Roger Lüdeke über Nutt-Kofoth/Plachta/van Vliet/Zwerschina (Hg.): Text und Edition.

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Roger Lüdeke

Nicht so bescheiden Tante Editionswissenschaft!

  • Rüdiger Nutt-Kofoth/Bodo Plachta/H.T.M. van Vliet/Hermann Zwerschina (Hg.): Text und Edition. Positionen und Perspektiven. Berlin: Erich Schmidt 2000. 432 S. Kart. DM 89,-.
    ISBN 3 503 04976 2.


Edition in der Legitimationskrise

Kaum ein Literaturwissenschaftler, der die Notwendigkeit gültiger Textgrundlagen in Frage stellt, kaum einer, der die zur Verfügung stehenden historisch-kritischen Ausgaben je zur Hand nimmt. Kaum ein Forschungsbereich der Geisteswissenschaften, der höhere finanzielle Förderung erfährt als die Editorik, kaum ein feuilletonistisches Mütchen, das sich nicht in zyklisch wiederkehrenden Aggressionsritualen kühlt durch den Hinweis auf die Sinnlosigkeit der teuren Erzeugnisse 1. Kaum ein Interpret schließlich, der den Erkenntniswert der Textgenese ausdrücklich verneinen würde, kaum einer, der diese hermeneutische Intuition methodisch expliziert und systematisch umsetzt. "Ist es notwendig und sinnvoll" – so der erste Teil einer couragierten Selbstbefragung im Eröffnungsaufsatz von Bodo Plachta und H.T.M. van Vliet –

Ist es notwendig und sinnvoll die Werke großer Autoren der Literaturgeschichte in größtmöglicher Vollständigkeit zu edieren?
2. Neigen die immer umfangreicher und komplizierter werdenden kritischen Apparate und insbesondere die Dokumentation der Textgenese nicht zu einem nur wenigen Fachleuten erschließbaren Spezialistentum?
3. Haben die Editoren nicht ihre Benutzer aus dem Blick verloren, sich damit selbst isoliert und sich zudem von der akademischen Lehre abgekoppelt? (S.11f.)

Der Großteil der in Text und Edition versammelten Aufsätze versucht Antwort zu geben auf diese Fragen. Wenn der Literaturwissenschaft nur zu vermitteln wäre, welches Erkenntnispotenzial in der ausführlichen, gar vollständigen, Rekonstruktion, Darstellung und Kommentierung von Vorstufen und Revisionen der Texte verborgen liegt, dann würde sie die teuren historisch-kritischen Ausgaben wohl gerne schätzen, kaufen und benutzen. Die hierzu erforderliche Überzeugungsarbeit versuchen einige der Autoren von Text und Edition zu leisten, indem sie Anschlussmöglichkeiten aufzeigen an aktuelle Theorieangebote der literaturwissenschaftlichen Methodendiskussion im Umfeld von Kulturwissenschaft und Medientheorie (Stephan Kammer, Bodo Plachta / H.T.M. van Vliet, Cristina Urchueguía). Andere reformulieren die Frage nach der Arbeitsweise des Autors (Hermann Zwerschina), wieder andere fragen auf dem aktuellen literaturtheoretischen Hintergrund nach konkreten Modifikationsmöglichkeiten der Editions- und Kommentierungstechnik (Jan Bürger, Ulrich Joost, Roland S. Kamzelak, Rüdiger Nutt-Kofoth, Marita Mathijsen). Die Herausgeber verfahren hierbei vergleichsweise international und interdisziplinär. Neben der neugermanistischen (Dirk Göttsche), frühneuzeitlichen (Ulrich Seelbach) und altgermanistischen Editionsphilologie (Thomas Bein) kommen auch die englische Tradition des copy text editing(Peter Shillingsburg), die französische critique génétique (Geert Lernout), die international entwickelte Spezialdisziplin der analytischen Bibliographie (Piet Verkruijsse) sowie die Perspektive der Archivare (Silke Henke und Erdmut Wizisla) zur Sprache.

Textkritik oder Literaturwissenschaft?

Gibt es eine textkritische Methode der Interpretation, die sich in die literaturwissenschaftliche Methodenvielfalt der strukturalistischen, psychoanalytischen, dekonstruktivistischen, diskursanalytischen (etc.) Deutungsansätze gleichberechtigt eingliedern ließe? Folgte man den Ausführungen von Jens Stüben in seinem Artikel zum Verhältnis von "Edition und Interpretation", so hätte man diese Frage zu verneinen. Die auf den textgenetischen Materialien fußende Interpretation hat Stüben zufolge hilfswissenschaftlichen Status. Sie bildet einen Verstehensprozess, der letztlich anderen, übergeordneten, Erkenntniszwecken dient:

  1. editionstechnischen Erkenntniszwecken, insofern es allererst "interpretatorische Akte [ermöglichen], aus graphischen Zeichen einen zusammenhängenden und der Auslegung zugänglichen Text zu erstellen" (S.266);
  2. literaturwissenschaftlichen Erkenntniszwecken, insofern "[z]ahlreiche Beispiele belegen, daß vergleichende Interpretationen voneinander abweichender Fassungen oder die Verknüpfung von differenzierter textgenetischer Analyse und Textinterpretation Wesentliches zu Verständnis und Deutung der letztgültigen Fassung eines Werkes beitragen können" (S.287).

Der hier sich abzeichnende arbeitsteilige Betrieb von Editorik und Literaturwissenschaft – >Interpretieren, um besser zu edieren, Edieren, um besser zu interpretieren< – kommt auffällig harmlos daher. Harmloser als notwendig. Das betrifft zum einen die Unterschätzung der editorischen Disziplin als konstitutiven Bestandteil einer sozial, historisch und epistemisch bestimmten Interpretationspraxis. Das betrifft zum anderen den von Stüben deutlich zu gering veranschlagten Stellenwert, der dem textgenetischen Material als eigenständigem Untersuchungsgegenstand – und nicht nur als Königsweg zum besseren Verständnis der Letztfassung! – zugeschrieben wird.

Edition als Kanonisierungsstil

Stüben selbst weist darauf hin, dass der interpretatorische Anteil der Edition nicht auf die hermeneutische Basisoperation der Entzifferung beschränkt bleibt; auch Textauswahl, Emendation und nicht zuletzt die rekonstruierende Ermittlung der Textgenese gehen einher mit interpretativen Vorannahmen. In den Darstellungsmethoden der Textgenese samt der damit verbundenen Gewichtung von Varianten und Vorstufen wie auch in den dazugehörigen editorischen Legitimationsdiskursen werden diese Vorannahmen schließlich zu impliziten (teils auch expliziten) Lese- und Deutungsanweisungen. Es müsste nun zunächst darum gehen, diese jeweiligen Voraussetzungen der interpretatorischen Editionsakte nicht nur zu explizieren, sondern sie auf ihre kultur- und denkgeschichtlich variable Funktion zu befragen.

Zentrale Hinweise auf eine solche Wahrnehmungsperspektive bietet Stephan Kammer in seinem Aufsatz zur Kanonisierungsfunktion von Edition und Textkritik. Kammer verdeutlicht, daß Editionen die Kanonisierung bestimmter Autoren, etwa Hölderlins und Nietzsches, nicht nur (materiell) ermöglichen, sondern er weist, eine Überlegung Walter Müller-Seidels zuspitzend, darauf hin, dass "Editionen kanonisierende Effekte haben können, die einer allgemeinen kulturellen und wissenschaftlichen Kanonisierung unter Umständen vorausgehen: Edition ist ein Kanonisierungsstil" (S.316). Das methodologische Gewicht dieser These liegt darin, dass Kammer damit ausdrücklich das "Phantasma [verabschiedet], es gäbe zunächst das >Werk< dem Philologen nachträglich >Text<gestalt zu verleihen hätten; mit anderen Worten: >Werke< existierten unabhängig von ihrer materiellen Gestalt, von den Dokumenten ihrer Entstehung und Überlieferung" (ebd.).

Editionsgeschichte als literaturwissenschaftliche Grundlagenforschung

Den Blick auf diese sinnkonstitutive Materialität von Texten eröffnen auch andere Beiträger des Bandes. So eine Problemskizze von Ulrich Joost zur deutschen Zweischriftigkeit, die eine ganze Palette von historisch bedingten Konnotationsmöglichkeiten aufzeigt, die mit der Verwendung von deutscher bzw. lateinischer Schrift, Fraktur- bzw. Antiqua-Type, einhergehen, was dem Verfasser erlaubt die Schriftwahl nicht als rein geschmacksgeschichtliches Phänomen zu verstehen, sondern auf deren ideologische und politische Implikationen zu verweisen. In eine ähnliche Richtung zielt auch der bereits erwähnte Aufsatz von Bodo Plachta und H.T.M. van Vliet, der sich unter moderat wissenschafts- und kulturgeschichtlicher Perspektive dem ">Spannungsfeld< von Politik und Wissenschaft" (S.13) und hierbei insbesondere den "institutionelle[n] Kontexte[n] für die Entstehung von Editionen" (S.14) widmet. Ergänzt werden Plachtas und van Vliets Ausführungen durch eine Skizze der Editionsgeschichte unter dem Aspekt der verschiedenen Ausgaben- (und Benutzer-)typen und ihrer stark variierenden theoretischen Legitimation, wie sie Dirk Göttsche skizziert.

In den genannten Artikeln gelangt die Editorik zumindest ansatzweise als kulturelle Praxis in den Blick, als identitäts-, wissens- und traditionsstiftende Technik, die sich innerhalb gesellschaftlicher, teilweise institutionalisierter, Machtfelder und in Wechselbeziehung zu historisch bestimmten (juristischen, ökonomischen und wissenschaftlichen) Normen- und Wertsystemen vollzieht. Man hätte sich gewünscht, dass die Beiträger und die Konzeption des Bandes hierbei konsequenter dem programmatischen Anliegen Stephan Kammers gefolgt wären, der in seinem Aufsatz für den wechselseitigen Austausch mit den "Methodendebatten einer historisch auf die mediale und materielle Vermittlung von diskursiven Modellen orientierten Kulturwissenschaft" (S.320) plädiert.Zu denken ist hierbei nicht nur an deutlichere Anleihen bei den Ergebnissen jüngerer mediengeschichtlicher Untersuchungen 2 , zu denken ist auch an Rückgriffe auf die wissenschafts- und denkgeschichtliche Methodendiskussion, wie sie sich etwa im Umfeld der von Foucault inaugurierten Diskursanalyse finden.

Der systematische Ertrag einer solchen zunächst wohl vorrangig historiographisch zu leistenden Investition wäre nicht zu unterschätzen. Denn eine diskursgeschichtliche Aufarbeitung der Editorik ließe sich zugleich als Ausgangspunkt für eine Neubefragung des konzeptuellen Instrumentariums der Textwissenschaften im allgemeinen verstehen. Quasi-Evidenzen wie >Text<, >Werk<‚ >Schrift<, >Autor<‚ >Leser<, >Intention<‚ >Authentizität<‚ >Überlieferung<‚ >Kanon<, >Kommentar< etc. sind längst keine mehr, sondern wurden und werden in den literaturwissenschaftlichen Theoriedebatten nachhaltig problematisiert. Dabei wird jedoch zu selten berücksichtigt, dass die exemplarisch genannten Begriffe und Interpretamente ihre Legitimation und ihren Ursprung nur allzu häufig in der editorischen Theorie und Praxis finden. Unter diesem Aspekt würde die Geschichte der Editorik zur Grundlagenarbeit für die literaturtheoretische Reflexion auf die historischen Apriori ihrer eigenen Methode.

Nicht zuletzt wäre dies eine Möglichkeit, die allgegenwärtige Bedrohung der Literaturwissenschaft durch die sogenannte Kulturwissenschaft zu mildern und zu regulieren: Eine in der Editionswissenschaft verankerte Literaturwissenschaft hat gute Argumente, ihren autonomen Status als Textwissenschaft zu verteidigen und aufrechtzuerhalten, im Verweis darauf nämlich, dass jede Analyse des viel beschworenen >kulturellen Textes< mit dessen fundamentaler Materialität zu rechnen hat: "Das Dokument ist nicht das glückliche Instrument einer Geschichte, die in sich selbst und mit vollem Recht Gedächtnis ist; die Geschichte ist eine bestimmte Art für eine Gesellschaft, einer dokumentarischen Masse, von der sie sich nicht trennt, Gesetz und Ausarbeitung zu geben" 3 . Umgekehrt würde auch die editionswissenschaftliche Theorie und Methode aus solchem Vermittlungsbemühen mit der Literaturwissenschaft neue Reflexionsformen und – nicht zuletzt – neuen editorischen Handlungsspielraum gewinnen.

Textgenese und Interpretation

Der geringe Stellenwert, den die Mehrzahl der Autoren dem textgenetischen Material als eigenständigen Untersuchungsgegenstand zuschreibt, wird besonders fassbar in Geert Lernouts kritischer Darstellung der französischen critique génétique: Lernout nimmt die Selbstbeschreibungen einiger généticiens beim Wort und wirft ihnen die einseitige Orientierung am Poststrukturalismus vor sowie eine voreilige Übertragung des sprachphilosophischen écriture-Modells auf die Materialität des Schreibprozesses. Lernouts Kritik ist richtig, weil sie unter anderem die Forderung nach Historisierung und empirischer Ausdifferenzierung des für den textgenetischen Kontext zu allgemeinen Konzepts der écritureenthält. Prinzipiell unangemessen ist Lernouts Darstellung aber deswegen, weil sie der entscheidenden und wesentlichen Herausforderung nicht gerecht wird, vor die der französische Ansatz die textkritische Interpretation gestellt hat.

Die Forscher des Pariser Institut des textes et manuscrits sind die einzigen, die das textgenetische Material nicht mehr nur als hermeneutisches Erkenntnismedium, als Brücke zum besseren Verständnis des Werkes, sondern als eigenständigen Untersuchungsgegenstand begriffen haben. Wenn sie dabei diskutierbare Methoden verwenden, so ist dies zweitrangig gegenüber der Tatsache, dass sie die bislang einzige überzeugende raison d'être für Handschrifteneditionen bieten, die, so auch Rüdiger Nutt-Kofoth in seinem Beitrag zur Editionspraxis, gerade in Deutschland zunehmend zum Standard der wissenschaftlichen Editorik avancieren: "die einstige editorische Innovation des textdynamischen Modells mit seiner Ausrichtung auf die genetische Form des Werktextes [scheint] nun zu einer weiteren Innovation der neugermanistischen Editionsphilologie überzuleiten, die in der Darlegung der in den Handschriften dokumentierten Schreibprozesse ihr Ziel sieht" (S.198). Die damit eröffnete Untersuchungsperspektive könnte sich auf Fragen der Poetologie richten (S.198f. 4) oder, wie Hermann Zwerschina in seinem Beitrag fordert, auf das Problem der individuellen Arbeitsweise des Autors 5 .

Ein vollkommen anderes Untersuchungsfeld wird dagegen in jenen Arbeiten der Pariser généticiens spürbar, die sich den graphischen Aspekten der mise en pagevon Arbeitsmanuskripten widmen 6. Gewiss ist den Parisern hier eine gewisse Selbstvergessenheit und Liebe zur katalogisierenden Beschreibung und zur vorrangig formalen, ja formalistischen, Betrachtungsweise nicht abzusprechen. Der Bezug der Schriftzeugnisse auf den sozialhistorischen Kontext ihrer Entstehung erscheint noch zu wenig konkret, der Anschluss an die oben skizzierten funktionsgeschichtlichen Fragestellungen der nicht-textkritischen Literaturwissenschaft wird auch hier noch zu selten gesucht. Gleichwohl haben die généticiens damit eine so singuläre Untersuchungsperspektive eröffnet, dass es nun zunächst um eine schärfere Definition der damit verbundenen Erkenntnisziele und -möglichkeiten gehen müsste. Ein Erkenntnisziel der textgenetischen Interpretation könnte in jener Beobachtung ihren Ausgang nehmen, die Cristina Urchueguía in ihrer Untersuchung von Faksimile-Ausgaben gewinnt, in der sie konstatiert, "daß jeder Editor anscheinend etwas ganz anderes gesehen hat" (S.338). Damit wird die Möglichkeit evoziert, die historisch differierende Wahrnehmung von Ähnlichkeit in eine semiotisch fundierte Geschichte des >Textbildes<, d.h. des ikonischen Charakters von Schrift, zu überführen. Was dies für eine textgenetisch basierte Interpretationspraxis bedeuten könnte, soll abschließend kurz am Beispiel Paul Valérys verdeutlicht sein.

Beispiel Paul Valéry

Es ist das Verdienst von Serge Bourjea und Robert Pickering, dass sie in ihren Untersuchungen zu den "Cahiers" und Entwurfshandschriften Paul Valérys auf den produktiven Anteil hingewiesen haben, der darin dem Wechselspiel von Text- und Bildelementen zukommt 7. Auf dem Hintergrund einer den Schreibprozess regulierenden Struktur der auktorialen Selbstrezeption könnten auch die in Valérys Handschriften wiederkehrenden Bildmuster an Interesse gewinnen: Valérys Versuche etwa, Bewegungssequenzen, kognitive Prozesse, Orientierungsabläufe – oder allgemeiner: zeitbezogene Phänomene – abzubilden. Denn diese ikonische Strategie findet ihre semantische Korrespondenz einerseits in den jeweils entstehenden, theoretischen und literarischen, Texten, in denen das Problem zeitlicher Dynamik häufig zum Thema wird, andererseits in der selbstreflexiven Übertragung des Geschrieben-und-Gezeichneten auf die Zeitstruktur des Schreibprozesses selbst.

Angesichts der in großem Umfang bereits geleisteten medien- und denkgeschichtlichen Untersuchungen zum Phänomen der Beschleunigung im 19. Jahrhundert lässt sich Valérys Schreiben damit in Bezug setzen zu Verzeitlichungseffekten nicht nur in den Wissenschaften 8, sondern auch zu jenen Verzeitlichungseffekten der Medienentwicklung, wie sie sich im 19. Jahrhundert in der Erfindung der chronophotographischen Aufnahme- und Speichertechnik ebenso zeigen wie in der Erfindung der Kinematographie. Auf diese Weise aber werden vermeintlich stupide >Kritzeleien< und >Illustrationen< zum konkreten Index einer historisch hochgradig bestimmten "Schreibszene" 9. Deren materielle Analyse hätte eine textkritisch orientierte Hermeneutik zu leisten, sofern diese zugleich offen bleibt für die Anschlussmöglichkeiten an die allgemeine intermedial und kulturhistorisch ausgerichtete Literaturwissenschaft.

Insofern – und dies nicht nur im Falle Valérys – hierbei etwa das Forschungsprojekt einer funktionsgeschichtlich orientierten Typologie von Zeitmodellen im Medium von Schrift und Bild auf dem Spiel steht, sollte man den Parisern, denke ich, also weniger nahelegen, sich gefälligst in den ehrwürdigen Traditionszusammenhang ihrer deutsch- und englischsprachigen Vorläufer einzugliedern, als der germanistischen Editorik und auch den textual scholars den vermehrten Blick über Rhein und Atlantik empfehlen, um sich endlich den tatsächlichen Herausforderungen einer critique génétique zu stellen.


Roger Lüdeke
Résidence Avicennes
Chambre 602
27d Boulevard Jourdan
F-75014 Paris

Ins Netz gestellt am 19.06.2001
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Anmerkungen

1 So m.W. zuletzt Johannes Saltzwedel in Klassiker: Der Herausgeber als Titan anlässlich des Erscheinens der ersten Bände der von Burghard Dedner und Thomas Michael Mayer besorgten Georg-Büchner-Ausgabe (In: Der Spiegel 51/2000, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,108005,00.html).   zurück

2 Zum Beispiel: Friedrich A. Kittler: Aufschreibesysteme. 1800. 1900. München: Fink 1985; Aleida Assmann / Jan Assmann / Christof Hardmeier (Hg.): Schrift und Gedächtnis. (Archäologie der literarischen Kommunikation I). München: Fink 1993; Hans-Ulrich Gumbrecht / K. Ludwig Pfeiffer (Hg.): Schrift. München: Fink 1993; Roger Chartier: L'ordre des livres. Lecteurs, auteurs, bibliothèques en Europe entre XIVe et XVIIIe siècle. Aix-en-Provence: Albin Michel 1992; Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1997; Christian Stetter: Schrift und Sprache. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1997; Cornelia Bohn: Schriftlichkeit und Gesellschaft. Kommunikation und Sozialität der Neuzeit. Opladen: Westdeutscher Verlag 1999.   zurück

3 Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1973, S.15.   zurück

4 So Nutt-Kofoth eine Forderung von Hans Joachim Kreutzer aufgreifend (vgl. Hans Joachim Kreutzer: Überlieferung und Edition. Textkritische und editorische Probleme, dargestellt am Beispiel einer historisch-kritischen Kleist-Ausgabe. Mit einem Beitrag von Klaus Kanzog. Heidelberg: 1976 (= Beihefte zum Euphorion 7), S.17).   zurück

5 Allerdings bleibt der Ansatz von Herrmann Zwerschina vorrangig auf die editorische Praxis bezogen, als deren Regulativ er die Arbeitsweise des Autors versteht:. "Zellers Kategorien Befund und Deutung bedürfen […] einer Ergänzung, nämlich der, die Scheibe immer wieder gefordert hat, der Arbeitsweise des Autors. Der Befund kann nur unter den Auspizien der Arbeitsweise richtig gedeutet werden" (S.209, Hervorhebung im Original).    zurück

6 Vgl. die diesem Thema gewidmete Ausgabe der Zeitschrift Genesis 10 (1996) sowie Louis Hay (Hg.): De la lettre au livre. Sémiotique des manuscrits littéraires (Collection textes et manuscrits). Paris: Editions du CNRS 1989; Serge Bourjea: Paul Valéry. Le Sujet de l'écriture. Paris: L'Harmattan 1997; Robert Pickering: Paul Valéry, la page, l'écriture. Clermont-Ferrand: Association des Publications de la Faculté des Lettres et Sciences Humaines 1996.   zurück

7 Serge Bourjea, Robert Pickering (Anm. 6). Vgl. auch Daniel Ferrer: The Open Space of the Draft Page: James Joyce and Modern Manuscripts. In: George Bornstein / Theresa Tinkle (Hg.): The Iconic Page in Manuscript, Print, and Digital Culture. Ann Arbor: University of Michigan Press 1998, S.249-267.   zurück

8 Michel Foucault: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. München: Suhrkamp 1973; Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1974; Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts. München: Hanser 1976; Jürgen Link: Versuch über Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996; Reinhart Koselleck: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1979.    zurück

9 Rüdiger Campe. Die Schreibszene. Schreiben. In Hans-Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer (Hg.): Dissonanzen, Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1991, S. 759-772   zurück