausgewerteten, aus 26 Arbeitsheften bestehenden Nachlassmaterial angemessen umgegangen war, in verschärfter Dringlichkeit. Schuster hatte die einem abgeschlossenen Werk zuordenbaren Texte in den Lesartenabschnitten des Anhangs dargeboten – seit Weinhaus Wolf (1937) finden sich dort umfangreiche Materialien – und die weiteren, ihm relevant scheinenden Textdokumente, sofern sie »nicht bloße Briefentwürfe sind«, chronologisch am Ende des Textteils des zweiten und dritten Prosabands in der Rubrik »Prosaische Fragmente« abgedruckt. Generell war er von der Annahme ausgegangen, »dass der stilistische und gedankliche Rang solcher nicht verwerteten Reflexionen, Lektüreeindrücke oder tagebuchähnlichen Aufzeichnungen ein bedingter blieb« (IV, S. 264).

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Hof, der 1991 bei Bruno Hillebrand über die Montagetechnik in ausgewählten Essays von Benn promoviert hatte, 14 vermochte diese relative Geringschätzung des Nachlasses nicht zu teilen. Im Gegensatz zur älteren, Benns kunstprogrammatischer Prosa eher skeptisch gegenüberstehenden Forschung, welche die teilweise schon bemerkten Textadaptionen in Benns Essays häufig mit dem Hinweis auf die mangelnde intellektuelle Originalität ihres Verfassers zu kommentieren pflegte, war er von der produktiven »Hypothese« ausgegangen, dass »Benn das Montageprinzip der intertextuellen Materialverarbeitung als primäres poetisches Stilmittel seiner gesamten essayistischen Prosa verwendet« (S. 13) hat. Hof, dessen Textvergleiche laut eigenem Bekunden bis auf die Auswertungen zur Rede auf Heinrich Mann vor der Veröffentlichung des dritten und vierten Bandes der Edition Schusters durchgeführt worden waren (S. 18), erfasste nicht nur eine Vielzahl von textsortenübergreifend eingesetzten Selbstzitaten, sondern konnte insbesondere im Hinblick auf die eben angesprochene Mann-Rede und den Essay Goethe und die Naturwissenschaften nachweisen, dass Schuster wichtige Vorlagentexte übersehen und infolgedessen beim Goethe-Essay Primärquellen anstelle der von Benn tatsächlich verwendeten Sekundärliteratur angeführt hatte. Diese Versäumnisse werden nachvollziehbar, wenn man das Resümee von Hofs Untersuchung berücksichtigt: Da »die literarische Technik der integrierenden Montage [...] für das Gesamtwerk [...] Benns von herausragender Bedeutung [ist]« (S. 385), sind die herangezogenen, als solche meistens jedoch nicht kenntlich gemachten Textteile kaum erkennbar. Während die Avantgarde bewusst heterogene, die herangezogenen Materialien plakativ eingesetzte Text- beziehungsweise Bildkollagen produziert hat, um sich provokativ von der obsoleten Idee der organischen Einheit des autonomen Kunstwerks absetzen zu können, 15 habe Benn eine »hochartifizielle Technik« ausgebildet, die bei aller Kompliziertheit immer der rezeptionsästhetischen Maxime der »Einheitlichkeit traditioneller Kunstwerke folgt« (S. 11) und einen hohen »Grad der Perfektion in der Beherrschung dieser artistischen Disziplin« (S. 385) erreicht.

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Ob die Publikation von Hofs Dissertation mit der Einstellung der Herausgebertätigkeit durch Schuster in Zusammenhang zu bringen ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls musste man sich beim Verlag Klett-Cotta darüber im Klaren sein, dass der neu gewonnene Herausgeber die Akzente hinsichtlich der Behandlung der Nachlassmaterialien anders setzen würde:

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Der bis zu [Band 5] geübten Praxis, »bloße Entwürfe bisher bekanntgewordener Briefe« unter den Tisch fallen zu lassen, soll nicht weiter Folge geleistet werden, gründet sie doch auf einem fundamentalen Mißverständnis [...] Zum Zeitpunkt des Notierens spielt es weder ästhetisch noch poetologisch eine Rolle, ob eine Formulierung in einem Brief, einem in Arbeit befindlichen Werk, beidem oder überhaupt nicht mehr benutzt werden wird [...] Zu behaupten, dass es sich hierbei lediglich um Textsplitter handelte, führte auf eine falsche Fährte. (VII / 2, S. 617)
[19] 

Da Hof Benns Exzerpten und Notizen eine zentrale Rolle für den dichterischen Schaffensprozess zubilligt, entschloss er sich für eine vollständige und chronologische, den »materiale[n] Textzusammenhang der Arbeitshefte [... respektierende]« Darbietung des literarischen Nachlasses, »ohne jedoch die einzelnen Überlieferungsträger allzusehr auseinanderzureißen« (VII / 2, S. 618). Unberücksichtigt blieben allerdings jene Materialien, die bereits von Schuster transkribiert und ediert worden waren. Diese Entscheidung machte eine Zweiteilung des siebten Bandes notwendig, um das umfangreiche Nachlassmaterial aufnehmen zu können, während Band 6 und Band 7 / 1 prinzipiell den von Schuster ausgearbeiteten Editionsplan umsetzen.

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Hof hat den in Band 7 / 2 präsentierten Nachlass klug erschlossen, indem er ihn zweigeteilt und mit einem so einfachen wie wohl erwogenen Verweisungssystem versehen hat: Im Haupttext erscheinen alle literarisch sowie produktionsästhetisch relevanten Aufzeichnungen oder Texte, die über den Status von Entwürfen nicht hinausgelangt sind. Im Anhang hingegen werden die als Vorarbeiten zu abgeschlossenen und veröffentlichten Werken identifizierbaren Materialien dargeboten. Sie werden mithin gemäß den schon von Schuster gehandhabten Editionsprinzipien als Lesarten behandelt. Da auf sie zugleich im laufenden Haupttext mit Platzhaltern aufmerksam gemacht wird, kann Hof sein erklärtes Ziel einer möglichst vorlagengetreuen, »die Kontinuität des täglichen Notierens, Exzerpierens und Formulierens« (VII / 2, S. 617) wahrenden Textpräsentation dennoch realisieren. Darüber hinaus stellt Hof bei den Prosatexten mit Marginalsiglen Bezüge zu den bereits veröffentlichten Werken her und verweist bei den Vorarbeiten zu den Gedichten im Anhang nicht nur auf deren Abdruck in den beiden von Schuster besorgten Lyrikbänden, sondern nimmt deren Titel – sowie die Titel jener Prosawerke, zu denen Vorarbeiten zum Abdruck gelangen – in ein Werktitelregister auf (VII / 2, S. 674–679). Man kann also mit diesem Register schnell feststellen, ob zu einem Werk zusätzliche, im Apparat der vorangegangenen Bände nicht benutzte Überlieferungsträger existieren. 16

[21] 

Von den im Haupttext dargebotenen Entwürfen hervorhebenswert sind die Arbeiten zu dem in Hillebrands Ausgabe unter dem Titel Song der Möbelpacker. Opernfragment abgedruckten Opernlibretto (S. 15 ff. u. 388 ff.), zu dem noch von Schuster für vermisst 17 erklärten Lucinde-Aufsatz (S. 60 ff. u. 417 ff.), zu der Anfang 1945 geplanten Schrift Willkommen den literarischen Emigranten (S. 124 ff. u. 459), zu einer mit Hermann Kunisch geplanten Matineeveranstaltung (S. 282 ff. u. 569 ff.), zu einem Prosatext mit dem Titel Pyrola (S. 314 ff. u. 585 ff.) und zu einem Aufsatz anlässlich des 150-jährigen Todestags Schillers (S. 351 u. 602 ff.). Die im Anhang präsentierten Überlieferungsträger umfassen Vorarbeiten beziehungsweise Notizen zu immerhin etwa 60 Gedichten und wichtigen, seit Ende der 1940er Jahre publizierten Prosatexten. Erwähnt seien hier nur die Materialien zu den Gedichten Die weißen Segel, Astern und Ach, das Erhabene (S. 59 u. 410–417), 1886 und St. Petersburg – Mitte des Jahrhunderts (S. 122 f. u. 436–457) und zum Ptolemäer (S. 143 u. 463–524), Radardenker und Doppelleben (S. 237 u. 534–539).

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Wer Handschriften von Benn zu Gesicht bekommen hat, kann Hofs Hinweise auf dessen bisweilen kaum lesbare, schon ihrem Urheber mitunter im Nachhinein verschlossen bleibende Schriftzüge gut nachvollziehen. Man sollte also jene im Übrigen verhältnismäßig wenigen Textstellen, wo Hof die Unleserlichkeit einzelner Worte oder längerer Wendungen dokumentieren musste, nicht mit Befremden, sondern mit Respekt vor dem Mut zur Dokumentation der Grenzen der Herausgebertätigkeit zur Kenntnis nehmen. Dass Hof sich bei seiner Entzifferungsarbeit einem extrem schwierigen und ermüdenden, Geduld und Ausdauer erfordernden Geschäft unterzogen hat, verdient höchste Anerkennung. Außerdem waren es wohl nicht Platzgründe, sondern eher Rücksichten anderer Art, welche die Entscheidung motivierten, die bereits von Schuster transkribierten Nachlassmaterialien unberücksichtigt zu lassen. Wenn man den Umfang der von Schuster und der von Hof edierten Textmengen vergleicht und des Weiteren berücksichtigt, dass Hof nachträglich einige Vorarbeiten in den schon von Schuster verwendeten Arbeitsheften identifizieren konnte, 18 dann wird man Hof einen sorgfältigeren Umgang mit dem Nachlass Benns attestieren und vermuten können, dass eine nochmalige Transkription der von seinem Vorgänger ausgewerteten Archivalien bisweilen andere Textbefunde erbracht hätte.

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III

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Es gibt also trotz aller begrüßenswerten und zweifellos gelungenen Vorkehrungen, die Einheitlichkeit der Benn-Ausgabe unbeschadet der Umstände ihrer zweigeteilten Entstehungsgeschichte zu wahren, nicht unerhebliche Auffassungsunterschiede der beiden unabhängig voneinander agierenden Herausgeber über ihr Metier. Will man diese Unterschiede zusammenfassend charakterisieren, so wird man Schuster einen rezeptionsgeschichtlich fundierten und Hof einen produktionsästhetisch ausgerichteten Ansatz zuerkennen können. Schuster ordnet Benns Arbeiten nach ihrem Erscheinungsdatum und tendiert gemäß der Auffassung, dass Texte nur nach ihrer Wahrnehmung durch Dritte ein Wirkungspotenzial entfalten können, zu einer Unterschätzung des Nachlasses. Hofs Editionspraxis hingegen ist auf die Wahrung der Autorintention fixiert. Hof präferiert nicht nur die Fertigstellung eines Textes als Anordnungskriterium, sondern zieht mit dem Argument, Benn sei bei redaktionellen Eingriffen in seine Texte sehr großzügig gewesen, »im Zweifelsfall die von Benn gebotene Variante des Typoskripts« (VI, S. 748) der gedruckten Version vor. Man kann über die Rechtmäßigkeit einer solchen Vorgehensweise geteilter Meinung sein. So lässt sich durchaus die Ansicht vertreten, dass ein Herausgeber diese an Benn beobachtbare Großzügigkeit ebenfalls zu respektieren habe. Skeptisch stimmt jedenfalls die Formulierung, die »in Band VI gebotene Fassung entspricht dem vom Autor gewollten Text« (VI, S. 747). Wenn Hof als Kuriosum vermerkt, dass versehentlich das falsche Typoskript von Drei alte Männer (1949) zur Drucklegung verwendet wurde (VII / 1, S. 675 u. 473) und nun erstmalig die von Benn vorgesehene Typoskriptfassung zum Abdruck verwendet, dann wird verständlich, weshalb er zu jener Formulierung greift. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob eine solche Bekundung zum Vollzug des Autorwillens nicht problematisch ist, weil sie zur Erstellung von emendierten Textfassungen legitimiert, die in dieser Form bislang nie rezipiert wurden und – im Gegensatz zu den für fehlerhaft erachteten seitherigen Druckfassungen – keine historische Wirkung entfaltet haben. Zumindest hätte Hof die von ihm vorgenommenen Emendationen nicht im Lesartenapparat unterbringen, sondern gesondert dokumentieren und diskutieren sollen.

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Ein weiterer, allerdings an beide Herausgeber gerichteter Kritikpunkt betrifft die fehlenden beziehungsweise unzureichenden Wort- und Sacherläuterungen. Kann man voraussetzen, dass heutige Leser(innen) zum Beispiel von Epilog und Lyrisches Ich wissen, was die Begriffe »Depersonalisation«, »Psychasthenie«, »Schizothymie«, »Koprolalie«, »Kongestion«, »Hypertonie« bedeuten oder – um den medizinisch-naturwissenschaftlichen Wortschatz zu verlassen und zum Bereich des humanistischen Bildungswissens überzugehen – was unter »Astarte«, »Geta« oder »Auleten« zu verstehen ist? Alle diese Begriffe werden nicht erklärt, da sich die Rubrik der Hinweise im Kommentarteil vorwiegend auf den Nachweis von Selbstzeugnissen und biographischen Informationen, zitierten oder ausgewerteten Vorlagen und Parallelstellen in anderen Werken beschränkt und »auf die Erklärung von Eigennamen und lexikalisch leicht findbaren historischen und mythologischen Sachverhalten [verzichtet]« (V, S. 269). Eine Stichprobe mittels einschlägiger Lexika und des Kleinen Pauly ergab zwar, dass sich (fast) alle erwähnten Fremdwörter und historisch-mythologischen Begriffe auffinden lassen. 19 Dennoch hätte man in den angeführten und in vergleichbaren Fällen Worterklärungen erwarten können, um den Benutzer(inne)n der Ausgabe zeitintensive Recherchen in unterschiedlichen Wörterbüchern zu ersparen und ihnen wenigstens andeutungsweise Einblicke in die hinter den erklärten Termini stehenden unterschiedlichen Kulturen und Wissensordnungen zu gewähren. Insofern ist natürlich auch der Einwand, Benn selbst habe schon in seiner ersten poetologischen Äußerung von 1919 die genaue Kenntnis der von ihm verwendeten Begriffe für sekundär erklärt –»mich sensationiert eben das Wort ohne jede Rücksicht auf seinen beschreibenden Charakter rein als assoziatives Motiv« (III, S. 109) –, nicht stichhaltig, weil Assoziationen ohne vorgängige Kenntnis der eigentlichen Wortbedeutung keinerlei Anhaltspunkt besitzen und daher ins Leere laufen müssen. Hugh Ridley hat die instruktive Zusammenstellung von Interpretationen beziehungsweise Kommentaren zu einzelnen Benn-Gedichten im Anhang seiner Untersuchung 20 mit folgenden Worten kommentiert:

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Wenn dabei oftmals auf Arbeiten verwiesen wird, die weniger Interpretation im eigentlichen Sinne als vielmehr stoffliche oder sprachliche Erklärungen liefern, so liegt das in der Natur der Sache: schon 1926 meinte Ernst Lissauer, ein Konversationslexikon sei für jede Benn-Lektüre unerlässlich [...] In der Zwischenzeit ist der Abstand zu Benns Wortschatz (oder doch zu bestimmten Feldern seiner Lexik) und zu seinen teils entlegenen, teils zeitgebundenen Anspielungen noch größer geworden.
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Dies gilt natürlich nicht nur für die Gedichte, sondern auch für die Prosaarbeiten Benns – aus diesem Grund haben wir eben beispielhaft auf einen für seine Poetologie zentralen Essay verwiesen.

[28] 

Um den Anhang von redundanten Worterklärungen zu entlasten, wäre es sinnvoll gewesen, jene Terminologie, die wie die für Benns anthropologische Produktionsästhetik zentralen Begriffe der »Depersonalisation« oder »Kongestion« häufig verwendet wird, zentral zu erfassen und zu erläutern. Das führt zu einem letzten Einwand: Schuster hatte »ein für die [...] Ausgabe neu erarbeitetes Gesamtregister« angekündigt, welches »das Œuvre nach Werktitel, Namen und Sachstichworten [erschließt]« (V, S. 263 f.). Von dieser Ankündigung sind die ersten beiden Komponenten realisiert worden, während man auf die alphabetisch geordnete Erfassung der Sachstichworte verzichtet hat. Diese Entscheidung ist sowohl verwunderlich als auch bedauerlich. Zum einen hat Hof schon in der von Hillebrand herausgegebenen Benn-Ausgabe ein instruktives Sachregister vorgelegt, 21 das als Grundlage weiterführender Arbeiten an einem solchen verdienstvollen Projekt hätte dienen können. Der bereits dort praktizierte Verzicht auf die Einbeziehung der Gedichte Benns ist insofern unproblematisch, als hierzu zwei Indizes vorliegen, die ohnehin Benns lyrischen Wortschatz wesentlich detaillierter erfassen können als ein auf mehrfach verwendete Zentralbegriffe konzentriertes Register. 22 Zum anderen wäre es mit einem überarbeiteten und ergänzten Sachwortregister noch besser möglich gewesen, Benns Texte – wie Hof selbst hervorgehoben hat –»als Produkte intertextueller Materialakkumulation und darauf aufbauender intertextueller Verarbeitung begreifen« und erschließen zu können. 23 Das Personenregister ist leider nur bedingt brauchbar, weil es gravierende Lücken aufweist. Wir ersparen uns die umfangreiche Auflistung der schon bei oberflächlichen Stichproben auffallenden Versäumnisse, die dem Verlag wenig Ehre machen würde. Positiv ist immerhin zu vermerken, dass das Personenregister auch indirekte, oftmals im Anhang erschlossene Namensnennungen verzeichnet. Wenn Benn ohne weitere Präzisierungen von »Luna, die Busch und Tal füllte« (III, S. 337), spricht, so wird diese Fundstelle bei »Goethe« aufgenommen.

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Bei einer Gesamtbeurteilung der anzuzeigenden Edition müssen die beiden Lyrikbände als deren eindeutiger Schwachpunkt bezeichnet werden. Das gilt sowohl wegen ihres schon kritisierten, die Sammlung von 1956 ahistorisch reproduzierenden konzeptionellen Zuschnitts als auch aus philologischen Gründen. Dabei geht es hier nicht nur um die bereits dargelegten Sachverhalte, dass der Lyrikedition nur 26 Arbeitshefte zur Verfügung standen und selbst diese nicht erschöpfend ausgewertet wurden. Ihr Wert wird außerdem durch ihre unzureichende, Benns Arbeits- und Montagetechnik nicht angemessene Präsentation der relevanten Überlieferungsträger wesentlich geschmälert. Thorsten Ries hat die Mängel von Schusters partiell sogar hinter Harald Steinhagens Auswahledition 24 zurückfallender Editionspraxis plausibel begründet und zu deren Vermeidung andere, an der französischen Critique génétique orientierte Wege der Textdarbietung eingeschlagen. 25 Er plädiert zu Recht für eine

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historisch-kritische Ausgabe [...], welche in der Repräsentation der Varianten im kritischen Apparat den materialen Zusammenhang der Arbeitshefte [...] bewahrt, ohne die Aufschlüsselung des Gewebes der Textstufen zu vernachlässigen. Idealerweise wäre hier eine Archiv-Ausgabe zu fordern, welche diplomatische Umschriften und Faksimiles [...] böte. 26
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Die Bände der eben erscheinenden Trakl-Edition demonstrieren, auf welchem Niveau ein solches Projekt realisiert werden könnte. 27

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Trotz aller bislang monierten Defizite soll allerdings mit Nachdruck festgehalten werden, dass die anzuzeigende Benn-Ausgabe die Forschung gleich in mehrerlei Hinsicht erstmals auf eine gesicherte Grundlage stellt und dass beide Herausgeber einen entscheidenden Anteil an diesem erfreulichen Umstand haben. Sowohl im Text- als auch im Kommentarteil erreicht die Edition ein weder von der Wellershoff- noch von der Hillebrand-Ausgabe auch nur annähernd erreichtes Niveau. Im Textteil enthält sie eine beträchtliche Anzahl von Beiträgen, »die unbekannt waren oder in den bisherigen Gesamtausgaben nicht berücksichtigt wurden« (VI, S. 745). Dabei handelt es sich meist um Gelegenheitsarbeiten wie zum Beispiel Antworten auf Rundfragen von Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, 28 doch findet sich unter der Gruppe der bislang ungedruckten oder über ihren Erstdruck nicht hinausgelangten Texte auch literarisch oder poetologisch im engeren Sinne relevantes Material wie etwa der aus der endgültigen Fassung des Romans des Phänotyp ausgeschiedene Abschnitt Stadtpark II (III, S. 383 f.), die beiden in Bad Wildungen und Bern vorgetragenen Versionen der Reden über Probleme der Lyrik und Altern als Problem für Künstler (VI, S. 162–189 u. 191–205), der von der Berliner Funkstunde am 13. Mai 1932 ausgestrahlte Einführungstext anlässlich einer Übertragung wichtiger Teile des von Otto Klemperer dirigierten Unaufhörlichen (VII / 1, S. 211–213), 29 die 16 »erstmals [...] in chronologischer Ordnung [gesammelt] vor[liegenden]« (VII / 1, S. 680) Gespräche und Interviews, von denen neun bislang überhaupt nicht transkribiert worden waren, und das Aufsehen erregende, von Andreas Kramer wieder entdeckte und in der FAZ vom 22. August 2003 zweitpublizierte Prosastück Unter der Großhirnrinde von 1911.

[33] 

Die Kommentare informieren ausführlich und detailliert über die Entstehung der Texte und geben aufschlussreiche Einblicke in die jeweiligen Personenkonstellationen des literarischen Lebens. Die Rubrik der Überlieferung dürfte fast immer Vollständigkeit jedenfalls hinsichtlich der gedruckt vorliegenden Werke Benns erreicht haben. 30 Weshalb allerdings die Abdrucke der in den 1930er Jahren in Die Literatur vorgelegten Gedichte Benns mit Ausnahme der vierteiligen Sequenz Am Brückenwehr und der sechs im Januar 1937 publizierten Texte ungenannt geblieben sind, ist nicht nachvollziehbar. 31 Des Weiteren problematisch ist das ebenfalls hauptsächlich die Gedichtebände betreffende Verfahren, die Übernahme bereits veröffentlichter Texte Benns in zeitgenössische Anthologien nicht zu dokumentieren. 32 Die Lesarten präsentieren eine immense Zahl von Notizen, Entwürfen und Vorarbeiten aus dem Nachlass, der außerdem dank Hofs Engagement über die einem speziellen Werk zuordenbaren Varianten hinaus systematisch und benutzerfreundlich erschlossen wurde. Die Hinweise bieten eine in dieser Ausführlichkeit bislang auch nicht annähernd dokumentierte Anzahl an Querverweisen sowohl auf eigene Werke als auch auf die als Steinbrüche für Benns Montagetechnik benutzten Vorlagentexte und vermitteln somit neben den Lesartenmaterialien wertvolle Einblicke in die Produktionsweise Benns. Wie viel in den Anhängen trotz unterschiedlicher Überlieferungslage geboten wird, vermag ein wenig Statistik zu illustrieren: In den Bänden 5 und 6 entfallen auf eine Textseite ungefähr zwei kleingedruckte Seiten des Anhangs, während in den die Prosa bis 1932 enthaltenden Bänden 3 und 4 das Verhältnis mehr als umgekehrt ist oder jedenfalls keineswegs annähernde Proportionen (III bzw. IV: 1 Textseite kommt mit 0,4 bzw. 0,7 Anhangseiten aus) erreicht. Sollte Benn seine Arbeitstechnik im Lauf der Jahre nicht wesentlich modifiziert haben, so belegen diese Zahlen, dass sich etwa seit Mitte der 1930er Jahre erheblich mehr literarisch relevantes Nachlassmaterial erhalten hat. Sie belegen aber selbst im ungünstigsten, den dritten Band betreffenden Fall die Reichhaltigkeit der Kommentarteile.

[34] 

1995 urteilte Michael Jaeger über die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Bände der Ausgabe, sie ließen »an Gediegenheit und Sorgfalt nichts zu wünschen übrig« und hob insbesondere »ihre[n] ausführlichen Kommentarteil« lobend hervor. Von ihm kritisiert im Wesentlichen mit den auch von uns weiter oben dargelegten Gründen wurde nur der Abdruck von Doppelleben. 33 Diese Einschränkung ist insofern symptomatisch, als es sich hierbei gerade um jenen Text handelt, dem Jaegers besondere Aufmerksamkeit galt: Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch andernorts Defizite, die Jaegers superlativisches Urteil revidieren. Dennoch halten sich die entdeckten falschen Transkriptionen 34 oder Druckfehler 35 in Grenzen und berechtigen zu dem Urteil, dass die Edition sorgfältig redigiert und, vom bereits monierten Personenregister abgesehen, gründlich lektoriert wurde.

[35] 

In Anbetracht der bilanzierten quantitativen wie qualitativen Neuerungen stellt die Benn-Ausgabe ein opulentes Reservoir an Texten, Dokumenten und Materialien bereit, das von der Forschung selbst hinsichtlich der bis 1991 publizierten fünf Bände bislang kaum ausgewertet wurde. Dennoch glaubte der Verlag dem zweigeteilten siebten Band im Klappentext vorab attestieren zu können, er »[müsse] unser Wissen von Benns Werk und Arbeitsweise verändern«. Diese Aussage gilt zweifellos für die gesamte Edition, die sich in einem hübschen blauen Leineneinband präsentiert und damit der zentralen Farbchiffre Benns ihre Reverenz erweist. Die Frage ist nur, in welcher Größenordnung sich die prognostizierten Wissensveränderungen bewegen werden. Eine Neueinschätzung Benns wird diese Ausgabe voraussichtlich nicht bewirken, weil das von ihr erstmals präsentierte Textmaterial trotz seiner Bedeutung keinen Anlass zu grundsätzlichen Revisionen unseres bisherigen Benn-Bildes bietet. In dreierlei Hinsicht wird sie aber unser Wissen über Benn vertiefen und bereichern können: Erstens wird sie die Historisierung dieses Autors fördern. Zweitens wird sie eine Neuinterpretation mancher, durch die Darbietung umfangreicher Nachlassmaterialien in bislang nicht erkannte Kontexte gerückter Werke Benns anregen. Drittens wird sie das Verständnis von Benns literarischer Produktionstechnik fördern und die Rede vom inkompetenten, geistig aus zweiter Hand lebenden Kompilator definitiv als falsche, eine ästhetische Fragestellung irrtümlicherweise auf die Inhaltsebene reduzierende Einschätzung erweisen. Benns »Wirklichkeit rein aus Gehirnrinde« (SW IV, S. 312) ist nämlich primär eine montierte sprachliche Wirklichkeit aus fremden und eigenen Texten – und eben darin liegt ihre Modernität begründet. Wünschenswert ist natürlich, dass weitere produktive, gar nicht vorhersehbare Anregungen von dieser Edition ausgehen werden. Doch selbst, wenn es bei den erwähnten Impulsen bliebe, hätten sich die großen, für ihre Realisierung notwendigen Anstrengungen gelohnt. Wir danken den beiden Herausgebern und allen beteiligten Mitarbeiter(inne)n des Verlags Klett-Cotta, die zu ihrem Gelingen beigetragen haben.



Anmerkungen

Instruktive Besprechungen in Zeitungen wurden vorgelegt von Helmuth Kiesel (Aus schwachen und starken Stunden. Die ersten beiden Bände der Stuttgarter Benn-Ausgabe von Gerhard Schuster. In: Stuttgarter Zeitung vom 7. Juni 1986), Peter von Matt (Propheturen und Psychophysenfosen. Gottfried Benns Gedichte in der Stuttgarter Ausgabe. In: FAZ vom 28. Juni 1986), Karlheinz Dederke (Die Geheimnisse des Gottfried Benn. Zwei Werkausgaben: historisch oder philologisch. In: Der Tagesspiegel [Berlin] vom 2. November 1986), Thomas Ehrsam (Kein Wort zuviel und die Ruhe eines Kornfeldes. Benns Prosa in der »Stuttgarter Ausgabe«. In: NZZ vom 28. April 1989), Karlheinz Dederke (»In jedem Satz: Alles«. Zwei Bände Bennscher Prosa. In: Der Tagesspiegel [Berlin] vom 3. Dezember 1989), Harald Hartung (Der große Kompilator. Zur Prosa Gottfried Benns. In: FAZ vom 20. Januar 1990), Florian Illies (Einmal und nie wieder. Ein Ereignis: Der neueste Prosa-Band der Werkausgabe verändert unser Bild von Gottfried Benn. In: FAZ vom 27. April 2002) und von Bernhard Dotzler (In ein dunkleres Reich hinab. Zum Abschluss der Werkausgabe von Gottfried Benn. In: NZZ vom 25. / 26. Oktober 2003).   zurück
Die einzige für professionelle Leser(innen) verfasste Rezension, die mehr als eine Druckseite umfasst und sich nicht vorrangig auf ein Inhaltsreferat beschränkt, liegt mehr als 15 Jahre zurück und stammt von Wolfgang Paulsen: [Rez.] Gottfried Benn: Sämtliche Werke [...] Gedichte 1 [... und] Gedichte 2 [...]. Gottfried Benn: Briefe [...] 4. Band: Briefe an Tilly Wedekind 1930–1955 [...]. In: Colloquia Germanica 21 (1988), S. 357–360.   zurück
Vgl. Jan Bürger (Hg.): »Ich bin nicht innerlich«. Annäherungen an Gottfried Benn. Stuttgart: Klett-Cotta 2003.   zurück
Max Niedermayer: Die Drucklegung des Spätwerks. Briefe an Marguerite Schlüter. In: Paul Raabe / Max Niedermayer (Hg.): Den Traum alleine tragen. Neue Texte, Briefe, Dokumente. Wiesbaden: Limes 1966, S. 221–245.   zurück
Nicht sehr überzeugend sind allerdings die Transkriptionen der Gedichtetitel und -anfangszeilen im »Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen« in SW I (S. 340–349) – eine identische Auflistung findet sich in SW II (S. 214–223) –, das die einzige Möglichkeit bietet, die Lyrikpublikationen der 1910er bis 1950er Jahre zu rekonstruieren. Dies zeigt die folgende Errataliste, die auf der Grundlage einer Überprüfung der Transkriptionen zu den Lyrikbänden und zu den auch Lyrik enthaltenden Sammelbänden entstanden ist. Verglichen wurden die veröffentlichten Werkzyklen einschließlich des Privatdrucks der Zweiundzwanzig Gedichte (1943) außer den mir nicht zugänglichen Titeln Spaltung (1925) und Gedichte. Blätter für die Dichtung (1936). Dabei zeigt sich, dass die Titel oder Anfangszeilen der Gedichte bisweilen nicht korrekt übertragen wurden oder in seltenen Fällen sogar fehlen und dass die Zyklen, insbesondere der immer wieder neu zusammengestellte Alaska-Zyklus, mittels der unzureichenden, sich auf die Nennung von Zahlen beschränkenden Angaben überhaupt nicht erschlossen werden können.

S. 340, Z. 8: Ikarus 1–3 / Ikarus I–III _ Z. 11: O, Nacht – / O Nacht –: _ Z. 14: Dir auch – / Dir auch –: _ Z. 17 f.: ›Das Unaufhörliche‹: / Aus dem Oratorium ›Das Unaufhörliche‹ _ Z. 21: Sils-Maria 1–2 / Sils-Maria I–II _ Z. 37: Einsamer nie / Einsamer nie –

S. 342, Z. 12 f.: Spät I–V / Spät Zyklustitel I. Die alten schwere Bäume ..., II. So enden die Blicke, die Blicke zurück ..., III. Noch einmal so sein wie früher ..., IV. Fühle – doch wisse, Jahrtausende fühlten ..., V. Siehst du es nicht, wie einige halten ... _ Z. 35: Nachtcafé 1–5 / Nachtcafé I–V _ Z. 35: vor Karyatide fehlt Alaska Zyklustitel 1. Europa, dieser Nasenpopel ..., 2. Der junge Hebbel, 3. Wir gerieten in ein Mohnfeld ..., 4. Ein Trupp hergelaufener Söhne schrie ..., 5. Vor einem Kornfeld sagte einer ..., 7. [sic!] Räuber-Schiller, 8. Drohung, 9. Mutter, 10. Gesänge 1–2, 11. Da fiel uns Ikarus vor die Füße ... _ Z. 40: Cocain / 9. Cocain

S. 343, Z. 4: Morgue 1–5 / Morgue I–V _ Z. 4: Der Arzt 1–3 / Der Arzt I–III _ Z. 5: Nachtcafé 1–5 / Nachtcafé I–V _ Z. 5: Finish 1–4 / Finish I–IV _ Z. 6: Alaska 1–8 / Alaska Zyklustitel I. Europa, dieser Nasenpopel ..., II. Wir gerieten in ein Mohnfeld ..., III. Ein Trupp hergelaufener Söhne schrie ..., IV. Vor einem Kornfeld sagte einer ..., V. Über Gräber:, VI. Drohung, VII. Räuber-Schiller, VIII. Da fiel uns Ikarus vor die Füße ... _ Z. 10: Innerlich 1–6 / Innerlich I–VI _ Z. 14: Wer bist Du / Wer bist Du – _ Z. 14: Widmung / Widmung:

S. 344, Z. 20: vor Die weißen Segel fehlt Widmung: »Herrn F. W. Oelze in Bremen, Hartwigstr. – dunkler als Kreuz ein Pfosten / trägt die Worte: du weißt.« (vgl. Wilhelm Wodtke [Anm. 7], S. 72) _ Z. 32: Alaska 1–10 / Alaska Zyklustitel 1. Europa, dieser Nasenpopel ..., 2. Der junge Hebbel, 3. Wir gerieten in ein Mohnfeld ..., 4. Ein Trupp hergelaufener Söhne schrie ..., 5. Vor einem Kornfeld sagte einer ..., 6. Über Gräber:, 7. Räuber-Schiller, 8. Mutter, 9. Gesänge 1–2, 10. Da fiel uns Ikarus vor die Füße ... _ Z. 42: Chaos – / – Chaos –

S. 345, Z. 16: Alaska 1–10 / Alaska Zyklustitel mit Reihenfolge wie bei S. 344, 32 bis auf 6. Über Gräber:, an dessen Stelle Pastorensohn steht _ Z. 18: Leichen entfällt

S. 346, Z. 3: Nachtcafé / Nachtcafé [1] _ Z. 12 f.: Eine Leiche singt / Eine Leiche singt ... _ Z. 13: Ein Mann spricht / Ein Mann spricht: _ Z. 17: Für Oskar Loerke / Für Oskar Loerke zum 50. Geburtstage _ Z. 28: Spuk / Spuk – _ Z. 28: Rot / Rot – _ Z. 28: Schwer / Schwer – _ Z. 44: Hier ist kein Trost / Hier ist kein Trost:

S. 347, Z. 1: Kurkonzert / Kur-Konzert _ Z. 36: Ach, das ferne Land / Ach, das ferne Land – _ Z. 36: Quartär I–III / Quartär – I–III

S. 348, Z. 11: Gewisse Lebensabende I–II / – Gewisse Lebensabende I–II _ Z. 27: O Nacht / O Nacht – _ Z. 31: Wie lange noch / Wie lange noch – _ Z. 31 f.: Dir auch / Dir auch –: _ Z. 35: Stunden, Ströme / Stunden, Ströme – _ Z. 38: Lied entfällt _ Z. 41: Durch jede Stunde / Durch jede Stunde – _ Z. 42: Dein ist / Dein ist – _ Z. 42 f.: Träume, Träume / Träume, Träume – _ Z. 43: Mann / Mann –

S. 349, Z. 1: Dunkler / Dunkler – _ Z. 6: Ein Land / Ein Land – _ Z. 7 f.: Gewisse Lebensabende / – Gewisse Lebensabende   zurück
Gottfried Benn: Gesammelte Werke in vier Bänden (I: Essays, Reden, Vorträge, II: Prosa und Szenen, III: Gedichte, IV: Autobiographische und vermischte Schriften). Hg. von Dieter Wellershoff. Wiesbaden: Limes 1958–1961.   zurück
Friedrich Wilhelm Wodtke: Gottfried Benn. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart: Metzler 1970, S. 2.   zurück
Gottfried Benn: Gesammelte Werke in der Fassung der Erstdrucke. Hg. von Bruno Hillebrand. 4 Bände (I: Gedichte, II: Prosa und Autobiographie, III: Essays und Reden, IV: Szenen und Schriften). Frankfurt / Main: Fischer 1982–1990 (im Folgenden zitiert als GWE).   zurück
Norbert Oellers / Karl Jürgen Skrodzki: Editorische Nachbemerkung. In: Else Lasker-Schüler: Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Hg. von N. O., Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. [Bislang] 7 Bände in 10 Teilbänden. Frankfurt / Main: Jüdischer Verlag 1996 ff.; hier: Band I / 1, S. 379–383, Zitat: S. 382.   zurück
10 
Lothar Bluhm / Andreas Meier: Briefe oder Gedichte? Zur Diskussion um die neue Else-Lasker-Schüler-Ausgabe. In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge 8 (1998), S. 403–409.   zurück
11 
Allerdings wäre es besser gewesen, Texte amtlichen Charakters, die entweder einen definitiv nichtliterarischen Charakter besitzen wie z. B. Benns Lebenslauf im Anhang seiner Dissertation (III, S. 23) oder nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren wie einige Gutachten (IV, S. 9–11 u. 121; V, S. 62 u. 177–179), separat abzudrucken. Diese Frage ist jedoch sekundär, da solche Texte umfangmäßig kaum ins Gewicht fallen.   zurück
12 
Auch Hans-Edwin Friedrich (Deformierte Lebensbilder. Erzählmodelle der Nachkriegsautobiographie [1945–1960]. Tübingen: Niemeyer 2000; Zitat: S. 144, Anm. 127) bezeichnet »die Koppelung von Ausgabe letzter Hand und chronologischer Textanordnung [im Fall des Doppellebens] als fatal«.   zurück
13 
Reinhard Alter: Gottfried Benn und Börries von Münchhausen. Ein Briefwechsel aus den Jahren 1933 / 34. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 25 (1981), S. 139–170.   zurück
14 
Holger Hof: Montagekunst und Sprachmagie. Zur Montagetechnik in der essayistischen Prosa Gottfried Benns. [Diss. masch.] Wiesbaden 1991; eine gekürzte Druckfassung dieser Untersuchung erschien unter dem Titel: Montagekunst und Sprachmagie. Zur Zitiertechnik in der essayistischen Prosa Gottfried Benns. Aachen: Shaker 1997. Die folgenden Fundstellenangaben im Haupttext beziehen sich auf die erstgenannte Ausgabe.   zurück
15 
Volker Klotz: Zitat und Montage in neuerer Literatur. In: Sprache im technischen Zeitalter, Heft 60 (1976), S. 259–277; Georg Jäger: Montage. In: Harald Fricke (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band II. Berlin, New York: de Gruyter 2000, S. 631–633.   zurück
16 
Leider sind dort zu einigen Gedichteentwürfen falsche Fundstellenangaben gemacht worden, die durch die folgende Liste korrigiert werden: Kommt – (VII / 2, S. 359), Liebe [über Entwurfsstatus nicht hinausgelangt; nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen (GWE I, S. 212), erstmals 1927 in den Dramaturgischen Blättern des Oldenburger Landestheaters veröffentlichten Gedicht] (VII / 2, S. 280), Menschen getroffen (VII / 2, S. 359), Monolog (VII / 2, S. 87), Nike (VII / 2, S. 362), Wenn Sie zwischen Punsch und Pfefferkuchen ... (VII / 2, S. 271), Worte (VII / 2, S. 362).   zurück
17 
Schusters Hinweis auf drei nicht mehr auffindbare »bezeugte Prosaarbeiten: die an Oelze gesandte Rede [Benns] aus Anlass der Einladung seiner Offizierskameraden im Weinhaus Wolf 1935 [...], ein Beitrag für das Romantik-Heft der Zeitschrift Cahiers du Sud aus dem selben Jahr [...] und Entwürfe zu einem Aufsatz über Schlegels Lucinde« (IV, S. 486), lässt sich insofern präzisieren, als die zwei hier irrtümlich separat angeführten Romantik-Projekte identisch sind: Der Lucinde-Aufsatz sollte für die Cahiers du Sud geschrieben werden. Die zuerst genannte Rede hingegen scheint leider tatsächlich verschollen zu sein. Dasselbe gilt für den von Hof erwähnten »kurzen Vortrag mit dem Titel Thomas Mann zum Gedenken, der am 16. Aug[ust] 1955 vom NWDR [...] ausgestrahlt wurde« (VI, S. 746).   zurück
18 
Hof hat in den Arbeitsheften 13, 14, 15, 17 und 18 Vorarbeiten zu Du liegst und schweigst ... (VII / 2, S. 462 f.), Der Ptolemäer (S. 463 u. 514), Doppelleben (S. 544), Gladiolen (S. 552), Wenn Sie zwischen Punsch und Pfefferkuchen ... (S. 561), Lebe wohl – (S. 562) und Lasse dich gern verführen ... (S. 581) nachgewiesen.   zurück
19 
Herangezogen wurden: Wahrig. Fremdwörterlexikon von Renate Wahrig-Burfeind. 5., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Gütersloh, München: Wissen Media Verlag 2004; Duden. Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter. 3., überarbeitete Auflage. Hg. und bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. Mannheim u. a.: Dudenverlag 2003; Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearbeitet und hg. von Konrat Ziegler, Walter Sontheimer und Hans Gärtner. 5 Bände. München: Alfred Druckenmüller 1964–1975. Von den Fremdwörtern sind bis auf die im erstgenannten Lexikon nicht verzeichnete »Psychasthenie« alle aufgeführt. »Geta« hat im Kleinen Pauly einen eigenen Eintrag; bei »Astarte« wird auf »Baal« verwiesen und bei »Auleten« muss man immerhin wissen, dass es sich um eine von »Aulos« abgeleitete Wortbildung handelt.   zurück
20 
Hugh Ridley: Gottfried Benn. Ein Schriftsteller zwischen Reaktion und Erneuerung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1990, hier: S. 213–232. Das folgende Zitat ebd., S. 11.   zurück
21 
Vgl. GWE IV 1990, S. 413–454.   zurück
22 
Index zu Gottfried Benns Gedichten. In Verbindung mit Craig M. Inglis und James K. Lyon bearbeitet von Hans Otto Horch, Frankfurt / Main: Athenäum 1971; James K. Lyon / Craig Inglis: Konkordanz zur Lyrik Gottfried Benns, Hildesheim, New York: Olms 1971.   zurück
23 
GWE IV 1990, S. 413.   zurück
24 
Harald Steinhagen: Die statischen Gedichte von Gottfried Benn. Die Vollendung seiner expressionistischen Lyrik. Stuttgart: Klett 1969.   zurück
25 
Vgl. Thorsten Ries: Der Entzug der Metamorphose. Untersuchungen zur poetischen Arbeitsweise Gottfried Benns in den Jahren 1934–1956; mit einer vollständigen textgenetischen Neuedition ausgewählter Gedichte unter Berücksichtigung der unveröffentlichten Arbeitshefte. 2 Bände. [Examensarbeit] Hamburg 2003; zur Kritik an Schuster siehe Band 1, S. 38–44.   zurück
26 
Thorsten Ries: Notizbuchexperimente. Strategien der Textproduktion in Gottfried Benns Arbeitsheften, zitiert nach dem Typoskript (S. 9) eines bislang unveröffentlichten Vortrags, der auf der am 30. April und 1. Mai 2004 von Joachim Dyck und Matias Martinez veranstalteten Tagung »Gottfried Benn – Rochaden zwischen Biographie und Werk« in der Kunsthalle Bremen gehalten wurde. (Herrn Ries sei für die Zitiererlaubnis aus seinem Typoskript herzlich gedankt.)   zurück
27 
Georg Trakl: Sämtliche Werke und Briefwechsel. Innsbrucker Ausgabe. Historisch-kritische Ausgabe mit Faksimiles der handschriftlichen Texte Trakls. Hg. von Eberhard Sauermann und Hermann Zwerschina. [Bislang] 3 Bände in 4 Teilbänden. Basel, Frankfurt / Main: Stroemfeld / Roter Stern 1995 ff.   zurück
28 
Weder in Band 3 noch in den Nachträgen in Band 7 / 1 aufgenommen wurde Benns Antwort auf die vom Berliner Tageblatt am 2. November 1928 abgedruckte Rundfrage Dichtung der »Tatsachen«? Eine aktuelle literarische Frage, an der auch Alfred Döblin und Arnolt Bronnen beteiligt waren. Benns Beitrag hierzu ist wieder zugänglich bei Sabina Becker: Neue Sachlichkeit. Band 2: Quellen und Dokumente. Köln u. a.: Böhlau 2000, S. 333.   zurück
29 
Dieser Einführungstext ist als Anhang zu hören auf der 1996 unter der Leitung von Lothar Zagrosek erfolgten Einspielung des von Paul Hindemith vertonten Oratorientextes (WER 6603–2 und WER 6604–2): Das Unaufhörliche. Oratorium in drei Teilen nach einem Text von Gottfried Benn für Soli, gemischten Chor, Knabenchor und Orchester (1931). Aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht aufgenommen wurde er hingegen auf die kürzlich ausgelieferte MP3-CD (Gottfried Benn: Das Hörwerk 1928–56. Lyrik, Essays, Vorträge, Hörspiele, Interviews, Rundfunkdiskussionen. Hg. von Robert Galitz, Kurt Kreiler [Archivrecherche, Audioredaktion] und Martin Weinmann [Beibuch], Frankfurt / Main: Zweitausendeins 2004), wo auch das ebenfalls überlieferte (vgl. VII / 1, S. 677), am 6. März 1930 ausgestrahlte Streitgespräch Dichtung an sich mit Johanes R. Becher fehlt, obwohl kurioserweise im Beibuch (S. 62) Benns Kommentar dazu in einem Brief an Thea Sternheim abgedruckt wurde.   zurück
30 
Folgende Korrekturen sind allerdings anzubringen: Drohung (SW I, S. 22 u. 358 f.) erschien als Erstdruck nicht, wie irrtümlich vermerkt, in der Aktion, sondern in Das neue Pathos (vgl. GWE I, S. 519); in der Aktion wurde hingegen unter dem Reihentitel Alaska VIII das über diese Erstveröffentlichung nicht hinausgelangende Gedicht Drohungen (SW II, S. 24 f. u. 228 f. und SW I, S. 360) veröffentlicht. Bei Madonna (SW II, S. 28 u. 230) fehlt der Hinweis auf den Parallelerstdruck in Das neue Pathos (vgl. GWE I, S. 519). Der in GWE III (S. 677) verzeichnete und als Druckvorlage herangezogene Erstdruck des berüchtigten Essays Züchtung (1933) in der Berliner Börsen-Zeitung ist in SW IV (S. 516) nicht angeführt und bei der Erstellung der Lesarten nicht berücksichtigt worden; ebenso fehlt dort (S. 549) der in GWE III (S. 706) stehende Hinweis auf den Teildruck der Rede auf Stefan George in der Deutschen Allgemeinen Zeitung.   zurück
31 
Vgl. Wilhelm Wodtke (Anm. 7), S. 57, 2–7 u. 73, 6–10.   zurück
32 
Werkgeschichtlich mögen beispielsweise die Abdrucke von acht Gedichten Benns in Kurt Pinthus’ 1920 erschienener Menschheitsdämmerung (III, S. 448) oder die Aufnahme von Ikarus I in die von René Schickele 1918 herausgegebene Sammlung Menschliche Gedichte im Krieg (vgl. Sven Arnold: Das Spektrum des literarischen Expressionismus in den Zeitschriften Der Sturm und Die Weissen Blätter. Frankfurt / Main u. a.: Lang 1998, S. 302 f.) irrelevant sein. Da sie für die Rekonstruktion der personellen Verflechtungen und Autor(inn)enwahrnehmung des damaligen Literaturbetriebs jedoch hilfreich sind, wurden solche Anthologiedrucke etwa im Apparat der bereits erwähnten kritischen Lasker-Schüler-Ausgabe zu Recht berücksichtigt.   zurück
33 
Michael Jaeger: Autobiographie und Geschichte. Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin. Stuttgart, Weimar: Metzler 1995, S. 220 f., Anm. 32.   zurück
34 
Aus dem obigen Text geht bereits hervor, dass die hier und in der nächsten Anmerkung mitgeteilte Errataliste natürlich keine Vollständigkeit beansprucht, sondern sich individuellen Lektürepräferenzen verdankt. Sofern im Folgenden keine Ergänzungen in Klammern beigefügt sind, beziehen sich die Korrekturen auf Autopsie gemäß den in der Edition verwendeten Druckvorlagen.

SW I, S. 58, 30 f.: Getränken, heißen, braunen / Getränken heißen, braunen _ S. 59, 32: Facchino / Facchini _ S. 60, 6: die Olive / die Olive! (vgl. Thomas Ehrsam [Anm. 1] entgegen den anders lautenden Korrekturen des Herausgebers auf S. 434, 35 u. 37 f.) _ S. 561, 2: Zeile 1–61 / Zeile 1–62

SW II, S. 67, 24: wie / wir (falsch auch in GWE I, S. 217, 25)

SW III, S. 108, 18: Uferlos / uferlos _ S. 108, 30: Qualm / Qualen _ S. 108, 31: Weite / Weise (falsch auch in GWE IV, S. 153, 32) _ S. 108, 32: Jahren eben / Jahren, eben _ S. 109, 12: qualbestürmt, – so / qualbestürmt –, so _ S. 109, 13: Zermalmung, und sie / Zermalmung und sie _ S. 169, vor 1: den Schaffenden / die Schaffenden (ebenso S. 477, 10 u. 13) _ S. 169, 19: liegenblieben / liegen blieben _ S. 317, 8: auf Nuances / für Nuances (Erstdruck gemäß GWE III [S. 432, 31 f.], nicht in Lesarten auf S. 543) _ S. 317, 10: Artistenevangelium / tragische Evangelium (Erstdruck gemäß GWE III [S. 432, 33 f.], nicht in Lesarten auf S. 543) _ S. 459, 22: Welt.« / Welt« (kein Punkt) _ S. 490, 22: 28. März 1929 S. 6 / 28. März 1929 S. 8 _ S. 490, 29: 14. Juni 1929 S. 2 / 14. Juni 1929 S. 6 _ S. 490, 33: Scharlag / Scherlag _ S. 551, 29: Haltung / Haftung _ S. 551, 35: Verantwortlichkeit ... Eine / Verantwortlichkeit. (danach Absatz, keine Auslassungen) Eine

SW IV, S. 525, 12 u. S. 526, 37: man jetzt so will / man so jetzt will    zurück
35 
Die Entdecker der hier verzeichneten Druckfehler werden im Anschluss an deren Auflistung in Klammern mit Fundstellenhinweis genannt:

SW I, S. 356, 5: Martin Szyrocki / Marian Szyrocki (Ferdinand van Ingen. In: Deutsche Bücher 19 [1989], S. 68) _ S. 480, 13: sich / sie (Wolfgang Paulsen [Anm. 2], S. 358)

SW IV, S. 288, 31: nichts Anders / nichts Anderes _ S. 558, 14: zum einem Empfang / zu einem Empfang _ S. 608, 37: manifique / magnifique (allerdings auch in der verwendeten Druckvorlage falsch) _ S. 684, 31: Anfang an an / Anfang an (Wolfgang Paulsen. In: Literature, Music, Fine Arts 24 [1991], S. 42)

SW VII / 1, S. 322, 18: Aksese / Askese _ S. 331, 12: duch / durch _ S. 345, 19: Elilot / Eliot (Werner Pfister. In: Zürichsee-Zeitung vom 23. Dezember 2003)   zurück