Haug über Buchserien und Anthologien
IASLonline

Buchserien und Anthologien

Wirkungsmächtige Medien zur Etablierung und Durchsetzung von ausländischen Literaturen
in Deutschland im 19. Jahrhundert

  • Bernd Weitemeier / Fritz Paul (Hg.): Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien: Bibliographien anthologischer Formen. Teilband 4: Literarische Übersetzungsserien 1820-1910. Erster Halbband. (Hiersemanns bibliographische Handbücher 13) Stuttgart: Anton Hiersemann 2001. XXVIII, 640 S. Leinen. EUR (D) 70,00.
    ISBN: 3-7772-0116-2.
  • Bernd Weitemeier / Fritz Paul (Hg.): Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien: Bibliographien anthologischer Formen. Teilband 4: Literarische Übersetzungsserien 1820-1910. Zweiter Halbband. (Hiersemanns bibliographische Handbücher 13) Stuttgart: Anton Hiersemann 2001. VI, 551 S. Leinen. EUR (D) 64,00.
    ISBN: 3-7772-0117-0.
[1] 

Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien gehören zu den wirkungsmächtigsten Medien im internationalen Literaturtransfer; vor allem in Deutschland gehören diese beiden Publikationsformen zu den bedeutendsten Vermittlungsinstanzen für ausländische Literaturen in Deutschland. Kein anderes Medium im 19. Jahrhundert stellte ausländische Autorinnen und Autoren in deutscher Übersetzung in diesem Umfang vor wie Anthologien und Buchserien.

[2] 

Der Grund dafür, warum diese Publikationsformen und ihre Bedeutung bei der Durchsetzung von ausländischer Literatur auf dem deutschen Buchmarkt in der Forschung nur wenig Beachtung gefunden haben, liegt – hier muss den beiden Bandbearbeitern zugestimmt werden – zweifelsohne am immensen, kaum vertretbaren Zeit- und Arbeitswand, der mit einer bibliographischen Rekonstruktion der Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien verbunden ist; denn für diese Publikationsformen existierten bislang keine Spezialbibliographien und der Zugriff auf Buchserien und Anthologien in Bibliotheken gelang eher zufällig, keineswegs systematisch.

[3] 

Das augenfällige Forschungsdefizit auf der einen Seite und das steigende Interesse nicht nur der Literatur- und Übersetzungswissenschaft an diesen Vermittlungsmedien auf der anderen Seite lieferten die entscheidenden Impulse für Bernd Weitemeier und Fritz Paul, sich dieser Herausforderung zu stellen, und dies mit einem beeindruckenden Ergebnis.

[4] 

Beachtliche Forschungsergebnisse
des Sonderforschungsbereichs
»Die literarische Übersetzung«
an der Universität Göttingen

[5] 

Die hier zu besprechenden Teilbände Literarische Übersetzungsserien 1820–1910 erschienen in der Reihe Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien: Eine Bibliographie, die aus dem Forschungszusammenhang des 1985 an der Georg-August-Universität Göttingen eingerichteten Sonderforschungsbereichs 309 Die literarische Übersetzung hervorgegangen ist. Die qualitativ wie auch quantitativ bemerkenswerte Abschlussbilanz des Sonderforschungsbereichs bietet nunmehr eine fundamentale Datenbasis und ein schier unbegrenztes Betätigungsfeld für die Literaturwissenschaft, Kultur- und Bildungsgeschichte, Übersetzungsforschung, Kommunikations- und Medienwissenschaft und nicht zuletzt für die Buchwissenschaft, die den Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien bislang gleichfalls nicht die angemessene Aufmerksamkeit geschenkt hat (allerdings dürfen an dieser Stelle die grundlegenden Studien von Norbert Bachleitner über die Rezeption der französischen, englischen und irischen Literatur des 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum nicht unerwähnt bleiben 1). Dennoch bleibt der Befund erstaunlich, denn Übersetzungsanthologien und Übersetzungsserien erlebten im frühen 19. Jahrhundert eine Hochkonjunktur auf dem deutschen Buchmarkt.

[6] 

»Übersetzungsfabriken« und
»Übersetzungsmanufakturen« –
Kommerzialisierung des Übersetzungsmarkts
in Deutschland im 19. Jahrhundert

[7] 

Produktion und Absatz der Publikationsformen Anthologie und Serie wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch zwei entscheidende Faktoren gefördert: Einerseits gelang Verlagsunternehmen vor dem Hintergrund der technischen Innovationen insbesondere auf dem Sektor der Buchherstellung vermehrt eine industrielle Massenproduktion, die zu einer beträchtlichen Reduktion der Produktionskosten und damit der Verkaufspreise führte; andererseits profitierten die Verlagsunternehmen von der disparaten internationalen Urheberrechtslage in dieser Zeit. Nur deshalb konnten sich diese Literaturprodukte seit den 1820er / 1830er Jahren erfolgreich auf dem deutschsprachigen Buchmarkt etablieren. So entwickelten sich Romanserien, die sich auf die Aufnahme von Übersetzungen spezialisierten, zu einem wichtigen Segment des rasch expandierenden Buchmarkts. 2

[8] 

Die immense Nachfrage nach Übersetzungen ausländischer Literatur in preiswerten Ausgaben stimulierte deren Absatz; dies führte aber auch zu einem massiven Konkurrenzdruck und einer zunehmenden Hektik auf dem Übersetzungsmarkt in Deutschland. Vor allem die verschärfte Konkurrenzsituation zwang die deutschen Verleger, mit ihren Übersetzungen möglichst zeitgleich mit Erscheinen des Originals auf den Markt zu gehen. Diesem knapp kalkulierten Zeitbudget standen zu diesem Zeitpunkt zwar keine urheberrechtlichen Regelungen im Wege, doch das hohe Übersetzungstempo hatte zwangsläufig zur Folge, dass sich die Übersetzungsqualität erheblich verschlechterte. 3

[9] 

»In Scheerau hat man jetzt eine
eigene Übersetzungsfabrik angelegt«

[10] 

Die Massenproduktion von Übersetzungen, die vielfach beklagte »Industrialisierung« des gesamten Übersetzungsbetriebs, provozierte die Entstehung von zahlreichen Satiren auf diesen betriebsamen Geschäftszweig des herstellenden Buchhandels; zu den bekanntesten gehört sicherlich die Parodie Wilhelm Hauffs Die Bücher und die Lesewelt aus dem Jahr 1827, die eine regelrechte »Übersetzungsmaschinerie« für die Romane Walter Scotts karikierte.

[11] 

Verlagsunternehmen, die sich auf die massenhafte Produktion von Übersetzungsserien spezialisiert hatten, zum Beispiel die Gebrüder Franckh in Stuttgart oder Kollmann in Leipzig, um nur die zwei prominentesten Vertreter dieser Sparte zu nennen, wurden als »Übersetzungsfabriken« und »Übersetzungsmanufakturen« verunglimpft; doch diese Herabwürdigungen hauptsächlich seitens des traditionellen Buchhandels beeinträchtigten den immensen kommerziellen Erfolg dieser Unternehmen nicht. Als eine der größten und bedeutendsten »Übersetzungsfabriken« Deutschlands galt das 1822 in Stuttgart gegründete Unternehmen der Brüder Johann Friedrich und Friedrich Gottlob Franckh, deren Übersetzungsserien enorme Verkaufszahlen verzeichneten, unter anderen Das belletristische Ausland, eine Reihe, die es im Zeitraum von 1843 bis 1865 auf 3.618 Bände brachte. Der sensationell niedrige Verkaufspreis von zwei Groschen je Bändchen und neuartige, aggressive Werbekampagnen sicherten dem Verlag nach eigenen Angaben bereits ein halbes Jahr nach Erscheinungsbeginn der Buchserie die beachtliche Zahl von 15.000 Subskribenten. 4

[12] 

So verwundert es nicht, dass die Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien zu den marktgängigsten – von den Verlegern deshalb besonders favorisierten – Vermittlungsmedien für ausländische Literaturen im 19. Jahrhundert gehörten und von unternehmerischen Verlegern gezielt als durchsetzungsfähiges Instrument innovativer Vermarktungsstrategien eingesetzt und perfektioniert wurden.

[13] 

Die starke Präsenz dieser Publikationsformen auf dem deutschsprachigen Buchmarkt des 19. Jahrhunderts drängt eine bibliographische Rekonstruktion dieser zahlreichen Übersetzungsanthologien und Übersetzungsserien geradezu auf. Dieser auf den ersten Blick schier nicht zu bewältigenden Aufgabe nahmen sich Bernd Weitemeier und Fritz Paul an und legten mit ihrer zweibändigen Bibliographie ein großartiges Nachschlagewerk vor.

[14] 

»Aufnahme und Verwertung fremder
Literaturen zum Zwecke der Weiterentwicklung
der deutschen Nationalliteratur«
– Konzeptionen von Weltliteratur

[15] 

Übersetzungsanthologien und -serien gelten als Spezifikum des deutschen Buchmarkts. Anthologien, die dem Buchkäufer ein vorsortiertes Lese- und Konsumangebot bereitstellten, spielten bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Vermittlung ausländischer Literaturen im deutschsprachigen Raum eine gewichtigere Rolle als Zeitschriften oder Werkausgaben. Einen wichtigen Beitrag für die Akzeptanz der Anthologie als Vermittlungsmedium leisteten nicht zuletzt die Vertreter der deutschen Romantik selbst. So ebneten Autoren wie Johann Gottfried Herder, August Wilhelm und Friedrich Schlegel wie auch Johann Wolfgang von Goethe durch ihre intensive publizistische Auseinandersetzung mit fremdsprachiger Literatur und ihren Plädoyers für deren Bereitstellung in Gestalt der Anthologie diesem Medium den Weg. 5

[16] 

Der pädagogische Impetus von Weltliteraturanthologien war in der literarischen Öffentlichkeit umstritten; so distanzierte sich zum Beispiel Johannes Scherr, der 1848 die sehr erfolgreiche Reihe Bildersaal der Weltliteratur herausgab, von Goethes Weltliteraturbegriff, wonach grenzübergreifender Austausch und gegenseitige Bereicherung der Nationalliteraturen wichtige Programmpunkte waren, und favorisierte das Modell von Johann Gottfried Herder, der hauptsächlich eine »Aufnahme und Verwertung fremder Literaturen zum Zwecke der Weiterentwicklung der deutschen Nationalliteratur« favorisierte. Die Weltliteraturanthologie stand aber bei beiden Konzeptionen für Weltoffenheit und bot eine international orientierte Nationalliteratur.

[17] 

Weltliteraturanthologien und
Übersetzungsserien als Indikatoren für
literarische Trends der Zeit

[18] 

Anthologien, insbesondere Weltliteraturanthologien, wie auch Buchserien waren zudem wichtige repräsentative Indikatoren für den Zustand und Wandel des literarischen Geschmacks, in wachsendem Maße auch von breiten Leserschichten. So kann die Analyse und Erstellung von Systematiken für Weltliteraturanthologien – so argumentieren die Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs – nur unter Berücksichtigung von kulturellen, sprachlichen, literarischen, ökonomischen wie auch politischen Kontexten stattfinden. Während die Anthologien auf einen Leser- und Käufertypus zielten, der sich hauptsächlich als Sammler und Bücherliebhaber von Werken in identischer äußerer Aufmachung verstand, erschlossen sich die Verleger von Übersetzungsserien den Typus des Viellesers. Daher wiesen die zu Beginn des 19. Jahrhunderts gleichermaßen beliebten Buchserien andere Publikationsmerkmale und differente Vermarktungsstrategien auf als die herkömmlichen Anthologien.

[19] 

Bernd Weitemeier und Fritz Paul stellen in ihrer Bibliographie die Übersetzungsserie in den Fokus; aus buchhistorischer Sicht ein besonders reizvolles Medium, denn die Buchserien (und hier nicht nur Übersetzungsserien) entwickelten sich zu einem wichtigen Bestandteil moderner Absatzstrategien im Buchhandel, die vor allem für die Käufergruppen der neuen Teilbranchen des verbreitenden Buchhandels von Bedeutung waren, unter anderen die Eisenbahnreisenden, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt an den speziellen Verkaufsständen und Kiosken der Bahnhofsbuchhändler mit Reiselektüre eindeckten oder die Gäste der mondänen Badeorte, die sich die Zeit an diesen internationalen Kommunikationsknotenpunkten gerne mit fremdsprachiger Belletristik vertrieben.

[20] 

Medium »Buchserie« –
Instrument moderner Vermarktungsstrategien
im Buchhandel des 19. Jahrhunderts

[21] 

Buchserien vereinigten Werke von mehreren, in sich abgeschlossenen Texten von verschiedenen Verfassern. Eine Buchserie erschien zwar in einheitlicher Ausstattung, unter anderem wurde diese durch einen gleich bleibenden Reihentitel hervorgehoben; die Einzelbände kamen jedoch in unregelmäßigen Abständen auf den Markt und ein Werk konnte je nach Umfang mehrere Bände beanspruchen oder aber mehrere Bände in einem Band zusammenfassen. Im Gegensatz zur Anthologie, die mit begrenztem Raum auskommen musste, konnten Buchserien auch umfangreichere literarische Gattungen, auch Romane oder Dramen, vereinen.

[22] 

Die Verleger warben mit zugkräftigen Schlagwörtern in ihren Serientiteln um ihre Käufer – besondere Popularität genossen die Begriffe »Ährenlese«, »Album«, »Blüthen« oder »Novellenschatz« – und verwiesen in den Untertiteln auf die angebotenen Literaturgattungen. So erschien beispielsweise im Bibliographischen Institut in Hildburghausen von 1841 bis 1843 die Familien-Bibliothek der Deutschen Klassiker. Eine Anthologie in 100 Bänden, und von 1867 bis 1868 gaben Hermann Kurz und Paul Heyse die Modernen Romane des Auslandes in guten Uebersetzungen (in 100 Bänden) und von 1871 bis 1875 den Novellenschatz des Auslandes (14 Bände) heraus.

[23] 

»Geschlossene« und »offene« Buchreihen
– Differente Konzepte, Vertriebswege
und Zielgruppen

[24] 

Bei der Herausgabe von Buch- und Übersetzungsserien hatten die Verlage die Wahl zwischen zwei Modellen des Reihenkonzepts: Während bei der geschlossenen Buchreihe Umfang und Werkauswahl bereits mit Erscheinungsbeginn festgelegt waren, konnten die Verleger bei der offenen Buchreihe während der Erscheinungsdauer über die Werkauswahl entscheiden.

[25] 

Prominentes Beispiel für eine offene Buchreihe sind die Tauchnitz-Edition (seit 1841) oder die Universal-Bibliothek von Reclam, die seit 1867 erschien. 6 Die offene Buchreihe konnte nicht nur flexibler auf literarische Trends reagieren; ein wichtiges Merkmal der offenen Buchreihe war der Einzelverkauf der Bände. Während die geschlossenen Buchserien als Abonnement über den Reise- oder Kolportagebuchhandel bezogen werden mussten, erweiterte sich die Zielgruppe mit dem Angebot des Einzelverkaufs der Bändchen. Wichtiger Katalysator für die starke Marktpräsenz von offenen Buchreihen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Ausbreitung des Bahnhofs- und Kioskbuchhandels; die Eisenbahnreisenden erwarben auf dem Weg zum Zug am Bahnhofskiosk noch schnell ihre Reiselektüre und der Einzelverkauf war fortan Voraussetzung für den Verkaufserfolg dieses innovativen Literaturprodukts (übrigens nicht nur bei Buchreihen, sondern auch bei periodischen Druckerzeugnissen).

[26] 

»Literarische Übersetzungsserien« –
Pilotprojekt und Grundlagenwerk

[27] 

Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien wurden trotz ihrer dauerhaften Präsenz auf dem deutschsprachigen Buchmarkt selbst in der Buchwissenschaft längst nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt, und so wagten sich die Göttinger Literaturhistoriker und Übersetzungswissenschaftler an dieses Thema und legten inzwischen Arbeitsergebnisse vor, die bedenkenlos als Pilotprojekt und Grundlagenarbeit bezeichnet werden können. Ausgangspunkt dieses ambitionierten Unternehmens war die Erkenntnis der Göttinger Wissenschaftler, dass Buchserien und Anthologien seit circa 200 Jahren einen konstitutiven Bestandteil des deutschsprachigen Buchmarkts darstellen.

[28] 

Aufbau und Systematik
der Bibliographie

[29] 

Bernd Weitemeier und Fritz Paul erfassten in ihrer zweibändigen Bibliographie Literarische Übersetzungsserien 1820–1910 insgesamt 253 Buchreihen. Als Eckdaten der bibliographischen Erfassung wählten die beiden Herausgeber die Jahresangaben 1820 und 1910. Zur Begründung: Um 1820 etablierten sich Übersetzungsserien auf dem deutschen Buchmarkt, unter anderem als Reaktion auf die disparate internationale Urheberrechtssituation, die es den Verlagen ermöglichte, sämtliche ausländischen Werke in deutscher Übersetzung auf den Markt zu bringen, ohne den Originalautoren Honorar zahlen zu müssen. 1910 wurden die Übersetzungsserien allmählich durch die Publikationsform der Taschenbücher abgelöst; dieser Ablösungsprozess offenbart sich unter anderem an der deutlichen Reduzierung der Laufzeit von Übersetzungsserien von bislang neun bis zehn Jahre auf nunmehr zwei bis drei Jahre.

[30] 

Als weitere Kriterien für eine bibliographische Erfassung nennen die Herausgeber einen Mindestumfang der Serie wie auch der Einzelbände sowie einen Mindestanteil an übersetzten Werken aus einer fremden Sprache. So gehen die Herausgeber bei einem Mindestumfang von vier tatsächlich erschienenen Bänden davon aus, dass es sich erstens um eine serielle Erscheinungsweise und zweitens um eine Buchserie handelt. Der Mindestanteil an Übersetzungswerken aus einer fremden Sprache hat wenigstens 20 Prozent zu betragen und der Mindestanteil an belletristischen Werken immerhin 50 Prozent. Zudem sollten mindestens zwei Autoren je Buchserie nachweisbar sein.

[31] 

Erschließungs- und
Ausschlusskriterien

[32] 

Die klare Beschreibung der Merkmale einer Übersetzungsserie als Kriterien für deren Aufnahme in die Bibliographie erforderte zudem die Formulierung von plausiblen Ausschlusskriterien. Nicht erfasst wurden demnach Almanache und Jahrbücher, Schulausgaben, Ausgaben für den Lehrgebrauch, die sich ausdrücklich an Jugendliche und Kinder richten, Übersetzungsserien, die sich ausdrücklich an manifeste Zielgruppen, zum Beispiel Glaubensgemeinschaften, Berufsgruppen oder Reisende, richten, wie auch Übersetzungsserien, die ausnahmslos Memoiren, Briefe, Biographien oder Reiseberichte enthalten, da hier – so die Bearbeiter – die formale Abgrenzung zu nichtfiktionalen und fachliterarischen Texten nicht objektivierbar war. Unberücksichtigt blieben zudem Übersetzungsserien mit Schwerpunktlegung auf Detektiv-, Räuber- oder Gespenstergeschichten; allein wegen des überdimensionalen Aufkommens von Anonymen und Pseudonymen war hier der tatsächliche Übersetzungsanteil nicht im Rahmen eines vertretbaren Aufwands zu rekonstruieren. Gleichfalls ausgeschlossen blieben Übersetzungsserien mit nichtautorspezifischen Textsorten wie zum Beispiel Märchen oder Witze.

[33] 

Ein unverzichtbares Nachschlagewerk
für belletristische Literatur
des 19. Jahrhunderts

[34] 

Die zweibändige Bibliographie verweist auf eine bislang einmalige Datenbasis, und durch die konsequente, akribische Ergänzung von bibliographischen und biographischen Angaben erweist sich die Bibliographie zudem als unverzichtbares Nachschlagewerk für belletristische Literatur im 19. Jahrhundert.

[35] 

Bernd Weitemeier und Fritz Paul rekonstruierten in mühsamer Kleinarbeit folgende Daten:

[36] 

• 253 literarische Übersetzungsserien;

[37] 

• über 5.500 Autoren, davon 2.985 übersetzte Autoren und – soweit möglich – ergänzt um Lebensdaten;

[38] 

• 27.600 in Serien publizierte Einzeltitel und unselbstständig in Sammelpublikationen erschienene Titel;

[39] 

• knapp 16.000 übersetzte und deutschsprachige Originaltitel mit Angaben zur Ersterscheinung, Entstehungszeit, hiervon 750 Titel unbekannter und anonymer Verfasser, gegliedert nach Ausgangssprachen und Ausgangsliteraturen;

[40] 

• Versdichtung in Anthologien von über 1.600 Autoren, teilweise mehrfach vertreten;

[41] 

• 256 Anthologien;

[42] 

• Übersetzungen aus den Sprachen und Literaturen: Altnordisch, Altsächsisch, Amerikanisch, Arabisch, Armenisch, Bosnisch, Brasilianisch, Bulgarisch, Chinesisch, Dänisch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch (Altgriechisch, Byzantinisch, Neugriechisch), Isländisch, Italienisch, Japanisch, Kroatisch, Latein (inklusive Mittel- und Neulatein), Niederdeutsch, Niederländisch, Norwegisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Provençalisch, Rumänisch, Russisch, Sanskrit, indische Dialekte, Schwedisch, Serbisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch;

[43] 

• über 2.000 Übersetzer und Bearbeiter und rund 430 Herausgeber und ergänzt – soweit möglich – um Lebensdaten.

[44] 

Topographie der literarischen
Produktionszentren in Deutschland

[45] 

Augenfällig, aber nicht untypisch ist das Verhältnis der Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien zur Anzahl der deutschen Verlage, die einen Produktionsschwerpunkt auf diese beiden Medien gelegt hatten: Die Produktion dieser beiden Publikationsformen konzentrierte sich auf 94 Verlagsorte im deutschsprachigen Raum; 233 Verleger beschäftigten sich schwerpunktmäßig mit dem Verlag von Übersetzungsserien und Übersetzungsanthologien; die Produktionszentren befanden sich in Berlin (60 Verlage), Leipzig (56 Verlage), Stuttgart (33 Verlage) und Wien (20 Verlage). Die Konzentration der Produktion auf die wichtigen Verlags-, Handels- und Verkehrszentren des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum verwundert nicht. Diejenigen Verlagsunternehmen, die sich auf die massenhafte Herstellung und den internationalen Vertrieb von Übersetzungsserien spezialisiert hatten, waren darauf angewiesen, von den wichtigen Kommunikations- und Verkehrszentren aus zu agieren, um den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Unternehmungen dauerhaft zu gewährleisten.

[46] 

Erschließung
durch Autopsie

[47] 

Die vorliegende Bibliographie Literarische Übersetzungsserien besticht nicht nur durch ihre Fakten- und Informationsfülle, sondern auch durch ihre Benutzerfreundlichkeit. Eine ausführliche Einleitung führt den Benutzer in den Aufbau und die Systematik der Bibliographie ein. Einen unschätzbaren Quellenwert haben die sieben Register, die der Bibliographie beigegeben wurden. Allein der zweite Band der Bibliographie bleibt dem Autorenregister vorbehalten; flankiert von Registern der anonymen Werke, Anthologien, der Herausgeber, Übersetzer und Bearbeiter, der Verlage und Verlagsorte.

[48] 

Besonders herauszustreichen ist die Erschließungsleistung der literarischen Übersetzungsserien durch Autopsie. Nur dadurch war es den Bearbeitern möglich, lückenhafte und fehlende bibliographische wie auch biographische Daten zu vervollständigen und zu verifizieren. Die Bearbeiter sichteten darüber hinaus Einleitungen und Begleittexte der einzelnen Buchserien, die bedeutsame kulturhistorische Fakten ans Tagelicht beförderten, unter anderem auch Widmungen und sogar Verfasserporträts. Diese Datenmenge erweist sich somit als unerschöpfliche Fundgrube, die zu einer tiefer gehenden Erforschung der Materialien geradezu auffordert. Insbesondere die Buch- und Übersetzungsforschung wird von diesem Grundlagenwerk profitieren, denn der internationale Kulturtransfer beginnt nicht zuletzt bereits beim materiellen Austausch. 7

[49] 

So steht jetzt der interdisziplinären Forschung erstmals eine Bibliographie und ein Kompendium zur Verfügung, die gemeinhin ausgesprochen schwierig zu beschaffende Informationen liefern zu Buchreihen, Verlagen und Verlagsorten, Autoren und Übersetzern und – soweit den Bearbeitern möglich – ergänzt um Lebensdaten und biographische Details, die das fulminante Werk außerdem zu einem unverzichtbaren literarhistorischen Nachschlagewerk und ausgezeichneten Autoren- und Verlagslexikon machen.



Anmerkungen

Norbert Bachleitner (Hg.): Beiträge zur Rezeption der britischen und irischen Literatur des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Amsterdam: Rodopi 2000; N. B.: Quellen zur Rezeption des englischen und französischen Romans in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer 1990, und N. B.: Der englische und französische Sozialroman des 19. Jahrhunderts und seine Rezeption in Deutschland. Amsterdam: Rodopi 1993.   zurück
Bernd Weitemeier: Deutschsprachige Übersetzungsserien 1820–1910. In: Armin Frank / Horst Turk (Hg.): Die literarische Übersetzung in Deutschland. Studien zu ihrer Kulturgeschichte in der Neuzeit. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2004, S. 329–344.   zurück
Norbert Bachleitner: »Übersetzungsfabriken«. Das deutsche Übersetzungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: IASL, 1. Heft, 14. Bd., 1989, S. 1–49.   zurück
Vgl. Karl-Heinz Fallbacher: Taschenbücher im 19. Jahrhundert (Marbacher Magazin Bd. 62) Marbach am Neckar 1992.   zurück
Ulrich J. Beil: Die »verspätete Nation« und ihre »Weltliteratur«. Deutsche Kanonbildung im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Renate von Heydebrand (Hg.): Kanon. Macht. Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildungen. Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler 1988, S. 323–340; Manfred Koch: Weimarianer Weltbewohner. Zur Genese von Goethes Begriff »Weltliteratur«. Tübingen: Niemeyer Verlag 2002, und Bernhard Zeller (Hg.): Weltliteratur. Die Lust am Übersetzen im Jahrhundert Goethes (Marbacher Kataloge Bd. 37) Marbach am Neckar 1982.   zurück
Vgl. William Todd / Ann Bowden: Tauchnitz. International Editions in English. 1841–1955. New York: Bibliographical Society of America 1988; Dietrich Bode (Hg.): Reclam. 125 Jahre Universal-Bibliothek 1867–1992. Verlags- und kulturgeschichtliche Aufsätze. Stuttgart: Reclam 1992.   zurück
Vgl. Armin Frank / Harald Kittel: Der Transferansatz in der Übersetzungsforschung. In: Armin Frank / Horst Turk (Hg.): Die literarische Übersetzung in Deutschland. Studien zu ihrer Kulturgeschichte in der Neuzeit. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2004, S. 3–67.   zurück