Lohmeier über Korte: Von Sanssouci zum Sportpalast

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Anke-Marie Lohmeier

Von Sanssouci zum Sportpalast

  • Helmut Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik. Ein rezeptionshistorischer Versuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. 504 S. Kart. DM 92,-.
    ISBN 3-525-20714-X.


Die Arbeit knüpft an Siegfried Kracauers Studie Von Caligari zu Hitler (1947) und an den durch sie begründeten Konsens an, dass der deutsche Kinofilm nicht erst seit 1933, sondern schon in den Jahren zuvor deutlich von autoritären Denkmustern geprägt war, eine Beobachtung, für die insbesondere die unzähligen Fridericus-Filme der zwanziger und frühen dreißiger Jahre als vielzitierte Kronzeugen einstehen. Während Kracauer die Filme als bewusstseinsgeschichtliche Dokumente verstand, die über mentale und ideologische Dispositionen der Zeit Auskunft geben, hat die deutsche Filmgeschichtsschreibung seine Befunde zumeist als Ausdruck politischer Intentionalität gelesen, als Resultat einer gezielten Funktionalisierung des Films für eine flächendeckende politische Beeinflussung des Wahlvolks im Vorfeld des Faschismus. Diese Sicht verfestigte sich in den 60er und 70er Jahren zu einem soliden Konsens: Dass die nationale Rechte spätestens seit 1930 "auch im Kino zum Generalangriff gegen die Republik" geblasen hatte, 1 der Film dieser Jahre mithin als wirksame "Vorbereitung des deutschen Faschismus" (S.40) zu betrachten ist, gilt seither als ausgemacht. 2 Dieser Konsens soll hier nun rezeptionsgeschichtlich unterfüttert werden durch eine Untersuchung der "konkreten Wirkung" (S.9), die die in den letzten drei Jahren der Weimarer Republik entstandenen Spielfilme bei ihrem Publikum gezeitigt haben.

Die Stärken des Buches, soviel vorweg, liegen in der breiten Dokumentation und statistischen Aufbereitung nahezu des gesamten in Deutschland produzierten Spielfilmangebots von 1930 bis 1933, in der ausführlichen Inhaltsbeschreibung und in Teilanalysen ausgewählter Filme (darunter insbesondere heute vergessener Unterhaltungsfilme) sowie in der Beschreibung ihrer Aufnahme durch die zeitgenössische Filmkritik am Beispiel ausgewählter Rezensionen. Problematisch dagegen ist die Auswertung des umfangreichen Materials, die den Nachweis führen will, dass die Spielfilme dieser Jahre maßgeblich zum Erfolg des Nationalsozialismus beigetragen haben. Dieser Nachweis gelingt nicht, die nachfolgenden Überlegungen begründen dieses Urteil.

Noch Fragen?

Die Fragestellung der Arbeit stützt sich also auf eine Reihe von Vorannahmen, die ihre Plausibilität bedingen: Wirkungsintention und Wirkungspotential der Filme werden als Faktum vorausgesetzt, so dass deren Nachweis zugunsten einer Untersuchung ihres rezeptionsästhetischen Pendants entfällt. 3 Die freilich kennt ihr Resultat eigentlich auch schon, denn mit der als "unbestritten" eingeführten Setzung, dass das Kino der frühen dreißiger Jahre eine bedeutende Rolle für die politische Willensbildung der Deutschen gespielt hat (S.13), prädisponiert sie ihre Ergebnisse, setzt den (eigentlich erst zu erweisenden) Einfluss der Filme auf das politische Denken und Handeln ihrer Rezipienten immer schon voraus. Und da das fatale Ende dieser Vorgeschichte bekannt ist, steht schließlich auch die Art dieses Einflusses im Grunde schon fest und die Vorannahme nicht eigentlich zur Debatte, die in den 590 Filmen, die zwischen 1930 und 1933 in Deutschland produziert oder koproduziert wurden (S.133), mit nur wenigen Ausnahmen Pflastersteine auf dem Weg in den Faschismus erblickt.

Zu fragen bleibt unter diesen Umständen so viel eigentlich nicht mehr. Nicht zufällig betont der Autor, dass sein Interesse "weniger dem Aufspüren spektakulärer neuer Erkenntnisse als vielmehr der Überprüfung, Differenzierung und ggf. Ergänzung vorliegender Einschätzungen" gilt (S.11). Der Versuch, das zeitgenössische Rezeptionsverhalten zu rekonstruieren, soll diese "Einschätzungen" von rezeptionsgeschichtlicher Seite lediglich bestätigen, denn dass die "Überprüfung" sie selbst in Frage stellen könnte, wird nicht ernstlich in Betracht gezogen: Es kann, da ist der Autor sicher, allenfalls um ihre "Differenzierung" und "Ergänzung" gehen.

Methoden

Dass rund siebzig Jahre zurückliegenden Kinoerfahrungen mit den Methoden der empirischen Sozialforschung nicht mehr beizukommen ist, versteht sich von selbst. Zwar ist der Autor diesen Weg im Vorfeld der Untersuchung dennoch versuchsweise gegangen (S.41, S.434), hat sich dann aber doch, statt an vage Erinnerungen von inzwischen Achtzig- bis Neunzigjährigen, an die verfügbare schriftliche Überlieferung gehalten: Grundlage des rezeptionshistorischen Rekonstruktionsversuchs sind daher zeitgenössische Rezeptionsdokumente sowie "alle erreichbaren Kontextinformationen" (S.134). Als Rezeptionsdokumente gelten hier vor allem drei Kategorien von Texten (S.135-141):

  • die Inhaltsbeschreibungen der Filme in den Kinoprogrammheften (Illustrierter Filmkurier, LBB-Programme)

  • Berichte und Filmrezensionen in der Fachpresse (Der Kinematograph, LichtBildBühne, Filmkurier u..v.a.) sowie

  • Berichte und Filmrezensionen in Tagespresse und Kulturzeitschriften (Kunstwart, Weltbühne, Frankfurter Zeitung, Rote Fahne, Der Völkische Beobachter u..v.a.).

Für die "Kontextinformationen" über die allgemeine politische und gesellschaftliche Lage zum Zeitpunkt der Uraufführungen der Filme wurde auf überregionale Tageszeitungen unterschiedlicher Couleur zurückgegriffen.

Es ist klar und dem Autor auch bewußt, dass dieses Material über das tatsächliche Rezeptionsverhalten des Kinopublikums keine Auskunft gibt. Entsprechend wird die Fragestellung – in mehreren Anläufen (S.40-47, S.131-150) und nach ausgedehnten Vorklärungen – modifiziert und spezifiziert: Im Fokus der Untersuchungen soll zunächst, bei der Klassifikation des Filmkorpus (Kap. 3-4), die "intendierte Rezeption" stehen. Das ist ein der rezeptionsästhetischen Theoriebildung entliehener Begriff, der hier nun aber nicht auf die Werke (Filme) selbst, sondern auf die genannten Sekundärtexte angewandt wird. Das lässt sich mit Blick auf die erste Kategorie dieser Texte, die Programmhefte, noch nachvollziehen. Die darin enthaltenen Nacherzählungen der Filmhandlungen lassen immerhin gewisse Rückschlüsse auf die von den Produzenten der Filme intendierte Rezeption zu.

Weniger plausibel ist die Erwartung des Autors, aus den beiden anderen Textgruppen, aus den Berichten und Filmrezensionen in Fach- und Tagespresse und Kulturzeitschriften, Hinweise auf die intendierte Wirkung der Filme zu gewinnen. Hier handelt es sich ja, wie er selbst betont, um Rezeptionsdokumente von Einzelpersonen und zudem von professionellen Rezipienten, für deren Wahrnehmung weder der "Erfahrungs-" und "Erwartungshorizont" eines durchschnittlichen Kinogängers noch die "Intentionalität" der Produzenten anzusetzen sind.

Um letzteres dennoch postulieren zu können, beruft Korte sich auf eine zeitgenössische Dissertation von 1931 über die Filmpresse, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Filmkritik generell, vor allem aber die Filmkritik der Fachpresse, von der Filmwirtschaft abhängig gewesen sei und die übrige, solchen Zwängen nicht ausgesetzte Filmkritik größtenteils der "Gesinnungspresse" entstamme, also zwar nicht kommerziell, dafür aber ideologisch gebunden gewesen sei (S.135). Das genügt ihm, um die Rezensionen als geeignete Quellen für die Rekonstruktion der "zeitgenössisch dominante[n] Intentionalität" (S.134) zu beanspruchen. Die Differenz zwischen Kommerz und Politik wird dabei von vornherein kassiert: Beide werden offenbar als Interessenunion zum Zweck der Massenmanipulation gedacht und die Filmkritik als ihr dienstbares Organ, das der Multiplikation dieser "Intentionalität" zuarbeitet.

Abgesehen davon, dass ein solches verschwörungstheoretisches Szenario vielleicht – zumindest der Tendenz nach – auf den Ufa-Konzern, nicht aber auf die Gesamtheit der deutschen Filmproduktion dieser Jahre zutrifft, kann diese pauschale Qualifizierung der Filmkritik auch der Sache nach nicht überzeugen. Die Vielfalt, Unterschiedlichkeit, ja Gegensätzlichkeit der Kritikerstimmen, die der Verfasser selbst als eines seiner größten methodischen Probleme identifiziert (S.142), widersprechen dem Bild einer womöglich schon hier beginnenden "Gleichschaltung". Dennoch ist er überzeugt, dass sein Verfahren geeignet ist, die intendierte Wirkung jedes einzelnen der insgesamt 590 Filme – von "recht wenigen Zweifelsfällen" abgesehen – "eindeutig" zu bestimmen und damit "für jeden Film eine eindeutige Zuordnung vorzunehmen" (S.147).

Einen wichtigen Garanten für diese Eindeutigkeit erblickt er in der Entscheidung, sich bei dieser Zuordnung nicht allein auf die schriftlichen Quellen zu den Filmen selbst zu stützen, sondern darüber hinaus auf "alle erreichbaren Kontextdaten" (S.146), die das für die Rezeption relevante zeitgeschichtliche Umfeld erfassen. Hintergrund dieser Entscheidung ist eine breite Rekapitulation der rezeptionsästhetischen Theoriebildung seit den siebziger Jahren (S.17-40), die nahezu das gesamte erste Kapitel des Buches (S.13-47) füllt und in die allgemeine Einsicht mündet, dass die Rezeption ästhetischer Kommunikation Resultat eines komplexen Zusammenwirkens individueller, sozialer, politischer und ästhetischer Faktoren ist, deren Rekonstruktion eine entsprechend komplexe Analyse auf breiter Materialgrundlage erforderlich macht.

Das soll zum einen den Entschluss begründen, die Untersuchung nicht auf Fallstudien, sondern auf sämtliche zwischen 1930 und 1933 in Deutschland produzierte (oder von deutschen Produktionsfirmen koproduzierte) Spielfilme, insgesamt 590 Stück, bzw. das zu ihnen vorliegende schriftliche Material zu stützen. Zum andern und vor allem leitet sich daraus der Anspruch ab, bei der Rezeptionsanalyse dieser Filme alle Rezeptionsfaktoren oder doch jedenfalls "alle erreichbaren Kontextdaten" einzubeziehen, die dann in eine "breite Indizienkette" (S..42) überführt werden sollen. Wie und nach welchen Regeln diese "Indizienkette" zustandekommt, wie vor allem jene "Kontextdaten" in die Bewertung der Filme eingehen, wird allerdings nicht klar. 4

Die Beschränkung auf die intendierte Rezeption wird im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht durchgehalten, sondern hat nur für die funktionalen Klassifikationen des Filmkorpus Gültigkeit (Kap.3 und 4). Im Hauptteil der Arbeit (Kap. 6), in dem die verschiedenen >Funktionsklassen< dann im Detail und an zahlreichen Einzelbeispielen untersucht werden, hegt der Autor dann doch die Hoffnung, durch eine "Bewertung der Rezeptionsdokumente" (also mit demselben Quellenmaterial) nicht nur über die intendierte, sondern auch über die tatsächliche Wirkung der Filme Aussagen machen zu können oder sich doch zumindest "der damaligen Wahrnehmung zu nähern" (S.192).

Konsequenterweise müsste er hier also eigentlich seine zuvor gegebene Qualifikation der Filmkritik als Sprachrohr von Kommerz und politischer Ideologie problematisieren. Denn diese Hoffnung lässt sich ja nur rechtfertigen, wenn man die Rezensionen als einen zwar durch professionelle Wahrnehmungsmuster spezialisierten, aber doch immerhin noch >annäherungsweisen< Spiegel der Publikumswahrnehmung auffasst, sie also nicht als Reflexe kommerzieller und politischer Interessen, sondern im Gegenteil als (wenn auch elaborierte, so doch durch Zeitgenossenschaft und gemeinsame Wirklichkeitserfahrungen legitimierte) Repräsentanten der Zuschauerperspektive liest, was der Verfasser dann übrigens im praktischen Vollzug seiner Analysen auch tut (vgl. Kap. 6).

Die methodischen Konsequenzen seiner wechselnden, ja widersprüchlichen Qualifikationen des Materials scheinen ihm jedoch zu entgehen, so dass die spätestens an dieser Stelle (Kap. 6) dringend erforderliche quellenkritische Reflexion und präzise Explikation der Aussagefähigkeit der Dokumente ausbleibt (was angesichts der stark ausgeprägten Neigung des Verfassers zu skrupulösen Selbstreflexionen und ausgedehnten Methodendiskussionen verwundert).

Der politische "Dammbruch":
Wer trägt die Verantwortung?

Dem Anspruch auf Einbeziehung der für die Rezeption relevanten Kontexte kommt das zweite Kapitel (S.48-121) durch eine Rekapitulation der politischen und der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der letzten Weimarer Jahre nach. Die ereignisorientierte, stark narrativ verfahrende Darstellung der bekannten Tatsachen amalgamiert eine Vielzahl historischer Deutungsansätze, lässt deshalb die Deutungsperspektive des Verfassers weitgehend im Dunkeln. Erst seine "Zwischenbilanz" (S.66-76), die zu einer ausgedehnten Beschreibung des "NS-Filmsystems" (S.76-121) überleitet, lässt sie erkennbar werden. Sie ist offenbar geleitet von Deutungsansätzen, die das Ende der Republik als Resultat eines recht unvermittelten Stimmungs- und Meinungsumschwungs in der durch die aktuellen Krisen destabilisierten Bevölkerung beschreiben, der eine "dammbruchartige Wählerwanderung" zugunsten der NSDAP nach sich gezogen habe (S.66)

Betont werden vor allem aktuelle, exogene Faktoren des historischen Augenblicks, deren Zusammentreffen die unglückselige "Gunst" der Stunde herbeigeführt habe, während der Blick auf weniger kurzfristig entstandene, endogene Faktoren nahezu vollständig abgeblendet wird (etwa auf die lange Tradition des deutschen Antiliberalismus und die breite Fronststellung gegen die "ungeliebte" Republik, auf die Traditionen des kulturkritischen Widerstands gegen Modernisierung und Pluralisierung und die Sehnsucht nach vormodernen Sozialordnungen etc.)..

Dass Korte diese Deutung bevorzugt, ist nicht verwunderlich, denn sie garantiert die nahtlose Anschlussfähigkeit seiner Vorannahmen über die Rolle, die die Spielfilme in diesem Prozess gespielt haben: Die Rückführung des Phänomens auf aktuelle, exogene Faktoren provoziert die Frage, wer für die Richtung, den der >Stimmungsumschwung< der Bevölkerung nahm, verantwortlich war und dafür, dass selbst "politisch bewußte Wähler" dem "nationalsozialistischen Taumel verfielen" (S.69).

Die Antwort ist rasch bei der Hand und die sattsam bekannte: Der Erfolg des Nationalsozialismus ist nur durch eine "Massenfaszination" (S.66) zu erklären, die ihrerseits das Werk exogener Kräfte, das Werk nämlich einer schon vor 1933 einsetzenden, von den "Rechtsparteien" zu verantwortenden Massenpropaganda war. Sie hat, so die Überzeugung des Autors, den "Prozeß einer allmählichen, dem einzelnen häufig unbewußten >schleichenden Verfestigung der Gedanken<" (S.76) in Gang gesetzt und so für die wachsende Akzeptanz nationalsozialistischer Denkmuster gesorgt. Dass dabei "gerade dem Spielfilm als dem damals weitaus beliebtesten >Zerstreuungsmittel< eine besondere Bedeutung zukam", versteht sich von selbst, auch wenn er vor 1933 eher selten im parteipolitischen Sinne eingesetzt wurde.

Seine Aufgabe war es vor allem, so Korte, das für die Durchsetzung ‚konservativ-nationalistischer' Interessen nötige >politische Klima< zu schaffen (S.76). Die unmittelbar anschließenden, auf den ersten Blick wenig funktionalen Ausführungen über den "Aufbau des NS-Filmsystems" (Kap. 2.4), die sich mit der Filmpolitik in den ersten Jahren nach 1933 beschäftigen, also über den Untersuchungszeitraum hinausgehen, sind insofern folgerichtig: Sie suggerieren die Marschrichtung, die die Filmproduktion vor 1933 eingeschlagen hat.

So sitzt der Autor dem – zumal in der Filmgeschichtsschreibung – altgedienten Muster von der verführten Nation auf, von dem er sich eigentlich distanzieren wollte (S.49). Es ist wohl nicht zuletzt das Bedürfnis, die historische Bedeutung des Untersuchungsgegenstands zu unterstreichen, das ihn geradenwegs in die Falle jener Erklärungsmodelle führt, aus denen sich die klassischen Rechtfertigungsstrategien speisten, die nach 1945 das Feld beherrschten. 5

Das Szenarium einer destabilisierten Bevölkerung, die, zerrüttet durch eine Serie politischer und wirtschaftlicher Krisen, zur leichten Beute politischer Rattenfänger wird, vollzieht selbst die Entmündigung, die es den Beutemachern entrüstet vorhält: Nicht anders als diese, kann es sich die Adressaten dieser großangelegten Verführung seinerseits nur als Objekte, als willenlose Objekte psychotechnischer Behandlung, nicht als Subjekte denken. Eben diese kollektive Entmündigung ist der Preis für die kollektive Exkulpation, die der deutschen Bevölkerung von 1933 / 45 aus diesem Erklärungsmodell zuwächst und der die Filmgeschichtsschreibung immer noch unverdrossen zuarbeitet.

Der alte aufklärerische Gedanke, dass jeder für sein Denken und Handeln zuletzt selbst verantwortlich ist, dass auch Propaganda ihr notwendiges Pendant in Einstellungen, Wünschen, Bedürfnissen ihrer Adressaten haben muss, wenn sie denn Erfolg haben soll, noch dazu so durchschlagenden Erfolg, wie er der Filmpropaganda vor und nach 1933 zugesprochen wird, – dieser Gedanke ist der deutschen Filmgeschichtsschreibung (und nicht nur ihr) nach wie vor fremd. Die nahezu vollständige Vernachlässigung der endogenen Faktoren (s.o.), die ja doch gerade einer rezeptionsgeschichtlichen Untersuchung wichtige Auskünfte über Einstellungen und Mentalitäten der Rezipienten hätten geben können, ist der genaue Ausdruck dieser Fremdheit. Sie hätten verlangt, die Rezipienten als Subjekte zu denken.

Der Ausflug ins Metier der Geschichtsschreibung gerät so eher zu einer Selbstrechtfertigung der Untersuchung. Er gilt weniger der Rekonstruktion der Rezeptionsvoraussetzungen auf seiten der Rezipienten als vielmehr der Aufwertung des Untersuchungsgegenstands zum missing link, das – nachdem die Erklärungen der Historiker als "unzureichend" abgetan sind (S.66) – zur (Letzt-) Erklärung für den Erfolg des Nationalsozialismus avanciert.

Klassifikation I:
Alles Propaganda!

Nach gut 120 Seiten Vorklärungen kommt der Autor im dritten Kapitel (S.122-130) allmählich zur Sache, wenn auch vorerst nur in Gestalt einer "Voruntersuchung" (Kap. 3), in der der Gegenstand zunächst grob geordnet wird. Als Vorbild dient dabei die Klassifikation der NS-Filmproduktion von Gerd Albrecht (1969), die den gesamten Spielfilmbestand der Jahre 1933-45 – ebenfalls auf der Grundlage schriftlicher Quellen – grob unterteilt nach Propagandafilmen ("P-Filme") und nicht propagandistischen bzw. nur latent propagandistischen Filmen ("nP-Filme"). 6 Korte übernimmt diese beiden Kategorien für eine erste Klassifikation des Spielfilmangebots der Jahre 1930-33, erweitert sie jedoch um eine dritte Kategorie, um rechte und linke Propagandafilme unterscheiden zu können:

Unter dem Kürzel "P" firmieren alle Filme "mit nationalistischer, militaristischer, nationalsozialistischer Aussage" (S.150, 124) und unter dem Kürzel "Psoz" alle Filme mit "humanistisch-demokratischer, pazifistisch-antimilitaristischer, sozialkritischer oder sozialistischer Aussage" (S.124, S.148). Diese für das politische Weltbild des Autors charakteristische Subsumtion demokratischer und kommunistischer Politikkonzepte 7 wird auch später, bei der für die Analysen grundlegenden funktionalen Klassifizierung des Filmkorpus (Kap. 4), beibehalten.

Wichtigstes Ergebnis dieser ersten Klassifizierung des Filmkorpus ist die Beobachtung, dass das Angebot von "P-Filmen" bereits im Sommer 1932 sprunghaft angestiegen war (von je 2 Filmen in den Jahren 1930 und 1931 auf 10 Filme 1932 und 16 Filme 1933), dass also die Produktionsfirmen die Absatzchancen für diese Filme – wenn man die Produktionszeit einrechnet – schon knapp eineinhalb Jahre vor der "Machtergreifung" recht hoch einschätzten (S.129 f.). Der Erfolg gab ihnen recht, denn diese Filme erzielten - wie schon der Kassenschlager des Jahres 1930, der Fridericus-Film "Das Flötenkonzert von Sanssouci" hatte ahnen lassen - überdurchschnittlich hohe Einspielergebnisse (S.130).

Diese Erfolge führt Korte auf eine "spürbare Veränderung des politischen Klimas" zurück, deren Ursache er aber auch hier nicht in den Köpfen der Menschen, sondern neben der übrigen Propaganda vor allem in den "nP-Filmen" vermutet, in der Masse der Unterhaltungsfilme, die mit rund 90% den weitaus größten Anteil des Spielfilmangebots ausmachten und denen er eine "latent politische Funktion" zuweist (S.130). Diese Funktion aufzudecken, ist das Hauptanliegen der weiteren Untersuchung.

Klassifikation II:
Manifeste, tendenzielle und latente Propaganda

Die Klassifikation der "Voruntersuchung" (Kap. 3) differenzierend, wird das Gesamtkorpus von 590 Filmen im vierten Kapitel (S.131-166) in sieben "Valenzgruppen" gegliedert, die die Filme nach ihrer "intendierten Rezeption" klassifizieren. Dabei werden die drei Kategorien der "Voruntersuchung" zugrundegelegt: Bei den "P-Filmen" und den "Psoz-Filmen" wird jeweils unterschieden zwischen "tendenzieller" und "eindeutiger" politischer Intention, und bei den "nP-Filmen" werden 3 Gruppen nach dem Grad ihrer "latent politischen Funktion" unterschieden. Das Klassifikationsschema sieht dann wie folgt aus ("V" bedeutet "Valenzgruppe"; die in spitzen Klammern hinzugefügten Ziffern bezeichnen die Anzahl der so klassifizierten Filme):

"Psoz-Filme" <19>

  • V1 Filme "mit eindeutig feststellbarer humanistisch-demokratischer, pazifistisch-antimilitaristischer, sozialkritischer oder sozialistischer Aussage" <5>

  • V2 Filme "mit tendenziell humanistisch-demokratischer, pazifistisch-antimilitaristischer, sozialkritischer oder sozialistischer Aussage" <14>

"nP-Filme" <540>

  • V3 Filme "mit neutraler Aussage" <218>

  • V4 Filme "mit offen ablenkender Aussage und Funktion" <215>

  • V5 Filme "mit aufgesetzt optimistischer Aussage, mit offen eskapistischer Funktion" <107>

"P-Filme" <31>

  • V6 Filme "mit tendenziell nationalistischer, militaristischer, nationalsozialistischer Aussage" <16>

  • V7 Filme "mit eindeutig feststellbarer nationalistischer, militaristischer, nationalsozialistischer Aussage" <15>

Abgesehen von der schon benannten Problematik der in dieser Gliederung präsenten Deutung der zeitgenössischen Politikkonzepte (Anm. 7), drängt sich hier abermals die Frage nach der Quellengrundlage auf, der Umstand, dass diese Klassifikation nicht auf der Analyse der Filme selbst beruht, sondern auf den Inhaltsangaben der Programmhefte und den Rezensionen. Möglich, dass man mit ihrer Hilfe ungefähr abschätzen kann, ob die Filme gezielte Propaganda in der einen oder anderen Richtung betreiben (V1 und V7). Ob aber bloße Inhaltsangaben und filmkritische Bewertungen eine Differenzierung nach nur "tendenziell" oder "eindeutig feststellbarer" Aussage (V1 / V2, V6 / V7) oder nach "neutraler", "offen ablenkender" und "aufgesetzt optimistischer Aussage" erlauben (V3-V5), scheint fraglich.

Als ausgewiesener Filmwissenschaftler (und Autor mehrerer Handbücher zur Filmanalyse) dürfte Korte wissen, welche Bedeutung der kinematographischen und dramaturgischen Präsentation einer Geschichte für die Sinnkonstitution im Film zukommt, dass mithin der bloße Handlungsablauf nur wenig über dessen semantische Funktion aussagt. Man denke nur an Filme mit identischer Story, an Remakes etwa oder an Literaturverfilmungen mit identischer Vorlage (welche himmelweiten Unterschiede beispielsweise zwischen den vier "Effi Briest"-Verfilmungen, die doch alle dieselbe Geschichte erzählen!).

Es schließen sich statistische Auswertungen an (S.150-166), die besonders den Unterhaltungsfilmen (V3-V5) gelten und insgesamt zu dem Ergebnis führen, dass sich die Zuschauer vor allem für Filme mit allgemeinmenschlichen Themen und heiterem Ausgang erwärmen konnten, ein nicht eben überraschendes Ergebnis, das hier jedoch als Indiz "einer deutlichen Realitätsabwendung der Kinobesucher" verbucht wird (S.165).

Intendierte und realisierte Rezeption:
Die Analyse

Nach knapp 170 Seiten Lektüre nimmt der Leser dankbar zur Kenntnis, dass es nun, im fünften und sechsten Kapitel, endlich zur Sache selbst geht. Nach einer Übersicht über die vorherrschenden Themenbereiche der Filme und über typische Handlungsmuster der (erwartungsgemäß mit Abstand dominierenden) Liebesgeschichten im fünften Kapitel (S.167-190) kommt der Autor im sechsten Kapitel (S.191-421), dem Hauptstück des Buches, schließlich zu seinem eigentlichen Thema, der rezeptionsgeschichtlichen Untersuchung des Filmkorpus an ausgewählten Beispielen. Hier werden nun die sieben "Valenzgruppen" zunächst jeweils kurz zusammenfassend charakterisiert und dann an zumeist mehreren Fallbeispielen ausgiebig illustriert, wobei nun nicht mehr nur die schriftlichen Quellen, sondern, und das verdient nachdrückliche Anerkennung, die als Fallbeispiele ausgewählten Filme selbst herangezogen wurden. 8

Die Analysen vollziehen sich in Gestalt ausgedehnter Nacherzählungen der Filmhandlungen, die teilweise durch Sequenzprotokolle und aufschlussreiche Synopsen zur Verteilung der Schauplätze, der on- oder off-Musik, der Schnittfrequenzen oder bestimmter Kameraoperationen u.a.. ergänzt werden. Ihnen folgen Referate ausgewählter Rezensionen des jeweils in Rede stehenden Films. Der Autor leistet hier einen hohen Untersuchungs- und Beschreibungsaufwand und bewältigt dabei eine immense Materialfülle, die dem interessierten Leser eine beträchtliche Menge an Informationen, Materialien und weiterführenden Hinweisen zu den einzelnen Filmen bietet.

Die Reflexion dieses Materials und damit die argumentative Einholung der leitenden Thesen des Buches kommen dabei allerdings zu kurz.. Die überwiegend narrativ verfahrende Darstellung stellt sich ganz in den Dienst einer Abbildung der Gegenstände, die nach Meinung des Autors für sich selbst sprechen, so dass die Explikation der Befunde und ihre argumentative Auswertung weitgehend unterbleibt. Das wirkt sich besonders empfindlich auf die Geltungskraft der rezeptionsgeschichtlichen Leitthesen aus, deren Nachweis der Leser spätestens hier zu finden hofft, soll es hier doch darum gehen, nach der "intendierten" (Kap. 4) nun auch Einblicke in die von den Zuschauern realisierte Rezeption der Filme zu gewinnen (S.191 f.).

Die Aussagen über die Wirkungen der Filme werden aber auch hier nicht nachgewiesen, sondern weiterhin schlicht gesetzt und ihr Geltungsanspruch nicht begründet, sondern durch die ausufernden Beschreibungen von Filmhandlungen und / oder die Zitierung von Rezensentenmeinungen suggeriert, so etwa die ständig wiederholte Feststellung, dass die Unterhaltungsfilme mit ihrer "Ablenkungs- und Trostfunktion" das Publikum "entpolitisiert" hätten (wofür Korte keinen einzigen haltbaren Beleg beibringen kann), oder die Behauptung, dass etwa die unzähligen Militärschwänke der Zeit die Toleranz der Bevölkerung gegenüber "Remilitarisierung und Wiederaufrüstung" gefördert hätten (S.322). Wo die Filmkritiken (vor allem die Kritiken der linken Blätter) solche Behauptungen stützen, werden sie unbekümmert als Spiegel der Publikumswirkung zitiert, wo nicht, treibt der Autor nicht selten einen erheblichen Interpretationsaufwand, um die Differenz zwischen seinen Befunden und denen der Kritiker verschwinden zu lassen. 9 So kann der Nachweis der behaupteten Wirkungen (oder doch wenigstens ihre argumentative Plausibilisierung) nicht gelingen.

Fazit

Die Vorzüge dieser Untersuchung liegen in ihrem breit dokumentierten Materialreichtum, aus dem Leser, die in diesem Feld arbeiten, viele wertvolle Hinweise beziehen können. Die Inhaltsangaben und Teilanalysen der Beispielfilme liefern – insbesondere zu den heute wenig bekannten Unterhaltungsfilmen, über die sich auch die Filmlexika ausschweigen – aufschlussreiche Informationen, wie man sie in dieser Breite sonst schwerlich findet. Die Referate ausgewählter Rezensionen geben Einblicke in die Wahrnehmung der zeitgenössischen Filmkritik.

Das eigentliche Anliegen des Buches aber, den Einfluss dieser Filme auf die politische Willensbildung der Deutschen im Vorfeld des "Dritten Reiches" zu erweisen, kommt nicht an sein Ziel. Und das liegt am Ende nicht nur an seinen problematischen Methoden: Es ist der in der frühen Nachkriegszeit – im Zeichen des dringlichen Bedürfnisses nach Rechtfertigung und Entlastung – gestiftete und seither unerschütterliche Glaube der deutschen Filmgeschichtsschreibung, das politische Denken und Handeln von Menschen, ja gar die politischen Entscheidungen einer ganzen Gesellschaft auf die Wirkung von Spielfilmen zurückführen zu können, der auch dieses Buch zuletzt um seine Überzeugungskraft bringt.

Die seit mehr als 30 Jahren etablierte ideologiekritische Analyse des frühen deutschen Films hätte alle Aussichten auf solide Ergebnisse, wenn sie sich endlich von diesem strategischen Phantasma der frühen Nachkriegsjahre und seiner wohlfeiler Entlastung dienenden Überdimensionierung und Dämonisierung des Kinos löste.


Anke-Marie Lohmeier
Universität des Saarlandes
Fachrichtung 4.1 - Germanistik
Postfach 151150
D-66041 Saarbrücken
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Ins Netz gestellt am 4.09.2001
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Anmerkungen

1 Gerhard Schoenberner: Das Preußenbild im deutschen Film. Geschichte und Ideologie. In: Axel Marquardt und Heinz Rathsack (Hg.): Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 1981, S. 9-38, hier S. 22.   zurück

2 In Klammern gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf den rezensierten Band.   zurück

3 In Kapitel 6 werden diverse Filme als "Fallbeispiele" zwar nicht komplett analysiert und interpretiert, aber doch immerhin im Blick auf ihre Handlungslogik und einzelne Strukturelemente untersucht. Präzise Nachweise der unterstellten politischen Funktionen kommen aber auch dort nicht zustande (s.u.)   zurück

4 Vf. erhofft sich von diesen Daten vor allem "Aufschluß über die Lebenswirklichkeit des Publikums, die realen Sorgen, Hoffnungen und Wünsche" (S.146), aus denen er dann offenbar Rückschlüsse auf die Wirkung der Filme zu ziehen hofft. Wenn das so einfach wäre, möchte man ausrufen: wenn man nur "Kontextdaten" brauchte, um das Bewusstein, Fühlen, Denken vergangener Menschengeschlechter in Erfahrung zu bringen – die Kultur-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte wären ihrer Probleme mit einem Schlage los und ledig! Tatsächlich wird man den Eindruck nicht los, dass sich der Autor mit diesen vagen Verweisen auf die "Kontexte" am Ende nur die Lizenz für eine nicht mehr überprüfbare Interpretation seines Gegenstands verschafft.    zurück

5 Vgl. dazu Anke-Marie Lohmeier: Aufklärung und Propaganda. Politische Konsensbildung in Literatur und Publizistik der frühen Nachkriegszeit in Westdeutschland. In: IASL 25 (2000), H. 2, S. 115-133; A.-M. L.: Vom unendlichen Ende des Volksmagisters. Die Intellektuellen, die "Massen" und die offene Gesellschaft. In: IASL online/Diskussionsforum "Geschichte und Kritik der Intellektuellen" (Moderation Britta Scheideler) http:// iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/lohmeier.htm    zurück

6 Gerd Albrecht: Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reichs. Stuttgart 1969.   zurück

7 Die Gleichsetzung ist offenbar durch die Vorstellung einer beide einenden "Humanität" motiviert, die Korte in allen "Psoz"-Filmen gegeben sieht, weil sie "für Völkerverständigung und gegen den Krieg oder engagiert für die aktuellen sozialen Probleme der Menschen dieser Zeit eintraten" S.148). Dieser vage Begriff von Humanität bringt die fundamentalen Differenzen zwischen pluralistischen und totalitären Politikkonzepten zum Verschwinden. Deren Anerkenntnis wird hier zudem durch die spürbare, von den späten sechziger und siebziger Jahren datierende Tabuisierung des Totalitarismusbegriffs verhindert, die den Differenzen zwischen faschistischen und kommunistischen Zielvorstellungen den Vorrang vor der Einsicht einräumt, dass beide Politikkonzepte der radikalen Abwehr gegen die pluralistische Gesellschaft und der Sehnsucht nach einer vormodernen, monistischen Sozialordnung entspringen. Das bezeugen übrigens die linken Filme der Zeit sehr eindringlich in ihren Massenszenen, die das Aufgehen des Einzelnen im großen Ganzen, seine "Eingliederung" in das durch gemeinsamen Glauben geeinte Kollektiv feiern, so etwa die Bilder des zuerst zögernden, dann festen Marschtritts, mit dem Mutter Krausens Tochter Erna sich anlässlich einer Demonstration in die Arbeiterbewegung einreiht (Mutter Krausens Fahrt ins Glück, D 1929). Ob deren Montage mit Bildern der Mutter, die, während ihre Tochter in der Arbeiterbewegung "Tritt fasst", keinen Ausweg mehr sieht und den Gashahn öffnet, human zu nennen ist, wird man außerdem fragen dürfen.   zurück

8 Verwunderlich ist allerdings die Gewichtsverteilung in diesem Kapitel: Obwohl der Autor neben den "P-Filmen" (V6-V7) vor allem den Unterhaltungsfilmen (V3-V5) die größte Bedeutung für die fatale Veränderung des "politischen Klimas" beimisst, widmet er dieser mit mehr als 90% der Gesamtproduktion weitaus größten Gruppe deutlich weniger Raum als der mit nur knapp 3% der Gesamtproduktion mit Abstand kleinsten (und erfolgslosesten) Gruppe der "Psoz"-Filme, deren Untersuchung ungefähr 40 Prozent dieses großen Kapitels einnimmt.   zurück

9 So erklärt er etwa den Umstand, dass die linke und liberale Presse die "entpolitisierende" Funktion des nach seiner Rubrizierung "offen eskapistischen" filmischen "Aufstiegsmärchens" (V5) "Ein blonder Traum" (D 1932) wider Erwarten ignorierte, damit, dass sie sich wohl "resignierend in die offensichtliche Zwecklosigkeit rationaler Aufklärungsbemühungen bei den >illussionssüchtigen< Kinogängern gefügt" habe (348). Und wenn die Filmkritik die "politische Dimension" der Filme "mit tendenziell nationalistischer, militaristischer, nationalsozialistischer Aussage" (V6) nicht thematisiert wie etwa beim "Judas von Tirol" (D 1933), dann liegt das eben daran, dass sie "für die meisten Rezensenten offenbar so selbstverständlich war, daß man sie allenfalls beiläufig erwähnte" (S.370).zurück