- Christel Fricke: Zeichenprozess und ästhetische Erfahrung. München:
Wilhelm Fink Verlag 2001. 434 S. Kart. EUR (D) 4s1,-.
ISBN 3-7705-3559-6.
1. Ein wichtiger Beitrag zur Gegenwartsästhetik
1.1 Ästhetiktheoretische Grundlagen
Wir befinden uns derzeit in einer Situation, die ein wenig
mit der Jean Pauls vergleichbar ist, die er 1804 in seinem vielzitierten Satz
beschrieb: "Von nichts wimmelt es so als von Ästhetikern". In der
Fülle von Veröffentlichungen, die unter "Ästhetik" firmieren, ist
dabei häufig eine Verwechslung von Objekt- und Metaebene zu konstatieren: das
zeigt sich in der immer wieder zu findenden objektsprachlichen Verwendung des
Wortes >Ästhetik< in Ausdrücken wie >die Ästhetik des Panoramas, des
Gemäldes, des Palazzo< etc.. In methodischer Hinsicht werden in vielen
Fällen syntaktische und semantische Eigenschaften, die künstlerische Produkte
in typischer Weise positiv kennzeichnen, auch für philosophische
Darstellungen über Kunst beansprucht und mutieren dann zu vagen
Artikulationen, die theoretische Standards nicht mehr erfüllen.
Christel Frickes 2001 erschienenes Buch Zeichenprozess und
ästhetische Erfahrung hebt sich wohltuend von dieser Praxis ab. Mehr
noch: ihre großangelegte und gründliche Auseinandersetzung mit der
Symboltheorie Nelson Goodmans wie auch ihre darauf aufbauende eigenständige
Konzeption bieten eine eindrucksvolle Grundlage, der in der akademischen
Philosophie immer noch anzutreffenden abschätzigen Bewertung der
Ästhetik(theorie) die Berechtigung zu entziehen.
Frickes Buch ist in mehrfacher Hinsicht eine Bereicherung für
die gegenwärtige philosophische Ästhetik und Semiotik. Erstens deckt es ein
breites Spektrum der relevanten Themen der heute maßgeblichen Ästhetik ab.
Zweitens leistet die Untersuchung damit einen kompetenten Überblick über die
Forschungssituation der gegenwärtig diskutierten Grundlagenthemen. Drittens
bewegt sich die Darstellung durchweg auf einem hohen Explikations- und
Argumentationsniveau. Viertens geht Fricke mit äußerster Gründlichkeit und
Differenziertheit dem Für und Wider unterschiedlicher Argumentationsstränge
nach. Fünftens schließlich handelt es sich um ein sorgfältig
>gemachtes< Buch mit einem ausgezeichneten Personen- und Sachregister,
wodurch es sich auch als grundlegendes Arbeitsmaterial empfiehlt.
1. 2 (Selbst)Situierung
Christel Fricke will mit ihrem Buch einen Beitrag "zur
Ästhetik als Kunstphilosophie" (S. 27) leisten. Fasst man Kunstwerke als
dreistellige Relationen auf, deren Relata Produktion – Werk –
Rezeption sind, so liegt ihr theoretischer Schwerpunkt auf dem dritten
Relatum, der ästhetischen Erfahrung und zwar als Kunsterfahrung. Diese
Pointierung versteht sie aber nicht als interessegeleitete Entscheidung,
sondern als von der Sache her begründeten Anfang kunstphilosophischer
Reflexion. In guter Kantischer Tradition vertritt sie die Auffassung:
"eine philosophische Ästhetik muss daher mit einer Analyse der
ästhetischen Erfahrung beginnen" (S. 27).
Mit ihrer Herangehensweise stellt sich Fricke explizit in
die Tradition der analytischen Philosophie (besonders Nelson Goodmans), wobei
sie auch strukturalistische (z.B. de Saussure) wie auch im engeren Sinne
semiotische Ansätze (z.B. Peirce) konstitutiv einbezieht.
Hierin wiederum räumt sie der pragmatischen Dimension einen besonderen
Stellenwert ein. 1 Fricke bekennt sich damit
ausdrücklich zu drei von Gernot Böhme bemängelten thematischen Verengungen
der philosophischen Ästhetik: zur Verengung erstens auf vernunftabhängige
Geschmacksurteile (Kant), zweitens auf die Kunst (Hegel) und drittens auf
eine symboltheoretische Kunstphilosophie (Goodman) (S. 27 / 28).
1. 3 Komplementaritätstheorie
In der Fortführung von Martin Seels
dichotomischer Einteilung bisheriger ästhetiktheoretischer Konzeptionen der
ästhetischen Erfahrung unterscheidet Fricke drei Theorietypen, die sich aus
dem Verhältnis von ästhetischer Erfahrung und empirischer Erkenntnis ergeben:
2 gemäß der Überbietungstheorie (1.)
überschreitet ästhetische Erfahrung die auf Begrifflichkeit eingeengte
empirische Erkenntnis auf das eigentlich Wahre bzw. Seiende hin, das sich nur
der ästhetisch-unmittelbaren Anschauung erschließt. Die Entzugstheorie
(2.) hebt die ästhetische Erfahrung als rein emotionales Erleben von der
Kognitivität empirischen Erkennens ab. Im strengem Gegensatz zu dieser
Gefühlsästhetik der ästhetischen Erfahrung schreibt (3.) die von Fricke
favorisierte Komplementaritätstheorie einem genuin ästhetischen Zugang
Erkenntnisfähigkeit als essentielles Moment zu; die spezifische Kognitivität
ästhetischer Reflexion ergänzt die begriffliche Erkenntnis im Hinblick auf
diejenigen tatsächlichen Strukturen ("Eigenschaften und
Relationen", S. 31) von Gegenständen, die dem nichtästhetischen Erkennen
nicht zugänglich sind.
Fricke ordnet den eigenen Ansatz hier ein, jedoch mit dem
Zusatz, dass diese "Kantisch inspirierte Komplementaritätstheorie der
ästhetischen Erfahrung mit zeichentheoretischen Mitteln" (S. 32)
differenziert und weiterentwickelt werde. Insofern ästhetische Erfahrung, wie
die pragmatische Dimension der Zeichen überhaupt, in der Konzeption Nelson
Goodmans nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist Frickes konfligierende
Perspektive auf dessen symboltheoretische Ästhetik vorprogrammiert.
1. 4 Hermeneutisches Problem
Bevor der Argumentationsgang von Frickes komplexer Theorie
ästhetischer Erfahrung im Überblick dargestellt werden kann, ist auf ein
hermeneutisches Grundproblem des Buches hinzuweisen, das die Rezensentin vor
einen doppelten Konflikt stellt. Auf der einen Seite zeugt die Untersuchung
von überdurchschnittlicher Wissens- und Argumentationskompetenz. Auf der
anderen Seite schwankt das Buch zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen
philosophischen Habitus: zwischen systematischer Konzeption einerseits und
philosophiehistorischer Interpretation (in systematischer Absicht)
andererseits.
Diese Unentschiedenheit stellt einen zu Beginn der
Darstellung vor das Problem, in welcher Lesart und mithin Pointierung die
Darstellung des Buches erfolgen soll. Im weiteren ergibt sich die
Schwierigkeit, dass Frickes Argumentationsgang in der Fülle der kritischen
oder affirmativen Darstellungen mit ihren vielfachen Seitenverästelungen
streckenweise nicht in voller Schärfe und Klarheit zutage tritt und nur
mühsam herauszuarbeiten ist. Auf Kritikpunkte, die in diesem Zusammenhang
auftreten, wird in Punkt 3. dieser Rezension etwas genauer einzugehen sein.
Für den nachfolgenden Überblick ist die Leserentscheidung
leitend, dass es sich um eine systematische, d. h. Christel Frickes
eigene ästhetiktheoretische Konzeption handelt.
2. Darstellung von Christel Frickes Konzeption
2. 1 Semiotische Ausgangsposition
Das erste Kapitel gilt der Begründung der ästhetischen
Erfahrung als Zeichenprozess. Fricke nimmt ihren negativen
Ausgangspunkt bei Hegels Ästhetik, die ihr als Prototyp der
Überbietungstheorie ästhetischer Erfahrung gilt; in Bezug auf Kunstwerke
erschließe sich nach Hegel nur in der Unmittelbarkeit der ästhetischen
"Anschauung" eine die Empirie transzendierende, absolute Wahrheit.
3 Demgegenüber entwickelt Fricke den
diskursiven Charakter ästhetischer Erfahrung positiv anhand einer
ausführlichen Darstellung von Peirce's Auffassung, wonach die Annahme
spezifisch menschlicher intuitiver Vorstellungen abzulehnen ist. Vielmehr
seien alle Vorstellungsinhalte begrifflich (S. 63–73).
Ästhetische Erfahrung ist ebenso wie empirische Erkenntnis
als Semiose zu interpretieren. Es handelt sich in beiden Fällen um
Prozesse, in denen Zeichen und Zeichenkomplexe in bzw. aus ihrer Gebundenheit
an bestimmte Zeichensysteme verwendet werden. Dies setzt voraus, dass die
Resultate des Erkennens und Erfahrens, die Vorstellungen, semiosetauglich, d.
h. ihrem Inhalt nach in Zeichen umsetzbar sind. Dies garantiere den
diskursiven Charakter empirischer und ästhetischer Vorstellungen wie auch
ihre intersubjektive Mitteilbarkeit. Mit der Diskursivität von
Vorstellungsinhalten ist nach Fricke zugleich die Einbettung von
Vorstellungsinhalten in die Kontinuität von vorausgegangenen und
nachfolgenden Vorstellungsinhalten, kurz, in die Kontinuität von
Zeichenprozessen gewährleistet.
Hierbei sind ästhetische Reflexionen Grundlage ästhetischer
Erfahrung und epistemische Reflexionen Grundlage empirischer Erkenntnis (S.
78). Für deren Unterscheidung müssen beide Reflexionsarten zeichentheoretisch
analysiert werden. Die folgenden drei Kapitel in Frickes Untersuchung sind
deshalb der Entwicklung eines zeichentheoretischen Vokabulars gewidmet. Sie
erarbeitet es in kritischer Auseinandersetzung mit der Symboltheorie Nelson
Goodmans.
2. 2 Semantische und ontologische Grundlagen
der Symboltheorie Nelson Goodmans
2. 2. 1 Extension und Intension
Nelson Goodmans nominalistische Grundposition lässt
ausschließlich die extensionale Interpretation symbolischer Prädikatausdrücke
zu, d. h., eine bestimmte Konstellation wird von einem bestimmten, ggf.
komplexen Symbol denotiert oder exemplifiziert. Es gibt in seiner
Symboltheorie keine >allgemeine< Eigenschaft, wie z.B. >rot< und
keine allgemeine Relation wie z.B. >größer als<, sondern nur bestimmte
Gegenstände, die z. B. rot oder größer sind als andere Gegenstände; sie
erfüllen je bestimmte Symbolvorkommnisse ("Marken").
Nach Fricke lässt die damit verbundene vollständige
Interpretierbarkeit der Symbolsysteme keine Deutung zu.
Denn die semantische Zuordnung von Zeichenvorkommnissen
("marks") zu Erfüllungsgegenständen wie auch die syntaktische
Zuordnung zu Zeichenklassen ist prinzipiell gegeben. 4 Insofern wird die pragmatische Dimension der Symbole in
Goodmans Symboltheorie vernachlässigt, denn Entscheidungskriterien spielen
für eine Zuordnung keine Rolle. Dieser pragmatische Gesichtspunkt ist es aber
gerade, der nach Fricke die intensionale Bedeutung von Zeichen impliziert (S.
85) und eine "dualistische Semantik" erfordert (S. 88 ff.). Im
Rückgriff auf Rudolf Carnap und Ferdinand de Saussure führt Fricke als
Intension von Prädikatausdrücken "Begriffe von physischen ...,
funktionalen und sonstigen Eigenschaften" der Erfüllungsgegenstände ein.
"Die intensionale Interpretation dieser Ausdrücke ist eine kollektive
Leistung der jeweiligen Sprachgemeinschaft und manifestiert sich in der
Verwendung dieser Ausdrücke in wahren Sätzen" (S. 89).
2. 2. 2 Digitale und analoge Zeichensysteme
Ausgehend von Goodmans Definition in "Languages of
Art" (S. 160 f.) bildet Fricke im weiteren Verlauf des 2. Kapitels seine
Unterscheidung von "analog" und "digital" auf die
Unterscheidung von syntaktisch bzw. semantisch dicht und syntaktisch bzw.
semantisch endlich differenziert / diskontinuierlich ab. Danach ist ein
Symbolsystem Goodmans syntaktisch digital, wenn seine Zeichen(klassen)
durchgängig endlich differenziert sind und semantisch digital,
wenn dies für die Objekte seiner Gegenstandssphäre gilt. Ein Symbolsystem ist
syntaktisch analog, wenn seine Zeichen(klassen) dicht sind, d.h. sich in
einer unendlich differenzierten und kontinuierlichen Ordnung befinden, und
semantisch analog, wenn dies für die Objekte seiner Gegenstandssphäre gilt.
Fricke kritisiert diese Kennzeichnung analoger und digitaler
Zeichensysteme aus pragmatischer Sicht. Auf der Basis von John Haugelands
"Präzisierungen" (S. 44) reformuliert sie die Unterscheidung von
"digital" und "analog" in Termini, die sowohl
Universalien als auch den Einbezug der pragmatischen Dimension implizieren:
Zeichenvorkommnisse in digitalen Systemen müssen disjunkt in Bezug auf
Zeichentypen sein. Endliche Differenzierbarkeit reicht angesichts
extremer Messgenauigkeit als Unterscheidungsmerkmal nicht aus. Vielmehr
müssen digitale Symbolsysteme im Hinblick auf interpretierende Instanzen
syntaktisch und semantisch entscheidbar differenziert sein. Dafür sind
Klassifikationsmerkmale als Entscheidungsgrundlage unverzichtbar. Die
Symbole und die Objekte der zugehörigen Gegenstandssphären analoger Systeme
hingegen stehen per definitionem nicht zur Verfügung. Sie können, so Fricke
mit John Haugeland, nur durch ihre Digitalisierung zugänglich gemacht werden,
auch wenn diese Übersetzung weder für alle analogen Systeme noch ohne
Verluste möglich ist.
2. 2. 3 Unmittelbare Anschauung versus
vermittelte Erkenntnis
In Goodmans Gegenüberstellung von digitalen und analogen
Systemen sieht Fricke eine hinter Peirce und Kant zurückfallende Formulierung
der tradierten "Unterscheidung zwischen einer unmittelbar anschaulichen
und einer begrifflich vermittelten Erkenntnis" (S. 112). Sie übersieht
dabei, dass Goodman bereits 1988 in seinem mit Catherine Z. Elgin
publizierten Werk "Reconceptions in Philosophy and other Arts and
Sciences" auch eine Revision der Unterscheidung von "digital"
und "analog" in Bezug auf Symbolschemata vornimmt und zwar mit ganz
ähnlichen Beispielen und Argumenten wie Fricke. Danach muss erstens das
Merkmal der endlichen Differenzierung "in der Praxis" als
"effektive Differenzierung" aufgefasst werden. Zweitens bezeichnet
zwar "digital" hinreichend präzise ein durchgängig effektiv
differenziertes Symbolschema. "Analog" aber
bezeichnet graduell die gesamte Bandbreite nichtdigitaler Schemata, also
jedes Schema "von nur zwei differenzierten Charakteren bis zu dichten
Schemata". 5
2. 2. 4 Digitalisierung ästhetischer Zeichenprozesse
Wenn es Fricke jedoch darauf ankommt, an einem Beispiel ex
negativo aufzuzeigen, worauf sie systematisch hinauswill, so ist unabhängig
von ihrer Goodmankritik als Ergebnis dieses Kapitels festzuhalten: "Die
Differenz zwischen ästhetischen und epistemischen Zeichenprozessen"
lässt sich nicht auf die Unterscheidung von "analog" und
"digital" abbilden, sondern muss selbst diskursiv beschreibbar
sein. Nicht nur in epistemischen, sondern auch in ästhetischen
Zeichenprozessen muss mit Zeichen digitaler bzw. digitalisierbarer
Zeichensysteme symbolisiert werden.
2. 3 Natürliche Sprachen
2. 3. 1 Semantische Klassifikationsmerkmale
Im dritten Kapitel geht es um "die Aspekte einer
natürlichen Sprache, die für das Projekt einer Analyse ästhetischer Erfahrung
als Zeichenprozess von zentralem Interesse sind" (S. 113). Die nach
Fricke einflussreichen idealsprachlichen Konzeptionen der natürlichen Sprache
Willard Van Orman Quines und Donald Davidsons haben die natürlichen
Sprache(n) auf ihre wissenschaftssprachliche Funktion (wahrer) Bezugnahme
reduziert. Nelson Goodman komme dagegen das Verdienst zu, die ästhetische
Verwendbarkeit natürlicher Sprachen in den Blick genommen zu haben. Die
ontologische Sparsamkeit seiner nominalistischen Position habe jedoch dazu
geführt, natürlichsprachliche Zeichensysteme als "semantisch dicht und
sogar kontinuierlich" (S. 119) zu klassifizieren.
Wären natürliche Sprachen – so
Fricke – semantisch vollständig dicht und kontinuierlich, dann könnte
die Erfüllung ihrer Zeichenvorkommnisse nicht entschieden werden. 6 Auch für semantische Entscheidbarkeit und damit
für die z.B. deskriptive Verwendung natürlicher Sprachen sind deshalb nach
Fricke intensionale Bedeutungen, d. h. semantische Klassifikationsmerkmale
unabdingbar.
2. 3. 2 Große Reichweite und Multifunktionalität
Der größte Teil des Kapitels ist der ausführlich
dargestellten Kontroverse zwischen Donald Davidson und David Lewis um die
Konventionalität natürlicher Sprachen gewidmet, wobei nicht klar wird, was
diese Debatte zur Erhellung ästhetischer Erfahrung als Semiose beiträgt (S.
127–142). Wichtig hingegen scheint der positive Rekurs Frickes auf
Ferdinand de Saussures "Holismus" natürlichsprachlicher
Zeichensysteme zu sein, aufgrund dessen sie die (ästhetischen Prozessen
vergleichbare) Multifunktionalität und große Reichweite natürlicher Sprachen
herausstellt (S. 126; vgl. S. 123–127 u. S. 112–115).
Sie haben nach Fricke große Reichweite,
"insofern wir uns nichts denken oder vorstellen können, was sich nicht
mit den Mitteln einer natürlichen Sprache darstellen ließe" (S. 114).
Prinzipiell können demnach nicht nur empirische Alltagserfahrungen, sondern
auch wissenschaftliche Erkenntnisse sowie ästhetische Erfahrungsinhalte
natürlichsprachlich mitgeteilt und beschrieben werden. Insofern sind
natürlichsprachliche Zeichensysteme multifunktional. Beide
Eigenschaften legen nahe, die natürliche Sprache nicht als ein bestimmtes
Zeichensystem aufzufassen, sondern als einen, vielen natürlichsprachlichen
Zeichensystemen gemeinsamen, Fundus, aus dem sie sich beispielsweise
als bestimmte Wissenschafts-, Lyrik- oder Metasprache herausbilden.
2. 3. 3 Übersetzbarkeit
Problematisch an dieser Auffassung Frickes ist, dass sie eine
prinzipielle Übersetzbarkeit nicht nur einer natürlichen Sprache in eine
andere impliziert, sondern, zumindest an dieser Stelle, auch aller anderen
Zeichensysteme in eine natürliche Sprache. Dann aber stellt sich die Frage,
warum und wozu es überhaupt andere Zeichensysteme wie logische oder
musikalische Notationen, Klänge, körpersprachliche oder bildnerische Zeichen
gibt. Zugespitzt fragt es sich weiter, ob sie in semantischer und kognitiver
Hinsicht nicht bloß eine redundante, mithin obsolete Funktion gegenüber der
primären, in ihrer Multifunktionalität und großen Reichweite völlig
ausreichenden natürlichen Sprachen hätten. Antworten darauf zeichnen sich im
folgenden und insbesondere im achten Kapitel ab. Zunächst leitet die
Fragestellung über zu Frickes Unterscheidung von bildlichen Zeichensystemen
und natürlichen Sprachen.
2. 4 Bildliche Zeichensysteme
2. 4. 1 Bildbegriff
Fricke geht von einem Bildbegriff im umgangssprachlichen
Sinne aus. Er ist einerseits verengt auf gegenständliche Bilder von
Dingen oder Konstellationen, andererseits ist er über künstlerische
Abbildungen hinaus erweitert auf alle Bilder, die "von Gegenständen
erfüllte Raum-Zeit-Regionen" darstellen (S. 146). Bilder als Zeichen
haben die Gestalt von Oberflächen, die durch ein- oder vielfarbige
"Eintragungen" charakterisiert sind (S. 143).
2. 4. 2 Semantik ein- und mehrstelliger
Prädikatausdrücke
Im Vergleich mit der extensionalen Bedeutung geschriebener
natürlichsprachiger Symbole legt Fricke auf schlüssige Weise dar, dass und
warum die semantische Funktion von Bildern weder in Analogie zu Eigennamen,
noch zu singulären Kennzeichnungen oder Aussagesätzen formuliert werden kann.
Unter der Annahme intensionaler Bedeutungen lässt sich jedoch eine plausible
Bildsemantik nach dem Modell der Semantik ein- und mehrstelliger
Prädikatausdrücke (für Eigenschaften und Relationen) konstruieren. Bilder
stellen mit ihren sichtbaren Eigenschaften sichtbare Eigenschaften und
Relationen dar. Das heißt, sie werden durch diejenigen Raum-Zeit-Regionen
erfüllt, welche die dargestellten Eigenschaften und Relationen an sich
aufweisen. Aus der Analogie zu natürlichsprachlichen Prädikatausdrücken
folgert Fricke die prinzipiell begriffliche Struktur der durch Bilder
evozierten Vorstellungen, verneint aber (gegen Jay Rosenberg) deren
Reduzierbarkeit und mithin vollständige Übersetzbarkeit (vgl. S.
194–197).
2. 4. 3 Intensionalität – Ikonizität
Fricke zieht damit explizit Goodmans
Exemplifikationstheorie zur Charakterisierung von Bildern heran, erweitert
sie jedoch konsequent und plausibel um zwei mit seinem Nominalismus
unvereinbare Komponenten: Intensionalität und Ikonizität. 7 Während natürlichsprachliche Prädikatausdrücke
Eigenschaften und Relationen beschreiben bzw. bezeichnen, veranschaulichen
Bilder das Bezeichnete. Da die Gestalt bildlicher Zeichen weder beliebig
noch konventionell ist, nehmen sie via Ähnlichkeit Bezug auf entsprechende
Eigenschaften oder Relationen wirklicher oder möglicher Konstellationen.
Allerdings kommt Fricke unter Berufung auf Ernst Gombrich zu einer
eingeschränkten Geltung der Konventionalität bildlicher
Zeichensysteme. Danach bedingen sich Seh- bzw. Interpretationsgewohnheiten
und Darstellungsgewohnheiten einer Zeit zumindest derart, dass der Gebrauch
bildlicher Zeichen nicht vollständig frei von herrschender Konventionalität
gewählt werden kann (vgl. S. 193 / 194).
Von der Ikonizität ausgehend kritisiert Fricke folgerichtig
Goodmans "Symptom" der syntaktischen Dichte als nicht ausreichendes
Unterscheidungsmerkmal bildlicher Zeichensysteme gegenüber natürlichen
Sprachen. Dagegen denkt sie die naturalistische Bildtheorie Malcolm Budds
weiter, die zudem das pragmatische Moment des Wahrnehmungsfeldes
einbezieht. Als Frickes bildtheoretischer Ansatz ergibt sich:
Wenn A ein wesentlich zweidimensionales Zeichen
ist und Raum-Zeit-Regionen des Typs R bezeichnen kann, die entweder leer sind
oder in denen Gegenstände des Typs B präsent sind, dann ist A ein Bild von
jeder leeren oder von Gegenständen des Typs B erfüllten Raum-Zeit-Region R
genau dann, wenn das von A bestimmte Wahrnehmungsfeld dem Wahrnehmungsfeld
ähnlich ist, das von einer Raum-Zeit-Region des Typs R bestimmt ist. (S.
168 / 169, kursiv im Text)
2. 4. 4 Isomorphie von Wahrnehmungsfeldern
Auch die Zugehörigkeit eines Bildes zu einem bildlichen
Zeichensystem fixiert Fricke über ein pragmatisches Moment. Zwei
Wahrnehmungsfelder eines Betrachters müssen isomorph sein, damit ein Bild als
wohlgeformtes Zeichen eines bildlichen Zeichensystems gelten kann: das durch
das Bild evozierte Wahrnehmungsfeld und das Wahrnehmungsfeld, das durch eine
Raum-Zeit-Region von der Art, die das Bild erfüllt, hervorgerufen wird.
Wohlgeformtheit bemisst sich an der Ähnlichkeit bzw. Isomorphie
zwischen zwei Wahrnehmungsfeldern oder, wie Fricke sie auch nennt,
"quasibildlichen Vorstellungen" (vgl. S. 179, 144, 189).
2. 5 Epistemischer Zeichenprozess
2. 5. 1 Begriff und Aufgaben
Um ästhetische Erfahrung als Zeichenprozess charakterisieren
zu können, muss sie von empirischer Erkenntnis unterschieden werden. Diesem
Ziel dient Frickes Darstellung der epistemischen Reflexion als Grundlage
empirischer Erkenntnis (Kapitel 5 und S. 366–370). In beiden Fällen
sind Zeichenprozesse zu verstehen als Reflexionsprozesse über etwas, das
rezeptiv als Zeichen interpretiert oder produktiv als Zeichen artikuliert
wird.
Epistemische Zeichenprozesse zielen nach Fricke auf die
adäquate Identifikation, Deskription und Erklärung von wirklichen
Sachverhalten und Ereignissen mit dem Zeichensatz einer Erkenntnissprache
(vgl. unten 2. 5. 2.). Vorliegende Zeichen sind auf ihren epistemischen
Zeichenstatus zu prüfen, d. h. auf ihre Wohlgeformtheit als Aussagesatz mit
propositionaler Bedeutung (bzw. als komplexe Sätze und Wahrheitsfunktion)
einer bestimmten Erkenntnissprache. Aufgabe der epistemischen Reflexion ist
die Analyse solcher Zeichen als wahr oder falsch.
2. 5. 2 Codes
Erkenntnissprachen liegen als Codes vor. Fricke beschreibt
sie als Zeichensysteme, die gegenüber pragmatisch relativer Verwendung
syntaktisch und semantisch hinreichend festgelegt sind. Vorausgesetzt werden
können
- ein Zeichentypen-Alphabet und entsprechende syntaktische
Zuordnungsmerkmale von Zeichenvorkommnissen,
- syntaktische Verknüpfungsregeln,
- der betreffende Gegenstandsbereich einer Sprache und
- "wie die Individual- und Prädikatausdrücke der Sprache über diesem
Bereich interpretiert sind"(S. 367).
Dabei ist die Anwendung der epistemischen Codes nach Fricke
an einem vorgängigen "Weltbild" orientiert, das nicht nur von der
zu erkennenden Wirklichkeit, sondern auch von Erkenntnisbedürfnissen,
-interessen und -möglichkeiten bestimmt ist. Deshalb ist epistemische
Reflexion vorrangig bestrebt, diesen einmal akzeptierten Rahmen zu bestätigen
und ggf. zu komplementieren, ehe sie sich gezwungen sieht, das Weltbild
selbst zu verändern (vgl. auch Frickes Rekurs auf Thomas S. Kuhn, S.
216–221).
2. 6 Ästhetischer Zeichenprozess
2. 6. 1 Ästhetische Reflexion
Eine klare und differenzierte Analyse derjenigen
Zeichenprozesse, die der Metapherninterpretation zugrunde liegen (Kapitel 6)
sowie eine scharfsinnige und überaus detaillierte Kritik von Goodmans Theorie
der Symptome des Ästhetischen (Kapitel 7) leiten über zum Kern des Buches. In
dem von der Sache her zentralen Kapitel 8 entwickelt Fricke vor dem
"Hintergrundbild" (S. 224) der bis hierher
erarbeiteten zeichentheoretischen Grundlagen weitestgehend systematisch ihre
zeichentheoretische Komplementaritätstheorie ästhetischer Erfahrung. 8 Ästhetische Reflexion baut zwar auf
epistemischer Reflexion auf, insofern sie die Konstitution eines Gegenstandes
voraussetzt (vgl. S. 367). Der spezifische ästhetische Zeichenprozess jedoch
vollzieht sich nach Fricke in einem Spielraum, der nicht von den
Bedingtheiten und Maßgaben epistemischer Zeichenprozesse bestimmt ist.
2. 6. 2 Kunstwerk-Hypothese und -Bestätigung
Um einen epistemisch erfassbaren Gegenstand zum Gegenstand
ästhetischer Reflexion machen zu können, muss er zunächst hypothetisch
als ästhetisches Zeichen bzw. Kunstwerk angenommen werden. Im fortgesetzten
ästhetischen Zeichenprozess hat sich diese Hypothese graduell mehr oder
weniger zu bestätigen bzw. muss – wie m. E. hinzuzufügen ist – im
Zweifelsfalle aufgegeben werden. Für dieses Verfahren sind Kriterien,
Symptome oder Merkmale nötig. Fricke greift Nelson Goodmans vier bzw. seit 1977 fünf ästhetische Symptome auf, vertieft,
differenziert sie und denkt sie gemäß ihrer in Kapitel 7 geleisteten Kritik
konsequent weiter. 9 Außerdem erweitert sie
die Liste auf zehn Symptome und unterteilt sie in zwei Gruppen je
unterschiedlich fungierender Merkmale.
Wesentlich für ihre Weiterführung ist dabei der Einbezug der
auf allen argumentativen Ebenen des Buches als unverzichtbar herausgestellten
intensionalen Bedeutung und ihrer Implikationen. Fricke fasst die zehn
Merkmale ästhetischer Zeichen in zwei Teillisten zusammen:
2. 6. 3 Voraussetzungs-Merkmale des Ästhetischen.
Die erste Teilliste umfasst vier Merkmale (vgl. S.
368). Sie charakterisieren "Systeme von Prädikatausdrücken",
auf die bezogen ein Gegenstand in ästhetischer Reflexion als "freies,
ästhetisches Zeichen" interpretiert werden kann, aber nicht muss. Sie
sind somit Voraussetzung für die ästhetische Reflexion ästhetischer
Zeichen als Kunstwerke, aber nicht hinreichend für ihre Unterscheidung von
epistemischen Zeichen(prozessen). Es sind:
- "hochgradige syntaktische Differenziertheit" (Frickes
Weiterentwicklung von Goodmans "syntaktischer Dichte")
- "syntaktische Reichhaltigkeit" (Frickes Weiterentwicklung von
Goodmans "relativer syntaktischer Fülle")
- "hochgradige semantische Differenziertheit" (Frickes
Weiterentwicklung von Goodmans "semantischer Dichte")
- "semantische Reichhaltigkeit" (Fricke)
2. 6. 4 Spezifisch ästhetische Merkmale von Zeichen
Die zweite Teilliste umfasst sechs spezifisch
ästhetische Merkmale (vgl. S. 369). In der ästhetischen Reflexion über
einen Gegenstand fungieren sie als Anhaltspunkte (oder sogar Kriterien?) für
die Bestätigung der Hypothese, dass es sich bei diesem Gegenstand um ein
ästhetisches Zeichen, d. h. ein Kunstwerk handelt. Es sind:
- "syntaktische Freiheit" (Fricke)
- "semantische Freiheit" (Fricke)
- "geringe Bedeutungstransparenz" (Frickes Weiterentwicklung von
Goodmans "semantischer Dichte" für Kunstwerke)
- "irreduzible syntaktische Fülle" (Frickes Weiterentwicklung von
Goodmans "relativer syntaktischer Fülle" für Kunstwerke)
- "multiple und komplexe intensionale Bedeutung" (Frickes
intensionale Explikation von Goodmans "multipler und komplexer
Bezugnahme" für Kunstwerke)
- "Exemplifikation" (Goodmans "Exemplifikation" bzw.
"exemplifikatorische Bezugnahme unter Einbezug intensionaler
Bedeutungen)
2. 6. 5 Freiheit ästhetischer Zeichen
Fundamental für Frickes Charakterisierung ästhetischer
Zeichen ist deren Freiheit. Neuartigkeit, Singularität und Autonomie
von Kunstwerken implizieren ihre Unabhängigkeit von fertig
konstituierten Zeichensystemen, d. h. bereitliegenden Codes (S. 306). Als
ästhetische Zeichen haben sie zwar notwendig Bezug zu einem Zeichensystem.
Sofern dieses Zeichensystem jedoch nicht (vollständig) vorliegt, sondern im
Prozess der ästhetischen Reflexion erst entsteht, kann das betreffende
ästhetische Zeichen als frei gelten. Durch ihre syntaktische und
semantische Freiheit haben ästhetische Zeichenprozesse zugleich die
Freiheit zur Selbstbestimmung: im jeweiligen Vollzug bestimmen und
erfüllen sie je neu den Maßstab des Ästhetischen. Sie tun dies, indem sie ein
ästhetisches Zeichen "quasi experimentell" verschiedenen zu
entwerfenden Zeichensystemen zuordnen, um damit in actu deren syntaktisches
und semantisches Potential zu erkunden (S. 311).
2. 6. 6 Geringe Bedeutungstransparenz –
Exemplifikation – syntaktische Fülle
In der Folge ergeben sich drei weitere spezifisch ästhetische
Merkmale: infolge der Bedeutungsopazität oder geringen
Bedeutungstransparenz von Kunstwerk-Zeichen ist die ästhetische Reflexion
nicht primär auf das Bezeichnete gerichtet, sondern auf die Gesamtgestalt
eines Gegenstandes und von ihm "wissen wir erst einmal nicht, wie wir
ihn als Zeichen syntaktisch klassifizieren und interpretieren sollen"
(S. 312).
Ästhetische Zeichen verkörpern an sich das, was sie bedeuten.
Fricke modifiziert die von Nelson Goodman eingeführte "
Exemplifikation" dahingehend, dass Kunstwerke exemplifikatorisch
auf intensionale Bedeutungen Bezug nehmen. Im Anwendungsfall sogenannter
gegenständlicher Bilder kann dies, wie aus dem vierten Kapitel abzuleiten
ist, über eine Isomorphierelation geschehen. Je mehr syntaktische
Eigenschaften eines Kunstwerks intensionale Bedeutungen exemplifizieren,
desto größer ist seine prinzipiell "irreduzible syntaktische
Fülle". Sofern in der syntaktisch fülligen und mehrdimensionalen
Exemplifikation erfolgreich eine in sich komplexe, aber einheitliche
intensionale Bedeutung ermittelt werden kann, kann dem exemplifizierenden
Zeichen nach Fricke "multiple und komplexe intensionale Bedeutung
" als ästhetisches Merkmal zugeschrieben werden. Sie veranschaulicht
ihre Konzeption in der Anwendung der genannten Merkmale auf eine komplexe
Skulptur bzw. Installation Ilya Kabakovs, eine Reihe von
Abendmahldarstellungen, einige Gemälde Jan Vermeers und ein Werk von Paul
Winstanley.
2. 6. 7 Das Kunstwerk als Zeichen
Gegen den Ansatz der formalistischen Ästhetik vertritt
Frickes ästhetiktheoretische Konzeption somit einen semiotischen
Universalanspruch: alle Kunstwerke sind "freie ästhetische Zeichen"
(S. 392). Ihr spezifischer Zeichenstatus ist in ästhetischer Reflexion
produktiv oder rezeptiv zu erkunden. Und vice versa: Können einem Gegenstand
in der ästhetischen Reflexion die angeführten Merkmale zugewiesen werden, so
fungiert er als ästhetisches Zeichen bzw. Kunstwerk.
2. 6. 8 Status und Wert – Definition und
Evaluation
Im Hinblick auf die Intensionalität ästhetischer Zeichen und
die entsprechenden Merkmale des Ästhetischen weist Fricke somit Nelson
Goodmans Transformation der Frage "Was ist Kunst?" in "Wann
ist Kunst?" zurück: "Auch nach der Pragmatisierung des Kunststatus
eines Gegenstands kann die Frage danach, was ein Kunstwerk sei, noch mit Sinn
gestellt (und beantwortet) werden" (S. 349). Fricke behauptet von ihrem
pragmatischen Standpunkt aus die wechselseitige notwendige Verwiesenheit von
Kunstwerk-Status und Kunstwerk-Qualität und charakterisiert somit ihre eigene
Konzeption als "evaluativ". Danach fungieren die Merkmale
ästhetischer Zeichen zugleich als graduelle Wertkriterien: in je höherem Maße
sie an freien ästhetischen Zeichen verwirklicht sind, desto höher ist deren
Qualität zu bemessen (vgl. 342 ff.).
2. 6. 9 Ende der Kunst
Fricke diagnostiziert zu Recht den in jüngerer Zeit u. a. von
Artur C. Danto aufgegriffenen modernen Topos vom "Ende der Kunst"
als Resultat einer wenig plausiblen teleologischen Kunstgeschichtsauffassung.
Die darin implizierten westeuropäischen Präsuppositionen wie
>Kunstgeschichte als Gattungsgeschichte< >Kunstgeschichte als
Stilgeschichte< etc. verlieren, wie bereits Hans Belting kritisch
herausstellt, vor der heutigen Globalisierung der Kunst ihre Gültigkeit. Die
Zeichensysteme, auf die bezogen ein Gegenstand als freies ästhetisches
Zeichen konstruiert wird, stammen "aus dem Fundus des entsprechenden
kulturellen Gedächtnisses" (S. 403). Die (noch) fremden Zeichensysteme
anderer Kulturen ebenso wie beispielsweise die ständig neu erkundeten Medien
reduzieren aber in steigenden Maße den selbstverständlichen Konsens. Sofern
die freie Konstitution ästhetischer Zeichen ihre Bezugssysteme im
Entstehungsprozess kokonstituiert, ist – wenn ich Fricke richtig
verstehe – beim >Verfertigen von Kunstwerken über dem ästhetischen
Reflektieren< kein Ende abzusehen.
3. "philosophiehistorisch" oder
"systematisch" – eine Kritik
3.1 Eine zentrale Unterscheidung
Es ist ein Unterschied, ob man – systematisch –
einen eigenständigen theoretischen Ansatz entwickelt oder ob man, wenn auch
in systematischer Absicht, philosophiehistorisch an einen Problemkomplex
herangeht. Im ersten Fall greift man an entsprechender Stelle positiv oder
negativ auf Vorläufertheorien zurück, die für die jeweilige philosophische
Frage relevante Argumentationen bereitgestellt haben. Im zweiten Fall geht es
darum, Texte der (auch jüngsten) Philosophiegeschichte als Vorläufertheorien
zu interpretieren, d. h. als Theorien, die Argumentationspotential
oder sogar -grundlagen für eine philosophisch vielversprechende Konzeption
enthalten. Dafür müssen sie sorgfältig aus ihrem Kontext heraus analysiert
und dargestellt werden. Auch diese Vorgehensweise setzt zwar als
Ausgangspunkt der Interpretation einen eigenen Denkansatz voraus; dieser muss
aber noch nicht ausformuliert vorliegen.
Was auf den ersten Blick wie ein bloß gradueller Unterschied
anmutet, entpuppt sich bei genauerer Prüfung als wesentlicher Unterschied.
Die Entscheidung für die eine oder andere philosophische Selbstpositionierung
hat nicht nur methodologischen Stellenwert, sondern gravierende
sachlich-inhaltliche Folgen.
3. 2 Titel – Inhaltsverzeichnis – Text
Das Problem beginnt bereits mit dem Titel des Buches
"Ästhetische Erfahrung und Zeichenprozess" und seiner Kluft zu
Inhaltsverzeichnis und Text. Noch in der Verlagsankündigung vom Frühjahr 2001
wurde der Titel durch den Untertitel erläutert: "Eine konstruktive
Kritik an Nelson Goodmans Ästhetik und Zeichentheorie". Es ist mir
rätselhaft, warum dieser Untertitel mit dem Erscheinen des Buches wegfiel,
denn er trifft in einer Hinsicht exakt zu. Im weitaus größten Teil der
Kapitel- und Abschnittsüberschriften taucht der Name "Nelson
Goodman" oder aber mindestens ein einschlägiger Begriff aus seiner
Symboltheorie auf. Der überwiegende Teil des Textes liest sich als eine,
durch vielfachen Rückgriff auf andere relevante Philosophen bereicherte,
Auseinandersetzung mit Goodmans Konzeption.
Nun wäre eine ausführliche Kritik an einer wichtigen
philosophischen Position des 20. Jahrhunderts nicht nur legitim, sondern auch
tragfähig für ein Buch und das Weglassen des Untertitels war vielleicht nur
ein Versehen. Dem widerspricht aber die in der Einleitung explizit geäußerte
Absicht, "vor allem ... eigene Antworten auf die Fragen, was ein
Kunstwerk sei und worin dessen ästhetische Qualität bestehe, zu
entwickeln" (S. 43). Der nicht durch einen Untertitel erläuterte Titel
"Ästhetische Erfahrung und Zeichenprozess" soll also
offenbar den vordringlich systematischen Anspruch indizieren und dieser
Anspruch wird auch eingelöst, denn Fricke legt eine eigenständige
ästhetiktheoretische Konzeption vor. In dieser Hinsicht ist der gewählte
Titel präzise. Dann aber ist rätselhaft, warum Fricke ihre wahrlich
ausreichend komplexe eigene Konzeption nicht von den streckenweise endlos
verästelten Interpretationen anderer Positionen entschlackt hat.
3. 3 Interpretation anderer philosophischer
Positionen
Die Unentschiedenheit in der Durchführung der systematischen
Absicht der Autorin zeigt sich nicht nur darin, dass die "konstruktive
Kritik an Goodmans Ästhetik und Zeichentheorie" sieben von neun Kapiteln
einnimmt. Auch anderen philosophischen Positionen, welche mit Problemen und
Subproblemen von Frickes Fragestellungen zu tun haben, ist in der Analyse
viel zu ausführlich Raum gegeben, um sie streng in Bezug auf den
Argumentationsgang ihrer Zeichentheorie der ästhetischen Erfahrung lesen zu
können. Was interessiert im Hinblick auf diese Absicht – um ein
Beispiel herauszugreifen – dass der von Descartes in seinen
"Meditationes", wenn auch nicht in seinen "Regulae",
vorgelegte Intuitionsbegriff nach Fricke gegen Peirces Kritik zu verteidigen
sei (S. 67f.)?
Warum wird überhaupt Peirce's Auffassung des
Zeichencharakters von Vorstellungen seitenlang und mit argumentativen
Nebenwegen dargestellt, die für das Verständnis seiner Position
aufschlussreich sein mögen (S. 63–75), obwohl es ausschließlich darum
geht, herauszustellen, dass "der Inhalt aller unserer
Vorstellungen begrifflich oder diskursiv", mithin zeichenhaft ist (S.
75)? So wie in diesem Beispiel nehmen über weite Strecken die ausführlichen
Darstellungen anderer Problemlösungen den Charakter einer Interpretation des
Problems beim jeweiligen philosophischen Autor an und das verschleiert den
roten Faden der konzeptionellen Entwicklungsschritte. Um die kritische
Darstellung dieser philosophisch-methodischen Unentschiedenheit nicht nur im
Allgemeinen zu belassen, sei ein, für das Buch wesentliches, Beispiel
herausgegriffen:
3. 4 Auseinandersetzung mit den Grundlagen
der Symboltheorie Nelson Goodmans
3. 4. 1 Hauptkritik
Frickes Hauptkritik ließe sich knapp in dem Vorwurf
zusammenfassen, Nelson Goodmans Symboltheorie fehle die pragmatische
Dimension bzw. sie sei in pragmatischer Hinsicht unzureichend für die Analyse
ästhetischer Erfahrung. Der Einwand – so allgemein formuliert –
scheint sich in mehrfacher Hinsicht gegen sie zu wenden. Erstens ist es
trivial, wenn eine Untersuchung mit dem Titel "Zeichenprozess und
ästhetische Erfahrung" den pragmatischen Aspekt der Semiose gegenüber
einer dezidiert und im engeren Sinne semantischen Konzeption herausstellt.
Zweitens ist der Vorwurf "ein alter Hut": seit Erscheinen seines
Grundlagenwerkes "Languages of Art" von 1968 wird die
Vernachlässigung der pragmatischen Dimension Nelson Goodman in verschiedenen
Varianten vorgeworfen und er hat seitdem entsprechend variantenreich darauf
geantwortet. Verkürzt läuft seine Antwort darauf hinaus, dass die Rolle der
Symboldeutung zwar durchaus wichtig sei, es ihm aber schlichtweg nicht um die
pragmatische Dimension gehe.
Als abgeleiteter Kritikpunkt wird drittens häufig gegen
Goodman angeführt, dass dann die Unterscheidung von Kunst und
Wissenschaft, die wesentlich im Rezeptionsaspekt festgemacht werden könne,
nicht mehr gewährleistet sei (vgl. Fricke S. 40 / 41).
Nun ist aber gerade der Clou von Goodmans Ansatz, die symbolischen und
kognitiven Gemeinsamkeiten von Kunst und Wissenschaft (und anderen
Symbolisierungen) herauszustellen und nicht essentielle Grenzziehungen zu
schaffen oder zu fixieren. 10 Dieser und
andere abzuleitende Vorwürfe erweisen sich mithin als extrinsisch, d.
h. sie treffen nicht den Kern der Goodmanschen Symboltheorie oder laufen
sogar daran vorbei. Ist unter diesen Umständen die Auseinandersetzung einer
Zeichentheorie der ästhetischen Erfahrung mit einem Ansatz, den explizit die
ästhetische Erfahrung kaum interessiert, nicht überflüssig?
Frickes Kenntnis der Diskussionslage ist zu gründlich, um
diesen Einwand nicht zu sehen und vorwegzunehmen (vgl. S. 40, 41). Wenn sie
dennoch ihre Kritik an Goodman an seinem Ausblenden der pragmatischen
Dimension ansetzt, dann offenbar aus dem Grund, dass sie dies als
intrinsischen Mangel seiner Zeichenkonzeption ansieht. Ein
theorieimmanentes Defizit wird am konsequentesten am Kern dieser Theorie
festgemacht. Aus Frickes darauf zielenden Argumentationsstrang kann deshalb
hier beispielhaft zurückgegriffen werden. Im 2. Kapitel entwickelt sie das
ontologische und semantische Fundament ihrer Kritik an Nelson Goodmans
semantischer Position. Danach wurzelt deren Defizienz in seinem Nominalismus,
genauer, in der ausschließlich extensionalen Interpretation der
Prädikatausdrücke eines Symbolsystems (vgl. bes. S. 86 ff.).
3. 4. 2 Vollständige Interpretation
Fricke kritisiert, dass in Goodmans Semantik jedes
Symbolsystem vollständig interpretiert sei; es sei durch die Aufzählung
seiner endlichen Bestandteile, d. h. seiner syntaktischen Elemente
("characters") und der sie erfüllenden Gegenstände der betreffenden
Gegenstandssphäre zureichend beschreibbar. In einem somit statischen
Symbolsystem ist nach Fricke (84 f.) kein interpretatorischer Spielraum mehr
gegeben; weder für die Zuordnung von Zeichenvorkommnissen (Marken) zu
Zeichen(klassen), noch für die Sortierung von Gegenständen einer
Gegenstandssphäre, noch für die Erfüllungsrelation zwischen
Zeichenvorkommnissen und Gegenständen. Die pragmatische Dimension spiele
keine Rolle. Mit der knappen Antwort "Das soll sie auch nicht"
könnte bereits an dieser Stelle der Kritik an Goodmans Konzeption der
Boden entzogen werden (– nicht natürlich einer Sachargumentation für
Nichtvollständigkeit!).
Steigt man dennoch in die Diskussion ein, so kann man gegen
Fricke kritisch fragen, ob nicht gerade ästhetische Symbolsysteme, die nach
Goodman z. B. mehr durch Symptome wie syntaktische und
semantische Dichte gekennzeichnet sind als nichtästhetische Symbolsysteme, eo
ipso die >vollständige Interpretierbarkeit< unterlaufen. 11 Fricke zieht syntaktische und semantische
Dichte heran, um an ihren Strukturmerkmalen das Desiderat des Pragmatischen
festzumachen. Ein dichtes, d. h. unendlich differenziertes und
kontinuierliches Symbolsystem gestatte eo ipso keiner Person, semiotische
Identifikationen und Klassifikationen vorzunehmen. Vielmehr setze die
Zuordnung voraus, dass "die Klassifikationsmerkmale der
Zeichenvorkommnisse nicht nur endlich, sondern (für diese Person) auch
entscheidbar differenziert sind" (S. 101).
Es ist auf der pragmatischen Argumentationsebene plausibel,
eine präzisierende Neufassung für Interpreten ästhetischer Symptome
vorzunehmen. Aber sie ist strenggenommen keine Präzisierung oder Korrektur
von Goodmans Darstellung ästhetischer Symptome, denn sie trägt Desiderate an
diese heran, deren pragmatische Begründung einer im engeren Sinne
semantischen Untersuchung eben doch extrinsisch bleiben.
Vor allem aber fragt sich, wozu überhaupt, unter ausführlicher Beachtung
anderer Theorien, Goodmans Konzeption ästhetischer Symptome einer
ausführlichen Kritik unterzogen wird, 12 wenn
es ohnehin um eine pragmatische Neufassung ästhetischer Kriterien für die
ästhetische Erfahrung geht.
3. 4. 3 Extensionalität
Ähnlich verhält es sich mit dem von Fricke angemeldeten
Desiderat der Intensionalität. Auf der ontologisch-semantischen Ebene, wo
dies vieldiskutierte Problem in erster Linie hingehört, ließe sich vieles
gegen eine nominalistische Semantik einwenden, welche die ausschließlich
extensionale Erfüllung von Symbolen vorsieht und deshalb Typen, Klassen bzw.
Universalien ausschließt. Fricke aber diskutiert nicht so sehr die
einschlägigen semantischen Fragen, sondern das für die pragmatische Dimension
folgenreiche Fehlen >intensionaler Bedeutung<. Diese definiert sie als
"den Begriff von dem semantischen Klassifikationsmerkmal, anhand dessen
die Personen, die diesen Ausdruck zur Beschreibung von Gegenständen
verwenden, darüber entscheiden, ob ein bestimmter Gegenstand diesen Ausdruck
erfüllt oder nicht." Sie fungieren mithin als Entscheidungskriterium,
welche "Zeichenvorkommnisse ein Gegenstand erfüllt und welche
nicht" (S. 87).
Das macht durchaus plausibel, inwiefern ein pragmatischer
Ansatz eine intensionale Semantik impliziert. Es heißt jedoch nicht, dass
jede intensionale Semantik einen pragmatischen Ansatz impliziert. Das
unterstellt Fricke auch nicht, aber ohne einen solchen Umkehrschluss lässt
sich der Semantik Goodmans das Ausblenden der Intensionalität nicht als
intrinsischen Fehler anlasten. Andernfalls werden aus pragmatischen
Erfordernissen resultierende Kritikpunkte an eine explizit nonpragmatische
Semantik herangetragen. Auf S. 86 heißt es denn auch:
Wenn pragmatische Gesichtspunkte der Verwendung von
Zeichen durch Personen zur Beschreibung von Gegenständen sollen
berücksichtigt werden können, sind die entsprechenden Zeichensysteme nicht
nur hinsichtlich ihrer syntaktischen und extensional-semantischen zu
charakterisieren.
Die Kritik, so subtil sie geführt wird, bleibt extrinsisch.
Damit aber geht sie an ihrem Ziel vorbei und man fragt sich, zu welchem Zweck
sie ausgebreitet wird.
Aber selbst wenn man das Fehlen der
pragmatischen Dimension als der semantischen Theorie Goodmans intrinsisch
herausstellen könnte, so wäre damit doch nicht mehr bewiesen, als dass
Goodmans Selbstbescheidung auf eine im engeren Sinne semantische
Symboltheorie nur konsequent ist. 13 Auf
welchem Weg auch immer man sich Frickes Goodmankritik nähert: es stellt sich
die grundsätzliche Frage, warum eine Theorie, deren ontologische und
semantische Grundlagen schon nicht mit einer explizit pragmatischen
Theorie der ästhetischen Erfahrung kompatibel sind, überhaupt herangezogen
wird und warum in dieser Ausführlichkeit.
3. 5 Akademischer Hintergrund
Eine Buchbesprechung hat ein Werk zu rezensieren "ut
iacet". Entstehungsgeschichte und Motivation beispielsweise sind für die
sachliche Beurteilung irrelevant. Dennoch wird m. E. die hier bemängelte
philosophische Unentschiedenheit zwischen systematischem und
philosophiehistorischem Standpunkt vor dem Hintergrund verständlicher, dass
die Untersuchung im Rahmen einer Habilitation mit all ihren langjährigen
akademischen Verpflichtungen entstanden ist. Sie spiegelt einerseits die
Unfreiheit vom deutschen bzw. kontinentaleuropäischen Schwerpunkt der
philosophiehistorisch-hermeneutischen Textanalyse, andererseits aber, dies
ins Positive gewendet, den immensen Kenntnisreichtum und die überaus
gründliche und differenzierte philosophiehistorische Auseinandersetzung,
welche PhilosophInnen auszeichnen, die in dieser Tradition großgeworden sind.
4 Fazit: Ein Beitrag zur ästhetiktheoretischen
Grundlagendiskussion
Christel Frickes Argumentationen sind im besten Sinne zu
umfangreich und differenziert, um in einer Rezension zureichend dargestellt
zu werden. Sie legt mit ihrem Buch "Zeichenprozess und ästhetische
Erfahrung" einen originären und differenzierten ästhetiktheoretischen
Ansatz vor. Dieser tritt angesichts der in extenso entfalteten
interpretativen Analyse der auftauchenden Probleme und Subprobleme bei
anderen Autoren nicht immer als klar aufeinander aufbauender
Argumentationsgang zutage. Entscheidet man sich aber für eine systematische
Lesart, dann entwickelt Frickes pragmatische Komplementaritätstheorie
ästhetischer Zeichenprozesse eine dezidierte ästhetiktheoretische Position.
Wenngleich Frickes Rede von "Eigenschaften (von)"
und "Relationen (zwischen)" problematisch ist, sofern sie
Trägersubstanzen und d. h. substanzontologische Voraussetzungen
präsupponiert, ist die Auseinandersetzung mit den semantischen (und
ontologischen) Basisstrukturen des Kunstwerksbegriff von seltener
Gründlichkeit und hohem argumentativem Argumentationsniveau. Mit dem Aufweis,
dass innerhalb einer solchen Semantik intensionale Bedeutungen notwendig
sind, schafft Fricke neue Grundlagen für die ästhetische Reflexion und den
ästhetiktheoretischen Diskurs. Auf ihnen aufbauend gelangt sie zu einer
plausiblen und fruchtbare definitorischen Eingrenzung ästhetischer Zeichen
bzw. Kunstwerke.
Unabhängig davon, dass die Rezensentin Frickes Identifikation
von deskriptiver und valuativer Ebene, d. h. von Beschreibung und Wertung von
Kunstwerken für theoretisch problematisch hält, enthalten die damit
verbundenen zehn Symptome zugleich einen begründeten Ansatz für weitere
ästhetiktheoretische Ausarbeitungen und Anwendungen auf konkretere
kunstphilosophische Fragestellungen. Frickes eigene Exemplifikationen an
verschiedenartigen Kunstwerken wie auch im Bezug auf aktuelle
(kunst)theoretische Probleme geben bereits eine Richtung vor.
An der Auseinandersetzung mit dem Buch Christel Frickes wird
man in der heutigen Diskussion ästhetiktheoretischer Grundlagen nicht
vorbeikommen.
Prof. Dr. Constanze Peres
Hochschule für Bildende Künste Dresden
Professur für Philosophie / Ästhetik
D-01288 Dresden
Homepage
E-Mail mit vordefiniertem Nachrichtentext senden:
Ins Netz gestellt am 21.01.2003
Copyright © by the author. All rights reserved.
This work may be copied for non-profit educational use if proper credit is
given to the author and IASLonline.
For other permission, please contact IASLonline.
Diese Rezension wurde betreut von unserem Fachreferenten PD Dr. Ulrich
Baltzer. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez –
Literaturwissenschaftliche Rezensionen.
Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Katrin Fischer.
Weitere Rezensionen stehen auf der Liste
neuer Rezensionen und geordnet nach
zur Verfügung.
Möchten Sie zu dieser Rezension Stellung nehmen?
Oder selbst für IASLonline rezensieren? Bitte
informieren
Sie sich hier!
[ Home | Anfang |
zurück ]
Anmerkungen
1 "Pragmatisch" ist hier
terminologisch gemäß der klassischen Fixierung durch Ch. W. Morris zu
verstehen; vgl. auch Fricke S. 81. Die vorliegende Rezension folgt dem
üblichen Sprachgebrauch, wonach "pragmatisch" sowohl auf der
Objektebene für Zeichen als auch auf der Metaebene für Theorien bzw.
theoretische Sätze über Zeichen verwendet wird. zurück
2 Martin Seel: Die Kunst der Entzweiung. Zum
Begriff der ästhetischen Rationalität. Frankfurt: Suhrkamp 1985, S. 46
f. zurück
3 Hegels Ästhetik ist als Gegenposition zu
Frickes Standpunkt ein unglücklich gewähltes Beispiel. Denn gerade seine
dynamische Konzeption beinhaltet, dass die Entwicklung der Kunst in ihrer
höchsten, wenn auch nicht "schönsten", Ausprägung die
Reflexion-über konstitutiv in die produktive und rezeptive ästhetische
Erfahrung einbezieht. Mit Blick auf die "romantische Kunstform" in
seiner Ästhetik trifft es schlichtweg nicht zu, dass Kunst "nur in der
unmittelbaren Anschauung dieser Werke" zugänglich sei (S. 51) . Hinter
die Darstellung Hegels als Repräsentant der so verstandenen
Überbietungstheorie (vgl. S. 47–53, 61, 62) ist mithin ein großes
Fragezeichen zu setzen.; vgl. zur Reflexivität der Kunst bei Hegel auch
Constanze Peres: Die Struktur der Kunst in Hegels Ästhetik, Bonn: Bouvier
1983. zurück
4 Vgl. Nelson Goodman: Languages of Art. An
approach to the theory of symbols. Indianapolis / Cambridge: Hackett
Publishing Company, Inc. Neudruck 1976 (abgek. LA); dt.: Sprachen der Kunst.
Ein Ansatz zu einer Symboltheorie. Frankfurt / .M.: Suhrkamp 1973, S. 131,
Anm. 3; vgl. Nelson Goodman: The Structure of Appearance. Dordrecht-Holland /
Boston-U.S.A.: D. Reidel Publishing Company 1951, 3. Aufl.1977, S.
354–364. zurück
5 Nelson Goodman / Catherine Z. Elgin:
Reconceptions in Philosophy and Other Arts and Sciences. Indianapolis /
Cambridge: Hackett Publishing Company, Inc. 1988; dt. Revisionen. Philosophie
und andere Künste und Wissenschaften. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1993, S. 167
und 168, vgl. S. 167–175. zurück
6 Goodman geht allerdings nicht von
vollständig, sondern von graduell dichten und kontinuierlichen Symbolsystemen
aus; auch von natürlichsprachigen Symbolsystemen ist deshalb anzunehmen, dass
die Erfüllung ihrer Zeichenvorkommnisse je nach dem Grad ihrer endlichen
Differenzierbarkeit entschieden werden kann. zurück
7 Auf S. 174f. und 159f. rekurriert Fricke
auch kurz auf die Theorie ikonischer Zeichen von Charles S. Peirce und
Charles W. Morris. zurück
8 Ihre Engführung ästhetischer Zeichen auf
Kunstwerke ist dabei zwar problematisch, kann aber, sofern Fricke sie bereits
zu Beginn ihres Buches begrifflich einführt, als operative Eingrenzung
akzeptiert werden, vgl. S. 27. zurück
9 In seinem 1977 erschienenen Aufsatz
"When is art" fügt Nelson Goodman den Symptomen "syntaktische
Dichte", "semantische Dichte", "relative syntaktische
Fülle" und "Exemplifikation" das Symptom der "multiplen
und komplexen Bezugnahme" hinzu; deutsch "Wann ist Kunst"? als
IV. Kapitel in: Nelson Goodman: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt / M.:
Suhrkamp 1984, Neudruck 1990, S. 76–91, S. 88 ff. zurück
10 Vergleiche zum Beispiel Nelson Goodman:
Vom Denken und anderen Dingen. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1987, S. 19 ff.
u.ö. zurück
11 Zumal Goodman das, was Fricke
vollständige Interpretierbarkeit nennt, im strengen Sinne nur für notationale
Systeme geltend macht; vgl. Nelson Goodman, Languages of Art (Anm. 4), S.
131. zurück
12 Hier besonders die Weiterentwicklung
durch John Haugeland; vgl. Fricke S. 102–111. zurück
13 Auch ließe sich ausführlich darüber
diskutieren, ob die kritische Darstellung der Symboltheorie Nelson Goodmans
durch Christel Fricke in allen Punkten zutreffend ist. Das betrifft
beispielsweise die Frage, warum die Kritik größtenteils auf der Basis von
Goodmans Buch "Languages of Art" von 1968 erfolgt, obwohl Goodman
selbst alle seine Folgeschriften als Explikationen und Weiterentwicklungen
versteht. zurück
|