Joch über Hamann/Sieber (Hg.): Räume der Hybridität

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Markus Joch

Wunderbare Hybridität

  • Christof Hamann / Cornelia Sieber (Hg.), unter Mitarbeit von Petra Günther: Räume der Hybridität. Postkoloniale Konzepte in Theorie und Literatur (Passagen. Transdisziplinäre Kulturperspektiven 2). Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag 2002. 274 S. Kart. EUR (D) 39,80.
    ISBN 3-487-11799-1.

Inhalt

Diversität, Differenzen, Artikulation | Dritter Weg, afrikanisch | Dritter Raum | Ernst und Spiel | Akteure des Wandels



Pilar Puente, eine junge New Yorkerin kubanischer Herkunft, weiß nicht genau zu sagen, wo sie hingehört. Obwohl sie Brooklyn nie wirklich als neue Heimat akzeptiert hat, muß sie sich während des lang ersehnten Besuchs auf Kuba doch eingestehen, daß ihr die alte Heimat noch um einiges fremder geworden ist: "But sooner or later I'd have to return to New York. I know now it's where I belong – not instead of here, but more than here." Die zögerliche, etwas unbestimmte Selbstverortung von Pilar (S. 257), einer Protagonistin aus Christina Garcías Roman Dreaming in Cuban, versteht Christof Hamann als typische Erfahrung eines kulturellen Zwischenraums, der nur eine hybride Identität zuläßt, keine eindeutig verortbare (ebd.).

Das Gefühl des >Dazwischen-Seins< fördert Praktiken, die bei AnhängerInnen klarer Identitäten Befremden auslösen. Pilars Mutter, die nach Castros Machtübernahme auf die Auswanderung drängte, identifiziert sich voll und ganz mit den USA als dem Hort von Freiheit und Demokratie. Als Hauptfeind neben Fidel betrachtet sie die Insekten, die sie sich in ihrer gut gehenden Bäckerei nicht leisten kann und überhaupt für ein Zeichen tropischer Schlamperei hält, die es abzulegen gilt. Aus der Familientradition schert Pilar nun etwas aus, wenn sie zur Einweihung der zweiten Bäckerei wunschgemäß ein Bild der Freiheitsstatue malt, in dessen Hintergrund aber einige Insekten plaziert. Sie imitiert das Symbol eines pädagogischen Diskurses, der auf einer strikten Grenze zwischen Innen und Außen, USA und Kuba besteht, und durchkreuzt ihn durch eine Mimikry raffinierter Art, durch jene kleine, für die Mutter so ärgerliche Ergänzung im Hintergrund. Das Supplement verlegt die Grenze zwischen Innen und Außen ins Innere der Nation und markiert damit einen performativen Gegendiskurs, der die säuberliche Trennung von Eigenem und Fremdem unterläuft (S. 253, 259 f.)

Die Leichtigkeit und Plausibilität, mit der Hamann hier einige Begriffe aus The Location of Culture zur Textanalyse verwendet, zeichnet die meisten der 14 Beiträge aus, die er und Cornelia Sieber zusammengestellt haben, um die Leistungsfähigkeit eines der wichtigsten Werke der postcolonial studies zu erproben. Daß trotz des pluraler klingenden Untertitels die Überlegungen Homi K. Bhabhas den klar dominierenden Subtext bilden, rechtfertigt sich schon durch das breite Spektrum der Aufsätze, die aus einem Leipziger Forschungskolloquium im Jahr 2000 hervorgegangen sind. Figuren der Mischung und Kreuzung haben einen Dialog zwischen Literatur- und Sozialwissenschaftlern stiften können, weil sie nach Art eines Interdiskurses funktionieren.

Als kulturelles Faktum bildet Hybridität eine thematische Schnittstelle ansonsten gegeneinander abgeschotteter Spezialdiskurse und ermöglicht so deren Reintegration. Politik, Gesellschaft und Literatur durchzieht die gleiche, von Bhabha konzeptionalisierte Herausforderung, der nur ein Quergang durch die entsprechenden Disziplinen gerecht wird:

Werden Orte in ihren ambivalenten Bedeutungen ernst genommen, lenkt sich die Aufmerksamkeit statt auf die Grenzen zwischen Gruppenidentitäten auf ihre wechselseitigen Durchdringungen. Damit ergeben sich notwendig Neubewertungen des Verhältnisses zwischen (westlichem) Zentrum und Peripherie. (S. 8)

Die Arbeiten im ersten Abschnitt zeigen, wie sich das Hybriditätskonzept vom gängigen Multikulturalismus und zugleich vom älteren Theorieangebot Edward Saids unterscheidet. Der zweite Teil (S. 151 ff.) widmet sich der instabilen Konstitution von Identitäten in literarischen Texten.

Um den grundlegenden Eindruck vorwegzunehmen: Durch die Bank kenntnisreich und konzis argumentierend, werden die Theorieadaptionen dann, aber auch nur dann problematisch, wenn sie mit der deskriptiven Kategorie Hybridität allzu normativ oder inflationär umgehen. Das sei in einiger Ausführlichkeit begründet.

Diversität, Differenzen, Artikulation

Das Eingangsreferat von Alfonso de Toro unterstreicht, daß Bhabha mit essentialistischen Vorstellungen kultureller Einheiten bricht, da "die bloße Begegnung mit dem Anderen eine teilweise Entterritorialisierung aus dem Eigenen hin zu einer teilweisen Reterritorialisierung zum Fremden und umgekehrt bedeutet" (S. 23). Im weiteren werden Gründe für den Boom des Hybriditätsbegriffs benannt. Er berücksichtigt die Zunahme interkultureller Kontaktzonen infolge der globalisierten Migrations- und Informationsströme, zugleich schließt er an postmoderne Denkstile an, die – bei unterschiedlichen Codierungen (>Rhizom<, >Transversalität<, >dezentriertes Subjekt<) – allesamt zu überwinden suchen, was auch der postkoloniale Diskurs attackiert: binäre Denkmuster. So gesehen erscheint die plane Entgegensetzung von Kolonisierten und Kolonisatoren samt der Reihe von homologen Suboppositionen (barbarisch vs. zivilisiert, statisch vs. dynamisch etc.) als Variante einer Denkschablone, die ein indo-amerikanischer Intellektueller wie Bhabha durchaus im Einklang mit westlicher Kulturkritik dekonstruiert.

Über die Widerlegung westlicher Überlegenheitsansprüche hinaus geht es dabei um die Abkehr vom liberaleren und scheinbar unschuldigeren Konzept der cultural diversity. In dem Moment, da die Nachkommen der kolonialen Untertanen sich spürbar ins Zentrum mischen und seine kulturelle Einheit in Gefahr bringen, erweist sich das Modell kultureller Differenz als Abschirmungsstrategie. Wie Antje Kley zeigt, zielt die multikulturalistische Rede auf die Gleichbehandlung der koexistierenden Gruppen, um an der "Vorstellung eines kulturellen Mosaiks" (S. 56) festzuhalten, nach der Kulturen klar voneinander abgrenzbar und in sich homogen sind. Beide Annahmen sind so verbreitet wie fragwürdig.

Die separierenden Stimmen ignorieren, daß sich die ethnischen Minderheiten ganz wie die Mehrheiten zur Durchsetzung ihrer Interessen auf einen aufklärerischen Wertekanon berufen, daß Begriffe wie Freiheit, Würde, Demokratie und Individualität zwischen den Lagern flottieren (S. 60). Noch unübersichtlicher wird der Kampfplatz durch die interne Heterogenität der dominanten wie der unterprivilegierten Gemeinschaften. Kley schlägt mit Bhabha vor, statt von cultural diversity von cultural difference zu sprechen, "d.h. einer Artikulation sich vielschichtig und mitunter widersprüchlich überschneidender Differenzen" (S. 58). Denn die identitätspolitischen Ideen, die von ethnischen, klassen- oder geschlechtsspezifischen Merkmalen auf soziale Größen mit einheitlichem Erfahrungshorizont schließen, unterschlagen, daß sich die Identität des einzelnen aus verschiedenen Zugehörigkeiten zusammensetzt, multiplen Bindungen, die die politische Mobilisierbarkeit der >Kollektive< erschweren. Jede Anrufung gemeinsamer Traditionen im Namen von Rasse, Nation, Klasse oder Geschlecht verfährt erfinderisch, konstruierend, vereinfachend.

Warum in der Perspektive entsicherter Identitäten so mancher politische Entwurf des Zusammenlebens wirklichkeitsfremd wirkt, erklärt Sieber.

Weder ist die >dislozierbare< westliche Bevölkerung angstfrei und monadisch genug, sich aus einer gefestigten und einheitlichen Position mit dem Anderen auseinander zu setzen, noch sind es die >dislozierten< Migranten und Minderheiten. (S. 82)

Trübe Aussichten also für das eigentlich begrüßenswerte Ideal eines Clifford Geertz, der, weil ein universeller Konsensus in normativen Fragen nicht in Sicht ist, eine Einfühlung in den Anderen empfiehlt, die sich der pragmatischen Ethik des Miteinander-Auskommens verdankt (S. 71 f.).

Schärfere Worte findet Sieber für die Position Richard Rortys. Wer kulturelle Differenzen zur Privatsache und damit letztlich zur Folklore erklärt, davon einen wertefreien öffentlichen Raum abgrenzt, in dem sich alle Beteiligten nur ans Recht zu halten und ansonsten ihren Geschäften nachzugehen haben, die Auseinandersetzung mit dem Fremden generell für so überflüssig wie bedenklich hält, weil sie die bürgerlichen Grundwerte erschüttere, der liefere eine bequeme "Ausrede fürs Wegsehen" (S. 75). Für eine "gepflegte Arroganz" (S. 83), die von unterschiedlichen Einkommens- und Lebenschancen schweige, weil sich nur so der Liberalismus als Stein der urbanen, westlichen Weisen verkaufen lasse.

Genauso problematisch freilich mute eine Politik der Anerkennung im Sinne Charles Taylors an, die Vorrechte minoritärer Gemeinschaften befürwortet, um >Besonderheiten< zu schützen. Sie laufe Gefahr zu verkennen, "dass ein Individuum durchaus auch die von >Gesellschaften mit besonderem Charakter< zum Schutz ihrer kulturellen Identität aufgestellten Regeln und Verbote als >homogenisierende Tyrannei< wahrnehmen kann" (S. 76).

Schon die bisher genannten Beiträge lassen die vorherrschende Tendenz des Bandes erkennen. Man übernimmt eine von Bhabha eröffnete Doppelperspektive: Einerseits das Mitsprechen der Minderheiten im Zentrum betonen und einfordern, andererseits mit dem Hinweis auf fragmentierte Identitäten eine unfrohe Botschaft für Heimattümler jeglicher Couleur bereithalten. David Strecker zieht daraus die naheliegende Konsequenz.

Die Verortung der Kultur, so die erste Beobachtung, markiert ein radikalisiertes Stadium postkolonialer Theorie. Saids Verdienst bestand im Nachweis, daß der sogenannte Orient aus der Bildung eines asymmetrischen Gegensatzpaares resultierte, mit dem Okzident als der durchgehend höherwertigen Seite. Und der Westen, wissen wir seit Orientalism, bedurfte der Gegenüberstellung, um sich selbst als einheitliche Entität zu beschwören. Doch der Gegenüberstellung bleibt selbst noch ihre paradigmatische Kritik verhaftet, da auch sie das Andere nur als Bezugsobjekt aufruft, ohne ihm eine eigene Stimme zu verleihen. Bhabha dagegen macht "den Text des Anderen [...] zur aktiven Quelle der Artikulation" (S. 95). 1 Wenn er aber im gleichen Atemzug auf das situative Aushandeln (negociation) der Andersheit abhebt, die interessegeleitete Konstruktion eines einheitlichen Anderen in den Sprechakten auch der Minoritäten (S. 96 f.), stellt sich die Frage, ob man Identität nicht ganz als "Phantasiegebilde" (S. 104) ad acta legen sollte.

Dagegen, räumt Strecker ein, spricht erstens die von Will Kymlicka stark gemachte Rolle der Sprache als dem elementaren Bindemittel einer distinkten >kulturellen Struktur< (S. 93). Zweitens versäume Bhabha zu belegen, daß die Minoritäten ihr Selbstverständnis tatsächlich als uneinheitlich-zusammengesetzt empfinden (S. 98). Zur Widerlegung beider (potentiellen) Einwände wird mit Jeremy Waldron dreierlei angeführt: das Englische als funktionstüchtige lingua franca, die Existenz einer internationalen scientific community, deren Angehörige auf nationale Rückbindungen wenig angewiesen sind, schließlich der Autor der Satanischen Verse (S. 102 ff.). Erklärtermaßen von hinduistischer wie muslimischer, indischer wie englischer Kultur geprägt, darf Salman Rushdie als prominentes Beispiel für erfolgreich-selbstbewußte Kulturvermischung gelten. Suggestive Argumente, und doch weisen sie mitten ins Problem.

Dritter Weg, afrikanisch

Die Exempel entstammen der Luxusversion interkulturellen Kontakts, dem Kosmopolitismus. Einer Sphäre, in der Ortswechsel, Wurzellosigkeit und Hybridität, die von Kommunalismus und Rassismus verdammten Merkmale, zu Elementen einer erfolgreichen Lebensführung aufgewertet werden, schließlich versprechen sie mit Erkenntnisvorsprüngen und Weltläufigkeit edle Distinktionen.

Daß man dieses Wertsystem nicht so ohne weiteres mit dem der Weltbevölkerung gleichsetzen kann, erkennt Strecker zwar ("Das Bedürfnis nach Bindung an eine stabile Kultur mag verbreitet sein", S. 102). Auch sind sich die vorgenannten BeiträgerInnen bewußt, daß die anti-essentialistische Wucht eines transnationalen Kapitalismus und die defensiven ethnischen Solidaritäten aneinander wachsen. Nur wird das Bedürfnis nach lokaler, ethnischer oder Nationalidentität nicht recht ernst genommen. Die von Bhabha übernommene Rede von den "angstbehafteten Subjekten" (S. 82) bleibt noch die vorteilhafteste der pejorativen Etikettierungen.

Daß man es sich damit etwas einfach macht, zeigt das Beispiel Schwarzafrika, wo die >Einschreibungen< der Kolonialmächte – von willkürlichen, ethnische Gemeinschaften durchschneidenden Grenzziehungen über Sprache und Religion bis zu den ökonomischen, politischen und Bildungssystemen – ein "Identitätsvakuum" hinterlassen haben (Niels Weidtmann, S. 115), das die Betroffenen beileibe nicht als Genuß empfinden. Umso fraglicher, ob man eine der gleichsam einspringenden Identitätskonstruktionen, die Ethnophilosophie, maßregeln sollte, wie Anke Graness in einem ansonsten überzeugenden Beitrag.

Gewiß läßt sich dem Hauptvertreter der Négritude, Leopold Senghor, finsterster Essentialismus ankreiden; immerhin hat er Intuition und Anteilnahme afrikanischen Denkens glatt gegen einen analytischen Utilitarismus der westlichen Philosophie ausgespielt. Einzuwenden ist, daß er eine westliche Oppositionierung nur umgewertet hat, während es jüngeren afrikanischen Philosophen nicht im Traum einfällt, Logik und Rationalität dem >Zentrum< zu überlassen (S. 128 f.). Doch so bedenklich essentialistische Selbstbeschreibungen sind, steckt darin nicht immer auch ein Moment legitimer Selbstbehauptung?

Wie Graness gegen Ende erwähnt, zieht selbst ein entschiedener Kritiker der Ethnophilosophie, der Kenianer Odera Oruka, der Alternative >westlich geprägter Universalismus oder afrikanischer Partikularismus< einen ">dritten Weg<" vor
(S. 132). Als Intellektueller nicht gewillt, politische Mißstände seiner Heimat kulturrelativistisch zu verklären, erklärt Odera Oruka Kritikfähigkeit zum universellen Wert – auch auf die Gefahr hin, in den Ruf der Verwestlichung zu kommen
(S. 128). Und doch durchforstet der gleiche Autor die afrikanische Weisheitsphilosophie nach Einsichten, die, anders als die technisch-ausgekühlte Sprache europäischer Philosophie, historisch-kulturelle Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen. Von ihnen verspricht er sich nicht weniger als "die Besserung der Menschen und der Gemeinschaft" (S. 132).

So weist Graness' Text eine kleine mentale Friktion auf. Einerseits belegt er, daß die Teilhabe an universellen Werten mit einem komplementären, nicht etwa gegenläufigen Interesse am Eigenen vereinbar ist – >Hybridisierung< als die Suche nach dem >Besten von allem<. Damit aber reibt sich eine syntaktische Vorentscheidung an anderer Stelle:

So wichtig die Arbeit an der Rekonstruktion vorkolonialen Wissens auch ist als Voraussetzung für einen neuen, selbstbewussten Umgang mit der Geschichte und den Traditionen des Kontinents, gerade nach langen Jahren der Kolonisierung und angesichts rassistischer Vorurteile von der Minderwertigkeit afrikanischer Völker, (S. 128)

so selbstverständlich bildet diese Einsicht den konzessiv-pflichtschuldigen Nebensatz, dem im Hauptsatz die Verurteilung des schwarzen Essentialismus folgt ("gefährlich", "reduktionistisch", ebd.).

Derlei Akzente laufen darauf hinaus, von postkolonialen Denkern die Haltung skeptisch-abgeklärter Postmodernisten zu erwarten. Aus guten Gründen sehen letztere in >Tradition< und >Identität< belastete Vokabeln des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die Kritik der nationalistischen und ethnozentrischen Großerzählungen Europas setzt jedoch deren volle Ausbildung voraus, das heißt eine Entwicklung, die die Kolonialmächte in Afrika verhindert haben. Die nachholenden Identitätskonstrukte der Dekolonisierten sind unvermeidlich, zumal unterm neokolonialen Anpassungsdruck. Das macht sie nicht weniger problematisch, weil politisch ausbeutbar; mitzudenken aber wäre, daß man sich die Dekonstruktion von Identität erst einmal leisten können muß. Sie von afrikanischen Philosophen zu verlangen heißt, die Geschichte von postkolonialistischer und
-kolonialer Intelligenz flink zu synchronisieren. In bester egalitärer Absicht, versteht sich.

Dritter Raum

Die Reserve gegenüber der >Identität< verdankt sich freilich in erster Linie den politischen Debatten hierzulande. In Deutschland ist der Begriff konservativ, wenn nicht xenophobisch kontaminiert. Die Herausgeber machen kein Geheimnis daraus, daß sie es bei seinem Gebrauch >stoibern und merzen< hören; die Rede von deutscher Leitkultur bildet den erklärten Angriffspunkt des Theorieimports
(S. 7).

Also bietet es sich an, gegen statisch-monolithische Vorstellungen von deutscher Nationalkultur die türkisch-deutsche Migrantenliteratur anzuführen und ihr die destabilisierende Funktion zuzuweisen, die Bhabha dem Gegendiskurs der Kolonisierten im Empire zuspricht. Die Gemeinsamkeit besteht in Artikulationen, die sich in der Sprache der dominanten Kultur bewegen, sie aber durch Verschiebungen subvertieren, gemäß der mittlerweile schon klassischen Formulierung Bhabhas: "[...] a subject of a difference that is almost the same, but not quite" (S. 8).

Die Migrantenliteratur als Demonstrationsfall eines vorgängigen Theoriekonzepts: Kosten und Nutzen der Übertragung gleichermaßen vorzuführen, zählt zu den großen Vorzügen des Bandes. Petra Günther, allerdings auch nur sie, spricht vom Bemühen vor allem der amerikanischen GermanistInnen, sich den cultural studies anzuschließen, um der Marginalisierung an der academy zu entgehen. So halten sie nach deutschen Gegenstücken zur minorities literature Ausschau und nehmen es dabei nicht allzu genau.

Unterschwellig wird eine historisch fragwürdige Parallele zwischen Kolonialherren und Kolonisierten in der Dritten Welt des 19. und 20. Jahrhunderts auf der einen Seite und ausländischen Zuwanderern in der Bundesrepublik Deutschland ab den sechziger Jahren gezogen
(S. 153 f.).

Die methodische "Kolonisierung der Migrantenliteratur" (S. 152) ist in der Tat unübersehbar. Andererseits zeigt der anschließende Kommentar von Manuela Günter zu türkisch-deutschen Texten, wie produktiv auch Kurzschlüsse sein können. Laut Einleitung (S. 8, 10 f.) liefert dieser Beitrag die Analyse eines Dritten Raums (Bhabha), in dem sich differente Kulturen überlappen. Damit wird natürlich vom Material abstrahiert, mit dem Bhabha die These von den ">inbetween<-spaces"
(S. 8) unterfüttert hat.

Nur ein Beispiel: Kapitel 4 und 5 der Verortung veranschaulichen, wie sich die Selbstgewißheit der Engländer am Kolonialschauplatz Indien bricht. Kultur, Freiheit und Fortschritt, die bürgerlichen Kampfvokabeln, verändern durch die Wiederholung (iteration) an einem 15.000 Meilen entfernten Ort ihre Bedeutung. Sie werden selbst den Sprechenden schal, da sie hier einem paradoxen Projekt dienen, der despotischen Regierung eines abhängigen Gebiets durch ein >freies Volk<. Verstörend zudem, was die Missionare schlaue Höflichkeit (sly civility) nennen. Die Inder machen sich die Lehren der Kolonialherren scheinbar zu eigen, übersetzen sie aber so in die eigenen Bedeutungssysteme, daß sie in den Ohren der Herren einen irritierenden – womöglich ridikülisierenden? – Klang annehmen. 2

Solchen Urszenen der Hybridisierung, die den Keim für imperiale Selbstzweifel gelegt haben, läßt sich der von Günter gewählte Textkorpus nicht einfach zuordnen. Man wünschte sich schon einmal die Bemerkung, daß die Türkei nie zu den deutschen Kolonien gezählt hat, die interkulturellen Kontaktzonen in Kreuzberg wie in Antalya auf einer anderen Ebene liegen. Diskutabel aber doch, wenn auch von der Migrantenliteratur behauptet wird, daß die "Verunsicherungen, die die Stimme des / der Anderen auslösen, [...] den traditionellen Kulturbegriff in seinem innersten Kern [treffen]" (S. 163). Damit wird der Wunsch zwar fürs Faktum genommen, doch läßt sich die kühne Dia- als plausible Prognose lesen. Auch wenn die Arbeiten von Emine Özdamar oder Feridun Zaimoglu das Weltbild der Stoiberanhänger so schnell nicht gefährden dürften, sie können allemal canon wars in der Literaturwissenschaft auslösen.

Günter umreißt, wie Özdamar in Mutterzunge Traditionen des türkischen Schattenspiels mit Elementen des Epischen Theaters mischt; türkische Sprichwörter wörtlich übersetzt, deutsche Wörter wiederum in türkischer Satzstellung erscheinen läßt; Metaphern von Wanderung, Reise und Heimkehr ins Groteske steigert (S. 164 f.). Wie Zaimoglus Kanak Sprak, ein "polyvoke[s] Spektakel" (S. 167), die Stimmen von Soziologen und Zuhältern, Putzfrauen und Erzähler durcheinanderwirbelt, "die verletztende Sprache" – Kanake – "durch gezielte Fehlaneignung" umpolt (S. 168).

Kenntlich wird hier nicht allein das Brüchigwerden von Identität. Wenn Günter hervorhebt, daß die erfahrene Hybridisierung dialogische und polyphone Verfahren (Bachtin) begünstigt (S. 164 ff.), spricht sie eine Größe an, die im literarischen Feld zusehends an Geltung gewinnt. So zeichnet sich ab, daß in den deutschen Verhandlungen der Migrantenliteratur der sozialpädagogische Antrieb einem ästhetischen weichen kann. So manche >rein< deutsche Prosa nimmt sich im Vergleich eben lau, spannungsarm, mit einem Wort: einstimmig aus.

Ernst und Spiel

Indes sind Polyphonie und Hybridität dehnbare Begriffe, wie sich spätestens dann erweist, wenn man Ute Gerhards Überlegungen zur Multikulturelle(n) Polyphonie bei Heinrich Heine neben den Beitrag Günters hält. Letztere führt mit Kanak Sprak "fröhlich-verzweifelte Posen" (S. 169) sprachlicher Dissimilation an, die einer doppelten Entfremdung geschuldet sind: Ein von Neologismen durchsetztes >Kauderwelsch< widersetzt sich deutscher wie türkischer Sprachnorm, halb notgedrungen, halb offensiv ("Der Stumme, der ich bin, hat beuligen Sprech, hat Monsterdeitsch auf der Zunge" – S. 167 f.). Obgleich die Funktion, auf sprachlicher Ebene einen "Keil in den identitären Diskurs" zu treiben (S. 168), auch vom Gedichtzyklus des Romanzero erfüllt wird, unterscheiden sich Verfahren und historisch-soziale Position eines Heine denn doch beträchtlich.

Dabei weiß Gerhard zu erklären, warum sich der Hybriditätsbegriff auf ein Werk von 1851 rückzuprojizieren läßt. In Vitzliputzli, seinen vielleicht blasphemischsten Zeilen, entgrenzt und enthierarchisiert Heine eine kulturelle Zuordnung wie christlich / zivilisiert vs. heidnisch / wild, indem er das Abendmahl als sublimierte Form des Menschenopfers beschreibt (S. 202 f.). Und wenn er in der Romanze Prinzessin Sabbat den hohen Ton deutscher Klassik mit orientalischer Sinnlichkeit und jüdischem Ritual mischt ("Schalet, schöner Götterfunken, / Tochter aus Elysium! / Also klänge Schillers Hochlied, / Hätt er Schalet je gekostet"), kann die "heterogene Kombinatorik des unterschiedlichsten sprachlichen Materials"
(S. 206 f.) fraglos als Beispiel für Polyphonie avant la lettre gelten.

Gerade deshalb allerdings täten den >Hybriditäts<- und >Polyphonie<-Befunden Differenzbestimmungen gut. Anders als Zaimoglu spricht Heine nicht von einem handfest erlebten, sondern rein imaginären Zwischenort aus. So inokuliert er sich die Sicht der Conquista-Opfer ("Diese Fremden, die aus fernen / Und noch unentdeckten Ländern / Zu uns kamen übers Weltmeer"), ohne daß sich dadurch die Identität der Azteken und die eines deutschen Dichters >wechselseitig durchdringen<. Wie sich schon am makellosen Versmaß ablesen läßt, das Eleganzwerte des Deutschen übererfüllt statt fröhlich ignoriert. Auch zählt die von Gerhard betonte Selbstbeschreibung als >persischer Dichter< (S. 205) – oder, wie sich hinzufügen ließe, als schönheitstrunkener >Hellene< – eher zur Selbststilisierung als zur realen Hybridisierungserfahrung á la Zaimoglu.

Sinnvoll wäre eine Skalierung von Kreuzungsphänomenen, die die elementaren Unterschiede – zwischen der Dislokation von Sprachmaterial und der von Menschen (!) – ebenso berücksichtigt wie die Bandbreite >hybrider< Biographien. Ein deutscher Autor jüdischer Herkunft, der Antisemitismus zu spüren bekommt und von Paris aus zurückschlägt, mag Affinitäten zu den Kolonisierten entwickeln. Es bleibt jedoch eine Sache, als Angehöriger des Zentrums den Blick der Unterworfenen spielerisch-sympathetisch zu simulieren, und eine andere, aus dem Erfahrungshorizont der Kolonisierten selbst zu schreiben.

Ihn beleuchtet Arnd Beise (S. 213 ff.) am Beispiel von Beryl Gilroy, einer schwarzen, in British-Guyana aufgewachsenen und in London lebenden Autorin, die mit dem postkolonialen Roman Inkle and Yarico einen Stoff aus dem frühen 18. Jahrhundert aufgreift. Die Geschichte Inkles, eines britischen Kaufmannssprosses, den ein Schiffbruch auf ein karibisches Eiland verschlagen hat, und Yaricos, einer Vertreterin der ausgerotteten Indianerkultur, die den Fremden schützt, um dann von ihm verraten zu werden, erzählt Gilroy interessanterweise aus der weißen und männlichen Perspektive.

Anders als die früheren Versionen wohlmeinender Europäer, die aus Yarico eine Gute Wilde machten, stellt sich Gilroy dem Faktum, daß es einen Zugang zur karibischen Vergangenheit nur über die dokumentierte Sprache der Kolonisatoren geben kann. Sich ihr mimetisch anzuverwandeln erlaubt, Borniertheit und Unsicherheit einer weißen Geschichtserzählung in überzeichnender Wiederholung herauszumeißeln und so "die kolonialistischen Ideologeme [...] im Kopf des Lesers implodieren zu lassen" (S. 228). Wie Beise pointiert, äußert der weibliche und schwarze Standpunkt sich hier nicht im Versuch, den Dominierten selbst eine Stimme zu verleihen / zu erfinden, sondern in der präzisen Vorführung von Herrschaftssprache, effektiver Unterwanderung, Mimikry in Hochform (S. 225).

Akteure des Wandels

Die Mittlerrolle von Said und Bhabha im angelsächsischen Raum, sei es als Kontrollinstanz nachwirkender kolonialer Vorstellungen, sei es als Erheller kultureller Osmosen, kommt unter deutschen Vorzeichen auch den Autoren der Räume der Hybridität zu. Wo sich viele immer noch schwer tun, ein Einwanderungsland zu erkennen, und man Literaturwissenschaft gern als fensterlose Nationalphilologie betreibt, ist die weit angelegte, an US-Vorbildern geschulte Erkundung von Grenzauflösungen überfällig. Im vorliegenden Fall spricht sie auch stilistisch an, weil sich die BeiträgerInnen den dekonstruktivistischen Jargon Bhabhas nur sehr dosiert zu eigen machen. Der innerakademische Antrieb, den spatial turn der Kulturwissenschaften nicht zu verpassen, birgt gleichwohl Risiken.

Daß die postkoloniale Terminologie hierzulande nur mutatis mutandis greift, ist das kleinste, wenn überhaupt ein Problem. Ein größeres besteht darin, daß sich Hybridität strategisch gegen liberalen Multikulturalismus und rechten Ethnopluralismus einsetzen läßt, aber selbst der liberalen Märchenstunde dienen kann. Daß in der heutigen Internet-Gesellschaft "eine Art Nullpunkt des Aushandelns" von Identitäten erreicht sei (de Toro, S. 28), klingt, als lösten sich "Rassen"- und Klassenschranken auf, wenn wir nur aufgeschlossen und global kommunizieren. Das glaubt Bhabha, der erklärte Sozialist, 3 im übrigen nicht, auch wenn er mit der negociation einen Begriff popularisiert hat, der manchen im Glauben stärkt, soziale Determinanten seien eine Sache von Wille und Vorstellung.

Da "Rasse" nach wie vor eines der Medien ist, in denen Klasse gelebt wird, 4 sind Texte, die statt der kulturellen Austausch- die fortbestehenden Herrschaftsverhältnisse betonen, durchaus nicht überholt. Zur realen Gleichzeitigkeit von neuen Fragen und older issues verhält sich am bewußtesten noch Bernd Blasche, der zu Heiner Müllers Theaterstücken feststellt, daß sie "die Differenz zwischen Erster und Dritter Welt [...] als eine der Binarität verhandel[n]: als ein[en] Konflikt, in dem es kaum Zwischenorte gibt, vielmehr einen Kampf auf Leben und Tod" (S. 180). Zu Recht deutet sein Kommentar an, daß, solange der Unterschied der Hautfarben das Leben allzu vieler Menschen bestimmt, eine traditionell antikoloniale Sicht legitim bleibt - obwohl oder gerade weil sie der aparteren Dekonstruktion von Differenz kontrastiert (S. 195). Daß es bei Müller nicht ohne die Projektion linksvitalistischer Rachephantasien auf schwarze Protagonisten abgeht (ebd.), scheint daher ein knapp verzeihliches Manko. 5

Bleibt der auf Bhabha gemünzte und sicher überspitzte Seitenhieb Terry Eagletons, daß für "unreifere Postmodernisten" "Staatenlosigkeit gleich nach der Göttlichkeit kommt". 6 Kley sieht ihn ins Leere gehen, weil der Gescholtene zwischen schierer homelessness und einem unhomely moment in der kollektiven Wahrnehmung metropolitaner Gesellschaft zu unterscheiden wisse (S. 62). Das trifft zu, ändert aber kaum etwas an der Romantisierung von Migration und Heimatlosigkeit.

Beim Starwissenschaftler Bhabha ist von den Integrationsproblemen weniger privilegierter Migranten sehr selten die Rede. Auch wäre seiner (nur korrekt wiedergegebenen) These, daß "ein Ort von niemandem mehr als Heimat beansprucht werden kann" (S. 9), wohl ein "für sich allein" einzufügen. Und sie provoziert die Rückfrage, ob statt der Auflösung nicht die Dezentrierung des Heimatbegriffs auf der Tagesordnung steht. Spricht dafür nicht schon die soziale Energie der Verortung, deren Autor einen ursprünglich französischen Theorieimpuls inkorporiert, um ihn auf das Repräsentationsinteresse auch seines Herkunftslandes auszurichten?

So nachvollziehbar die Absicht der Herausgeber ist, einen emphatischen Heimatbegriff zugunsten von Hybridität abzuwerten: Ohnehin ist zu beobachten, daß sich (Links-) Intellektuelle zur Heimat häufiger zwiespältig als apologetisch verhalten. Bereits das Beispiel Heine zeigt, wie sich die Lust am Kosmopolitismus und der Ekel vor nationaler Selbstbezogenheit mit dem Bedürfnis nach kultureller Rückbindung mischen. "Nur wer im Exil gelebt hat, weiß auch was Vaterlandsliebe ist, Vaterlandsliebe mit all ihren süßen Schrecken und sehnsüchtigen Kümmernissen!" 7 – der Satz klingt sentimental, von einem Reaktionär stammt er dennoch nicht. Was Bhabha an kolonialistischen wie kolonisierten Subjekten erkennt: Ambivalenz, ließe sich auch in diesem Zusammenhang beleuchten.

Als Kritik will das der Rezensent nicht verstanden wissen, vielmehr als Umriß eines Desiderats, das sich nach Lektüre einer ungemein anregenden Publikation ergibt. Daß die Herausgeber das Näherliegende vorgezogen haben, nämlich kulturelle Reinheitsphantasien zu durchkreuzen, ist mehr als nur verständlich. Es ist einem Land angemessen, in dem organizistische Vorstellungen nationaler Einheit seit Herders Tagen eingeführt und nie ganz verschwunden sind. Daß die korrelierende Abwehr hybrider Autorschaft nach wie vor ein Problem darstellt, darf als sicher gelten. So lange jedenfalls, wie eine Orientalistik-Professorin und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels von Salman Rushdie zu berichten weiß, daß das ein ganz bedauernswerter Autor sei, weil ja nirgendwo zu Hause. Und daran kaum jemand Anstoß nimmt. 8


Dr. Markus Joch
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Institut für deutsche Literatur
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Ins Netz gestellt am 22.09.2003
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Anmerkungen

1 Homi K. Bhabha: Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg Verlag 2000, S.48.   zurück

2 Vgl. ebd., S.146, den Auszug aus den Tagebüchern des Missionars C.T.E. Rhenius: "R[henius]: "Kennst du Gott? / I[ndischer] P[ilger]: Ich weiß, daß er in mir ist. Wenn man Reis in einen Mörser tut und ihn mit einem Stößel stampft, wird der Reis rein. Und so ist Gott mir bekannt [die Vergleiche der Heiden sind für einen Europäer oft unbegreiflich]." Im Anschluß zitiert Bhabha die verdrossene Predikt eines Erzdiakons: ">Wenn man ihnen ihre groben und wertlosen falschen Vorstellungen über die Natur und den Willen Gottes oder die monströsen Narreteien ihrer phantastischen Theologie entgegenhält, werden sie das vielleicht mit einer schlauen Höflichkeit [...] oder einem geläufigen und nichtssagenden Sprichwort abtun.<"   zurück

3 Vgl. ebd., S. 33–44. Im Gegensatz zu de Toro erkennt Kley (S. 60 f.) in Bhabha den Impulsgeber einer renovierten Linken, der auseinander driftende Interessen unterprilegierter Gruppen benennt, um punktuelle Bündnisse in Aussicht zu stellen, die aus der Aushandlung von Interessenüberschneidungen resultieren können.   zurück

4 Kein >Nebenwiderspruch< also, wie Stuart Hall unterstreicht: "Rasse", Artikulation und Gesellschaften mit struktureller Dominante. In: Ders.: Rassismus und kulturelle Identität (Ausgewählte Schriften 2) Hamburg: Argument-Verlag 1994, bes. S. 133.   zurück

5 Weniger der nachsichtige Tonfall Blaschkes als die eigene Haltung wird sichtbar,wenn die Herausgeber vorab resümieren, daß "Blaschke Müllers manichäische Typologie nicht von dem Vorwurf freisprechen [kann], rassistische Stereotype zu benutzen, in der der radikal Andere zur Projektionsfläche eigener Wünsche degradiert wird" (S. 11). Diese harsche Kritik trifft sich eher schon mit den Wertungen von Arlene A. Teraoka: East, west, and others: the Third World in postwar German literature. University of Nebraska Press 1996, p. 114:
"If anything, Müller plays seem to illustrate the inability of (white male European) drama to portray a true >other< except a a wishful projection, a pregnant silence, or an empty space."   zurück

6 Terry Eagleton: Was ist Kultur? Eine Einführung. München: Beck 2001, S. 64.   zurück

7 Heinrich Heine: Ludwig Börne. Eine Denkschrift [1840]. In: Sämtliche Schriften. Band 4. München: Carl Hanser Verlag 1997, S. 114.   zurück

8 Vgl. "Ein verdeckter Angriff" [Streitgespräch zwischen Annemarie Schimmel und Gernot Rotter]. In: Der Spiegel (1995), H. 21, S. 216: "[...] ich mag seine Bücher nicht. [...] Rushdies großes Problem ist, daß er als Emigrant aus Indien nach Großbritannien kam und sich niemals in dem einen oder anderen Land ganz heimisch fühlte. Das wirkt sich in seinen Büchern aus."Skandalisiert hat die betreffende Passage – soweit ich sehe: allein – Diedrich Diederichsen: Politische Korrekturen. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996, S. 99, der darauf hinweist, daß die allgemeine Empörung über Schimmel sich auf ihre Verurteilung des >Ketzers< Rushdie bezog, nicht auf die Rede vom biographischen >Problem<.   zurück