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Neu-(k)alte Sachlichkeit

Herkunfts- und Wirkungslosigkeit eines Konzepts

  • Moritz Baßler / Ewout van der Knaap (Hg.): Die (k)alte Sachlichkeit. Herkunft und Wirkungen eines Konzepts. Würzburg: Königshausen & Neumann 2004. 295 S. Kartoniert. EUR (D) 29,00.
    ISBN: 3-8260-2812-0.
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Helmut Lethen –
Pionier der Neuen Sachlichkeit

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Der Sammelband Die (k)alte Sachlichkeit ehrt den Literatur- und Kulturwissenschaftler Helmut Lethen anlässlich dessen 65. Geburtstages. Lethen kommt der Verdienst zu, die »Neue Sachlichkeit« der Weimarer Republik einem größeren Publikum nicht nur zugänglich, sondern überhaupt erst bewusst gemacht zu haben. Seine Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, knüpfen an die bereits 1970 von Lethen veröffentlichte Untersuchung Neue Sachlichkeit 1924–1932. Studien zur Literatur des ›Weißen Sozialismus‹ an. Im Anschluss an Helmuth Plessners philosophische Gesellschaftskritik Grenzen der Gemeinschaft aus dem Jahr 1924 untersuchte Lethen die Diskrepanz »zwischen metallischem System und organischem Lebenssinn« 1 in der Weimarer Republik. Die verschiedenen Rollen von »Ikonen eines gepanzerten Ich« 2 zeichnete Lethen auf faszinierende Weise in den drei anthropologischen Paradigmen – Person, Typ, Kreatur – nach und öffnete damit die Ästhetik(en) der Weimarer Republik für völlig neuartige Einsichten und Bewertungen. Der Kult der Kälte, mit seinen vielfältigen Codierungen und Diskursivierungen als ein für Deutschland signifikantes historisches Phänomen zwischen den beiden Weltkriegen, hätte im Anschluss an Lethens Pionierarbeit zu einem neuen größeren Forschungsgebiet der Germanistik avancieren können. Eigenartigerweise blieb die eingehendere Erforschung des Weimarer Kults der Kälte (ausgenommen Lethens eigene Bemühungen in einer Reihe von Aufsätzen) jedoch weitgehend aus.

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Enthistorisierung und
methodischer Modernismus

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Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch der von Moritz Baßler und Ewout van der Knaap herausgegebene Band mit dem vielversprechenden Titel »Die (k)alte Sachlichkeit« eröffnet kaum innovative Perspektiven auf die Neue Sachlichkeit. Was hier unter dem Stichwort »Sachlichkeit« verhandelt wird, ist zum Teil nicht nur »alt«, sondern lässt auch weitgehend »kalt«. Die karge Einleitung sowie die ungefähre Einteilung (ohne Nummerierungen oder Rubrizierungen) der Aufsätze im Inhaltsverzeichnis lassen bereits erahnen, woran das Gesamtprojekt der »(k)alten Sachlichkeit« scheitert. Die Herausgeber konturieren keinerlei klare Linie, was unter »Sachlichkeit« genau zu verstehen ist. Vor allem berauben sie Lethens Entdeckung der eigentlichen Pointe, indem sie das Paradigma der ›Neuen Sachlichkeit‹ enthistorisieren. Dies befremdet umso mehr, als einer der beiden Herausgeber, Moritz Baßler, sich einen Ruf als differenziert arbeitender Archivar und Spezialist des New Historicism erworben hat. In der »Einleitung« liest man folgende Definition von »Sachlichkeit«:

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Sachlichkeit bezeichnet ein Set von Verfahren, Verfahren des Verhaltens ebenso wie des Erkennens und der Darstellung, insbesondere auch der künstlerischen Darstellung. Allen diesen Verfahren gemeinsam ist der Anspruch, einer Sache – der Natur, der Wirklichkeit, der Lage – angemessen zu sein, und zwar einer Sache, die von ihnen verschieden ist und ihnen vorausgeht. (S. 8)
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Was hier präsentiert wird, ist eine modernisierte Variante husserlianischer und heideggerianischer Phänomenologien (so behandeln gleich mehrere Aufsätze des Sammelbandes – hinlänglich bekannte – Grundlinien der phänomenologischen Philosophie). Der einstige Schlachtruf der Phänomenologen – ›Zu den Sachen selbst!‹ – gilt den Herausgebern anscheinend allen Ernstes als Garant dafür, dem Leser eine aktualisierte »(k)alte Sachlichkeit« anzubieten, die sich u.a. in allen möglichen Ausprägungen der Moderne – »Phänomenologie, Neue Sachlichkeit, Magischer Realismus, Sozialistischer Realismus, Nachkriegsliteratur, Neues Erzählen, Popliteratur etc.« (S. 7 f.) – gleichermaßen antreffen lassen soll. Dass bei einer derart vagen und nebulösen Vorgabe kaum etwas anderes zu Stande kommen kann, als ein recht beliebiges Sammelsurium von Beiträgen konträrster Provenienz, darf kaum verwundern. Die Herausgeber fassen den Inhalt des Bandes selbst wie folgt zusammen:

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Die (k)alte Sachlichkeit geht diesen Problemen an Fallbeispielen sachlicher und neusachlicher Philosophie, Verhaltenslehre, Literatur und Musik nach. In ihrer Vielfalt scheint eine breite Tradition ›sachlicher‹ Konzepte auf, die von Platon über Melville, Wordsworth, Marx, Engels, Mill, Freud und andere bis hin zu Husserls epochemachendem Versuch einer sachlichen Neubegründung des philosophischen Denkens reicht und die auch in der Neuen Sachlichkeit der Jahrhundertwende noch keineswegs ihr Ziel gefunden hat. Scheler, Simmel, Woolf, Plessner, Benjamin, Serner, Platonov, Strawinsky, Schmitt, Leo Strauss, Heidegger, Kracauer, Brecht, Bataille, Jünger und Klaus Mann stehen zwar zu Recht auch im Zentrum dieses Bandes, doch setzen sich die Probleme sachlichen Dichtens, Denkens und Lebens auch nach dem zweiten Weltkrieg ungebrochen fort, wie an Anders, Arendt, Canetti, Celan, Lévi-Strauss, Marcuse, Bumenberg, Foucault, Barthes, Heiner Müller, Pynchon, Rorty, Tišma, Agamben und Hornby gezeigt werden kann – und wie schließlich die Essays einiger Beiträge auf aktuellste Weise demonstrieren. (S. 8)
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Dass »(d)er Begriff der Neuen Sachlichkeit [...] schon mit Blick auf Kunst und Literatur der Weimarer Republik als notorisch unscharf gelten« soll, wie beispielsweise Heiner Hastedt in »›Neue Sachlichkeit‹ in der Philosophie des 20. Jahrhunderts« umstandslos behauptet, ist nicht nur ›sachlich‹ falsch, sondern ist angesichts des präzisen Standards, die der zu ehrende Jubilar vor gut zehn Jahren gesetzt hat, eine befremdliche Behauptung. Die Fehleinschätzung Hastedts steht aber keinesfalls vereinzelt da, es ließen sich an ihrer Stelle auch – beliebig – ähnliche fachliche Regressionen in Hinblick auf Lethens »Verhaltenslehren der Kälte« anführen. Sicherlich gab und gibt es auch vor und nach der Weimarer Sachlichkeit »Probleme sachlichen Dichtens, Denkens und Lebens«, denen die Herausgeber ein »Ziel« (welches, wird nicht erläutert) zuschreiben. In einem derart offenen Horizont ist jedoch die Lokalisierung eines klar konturierten Erkenntnisgegenstandes kaum mehr zu bewerkstelligen.

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Gebremstes Begehren, kühle
Zwischenräume

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Aktuell mögen manche der Aufsätze und Essays in der Tat sein. Sie befassen sich z.B. mit dem Terrorismus im Anschluss an den 11. September 2001, mit der Judenvernichtung von Novi Sad oder mit der Benjamin-Rezeption Giorgio Agambens. Mit einer kritischen Reflexion und Rezeption von Lethens Konzept der Neuen Sachlichkeit haben diese und die meisten anderen Beiträge jedoch kaum etwas zu tun, sodass es nicht verlohnt, sie in Hinblick auf das zentral zu diskutierende Paradigma zu resümieren (so interessant sie in vereinzelten Einsichten und Beobachtungen auch sein mögen). Einzig Rüdiger Safranski ist es mit seinem Auftaktessay »Der erkaltete Eros« innerhalb der großen Gruppe der eher unspezifischen Beiträge gelungen, einen indirekt erhellenden Scheinwerfer auf die »(k)alte Sachlichkeit« zu werfen. Indem er die Ambivalenzen des platonischen Eros ausleuchtet, tritt parallel ein wesentliches Kennzeichen der Neuen Sachlichkeit der Weimarer Republik (noch) deutlicher ans Licht. Die vermeintliche Kühle der ontologischen Abstandnahme impliziert keine gefühlsferne Kälte. Sie ist vielmehr Bedingung einer nicht-konsumierenden, sondern äußerst engagierten Liebe zum Leben im Modus der Schau des Schönen:

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Im Symbol des Wagenlenkers mit den zwei Rossen, von denen eines nach dieser Vermischung drängt und das andere scheu zurückbleibt, verdeutlicht Platon den erotischen Vorgang, bei dem erst das Zusammenspiel von Drang und Zurückhaltung die Schönheit erscheinen läßt. Der Trieb, der sich bloß vermischen will, würde es gar nicht dazu kommen lassen, daß sich ein Zwischenraum öffnet. Denn Zwischenräume entstehen durch Handlungshemmung, durch Ansichhalten. Das Entscheidende aber ist: nur in solchen Zwischenräumen eröffne sich eine Welt, die auch schön sein kann. Schönheit also zeigt sich nur dem gebremsten Begehren. [...] Sie verdankt sich dem Eros, oder, wie Freud sagen wird, der ›zielgehemmten Liebe‹. (S. 13 f.)
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Wenn denn unbedingt eine Entgrenzung von Sache und Begriff der Neuen Sachlichkeit angestrebt werden muss, dann kann sie nur gelingen, wenn sie, wie von Safranski vorgeführt, »als Fortsetzung des Eros mit anderen Mitteln« (S. 16) – und von daher mit einer signifikanten anachronistischen Ironie – in Szene gesetzt wird. Denn die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik bestach ebenfalls, wenn auch mit ganz eigenen Mitteln und letztlich anderen Intentionen, durch eine kühle Eleganz und ein geradezu geometrisches Formbewusstsein, die sich historisch weder zuvor noch im Anschluss in der gleichen Intensität beobachten lassen und gerade auch im komparatistischen Vergleich mit anderen Nationalkulturen sichtbar(er) werden.

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Die von Baßler und van der Knaap praktizierte (allzu) radikale Enthistorisierung der Neuen Sachlichkeit ist somit – vorsichtig formuliert – als problematische Entscheidung zu werten, die gleichsam parallel zur Abbildung des Frontispizes (das originelle Photo aus den zwanziger Jahren zeigt, wie ein flanierender Spaziergänger beim rückwärtigen Ausholen mit seinem Spazierstock diesen beinahe einer ihm nachschreitenden Dame ins Gesicht schlägt) den neusachlichen ›Schuss nach hinten los gehn lässt‹. Sicherlich macht es Sinn, die in der Weimarer Republik besonders dicht und komplex verhandelten Topoi der Kälte auch hinsichtlich ihrer Herkünfte und Rezeptionen zu diskutieren. Doch der Bezug zum historisch fundierten Paradigma sollte dabei nicht derart stark aus dem Blick geraten, wie es in den meisten Beiträgen des Sammelbandes bedauerlicherweise der Fall ist.

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Neusachliche Ethnographien,
Hörwinkel und Dingwelten

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Im Folgenden werden lediglich diejenigen vereinzelten Aufsätze des Sammelbandes, die sich explizit mit dem Konzept der »(k)alten Sachlichkeit« beschäftigen, in ihren Kernpunkten referiert.

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Eine der beiden Herausgeber, Ewout van der Knaap, widmet sich einer der spannendsten (Neu)Entdeckungen von Lethens Verhaltensweisen der Kälte, nämlich Walter Serners Hochstapler-Kultur. Während Lethen seine Darstellung weitgehend auf Serners Letzte Lockerung. Ein Handbrevier für Hochstapler und solche die es werden wollen begrenzt hatte, konzentriert sich van der Knaap auf den Text Die Tigerin. Eine absonderliche Liebesgeschichte. Van der Knaap setzt die von ihm mit Baßler in der Einleitung initiierte Konturenlosigkeit der neusachlichen Definition weiter fort. Demnach »hat Serner auf die Geschichte der Ästhetik einen erheblichen Einfluß gehabt« (S. 31), was auch im Folgenden nicht genauer erläutert wird. Vielmehr werden redundant typische Serner-Stereotypen bemüht:

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Die Thematisierung der Unaufrichtigkeit kann als Kritik an der in subkulturellen Strukturen verstrickten, sich selbst inszenierenden Boheme wie am gesellschaftlichen Glauben an Aufrichtigkeit interpretiert werden. [...] Die meisten neusachlichen Texte sind – sei es aus Objektivitäts- und Neutralitätsansprüchen, sei es aus ideologischen Erwägungen – jargonorientiert. (S. 34)
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Der Protagonist Fec scheitert in den Augen van der Knaaps als Repräsentant kalter Sachlichkeit, was auf der Ebene des Plots zweifelsfrei zutrifft, jedoch an den äußerst virtuosen sprachlichen Performanzen der neusachlichen Wortkunst Serners völlig vorbeiliest. Die Figuren in Serners Text inszenieren eine kühl-poietische Sachlichkeit, die sich in der insistierenden Variation der Semantik des »Machens« realisiert – und in eben diesem Anspruch reüssiert und zumindest nicht zur Gänze »scheitert« (vgl. hingegen S. 37 f.).

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Bereits an diesem einfachen Beispiel ließe sich zeigen, dass die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik keinesfalls in direkter Filiation zum Positivismus des 19. Jahrhunderts zu sehen ist. Das naturwissenschaftlich isolierte Detail interessiert die Neue Sachlichkeit ebenso wenig wie eine vermeintliche Authentizität, was gerade auch im Vergleich mit der zwar ähnlich, aber letztlich doch anders gelagerten sowjetischen ›kühlen‹ Ästhetik der zwanziger Jahre sichtbar wird, die Rainer Grübel sehr kenntnisreich analysiert. In seinem Aufsatz mit dem Titel »Der heiße Tod der Revolution und das alte Ende der sowjetischen Kommune. Mythopoietik und Neue Sachlichkeit in Andrej Platonovs negativer Utopie Čevengur« wird der Blick auf eine konstruktivistische Dingwelt eröffnet, welche die ihr eigene Spannung im Kontrast zu einem anthroposophischen Gemeinschaftskult erfährt. In dieser negativen Antithetik ist, anders als in den neusachlichen Konfigurationen der Weimarer Republik, für ethische Implikationen keinerlei Raum gegeben, sodass Grübels Fazit, die von ihm erörterten sowjetischen Texte und Diskurse und ihre »Empathie in die kühle Leere« als »ästhetische Konstruktion neuer Sachlichkeit« (S. 59) zu lesen, neu überdacht werden müsste.

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Auf der intermedialen Ebene bewegt sich Hartmut Möllers Aufsatz »Musikalische Nichtwärme. Anleitung zum Kälte-Hören in Strawinskys Petruschka«. Die musiktheoretischen Überlegungen setzen völlig zu Recht mit dem Hinweis darauf ein, dass der Kult der Kälte nicht als Mangel, sondern vielmehr als Existenz einer Nicht-Wärme zu konstatieren sei, was keinesfalls das Gleiche bedeute. Die »ausdrucksgereinigte Interpretation« (S. 62) der mechanisch orientierten Musikrezeption der zwanziger Jahre, so vermag der Autor nachzuweisen, entspringt einer ethisch versierten Verweigerung gegenüber gefühlsmanipulierenden Ideologien. So sei Strawinskys »rubatolose Musik« (S. 63), für die Möller eine Reihe fachspezifischer Beispiele anführt, jenseits aller Expressivität als eine stockende »Pendelbewegung zwischen den Polen« (S. 66) anzusehen. Dieses kongeniale Bild, in dem »Gefühlskälte und Sentimentalität zur Deckung kommen« (S. 67), exemplifiziert Möller überzeugend anhand von Petruschka, wo Puppen und Automaten neuartige »Hörwinkel der Kälte« (S. 70) vertonen. Trotz aller Überzeugungsarbeit auf der intermedialen Ebene, die Möller zweifelsohne leistet, bleibt dennoch auch in diesem Fall fraglich, ob die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik letztendlich nicht doch andere Akzente gesetzt hat, als die Kälte-Metaphorik des russischen Kontextes.

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Inka Mülder-Bach reperspektiviert in »Der Cineast als Ethnograph. Zur Prosa Siegfried Kracauers« die Schriften des Kinotheoretikers fernab redundanter Realismus-Debatten. Mülder-Bachs Aufsatz ist der einzig gelungene Versuch des Sammelbandes, die wiederholt bemühte husserlianische Epoché für den neusachlichen Kontext produktiv fruchtbar zu machen, indem sie das »Moment der Suspension« (S. 77) als das für die Neue Sachlichkeit relevante Kriterium deutlich hervorhebt. Die photographische Oberflächenästhetik bzw. optische Semiotisierung Kracauers zeichnet Mülder-Bach an einer Reihe von Einzelbeobachtungen nach, wobei es ihr gelingt, eine Ethnographie der neusachlichen Verschränkung von gesellschaftlich relevanter Ethik und ästhetischer Konfiguration sichtbar zu machen.

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Fazit

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Auch wenn man über »Herkunft« und »Wirkungen« des Konzepts der »(k)alten Sachlichkeit« insgesamt im hier präsentierten Sammelband (viel zu) wenig erfährt, weckt er gerade auf Grund seiner Mängel das Desiderat nach weiteren Publikationen zur neu-(k)alten Sachlichkeit. Eine Fülle von Phänomenen und Diskursen in diesem Bereich harrt weiterhin ihrer Würdigung und findet auch im vorliegenden Band keine Beachtung. So ist Irmgard Keuns Das kunstseidene Mädchen eine wahre Fundgrube für neusachliche Topoi, ähnlich spielen Thea Harbous Kitschromane mit Motiven neuer Sachlichkeit. Nicht zuletzt die Interaktion von Technik und Literatur / Kultur bleibt in der Forschung zur Neuen Sachlichkeit ein insgesamt eher vernachlässigtes Gebiet, ebenso wie die neusachliche Journalistik (u.a. in Die literarische Welt) oder Photoästhetik.

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Die elegant-kühlen Ästhetiken der Weimarer Republik sind für die Germanistik vielleicht gerade durch Lethens einschlägige Studien auf einen zu fernen Sockel gehoben worden. Weiter entfalten und erforschen lässt sich das Paradigma der Neuen Sachlichkeit allerdings nicht durch eine unzulässige Auflösung des Begriffs in alle möglichen Richtungen, wie der Sammelband Die (k)alte Sachlichkeit. Herkunft und Wirkungen eines Konzepts unfreiwillig beweist. Methodologisch wird hier einer bedenklichen, weil beliebig ausfasernden kulturwissenschaftlichen Variante Vorschub geleistet, die – bei aller notwendigen kulturpoetologischen Aufgeschlossenheit – im Vergleich zur bereits seit Jahrzehnten interdisziplinär arbeitenden Komparatistik regressiv wirkt.



Anmerkungen

Helmut Lethen: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt / M. 1994, S. 40.   zurück
Ebd., S. 41.   zurück