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Großartiges Plädoyer für eine
ernstzunehmende Kunstform:

Stephan Packards bahnbrechende Untersuchung der Strukturen im Comic

  • Stephan Packard: Anatomie des Comics. Psychosemiotische Medienanalyse. (Münchener Universitätsschriften. Münchener Komparatistische Studien) Göttingen: Wallstein 2006. 352 S. 97 s/w Abb. Kartoniert. EUR (D) 36,00.
    ISBN: 978-3-8353-0033-0.
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An deutschen Universitäten geschweige denn an Schulen wird man – wenn überhaupt, dann nur äußerst selten – Kurse oder Unterrichtseinheiten über die Kunstform Comic oder Comicrezeption antreffen. Entsprechend verdienstvoll ist die kleine, zwanzigbändige Serie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Meisterwerke wie Will Eisners autobiographische Comicerzählung Zum Herzen des Sturms, Alan Moores und Brian Bollands Batman – The Killing Joke oder Cortomaltese von Hugo Pratt einem breiteren Publikum vielleicht erstmals nahe brachten – obwohl die Einrichtung der Bände selbst oft katstrophal ist (eine Verkleinerung der Originalseite wie bei Charlier / Girauds Blueberry-Comic verbietet sich eigentlich, von der indiskutablen farbdrucktechnischen Umsetzung fast aller Bände ganz zu schweigen). Auch auf theoretischem Gebiet hat sich einiges getan, spätestens seit Scott McClouds vorzüglichem Comic über Comics Understanding Comics 1 .

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Stephan Packards Buch über die Anatomie des Comics scheint sich also auf den ersten Blick auf einem Gebiet zu bewegen, dass zum einen nicht sonderlich anspruchsvoll und zum anderen vor allem auch theoretisch gesehen gut erschlossen ist.

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Doch ist dies ein Trugschluss. Wer sich in Zukunft mit Comics beschäftigen will, wird an Packards Buch nicht vorbeikommen, nicht nur deshalb, weil er McClouds Überlegungen an entscheidenden Stellen korrigiert. Er stellt nicht nur ein neues Instrumentarium für das genauere Verständnis von Comics zur Verfügung, sondern eröffnet ex negativo neue Möglichkeiten, Prosa, aber auch Filme und Computerspiele in ihrer spezifischen Anlage in bzw. durch ihre Abgrenzung zum Comic genauer zu verstehen. Packard erläutert seine theoretischen Überlegungen im Verlauf des Buches anhand vieler Beispiele und krönt den Band mit drei beeindruckenden Einzelanalysen. Die zum großen Teil sehr anspruchsvollen theoretischen Überlegungen sind also niemals (wie sonst allzu oft) Selbstzweck oder schweben im luftleeren Raum, sondern werden am Ende (und im ganzen Verlauf des Buches) am Einzelfall überprüft.

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Das neue Instrumentarium

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Packards Buch ist in neun Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel umreißt sein Verständnis von Jacques Lacans Psychosemiotik. Unter Psychosemiotik versteht er einen

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Ansatz zur Analyse von Medien, Kunstformen und einzelnen Texten, der Bewußtseins- und Seelenvorgänge als Zeichenprozesse beschreibt, und dessen semiotische Begriffsbildung wiederum aus Annahmen über die besondere Weise der menschlichen Psyche, mit Zeichen umzugehen, motiviert ist. (S. 17)
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In Abgleichung mit Untersuchungen Jean-Paul Sartres führt Packard Spencer Browns Festlegung der Notation von Untersuchungsergebnissen in Form eines Graphen für die Diskussion ein: Ein cross in einem solchen Graphen

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markiert einerseits die Grenzen der von ihm eingeschlossenen, aus der Ebene des unmarkierten Raumes herausgestanzten Elemente, kann aber zugleich mehrmals in sich ›wiedereintreten‹; das heißt, der gesamte Inhalt eines solchen cross wird beim sogenannten Re-entry an spezifizierten Stellen in seinem Inneren unter einem neuen cross wiederholt. (S. 63)
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Diese Funktionalisierung des Re-entry (also des Wiedereintretens des Graphen in sich selbst) ist für die weitere Untersuchung von großer Wichtigkeit, da solche Strukturen besonders im Comic häufig anzutreffen sind.

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Im zweiten Kapitel, das allgemein hinterfragt, was überhaupt ein Comic ist, finden sich einige der wichtigsten Ergebnisse des Bandes. Anders als Will Eisner (oder Scott McCloud) versteht Packard Comics nämlich nicht als rein sequenzielle Kunst, die qua Sequenz zeitliche Abläufe darstellt, sondern unterscheidet zwischen einer primären Hybridisierung (die Zusammenfassung verschiedener einzelner ›Bilder‹ oder Panels zu einer Panelfolge mit einem Anfang und einem Ende, also zu einer Makrostruktur 2 ) und einer sekundären Hybridisierung (d.h. der Zusammenfassung von Bild und Schrift zu einer Proposition).

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Das dritte Kapitel behandelt im Zusammenhang mit Comic Schlussformen wie die Deduktion (von einem Fall und einer Regel wird auf ein Ergebnis geschlossen: Donald Duck wird als Donald Duck erkannt, vgl. S. 104), Induktion (ein Panel wird zum voll entwickelten Zeichen interpretiert, indem man das Panel mit anderen Panels vergleicht, vgl. S. 114) und Abduktion (die Abduktion spielt eine Rolle in der Comicrezeption dort, »wo die Existenz von Einzeldingen aufgrund einzelner Zeichen unterstellt werden muß«, S. 343).

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Das vierte Kapitel führt den wichtigen Begriff des dritten Zeichenraums ein: Es ist möglich, dass, obwohl »notwendige semiotische Funktionen« des Zeichens »bereits erfüllt« sind, diesem Zeichen weitere Zeichen angeschlossen werden (S. 345). Ein Beispiel: Donald Duck ist eine Ente. Der Cartoon ähnelt also »zusätzlich noch einem Vorbild, das jedoch für die spezifische Funktionsweise dieses Zeichens unerheblich ist«. Gerade dadurch werde aber die Ausschöpfung eines Mehrwerts erst möglich, denn dieser »verhält sich parasitär zur notwendigen Semiose und bietet einen dritten Raum für die Verwirklichung poetischer Effekte« (S. 140).

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Besonders ergiebig sind Packards Ausführungen über den Charakter dieser Cartoons: Darth Vader, den man eigentlich nur als Maske kennt, ist, so könnte man sagen, ein offener Cartoon. Auf die Frage, welche Figur aus Star Wars dem einzelnen am meisten im Gedächtnis haften geblieben ist, wird man wohl meist ihn genannt bekommen, da im Zusammenhang mit dieser Figur die »imitative Identifikation« (S. 290) durch das Cartoon-Sein am stärksten ausgeprägt ist. Ebenso sind Spiderman und Batman, »sobald sie die Maske übergestreift haben, reine Cartoons«. Entsprechend wird in solchen Superhelden-Comics dann auch die »Cartoonisierung des gesamten Körpers« vollzogen. Befinden sich die Superhelden wie so häufig in Bewegung, »verlängern und vergrößern sich Körperteile, um die Bewegungsrichtung und -intensität auszudrücken« (S. 142 f.). Die Masken und die seltsame Körpersprache sind also kein Manko des Mediums, sondern demonstrieren im Gegenteil seine Stärke, Körperimagination im Lacanschen Sinne hervorzubringen.

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Das fünfte Kapitel weitet die Untersuchung auf die Darstellung von Raum und Zeit im Comic aus und diskutiert dies im Zusammenhang einer einleuchtenden Rekonstruktion des Bachtinschen Begriff »Chronotopos« als Abbildung von Zeit im Raum.

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Im sechsten Kapitel werden Vagheit und Uneigentlichkeit behandelt (kann es im Comic Metaphern geben?) sowie die Tiefe des Cartoons diskutiert (Tiefe bedeutet, dass weitere, neue Details zum Cartoon hinzutreten können, die durch ein cross im Graphen dargestellt werden können): Onkel Dagobert bekommt plötzlich eine (für Enten schlicht untypische) Zunge, die ihm, während er vor Anstrengung hechelt, aus dem Schnabel hängt.

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Schrift als Comic-Bestandteil bildet das Hauptthema des siebten Kapitels: Schrift ist mächtiger als das Bild, denn sie ist im Unterschied zum Cartoon abstrakt fassbar, lässt sich (vergleichsweise) vollständig verstehen, lässt sich nicht abkürzen oder auslassen und gehorcht eindeutig einem links-rechts-Schema (vgl. S 265).

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Im achten Kapitel werden Abgrenzungen zu anderen medial verankerten Künsten gezogen. Sätze sind keine sequenzielle Kunst im Sinne Packards, da man sie anders als Macropanels nicht auf einen Blick überschauen kann; die Hybridisierung im Film (Bild an Bild an Bild und Bild und Sprache) lässt sich nicht durch pures Nachdenken auflösen; Fotoromane verfügen streng genommen über gar keine Cartoons 3 ; im Computerspiel legt der Spieler den Charakter des Protagonisten (oft) selbst fest und wird nicht zu körperimaginationsartigen Übertragungen genötigt.

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Das neunte Kapitel schließt mit drei glänzenden Kurzinterpretationen von einzelnen Comic-Werken ab, nämlich mit einer Untersuchung von Sandman X von Neil Gaiman (es geht dabei um Re-entries zwischen Macropanel und leerem Innenraum; der Schriftgraph gerät erst nach und nach immer weiter in die Ordnung des Panels hinein), dem Einblattcomic Alice im Wunderland von Thomas Ott (der Leser wird zu Körperimagination genötigt) sowie eine neue Sichtweise des Superhelden Captain America als wuchernde Auflösung des Comic.

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Probleme:
Hirnphysiologie, zweiwertige Logik
und logisch leerer Raum

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Eine solche Verankerung des theoretischen Rüstzeugs in der Zusammentragung von Ausführungen Bachtins, Freuds, Lacans, Peirces, Sartres, Spencer Browns und anderen bietet Vorteile, denn dem Leser wird schnell klar, welche Kategorien wo wie warum eingeführt und angewendet werden.

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Doch gleichzeitig zeigt sich ein letztlich unvermeidbares Problem, dass nämlich in der Anwendung bestimmter fremder Theorieausschnitte die mit dem jeweiligen Theorem verbundenen theoretischen Schwierigkeiten als unter Umständen höchst problematisches Erbe mit übernommen werden. Versteht Packard Lacan als jemanden, der real »Bewußtseins -und Seelenvorgänge« zu beschreiben in der Lage ist, handelt er sich allergrößte Folgekosten ein. Wie Freuds Psychoanalyse ist Lacans Theorie nicht hirnphysiologisch fundiert, sondern ist letzten Endes ein Modell, das sich in der Anwendung als mehr oder weniger angemessen herausstellen muss. Hirnphysiologisch verankerte Erkenntnisse über die spezifische Form von Erinnerung z.B. an traumatische Ereignisse liegen heute mindestens ansatzweise vor. Solche Ergebnisse müssten aber im Zusammenhang mit Lacan zumindest diskutiert werden. Es stellt sich sehr die Frage, ob Lacans Erklärungen tatsächlich die »besondere Weise der menschlichen Psyche, mit Zeichen umzugehen«, erschöpfend beschreiben.

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Ähnlich problematisch sind Packards Ausführungen über sich ändernde Qualitäten. Seiner Ansicht nach lässt sich eine Änderung als plötzliche Änderung beschreiben: Die Änderung einer Qualität (wie: »grün« zu sein) muss nach seiner Definition ein neues cross im Graphen erzwingen. Doch geht Packard hier von einem geradezu platonischen Verständnis von Qualitäten als »Grünheit« aus:

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Die reine Qualität einer Wahrnehmung, etwa GRÜN, kann durch die Kategorie der Ähnlichkeit über dieselbe Qualität nur auf solche Elemente verweisen, die dieselbe Qualität teilen, die also wiederum grün sind, und die sie nicht in konkreten Gegenständen repräsentieren, sondern auf die reine Qualität als solche reduzieren – das ist nichts anderes als die Qualität GRÜN selbst. GRÜN bleibt GRÜN, Punkt liegt über Punkt. (S. 51)
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Hier liegt jedoch eine Vereinfachung vor: Das unendlich komplizierte Farbkontinuum wird aus Gründen der Einfachheit auf eindeutige Qualitäten verengt. Wollen wir über einen Gegenstand sprechen, so sind wir gezwungen, eine Grenze zu ziehen (nämlich die Grenze zwischen GRÜN und NICHT-GRÜN). Über die Probleme einer solchen zweiwertigen Logik ist viel diskutiert worden. An dieser Stelle mag es genügen, auf die damit verbundene logische Vereinfachung einzugehen: Ernst Tugendhat führt aus, dass dann, wenn »der Informationswert einer Prädikation darin besteht, dass der Gegenstand durch sie auf die eine statt auf die andere Seite der Linie gesetzt wird [also entweder GRÜN oder NICHT-GRÜN ist]«, daraus unmittelbar folgt, »daß wenn wir den Gegenstand sowohl auf die eine als auch auf die andere Seite der Linie setzen [ihn also gleichzeitig als GRÜN und NICHT-GRÜN erklären], der Informationswert der Aussage gleich null ist«, denn es wurde im letzteren Fall das Gesetz vom ausgeschlossen Dritten verletzt: Jeder Gegenstand ist entweder grün oder nicht – und nichts drittes. Doch ist die Grenzziehung willkürlich und hat mit der realen Farbverteilung nur bedingt zu tun (es gibt hunderttausende Grüns). 4 Nimmt man das Argument ernst, bekommt Packard Schwierigkeiten, denn auf dieser zweiwertigen, eindeutig trennenden Logik beruht die Struktur der von ihm verwendeten Graphen.

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Ein weiteres Beispiel: Von Peirce übernimmt Packard das Konstrukt eines logisch neutralen Raums oder der Folie im Comic, in dem der Comic entfaltet werde (der Graph stanzt Ordnung aus dem logisch freien Raum heraus). Doch ist dieser Raum tatsächlich leer? Unterschätzt Packard nicht den so genannten gutter oder Rinnstein, also die leere Fläche (er würde sagen: die leere Folie) zwischen den einzelnen Panels, die selbst aber semantisch aufgeladen werden kann? Er schreibt:

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Eine weitere Form, die unter ihren eigenen Tiefen auch die Graphen des Cartoons, Objekte und Räume umfaßt, ist schließlich die Panellinie. Auf ihren sehr frei besetzbaren Folien emergieren sowohl ikonische als auch schriftsprachliche Zeichen, die sich den logischen Raum mit jenen Domänen teilen. (S. 160)
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Anscheinend treten die einzelnen Panels also aus dem logischen, noch nicht belegten Raum hervor und lassen erst nachträglich Grenzen entstehen. Doch ist das tatsächlich so?

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Zwei Beispiele demonstrieren die Schwierigkeiten, die mit dieser Vorentscheidung verbunden sind. In Batman – The Killing Joke 5 wird häufig ohne vorbereitenden Hinweis bei dem Übergang von einer rechten Seite nach dem Umblättern auf die linke Seite auch inhaltlich gesehen ein radikaler Sprung vollzogen: Die folgende Seite blendet etwa in die Vergangenheit zurück. Dabei geschieht die Verknüpfung durch Wiederaufnahme von Motiven aus der Schilderung der Gegenwart in der nun folgenden Schilderung der Vergangenheit (es gibt wohl keine andere Kunstform, die filmisch gesprochen einen Schnitt ohne Schnitt bzw. ohne expliziten Erzählerkommentar ausführen kann). Der Leser braucht nun einige Panels, um sich (z.B. durch das veränderte Aussehen der Protagonisten) wieder zurechtzufinden. Wichtig ist jedoch, dass der Bruch in der Zeitenabfolge gleichzeitig mit dem Umwenden der Seite passiert. Auf S. 15 sieht man unten rechts auf dem letzten Panel den Joker an einem Kneipentisch, wendet die Seite – und sieht den Joker an einem Kneipentisch, jedoch Jahre vor seiner Metamorphose. Die Autoren haben also den Macropanel so angelegt, dass das Wenden der Seite den Leser in die Vergangenheit katapultiert. Nach einigen dieser Verunsicherungen dürfte der Leser vergleichsweise vorsichtig umblättern. 6

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Besonders eindrücklich geschieht ein solcher qualitativer Sprung vom Wechsel von S. 13 auf S. 14 in diesem Comic: Die Tochter Commissioner Gordons unterhält sich mit ihrem Vater, hört ein Klingeln an der Tür, geht zur Tür, öffnet diese Tür (streng genommen in der Zeit, in der der Leser die Seite wendet, der Leser öffnet also sozusagen die Tür selbst) – und da steht völlig unerwartet der Joker links oben im ersten Panel der neuen Seite. Die Seite ist also in beiden Fällen alles andere als ein »logisch leerer Raum«.

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Auch eine Struktur wie in Batman – The Dark Knight Returns 7 dürfte Packard mit seinem Konstrukt eines logisch leeren Raumes Probleme bereiten. Dort wird gezeigt, wie der gealterte Bruce Wayne alias Batman vor dem Fernseher sitzt und jenen alten Film sieht, den er mit seinen Eltern Jahrzehnte zuvor im Kino sah, kurz bevor beide umgebracht wurden. Die Panels werden in vier mal vier Panels pro Seite geordnet. Traumatheoretisch gesehen erlebt Wayne ein Flashback: Er durchlebt die Mordszene neu, kann ihr psychisch nicht entkommen. Verzweifelt stürzt er in einer riesigen Halle eine Statue um – doch ist im Hintergrund stilisiert die 4 mal 4-Struktur der Panelanordnung auf der Seite als Fensterrahmen weiter zu erkennen. Schließlich wird die Staffelung der Panels in das Panel selbst hinein genommen, d.h. die Schatten der Fensterkreuze (vier Rechtecke) liegen im Bild. Am Ende wird die 4 mal 4-Struktur der Fenster durch eine Fledermaus zerstört, die durch die Schreiben bricht 8 . Im Verlauf des Comics tauchen dann in entscheidenden Situationen die 4er oder 4 mal 4er-Staffelung der Panels mit Kurzzitaten aus dieser Sequenz wieder auf: Die Struktur ist unausweichlich wie ein Flashback. Die Seite ist also auch hier alles andere als ein »logisch leerer Raum«.

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Äußerlichkeiten und Fazit

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Zwei technische Kleinigkeiten stören im (ansonsten vom Wallstein-Verlag vorbildlich betreuten und gestalteten) Buch. Zwar bietet der Band ein Glossar, dass die wichtigsten (d.h. vor allem: die neu eingeführten) Begriffe noch einmal erläutert. Ein Personenregister hilft zusätzlich bei der Orientierung. Doch fehlt schmerzlich ein Sachwortregister, das die Verwendung der z.B. im Glossar genannten Begriffe im Buch jeweils an den entsprechenden Stellen auffindbar machen würde. Ärgerlich ist zudem die Anlage des Literaturverzeichnisses (»Scott McCloud. Understanding Comics«, aber nicht »McCloud, Scott. Understanding Comics«, man wird also gezwungen, immer den gesamten Vornamen und Nachnamen zu lesen, um feststellen zu können, an welcher Stelle im Verzeichnis man sich gerade befindet).

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Doch können diese Unerfreulichkeiten neben der zumindest problematisierbaren theoretischen Überlastung den Wert der brillanten Untersuchung nicht schmälern: Jeder, der sich in Zukunft mit dem Phänomen des Comics ernsthaft auseinandersetzen will, wird zu diesem ebenso originellen wie weiterführenden Band greifen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass Packard weitere und umfangreichere Einzelinterpretationen großer Werke des Comics veröffentlichen wird.

 
 

Anmerkungen

Vgl. die deutsche Übersetzung Scott McCloud: Comics richtig lesen. Hamburg: Carlsen 2004.   zurück
Die Frage, wo und warum bei einer Bilderfolge im Comic ein Anfang und ein Ende gesetzt werden kann und soll, wurde bisher – soweit mir dies bekannt ist – noch niemals problematisiert.   zurück
Dies gibt Argumente an die Hand, unbefriedigende Gemälde-Comics (z.B. Alex Ross und Paul Dini: Batman. Krieg dem Verbrechen. Hamburg: Carlsen 2000) derartig theoretisch unterfüttert zu kritisieren: Die pseudorealistischen Gemälde ermöglichen keinen dritten Zeichenraum und sind in keiner Weise cartoonartig.   zurück
Ernst Tugendhat und Ursula Wolf: Logisch-semantische Propädeutik. Stuttgart: Reclam 1993, S. 58 f.   zurück
In deutscher Übersetzung Alan Moore und Brian Bolland: »Lächeln, bitte!«. Hamburg: Carlsen 1990.   zurück
Aus diesem Grunde ist der Wiederabdruck von Batman – The Killing Joke im siebten Band der Comic-Reihe der FAZ schlicht indiskutabel, weil aus Gründen des Anschlusses bzw. der Platzersparnis der Comic nicht wie im Original auf einer linken, sondern auf einer rechten Seite beginnt und so diese Effekte verunmöglicht wurden: Das Öffnen der Tür oder der Zeitsprung geschehen also hier anders als im Original nicht parallel zum Seitenwechsel, sondern beim Wandern des Blicks vom letzten Panel der linken zum ersten Panel der gegenüberliegenden, offen daliegenden rechten Seite. Man stelle sich vor, in einem Band über Da Vincis Mona Lisa würde diese immer seitenverkehrt abgedruckt .   zurück
Frank Miller (mit Klaus Janson und Lynn Varley): Batman: The Dark Knight Returns. New York: DC Comics 1986 / 2002, S. 21–26.   zurück
Vgl. hierzu ausführlicher Hannes Fricke: Das hört nie auf. Trauma, Literatur und Empathie. Göttingen: Wallstein 2004, S. 29–37.   zurück