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Regina pecunia

Zur Kulturgeschichte des Geldes im Mittelalter

  • Klaus Grubmüller: Geld im Mittelalter. Wahrnehmung - Bewertung - Symbolik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005. 246 S. 29 s/w Abb. Gebunden. EUR (D) 59,90.
    ISBN: 3-534-18453-X.

Inhalt des Bandes

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Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen zum größeren Teil auf eine Tagung des Mittelalterlichen Arbeitskreises der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel im Jahr 2001 zurück, die in bemerkenswerter Weise die Bedeutung des Geldes von Mediävisten verschiedener Fachrichtungen abstecken ließ. Für die numismatischen Grundlagen wurde Bernd Kluge hinzugezogen; dann aber untersuchen Autoren anderer Fachdisziplinen historische, kunst- und literaturgeschichtliche und auch theologische Aspekte des Geldes. In diese kulturhistorischen Perspektiven von Geld im Mittelalter leitet einer der Herausgeber, Klaus Grubmüller, zu Beginn des Bandes ein (9–17).

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Bernd Kluge: Geld im Mittelalter – Numismatische Einführung (S. 18–33). In gekonnter Weise schafft Kluge es hier, den weiten Bogen vom Frühmittelalter zum Spätmittelalter zu spannen, in dem Münze und Geld eine enorme Entwicklung durchmachten. Vom wertvollen Goldgeld der Völkerwanderungszeit, das nur eine kleine Elite in der Hand hatte, geht die Entwicklung bis zum Kleingeld des späten Mittelalters, das – wenigstens in den Städten – wohl in jedermanns Hand war. Der Beitrag liefert den numismatischen Hintergrund, vor dem die weiteren Untersuchungen zu sehen sind. Da eine Einführung in das mittelalterliche Geld natürlich nur in reich illustrierter Form wirklich sinnvoll ist, erschien dieser Beitrag leicht verändert, vor allem aber opulent bebildert, an anderer Stelle als Monographie. 1

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Markus Stock: Von der Vergeltung zur Münze: Zur mittelalterlichen Vorgeschichte des Wortes Geld (S. 34–51). In seinem sprachwissenschaftlichen Beitrag nähert sich Stock dem Wort gelt (mittelhochdeutsch) bzw. Geld (neuhochdeutsch) an. Seine Ursprünge liegen in Bedeutungen wie ›Lohn‹, ›Vergeltung‹ oder ›Entgelt‹ im rechtlichen Kontext, die Bedeutung erweitert sich, z.B. zum wirtschaftlichen Ertrag. Der Weg führt dann zur neuhochdeutschen Bedeutung eines allgemeinen Tauschmittels, also von der zu begleichenden Leistung zum Mittel und Wert dieser Leistung. Hier liegt jedoch keine stringente Entwicklung vor; die Beispiele, die Stock zitiert, belegen eher eine Vielfalt von Nuancen, die bei der Bedeutung dieses Wortes zu beobachten sind. – Stock zitiert das Perner gelt, das bei Hugo von Montfort (1357–1423) für ›etwas von geringem Wert‹ steht (42); die Bezeichnung Berner kommt aber nicht von Bern, sondern von Verona, steht für die geringwertigen und leichten oberitalienischen Pfennige und ist in der Numismatik die übliche Bezeichnung für diese Münzsorte.

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Peter Schmidt: Mittelalterliche Münzen und Herrscherporträt. Probleme der Bildnisforschung (S. 52–90). Anhand von zwei Beispielen, den Augustalen Friedrichs II. und den Porträtdenaren Karls des Großen, diskutiert Schmidt, ausgehend von Ergebnissen der Porträtforschung im Rahmen der Archäologie, die Frage der Interpretation dieser Herrscherdarstellungen. Haben sie den vordergründigen Anspruch, den Herrscher realistisch wiederzugeben, wie er aussah, war also Ähnlichkeit das Anliegen? Oder hat das Porträt andere Absichten, übermittelt es dem Betrachter andere Aussagen über den Dargestellten, z.B. über sein Wesen, seinen Charakter, seine Tugenden? Ähnlichkeit wäre dafür nicht nötig. Was in der antiken Numismatik längst Allgemeingut ist, hebt hier Schmidt ganz richtig auch fürs Mittelalter hervor: Die Münze in ihrer Funktion als Massenmedium. Weder einzelne große Kunstwerke noch höchstrangige Werke der Buchmalerei bekam die große Menge der Bevölkerung jemals zu Gesicht. Die erwähnten Münzsorten dagegen erreichten immerhin gewisse Bevölkerungskreise, auch wenn sie nicht in jedermanns Hand waren. Gerade diese Beobachtung ist ein starkes Argument für die Forderung von Schmidt, die Kunstgeschichte solle diese Werke endlich auch zur Kenntnis zu nehmen.

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Hermann Kamp: Gutes Geld und böses Geld. Die Anfänge der Geldwirtschaft und der Gabentausch im hohen Mittelalter (S. 91–112). An prägnanten Beispielen zeigt Kamp, daß im 11. und 12. Jahrhundert die große Politik bereits stark auf dem Geld aufbaute, Beziehungen sich oftmals in der Bezahlung von Geldbeträgen manifestierten. Nun verfolgt Kamp die Frage, welchen Ruf das Geld und die Geldzahlungen hatten. Politische Zahlungen waren zunächst prinzipiell akzeptiert. Erst wenn Zahlungen der Grund für Fehlverhalten waren (Bestechung, Korruption, Auftragsmord, Veruntreuung), wendete sich das Blatt: Geld läßt die Menschen Gerechtigkeit und Treue vergessen, es bedroht den sozialen Zusammenhalt. Den konkreten Zahlungen ist allerdings ihr Zweck oder ihre Absicht nur mit Einschränkung anzusehen. Trotz solcher negativer Konnotationen wird auch die Kultur der politischen Gabe im hohen Mittelalter vom Geld ergriffen; die Investition großer Geldbeträge in politische und persönliche Beziehungen demonstrierte, daß genug Geld vorhanden war – und wie wenig es im Vergleich zu Ehre, Treue und Recht bedeutete.

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Knut Görich: Geld und Ehre: Friedrich Barbarossa (S. 113–134). In eine ähnliche Richtung zielt die Untersuchung von Görich, der die Rolle des Geldes in der Politik Friedrich Barbarossas beleuchtet. Geldzahlungen an den Kaiser und seine Umgebung wurden eingesetzt, um diesen Kreis für ein Anliegen gewogen zu machen. Das war aber kein Automatismus – so war auch trotz einer Zahlung eine gegenteilige Entscheidung beteiligter Personen möglich, wenn auch von den Zahlenden freilich nicht erwünscht. Kritik an diesem Einfluß des Geldes wird in der Regel nur von der unterlegenen Seite geäußert, sie ist also verständlich. Ansonsten wird das System von verschiedensten Seiten angewandt, ja, man versucht den Kontrahenten zu überbieten, um sein Anliegen durchzusetzen. Wenn solche Vorgänge aber beurkundet wurden, so tauchen die bezahlten Geldsummen selten auf. War also die gewünschte Optik nicht, daß der Kaiser gegen Geld seine Gunst verteilt, sondern sollte sie als eine freiwillige Gabe des Kaisers erscheinen? Geldforderungen an den Kaiser widersprachen seiner Ehre und wurden zurückgewiesen. War Barbarossa also käuflich? Geldzahlungen an der Kaiser waren oft ein letzter Schritt in einer längeren Auseinandersetzung, um deren Beilegung man sich bemühte. Zentraler Punkt war hier aber nicht Geld, sondern die symbolische Unterwerfung vor dem Kaiser, also die sichtbare Unterordnung unter den Willen des Kaisers.

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Ulrich Rehm: Avarus non implebitur pecunia. Geldgier in Bildern des Mittelalters (S. 135–181). Avaritia, Habsucht, Geiz oder eben Geldgier, die Gier nach Geld, verfolgt Rehm in ihren Darstellungen in Buchmalerei und Bauplastik. Bei Darstellungen des toten Judas quillt nicht nur das Gedärm aus ihm, sondern auch die Münzen fallen aus dem geplatzten Geldgürtel und erhalten dadurch eine ähnliche Konnotation. Die avaritia oder Geldgier nun rafft mit ihrer krallenartigen Hand das Geld und andere am Boden liegende Wertgegenstände zusammen; den gefüllten Geldbeutel drückt sie an sich, oder er hängt ihr um den Hals, um zu verdeutlichen, wie er sie zum Sklaven macht. Sogar in den Rachen werden ihr die (teils glühenden) Münzen geschüttet, selbst vor dem Herzen machen die Münzen nicht halt. Operatio packt die avaritia an der Gurgel, um sie zu töten und dann ihre Reichtümer an die Bedürftigen zu verteilen. Sodann wird das Thema noch ausgeweitet auf den Wucher, die angebliche Geldgier der Juden, auf Judas Ischariot, auf Gelddelikte von Geistlichen, schließlich auf die Rolle des Geldes als Tor zur Hölle.

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Dieter Kartschoke: Regina pecunia, dominus nummus, her phenninc. Geld und Satire oder die Macht der Tradition (S. 182–203). Die Literatur des 12. bis 16. Jahrhunderts erwähnt Beispiele für den Geldverkehr mit rechter Selbstverständlichkeit; hier werden Beträge genannt, mit dem Geld wird gewirtschaftet und Geld verdient. Didaktische und satirische Literatur des Mittelalters klingt da ganz anders; sie äußert sich zweifelnd und hinterfragt die Rolle des Geldes in der Welt kritisch: In terra nummus rex est hoc tempore summus (Carmina Burana). Die Verfremdung religiöser Texte zur Kritik an der Rolle des Geldes scheint geradezu blasphemisch: Es steht geschrieben im Evangelium der h. Mark Silbers (aus dem sog. Geldevangelium). Die volkssprachlichen Geldgedichte sind da harmloser, aber auch sie spielen auf die Funktionen des Geldes an: Pfennincsalbe wunder tuot (Freidank). Die negative Macht des Geldes wird beklagt. Diese Äußerungen sprechen meist nicht vom abstrakten Geld, sondern vom konkreten (Herrn) Pfennig; das Geld verselbständigt sich also in seiner Person, die handelt und spricht. In der mittelalterlichen Literatur steht also die wirtschaftlich-realistische Erwähnung von Geld neben einer Vielfalt von didaktisch-ironischen Erwähnungen, in denen oftmals nicht mehr der Mensch mit dem Geld, sondern das personifizierte Geld mit dem Menschen handelt.

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Paul Gerhard Schmidt: Nummus vincit, regnat, imperat. Caesarius von Heisterbach über zisterziensische avaritia (S. 204–215). Die süddeutschen Zisterzienser erreichten durch geschicktes Wirtschaften, verbunden mit Privilegien im Handel, schnell einen nennenswerten Wohlstand. In seinem Dialogus miraculorum geht der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach (um 1180 – nach 1240) kritisch auf die Gier nach Geld, die avaritia, ein. Seine Geschichten schildern Fälle, in denen sich Klosterbrüder zu einseitig dem wirtschaftlichen Erfolg des Klosters widmen – teils sogar auf illegale Weise –, während das Seelenheil und die Gerechtigkeit zu kurz kommen. Damit schreibt Caesarius gegen die Habsucht seines Ordens an.

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Roberto Lambertini: Das Geld und sein Gebrauch. Pecunia im Streit zwischen Michael von Cesena und Papst Johannes XXII. (S. 216–244). In der Auseinandersetzung zwischen dem Franziskanerorden mit Michael von Cesena († 1342) an der Spitze und Papst Johannes XXII. (1316–1334) im sog. Armutsstreit, also in der Frage, ob wirklich – wie von den Franziskanern behauptet – auch Christus und die Apostel kein individuelles Eigentum besessen hätten, wird auch auf das von Lukas und Matthäus unterschiedlich überlieferte Gleichnis von den Pfunden bzw. von den Talenten Bezug genommen. Hier geht es also um die Rolle des Geldes und des Umgangs mit ihm; ihre Analyse verspricht interessante Ergebnisse. Die zentralen Aspekte sind hier: Sind der Gebrauch des Geldes und das Eigentum daran voneinander zu trennen oder untrennbar verbunden? Ist Geld ein Gut, das durch den Gebrauch verbraucht wird, ähnlich wie es Lebensmittel sind? Lambertini verfolgt in den Schriften der beiden Parteien die Diskussionen über diese Fragen und die Folgerungen, die daraus zu ziehen sind.

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Kleine Mängel beeinträchtigen die Verwendung des Buches: So hätten die Abbildungen eine etwas größere Wiedergabe auf besserem Papier verdient. Ein Verzeichnis der Autoren wäre in einem so interdisziplinärem Band für den Leser eine nützliche Ergänzung und Orientierung. Bei den Querverweisen in den Fußnoten gibt es Unstimmigkeiten (so z.B. S. 17, Anm. 14; S. 33, Anm. 9).

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Der vorliegende Band ist in keiner Hinsicht ein numismatisches Buch. Hier geht es nicht um Geldgeschichte, sondern die kulturgeschichtliche Bedeutung des Geldes wird von verschiedensten Blickwinkeln her betrachtet. Somit ist der Band ein überaus spannender Beitrag zur Rolle von Geld in der mittelalterlichen Gesellschaft, jedoch nicht zu seiner Rolle als Zahlungsmittel, sondern zu seinem Stellenwert in Kunst, Literatur, Philosophie und Kirche.



Anmerkungen

Bernd Kluge: Münze und Geld im Mittelalter. Eine numismatische Skizze. Frankfurt/M.: Peus 2004.   zurück