Die Wiederentdeckung Gutzkows
Das literarische Werk von Karl Ferdinand Gutzkow (1811-1878) erlebt derzeit auf dem deutschen Literaturmarkt eine beachtliche Renaissance.
Innerhalb von nur einem Jahr erschienen im Verlag Zweitausendeins in der augenfällig gestalteten Reihe Haidnische Alterthümer. Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts die literaturkritischen und politischen Schriften des Publizisten Gutzkow sowie eine Neuauflage einer seiner bekanntesten Romane Die Ritter vom Geiste, herausgegeben von den Germanisten Adrian Hummel und Thomas Neumann. Gleichfalls im Jahr 1998 präsentierte der Passauer Verlag Karl Stutz unter dem Titel Die Selbsttaufe eine kommentierte Zusammenstellung von vier Erzählungen und Novellen; die Texte Der Sadducäer von Amsterdam, Die Selbsttaufe, Imagina Unruh und Die Nihilisten, die zuletzt in den Werkausgaben von H.H. Houben, R. Gensel und P. Müller zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen waren, liegen damit erstmals wieder in einer modernen Ausgabe vor. Der Berliner Literaturwissenschaftler Wolfgang Rasch, einer der kompetentesten Kenner von Gutzkows umfangreichem Werk, der bereits 1995 Gutzkows literarisches Großstadtbild Berlin – Panorama einer Residenzstadt als Neuedition vorlegte, veröffentlichte, ebenfalls 1998, den Briefwechsel zwischen Karl Gutzkow und Levin Schücking. [ 1 ]
Die Wiederentdeckung eines der einflußreichsten und produktivsten Unterhaltungsschriftstellers und Publizisten des 19. Jahrhunderts durch die Literaturwissenschaft sowie die partielle Zugänglichmachung seiner bedeutendsten Schriften als moderne Neuausgaben wurden von der deutschen Literaturkritik sehr unterschiedlich aufgenommen.
"Die Ritter vom Geiste"
Während der Mainzer Germanist Hermann Kurzke gegen die Neuauflage der "müden" Ritter vom Geiste polemisierte, die seiner Einschätzung nach wohl nur von einer kleinen "Masochistengemeinde" mit "stöhnendem Behagen" aufgeschlagen würden, würdigte der Essayist Rolf Vollmann die Renaissance des Großromans als "Fest für Romanliebhaber". [ 2 ]
Der zwischen 1850 und 1851 zuerst in Einzellieferungen, anschließend bei F.A. Brockhaus in Leipzig als Buchausgabe erschienene Großroman suchte das literarische Genre des sozialen Romans auch in Deutschland zu etablieren. Seinen europäischen Vorbildern, u.a. Eugène Sues Die Geheimnisse von Paris, nachgebildet, schilderte Gutzkow in seinem neunbändigen Romanwerk die Lebensumstände von verschiedenen sozialen Gesellschaftsschichten kurz nach dem Revolutionsjahr 1848/1849 und präsentierte dem Leser mit seinem Geheimbund der Ritter das Idealbild einer klassenlosen Gesellschaft, in der die Eigeninteressen des Individuums zugunsten eines harmonischen Gemeinwesens zurücktreten. Die Themenwahl und der Rückgriff auf die Requisiten des Sensationsromans (z.B. Geheimbund, verschwundene Urkunden) waren ebenso ein Zugeständnis an die zeitgenössische Unterhaltungsliteratur wie die Handlungsstruktur; die vielen Schauplätze des Geschehens sowie die zahlreichen in die Haupthandlung integrierten Nebenhandlungen, prädestinierten den Roman für eine Vermarktung als Fortsetzungsroman.
Beide Rezensenten, Hermann Kurzke und Rolf Vollmann, anerkennen aber uneingeschränkt trotz ihrer differenten Wertung der literarischen Qualität von Gutzkows Roman die immense Arbeitsleistung und aufwendige Erschließung sowie die gute Dokumentenauswahl der beiden Herausgeber.
Vorbereitung einer Internet-Edition
Im Herbst 1997 gründete sich an der Keele University eine englisch-deutsche und interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe, die sich zur Aufgabe macht, das umfangreiche und sehr verstreut publizierte schriftstellerische Werk Karl Ferdinand Gutzkows in Gestalt einer Internet-Edition der interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Das derzeit aus etwa 30 Mitgliedern bestehende Herausgebergremium darunter befinden sich neben zahlreichen Germanisten auch Romanisten, Editions- und Buchwissenschaftler sowie Fachbibliothekare arbeitet an der elektronischen Texterfassung; die neue EDV-Technik gewährleistet eine intensive redaktionelle Bearbeitung der Texte sowie eine effiziente Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe. [ 3 ]
Die wissenschaftliche Beschäftigung
mit Gutzkow
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem umfangreichen Werk des literarisch und politisch ambitionierten, außergewöhnlich produktiven Autors konzentrierte sich in den zurückliegenden Jahren hauptsächlich auf Gutzkows journalistische Arbeiten und literarisch-politisches Engagement innerhalb der jungdeutschen Bewegung. Im Mittelpunkt der literaturwissenschaftlichen Beschäftigung standen deshalb die frühen publizistischen Arbeiten Gutzkows aus den dreißiger und vierziger Jahren und der in zensurpolitischer Hinsicht besonders folgenreiche Skandalroman Wally, die Zweiflerin (1835). Der Novellist und Dramatiker Karl Gutzkow trat zugunsten des skandalösen Religionsspötters und Theoretikers des "Romans des Nebeneinander" [ 4 ] in den Hintergrund.
Erst jüngere germanistische Arbeiten über das imposante Romanwerk Karl Gutzkows führten zu einer verstärkten Rehabilitation. [ 5 ] Wolfgang Lukas‘ 1998 in Hanser[s] Sozialgeschichte der deutschen Literatur veröffentlichter Beitrag zur Novellistik der Restaurationszeit unterstreicht Karl Gutzkows Bedeutung für diese literarische Gattung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachdrücklich. [ 6 ] In seiner Übersichtsdarstellung über die Novellenproduktion schwärmt Lukas für die Gutzkow-Novellen Die Selbsttaufe (1845) und Imagina Unruh (1847), die so der Verfasser "mit zum Besten gehören, was diese Zeit zu bieten hat". [ 7 ] Lukas würdigt Gutzkows Texte als unverzichtbaren Beitrag zur prärealistischen Novellistik der vierziger und fünfziger Jahre und positioniert den Autor gleicberechtigt neben Adalbert Stifter, Berthold Auerbach, Hermann Kurz, Annette von Droste-Hülshoff und Jeremias Gotthelf.
Trotz den Bemühungen jüngerer Literaturwissenschaftler um den bislang stark vernachläßigten Autor fehlen immer noch eine moderne Werk- und Briefedition, deren Erstellung sich die Keeler Arbeitsgruppe zum Ziel setzt, eine umfassende Werkmonographie sowie eine Biographie. Eine Ursache für das eklatante Forschungsdefizit hinsichtlich der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte von Gutzkows Werk ist die Unzugänglichkeit der schier unüberschaubaren Textmenge des literarisch vielseitigen Berufsschriftstellers.
Ein engagierter Berufsschriftsteller
im Zentrum des literarischen Lebens
Gutzkow verstand sich von Anbeginn seiner Schriftstellerkarriere als moderner und selbstbewußter freier Schriftsteller, der von seinen literarischen Erträgen lebte. Der Literaturkritiker, Publizist und Romancier stand im Zentrum des literarischen und kulturellen Lebens seiner Zeit. Er unterhielt ein ausgedehntes Korrespondenznetz mit zahlreichen Persönlichkeiten des zeitgenössischen Literatur- und Kulturbetriebes. Als Herausgeber und verantwortlicher Redakteur von Literaturzeitungen und -zeitschriften beeinflußte Gutzkow das literarische Leben von der Julirevolution bis zur Reichsgründung nachhaltig. Er nutzte seine exponierte Rolle als führender Kritiker, förderte den literarischen Nachwuchs z.B. sorgte er für den Abdruck von Georg Büchners Dantons Tod in der Literaturzeitschrift Phönix lancierte Buchbesprechungen und Informationen in der Presse oder vermittelte Kontakte innerhalb der literarischen Szene.
Wie kein anderer Literat seiner Zeit engagierte sich Karl Gutzkow für eine tiefgreifende Reform des Buchhandels und für eine gesetzliche Festschreibung von Autorenrechten. Als freier Schriftsteller war er unmittelbar von der Entwicklung des literarischen Marktes abhängig und in zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen setzte sich der Autor fachkundig mit dem modernen Literaturbetrieb auseinander.
Der inzwischen gedruckt vorliegende, umfangreiche Briefwechsel des Jungdeutschen Gutzkow mit seinen Verlegern Heinrich und Eduard Brockhaus, Hermann Costenoble und Otto Janke stellt einen nahezu unerschöpflichen Fundus für die Einblicknahme in das bislang wegen der schwierigen Quellensituation kaum rekonstruierbare alltägliche Geschäft des Bücherverlegens dar. Die zwischen 1831 und 1878 entstandenen Briefe dokumentieren eine Epoche des Buch- und Verlagshandels, die von einem grundlegenden gesellschaftlichen, politischen und sozialen Strukturwandel sowie einer Vielzahl von technischen Entdeckungen geprägt war, die unmittelbar auf die Produktions- und Arbeitsprozesse in der Verlagsbranche einwirkten.
Seine innovativen Reformideen zur Optimierung von Buchwerbung und Buchabsatz fanden Eingang in die zeitgenössischen Literaturzeitschriften und buchhändlerischen Fachorgane. [ 8 ] Gutzkow suchte für den Absatz seiner Werke unablässig nach neuen und erfolgversprechenden Verkaufsstrategien und quälte seine Verleger mit Forderungen nach augenfälliger Buchgestaltung und effektiver Werbung. Seine teilweise sehr aggressive Einmischung in das verlegerische Geschäft belastete die Beziehungen zu seinen Verlegern nachhaltig, wie der umfangreiche Briefwechsel zwischen dem streitbaren Autor und seinen Verlegern belegt.[ 9 ]
Die häufigen Verlagswechsel und die Praxis des Autors, seine mehrbändigen Großromane, u.a. Die Ritter vom Geiste oder Der Zauberer von Rom, mehrfach zu überarbeiten, sowie der Verzicht Gutzkows, sein zahlenmäßig kaum überschaubares journalistisches Werk in die Ausgabe letzter Hand aufzunehmen, führten dazu, daß die kaum zu bewältigende Textmenge bislang weder wissenschaftlich noch bibliographisch als erschlossen galt.
Die Bibliographie Raschs
Wolfgang Rasch behebt mit seiner imposanten Gutzkow-Bibliographie, die eine überarbeitete Fassung seiner 1996 an der Freien Universität Berlin angenommenen Dissertation darstellt, diese, die Gutzkow-Forschung nachhaltig hemmende, Misere und bietet wichtige Impulse für eine zukünftige intensive Auseinandersetzung mit dem Werk des enorm produktiven und vielseitigen Literaten.
Die zweibändige und annähernd 1200 Seiten umfassende Bibliographie erschließt die Primär- und Sekundärliteratur für den Berichtszeitraum von 1829 und 1880. Die Eckdaten orientieren sich an dem frühesten nachweisbaren Text Gutzkows Aus dem Tagebuche und Leben eines Subrektors aus dem Jahr 1829 und dem zwei Jahre nach seinem Tod posthum erschienenen Roman Die Paumgärtner von Hohenschwangau (1880).
Die Bibliographie unterscheidet zwei große Hauptabteilungen. Die im ersten Band zusammengetragene Primärliteratur umfaßt Werkausgaben, selbständig erschienene Werke, Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge, z.B. Beiträge aus Almanachen, Jahrbüchern, Anthologien, Reihen und Beiträge in Werken anderer Autoren, Manuskripte, Privatdrucke, Flugblätter und vom Autor herausgegebene Periodika sowie die Briefe von und an Gutzkow.
Auf über 400 Seiten trägt Wolfgang Rasch akribisch die in den verschiedenen Literaturzeitschriften und -zeitungen des 19. Jahrhunderts publizierten Artikel Gutzkows aus dem Zeitraum von 1829 bis 1878 zusammen. Durch Autopsie von über 200 Zeitungen und Zeitschriften rekonstruierte Rasch die zahllosen, häufig anonym erschienenen und vom Verfasser erstmals Gutzkow zugewiesenen, Beiträge über die Entwicklung des literarischen Marktes im 19. Jahrhundert und über die neuen Strömungen in der Literatur.
Der produktive Literat publizierte nicht nur in zahlreichen literarischen Zeitschriften und Familienblättern, sondern fungierte auch als Herausgeber. 1831 gründete Gutzkow die Zeitschrift Forum der Journal-Litteratur, 1835 gab er gemeinsam mit seinem politischen Weggefährten Ludolf Wienbarg die Deutsche Revue heraus; im selben Jahr übernahm er die Redaktion für die Zeitschrift Phönix. Frühlingszeitung für Deutschland und 1837 für den Frankfurter Telegraph. Blätter für Leben, Kunst und Wissenschaft. Zwischen 1853 und 1855 war Gutzkow der Herausgeber des Familienblattes Unterhaltungen am häuslichen Herd. Die Herausgebertätigkeit für dieses ungewöhnlich populäre Journal, das unterhaltsame und informative Beiträge über naturwissenschaftliche und technische Entwicklungen, kleinere philosophische Abhandlungen und einen Fortsetzungsroman bot und über 5000 Abonnenten hatte, stellte für Gutzkow in den Jahren 1852 bis 1862 eine seiner finanziellen Haupteinnahmequellen dar.
Quellenwert der Korrespondenz
Neben seinen publizistischen Aktivitäten nahm sich Gutzkow Zeit für eine umfangreiche Korrespondenz mit wichtigen Protagonisten des literarischen und kulturellen Lebens seiner Zeit. Rasch weist in seiner Bibliographie erstmals sämtliche gedruckte Briefe von und an Gutzkow nach und dokumentiert das weitreichende literarische Kommunikationsnetz.
Die Briefe Gutzkows, dies zeigt bereits der von Wolfgang Rasch herausgegebene Briefwechsel zwischen Karl Gutzkow und Levin Schücking besonders eindringlich, bieten einen hervorragenden Einblick in die Arbeitsbedingungen des modernen Schriftstellers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert; sie berichten über die persönlichen Enttäuschungen und finanziellen Nöte des Berufsschriftstellers, über seine literarischen Kontakte und Informationsquellen, ohne die er im modernen und zunehmend kommerzialisierten Literaturbetrieb nicht überleben konnte. Die literarische Korrespondenz stellt gerade für das 19. Jahrhundert eine kaum zu überschätzende literaturhistorische Quelle dar und die bibliographische Erfassung der Briefe des besonders kommunikationsfreudigen Gutzkow ist deshalb ein besonderes Verdienst der Bibliographie.
Der Verzicht des Verfassers auf eine Katalogisierung von ungedruckten Quellen, an erster Stelle wäre hier der umfangreiche Nachlaß Gutzkows, der in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt/Main verwahrt wird, zu nennen, aus arbeitsökonomischen Gründen ist nur konsequent. Die Aufnahme u.a. von ungedruckten Korrespondenzen hätte zahlreiche weitere Recherchen in Archiven und Bibliotheken des In- und Auslandes erfordert und ist Gegenstand einer eigenen Arbeit.
Sekundärliteratur
Die im zweiten Band zusammengetragene Sekundärliteratur umfaßt Texte über Karl Ferdinand Gutzkow und seine literarische Wirkungskraft. Rasch rekonstruiert die bibliographischen Daten sämtlicher Gesamtdarstellungen und allgemeiner Würdigungen der Person Gutzkow sowie die Darstellung von einzelnen Lebensabschnitten. Auf über 100 Seiten weist Rasch literarische Berichte von Zeitgenossen über Gutzkows jungdeutsche Periode (1831-1846), seine Lebens- und Arbeitsjahre als Dramaturg am Dresdner Hoftheater (1846-1861) und in Weimar (1861-1864), seine Tätigkeit als Generalsekretär der Schillerstiftung (1855-1864) wie auch über seine persönlichen Krisenjahre von den sechziger Jahren bis zu seinem Tod nach (ein psychischer Zusammenbruch und Selbsttötungsversuch machten längere Aufenthalte in Sanatorien notwendig).
Es schließen sich die zahlenmäßig kaum überschaubaren und verstreut abgedruckten Beiträge zur Wirkungsgeschichte, z.B. Erinnerungen an Karl Gutzkow oder über das Gutzkow-Denkmal in Dresden, Presseberichte über die Aufführung seiner Stücke und Polemiken sowie Rezensionen an.
Die innere Ordnung der Bibliographie
Das auf den ersten Blick sehr komplexe Ordnungssystem, das jeden Text mit einer Signatur versieht, erweist sich als praktikabel. Während die Titelaufnahme generell nach den Instruktionen für die Preußischen Bibliotheken erfolgt, erforderte die inhaltliche Feinerschließung, z.B. der Verweis auf spätere Auflagen oder die literarische Wiederverwertung in Gestalt von Sonderausgaben, die Vergabe von mehrstelligen und auf den ersten Blick verwirrenden Zahlenkombinationen.
Grundsätzlich richtet sich die innere Ordnung der Bibliographie nach dem chronologischen Prinzip; ein kluges System von Verweisungen verhindert einerseits die Mehrfachnennung von Texten und ermöglicht es andererseits dem Benutzer, Texte aus verschiedenen Kapiteln zu verknüpfen und aufeinander zu beziehen.
Register
Das für eine Bibliographie unverzichtbare Register gewährleistet die notwendige Transparenz. Die insgesamt fünf Indices garantieren einen schnellen und verläßlichen Zugriff auf die gewünschten Informationen.
Das erste Register ordnet Gutzkows umfangreichen Briefwechsel nach Datum und Adressaten. Ein zweiter Index leitet den Benutzer durch die Vielzahl von Gutzkow besprochenen und erwähnten Periodika, Almanache, Jahrbücher und Reihen sowie durch die Orte, von denen aus oder über die Gutzkow schreibt. Das imposante Personen- und Titelregister führt zu den Korrespondenzpartnern Gutzkows, zu Schriftstellerkollegen, Koautoren, Herausgebern, Übersetzern, Illustratoren, Komponisten und Verlegern.
Allein die in den Registern aufbereiteten Informationen machen die Bibliographie zu einem unersetzlichen literarischen Nachschlagwerk für das 19. Jahrhundert!
Sucht der Benutzer z.B. nach dem populären Lustspiel Zopf und Schwert, das 1844 erstmals innerhalb der bei Johann Jakob Weber in Leipzig erschienenen Dramatischen Werke publiziert wurde, führt ihn das Register zu insgesamt acht Verweisstellen in der Primärliteratur. Die sorgfältige Titelaufnahme dokumentiert nicht nur die verschiedenen Auflagen und die diversen Verlagswechsel; so erschien eine zweite verbesserte Auflage 1846 im Leipziger Verlag Carl Berend Lorck. Weitere Ausgaben brachte wenige Jahre später Brockhaus 1850 und 1862, letztere innerhalb einer neu bearbeiteten Werkausgabe, auf den Markt.
Daten zum Literaturmarkt
Rasch gelang es darüber hinaus, die gewöhnlich nur schwer nachweisbaren, aber gerade für die Wirkungsgeschichte und Distributionsbreite von Texten relevanten Angaben zu Auflagenhöhen und Auslieferungsmodalitäten zu rekonstruieren. Der Verfasser unterzog sich der Mühe, die Daten mit Hilfe von zeitgenössischen Buchhändlerkatalogen und buchhändlerischen Fachzeitschriften, z.B. dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, systematisch zu ermitteln.
Gutzkow förderte aus finanziellen Gründen die Mehrfachverwertung seiner Texte und drängte seine Verleger zum Wiederabdruck in Gestalt von Miniaturausgaben und Sonderausgaben, die in Roman- und Reisebibliotheken erschienen. Auch das Lustspiel Zopf und Schwert erschien auf nachhaltiges Drängen des Autors 1856 bei Brockhaus als Miniaturausgabe. Dieser Doppelstrategie, mit in Ausstattung und Preis unterschiedlichen Buchausgaben an ein sozial differentes Lesepublikum heranzutreten, schenkte Gutzkow viel Beachtung.
Die für ihn so relevanten Aspekte der äußerlichen Buchgestaltung, z.B. die Anbringung eines Rückentitels oder von illustrierten Bucheinbänden, verteidigte er energisch und sparte nicht mit Kritik, schlug ein Unternehmen fehl. So ließ er seinen zögerlichen Verleger Brockhaus unmißverständlich wissen: "Ich bin überzeugt, wenn ich Lorck oder Weber eine Miniaturausgabe von Zopf u. Schwert mit einem gepreßten Deckel nach einer komischen Zeichnung von A. Menzel vorgeschlagen hätte, sie würden solche Ideen mit Eifer ausführen". [ 10 ]
Dem Kommentar Raschs ist zu entnehmen, daß Brockhaus im Juli 1856 von den 1000 gedruckten Exemplaren erst 250 verkauft hatte und der 1872 von Costenoble übernommene Restposten von 234 Exemplaren noch über einen langen Zeitraum lieferbar war. Trotz des offensichtlichen Mißerfolges einer preiswerten Miniaturausgabe forderte der eigenwillige Autor 1876 seinen späteren Verleger Costenoble mit nicht weniger Nachdruck auf: "Machen Sie Eisenbahn-Ausgaben, um die auch Bangel & Schmitt imerfort drängen! Ein illustrirter Zopf und Schwert à 1 Mark 20 Pfennig kauft mancher Reisender für’s Coupé". [ 11 ]
Die Bibliographie bietet mit ihrer sorgfältigen Kommentierung der einzelnen Texte u.a. einen verläßlichen Zugriff auf die sehr seltenen verlagsinternen Daten, die Rasch aus dem umfangreichen Briefwechsel Gutzkows mit seinen Verlegern gewann und mit Hilfe von zeitgenössischen buchhändlerischen Nachschlagwerken und Katalogen, Rezensionsjournalen und der Buchhandelszeitschriften überprüfte, gegebenenfalls ergänzte und überlieferte Fehler korrigierte.
Gesamturteil
Wolfgang Rasch schuf mit seiner beeindruckenden Arbeit nicht nur die grundlegende Voraussetzung für eine moderne Werkausgabe, die derzeit an der Keeler University entsteht und zu deren Herausgebergremium Rasch gehört. Seine Arbeit darf darüber hinaus eine wichtige Vorbildfunktion im Bereich der literarischen Bibliographien beanspruchen. Die hier vorgelegte idealtypische Bibliographie ist ein wichtiger Meilenstein für alle diejenigen, die sich mit Literatur, Kunst und Theater, Politik und Publizistik, mit den politischen und kulturellen Strömungen zwischen Julirevolution und Gründung des Deutschen Reiches beschäftigen.
Nur in einem Punkt irrt der Verfasser: Ging er im Frühjahr 1997 im Vorwort seiner Studie noch davon aus, daß seine Bibliographie allenfalls an der "Revision einer weitgehend verfehlten literaturwissenschaftlichen Wertung Gutzkows" mitzuwirken, aber keine Gutzkow-Renaissance auszulösen vermag (vgl. S. 19), so wurde er Anbetracht der diversen jüngst erschienenen modernen Ausgaben inzwischen eines Besseren belehrt!
Dr. Christine Haug
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institut für Buchwissenschaft
D-55099 Mainz
Ins Netz gestellt am 16.05.2000.
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