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Siebenhundert bis tausend Jahre britischer und irischer Bibliotheksgeschichte

  • Peter Hoare (Hg.): The Cambridge History of Libraries in Britain and Ireland. 3 Volume Set. Volume I: To 1640, Volume II: 1640-1850, Volume III: 1850-2000. Cambridge: Cambridge University Press 2006. Gebunden. GBP 300,00.
    ISBN: 978-0521-85808-3.
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Auf mehr als 2000 Seiten entfaltet das enzyklopädische Werk, das nur in seiner Gesamtheit von drei Bänden erworben werden kann, ein differenziertes Bild der über siebenhundertjährigen Bibliotheksgeschichte Großbritanniens und Irlands, wobei der Schwerpunkt auf dem britischen Bibliothekswesen liegt.

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Die Periodisierung der drei vom Umfang her annähernd gleich starken Bände reflektiert entscheidende politisch-historische bzw. bibliotheksgeschichtliche Einschnitte. Dies ist zum ersten das Einsetzen des englischen Bürgerkriegs mit seinen Zerstörungen ab 1642, die auch vor Bibliotheken nicht Halt machten, und zum zweiten die Verabschiedung des Public Libraries Act im Jahr 1850, der eine ungekannte Ausweitung und Diversifizierung der Bibliotheken einleitete.

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Die zunehmende Vielfalt, verbunden mit einer immer lückenloseren Überlieferung, fordert auch in der historischen Betrachtung ihren Raum. So behandelt der erste Band kursorisch die Vorgeschichte der Aufbewahrung von Handschriften seit dem Mittelalter und ausführlich mehr als drei Jahrhunderte von etwa 1300 bis 1640, in denen auch die Auswirkungen des Buchdrucks und die Auflösung der Klosterbibliotheken im Gefolge der Reformation unter Heinrich VIII. eine gewichtige Rolle spielen. Der zweite Band widmet sich den etwas mehr als zwei Jahrhunderten der Bürgerkriegszeit und der Herausbildung von Bibliotheken als Institutionen im heutigen Verständnis, während der dritte Band die restlichen 150 Jahre seit der Mitte des 19. Jahrhunderts behandelt.

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Band I: Bis 1640

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Vorgeschichte und Entstehung der ersten Bibliotheken
nach heutigem Verständnis – von einfacher Buchaufbewahrung
zu benutzbaren Bibliotheken

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Der erste Band misst sich an dem 1967 erschienenen Standardwerk von Neil R. Ker, Medieval Libraries of Great Britain 1 , und seinem 1987 von Andrew G. Watson herausgegebenen Supplement, das den Umfang des Werkes nahezu verdoppelte. Er bietet in zeitlicher Erweiterung die erste detaillierte Darstellung englischer und irischer Bibliotheksgeschichte dieses Umfanges vor dem englischen Bürgerkrieg. Die Einzelreferate werten dabei bisher veröffentlichte frühe Bibliothekskataloge aus, z.B. von bedeutenden Kirchen- und Privatgelehrten, den Universitäten von Oxford und Cambridge, außerdem andere ergiebige Quellen, wie etwa Testamente.

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Der besseren Übersichtlichkeit wegen sind die Beiträge in die vier Themenbereiche Mittelalter (S. 69–262), Reformation (S. 265–341), wissenschaftliche Spezialbibliotheken (S. 345–485), Bibliotheken für die Freizeit (S.489–561) und Bibliotheksverwaltung (S. 565–615) gegliedert. Das Buch beginnt mit zwei Gesamtdarstellungen in einem Vorspann, in dem Richard Gameson die Entwicklung der mittelalterlichen Bibliotheken bis 1450 (S. 13–50) und Clare Sargent die frühneuzeitlichen Bibliotheken bis etwa 1640 (S. 51–65) vorstellt.

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Die 26 durchschnittlich 15 bis 30 Seiten umfassenden wissenschaftlichen Beiträge namhafter Experten, die zum Teil auf drei Tagungen in Cambridge und London zurückgehen, beleuchten in chronologischer Folge die Entstehung der ersten Bibliotheken ausgehend von den ersten nachweisbaren separaten Räumen zur Aufbewahrung von Handschriften im 12. Jahrhundert, zunächst nur zur reinen Lagerung, über die erste benutzungsorientierte Aufstellung im 14. Jahrhundert als Teilaspekt institutioneller Organisation bis zur Entstehung von Bibliotheken im modernen Sinn als »organised and comprehensive repository of written knowledge« (S. i).

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Mittelalterliche Büchersammlungen und ihre Benutzung

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Die acht Referate des ersten Hauptkapitels widmen sich mittelalterlichen Büchersammlungen. Pádraig P. O‘Néill vergleicht die Ausgangssituation in England und Irland im frühen Mittelalter und wägt die Einflüsse ab, die das frühe Buchwesen über die Römerherrschaft und die Christianisierung bestimmten (S. 69–90). Das Fehlen direkter Belege oder einer rein physischen Kontinuität der Büchersammlung stellt die Forschung vor die gewaltige Aufgabe der Auswertung weit verstreuter, oft zufälliger Hinweise in Handschriften oder Klöstern und der Untersuchung ihrer Provenienzen und ihrer Verbreitungswege. Bei der Betrachtung der Situation in England bis zur normannischen Eroberung 1066 stützt sich David Ganz unter anderem auf die von Helmut Gneuss 2001 veröffentlichte Handlist of Anglo-Saxon Manuscripts [...] Up to 1100 2 (S. 91–108). Er rekonstruiert die Bestände bedeutender englischer Klosterbibliotheken auch unter Auswertung der Belege, die von den angelsächsischen Gelehrten, Bischöfen und Verfassern von Heiligenviten zitiert werden.

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Die folgenden drei Aufsätze befassen sich bereits mit der Zeit nach 1066, Teresa Webber (S. 109–125) und David N. Bell (S. 126–151) mit der Herkunft und Thematik der Bestände in Kloster- und Kirchenbibliotheken des späten 11. und des 12. Jahrhunderts. Als sich die Zahl der Klöster in knapp hundert Jahren mehr als versechsfachte, stieg die Nachfrage nach Abschriften erheblich, wobei jedoch das Verhältnis zwischen persönlichem und Klostereigentum bis zum Entstehen der ersten Ausleihkataloge im 14. Jahrhundert fließend war. Roger Lovatt widmet sich der Bedeutung von Schenkungen für die Sammlungen der ersten Colleges in Oxford und Cambridge und die Entstehung der beiden Universitätsbibliotheken (S. 152–177).

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Im Anschluss daran stellen Jenny Stratford und Teresa Webber wichtige bischöfliche und königliche Privatbibliotheken vor, beginnend mit der Sammlung von Aelberht, Erzbischof von York (766/7– 779/80) als der einzigen vor 1066 überlieferten. Repräsentativ für die Gelehrsamkeit der häufiger werdenden Universitätsabsolventen bis etwa 1400 steht die zwischen 1235 und 1253 aufgebaute bedeutende Bibliothek des Bischofs von Lincoln, Robert Grosseteste. Die Sammlungen von mittelalterlichen Herrschern und sonstigen Angehörigen des Königshauses sind nur spärlich überliefert, mit Ausnahme des jüngsten Sohns von Edward III., Thomas of Woodstock; alle Spuren werden jedoch minutiös verfolgt (S. 158–217).

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Berücksichtigt werden auch Fragen der mittelalterlichen Bibliotheksverwaltung, soweit sie sich erschließen lassen. Richard Sharpe entwirft ein Berufsbild des mittelalterlichen Bibliothekars und seines Umgangs mit dem Bibliotheksgut anhand von handschriftlichen Einträgen, Neubindungen oder der Bekämpfung von Verlusten und Diebstählen (S. 218–241). Peter J. Lucas untersucht die Benutzungs- und Ausleihbedingungen mittelalterlicher Bibliotheken anhand von Verzeichnissen zur Sicherung der Rückkehr der teuren Güter: Ausleihen innerhalb der Klöster und Colleges, zwischen verwandten Institutionen und nach draußen. Auch das Benutzerverhalten einer Einzelperson, nämlich von Thomas Gascoigne (1403–58), der für seine theologischen Studien eine Vielzahl von Bibliotheken konsultierte, wird anhand seiner Randnotizen auf benutzten Handschriften nachgewiesen (S. 242–262).

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Bücher und Bibliotheken in der Zeit der Reformation
und des Humanismus

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Die drei Beiträge des zweiten Kapitels betrachten die Auswirkungen der Reformation unter Heinrich VIII. und der Ausweitung der Buchproduktion nach der Erfindung des Buchdrucks auf das Buch- und Bibliothekswesen. Die Auflösung der Klosterbibliotheken bot überdies reichlich Gelegenheit, herrenlose Bücher neuen Sammlungen zuzuführen. James P. Carley schildert die Requirierung von Klosterbeständen ab 1527 unter Thomas Wolsey und John Leland und Verkäufe an private Sammler bis 1539 (S. 265–291). Julian Roberts beschäftigt sich mit den humanistischen Gelehrtenbibliotheken zwischen 1550 und 1640, die zeitweise bedeutender waren als institutionelle Bibliotheken, z.B. die Bibliotheken von John Dee, Andrew Perne, Robert Cotton, Thomas Bodley, John, Lord Lumley und John Selden (S. 292–321). Timothy Graham untersucht die Bibliothek von Matthew Parker (1504–1575), der als Erzbischof von Canterbury ab 1559 zusätzlich zu seiner vorherigen umfangreichen Sammlung gedruckter Bücher mehr als 500 Handschriften unterschiedlichster Herkunft aus allen Wissensbereichen erwarb, identifizierte, annotierte und veröffentlichte (S. 322–341).

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Spezialbibliotheken zwischen Reformation und Bürgerkrieg

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Im dritten Kapitel werden für das Jahrhundert von der nachreformatorischen Zeit bis zum Bürgerkrieg acht unterschiedliche Bibliothekstypen, ihre Funktion und ihre Benutzer vorgestellt: Universitäts- und Collegebibliotheken (Kristian Jensen, S. 345–362), bedeutendere kirchliche Bibliotheken (C. B. L. Barr und David Selwyn, S. 363–399), kleinere kirchliche und Gemeindebibliotheken (Arnold Hunt, S. 400–419), als Einschub die Entwicklung der Schulen und die Bedeutung der Lehrer für die grundlegende Wissensvermittlung bis etwa 1550 (Nicholas Orme, S. 420–433) zum besseren Verständnis der Funktion von Schulbibliotheken für die humanistische Bildung (William Barker, S. 435–447), juristische Bibliotheken, besonders der Londoner Inns of Court (J. H. Baker, S. 448–460), medizinische Bibliotheken (Peter Murray Jones, S. 461–471) und heraldische Bibliotheken, besonders die Spezialsammlung von Robert Glover (1544–1588) in Somerset mit eher archivalischer Funktion für genealogische Forschungen und Nachweise von Adelstiteln (Pamela Selwyn, S. 472–485). Behandelt werden dabei die Auswirkungen der Reformation auf das Bestandsprofil, Fragen der Bestandserweiterung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Buchpreise und durch Schenkungen, der Aussonderung, der Buchpflege, der Benutzung und der Wechselwirkung mit dem Geistesleben der Epoche.

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Schichtenspezifische Büchersammlungen und Bibliotheken, Intellektuelle und einfache Leute

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Das vierte Kapitel befasst sich mit Bibliotheken ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eher unter soziologischen Gesichtspunkten. Pamela und David Selwyn betrachten Bücher und Bibliotheken des niederen und des hohen Adels in den großen Landsitzen und ihrer Rolle bei der Erziehung zum elisabethanischen Gentleman und dem rundum gebildeten, kunstsinnigen und sammelfreudigen »Virtuoso« der Stuart-Zeit (S. 489–519). Margaret Spufford untersucht im Kontrast dazu die weit schlechter durch Ankaufslisten oder Kataloge belegten kleineren Bibliotheken einfacher Leute, wie des Webers John Maulden, des Landarbeiters William Bane oder des Schusters John Tayer (S. 520–526). Richard Ovenden beschäftigt sich mit dem Sonderfall der Bibliotheken von adligen und nichtadligen Vergangenheitsforschern (»Antiquaries«) wie William Howard, Earl of Arundel und Robert Cotton (S. 527–561). Die ab etwa 1570 steigende Nachfrage nach intakten Handschriften auf dem Buchmarkt wirkte der weiteren Zerstörung nach der Auflösung der Klosterbibliotheken entgegen und führte in regem Austausch der Originale zu deren weiterer Verbreitung in Kopien. Die gestiegene Wertschätzung des nationalen Erbes zeigt sich außerdem 1602/3 in zwei Petitionen an Elisabeth I. zur Schaffung einer königlichen Akademie für Geschichtswissenschaften mit angeschlossener zentraler Bibliothek. Damit war im Kern bereits die Idee einer Nationalbibliothek geboren.

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Bibliotheksverwaltung und Wissensorganisation

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Im fünften und letzten Kapitel des ersten Bandes zum Thema Bibliotheksverwaltung widmen sich C. Y. Ferdinand Fragen der Erwerbung, Katalogisierung, Benutzung und Buchkonservierung in der Tudor- und Stuartzeit (S. 569–591) und David McKitterick der Wissensorganisation anhand des in der Historia Cantebrigiensis [sic] Academiae 1574 von John Caius 3 beschriebenen Katalogs der Universitätsbibliothek von Cambridge, des Katalogs der Bodleian Library von 1620 und des Katalogs von Sion College aus dem Jahr 1650 (S. 592–615).

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Band 2: Von 1640 bis 1850

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Wachstum und Differenzierung der Bibliotheken und ihre Popularisierung in Theorie und Praxis – das Entstehen einer geschlossenen Bibliothekslandschaft

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Der zweite Band beschäftigt sich bei einer wesentlich besseren Überlieferungssituation mit der Entwicklung des Bibliothekswesens während der politisch-sozialen Umbrüche vom Englischen Bürgerkrieg, über die Französische Revolution bis zur Chartistenbewegung sowie dem Einfluss der aufklärerischen Philosophen und des naturwissenschaftlichen Fortschritts seit der der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der Sozialreformen seit den 1830er Jahren. Die 31 durchschnittlich 15 bis 20 Seiten langen Essays dieses Bandes sind nach einer Einleitung drei Hauptkapiteln zugeordnet: erstens der Ausweitung der Sammlungen von 1640 bis 1750 (S. 9–237), zweitens der Entstehung der Buchversorgung auf lokaler Ebene (S. 241–281) und drittens Regional- und Stadtbibliotheken (S. 285–528). Wegen der Fülle der erwähnten Erscheinungsformen beschränkt sich die Rezensentin im Folgenden auf die summarische Darstellung der großen Leitlinien.

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In einem grundlegenden Wandel des Verständnisses entwickeln sich Bibliotheken von einer Aufbewahrungsstätte von Büchern für die geistig-soziale Elite zu allgemein zugänglichen Institutionen, die den Benutzern überdies zunehmend die Ausleihe von Literatur nach Hause ermöglichen. Während selbst Charles I. und Oliver Cromwell die leihweise Mitnahme von Büchern aus der bis heute restriktiven Bodleian Library verwehrt wurde, setzt sich bis 1850 fast allgemein das Prinzip durch: »any person could borrow any kind of literature« (S. 2).

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Ein Meilenstein für die theoretisch umfassend durchdachte Diskussion über die Ausstattung und Funktion von Bibliotheken war John Evelyns Übersetzung von Gabriel Naudés Advis pour dresser une bibliothèque von 1627. Geistesgeschichtlich bedeutsam waren außerdem Francis Bacons Advancement of Learning von 1605, dessen Ideen Samuel Hartlib und John Drury bei ihrem Plädoyer für eine Öffnung der Bibliotheken als Zentren der Wissensvermittlung und des Wissensaustausches zur aktiven Unterstützung wissenschaftlichen Fortschritts beeinflussten. Jonathan Swifts The Battle of the Books von 1704 löste schließlich die Debatte über den Stellenwert klassischer Literatur gegenüber zeitgenössischer Literaturproduktion aus, bei der nach dem Ende des »Augusteischen Zeitalters«, auch in Wechselwirkung mit der Steigerung der Buchproduktion, langsam die Gegenwartsliteratur die Oberhand gewann. Außerdem verstärkte sich nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 mit dem Zustrom hugenottischer Flüchtlinge, unter denen viele Buchhändler und Journalisten waren, ab etwa 1700 in Großbritannien so wie anderswo außerhalb Frankreichs das Interesse an ausländischen Veröffentlichungen und deren Ankauf (S. 9–46).

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Ausweitung und Differenzierung der Bibliothekslandschaft

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Vor diesem Hintergrund widmen sich die Beiträge des ersten Kapitels verschiedenen Bibliothekstypen, teils in Weiterführung früherer Institutionen, teils als Neugründungen, wobei Beispiele aus Wales, Schottland und Irland häufig einbezogen werden. Untersucht werden im einzelnen Schulbibliotheken und Sammlungen für die private Andacht (S. 47–64), kirchliche Gemeindebibliotheken einschließlich der Isle of Man (S.65–82), öffentliche und privat unterhaltene Stadtbibliotheken (S. 83–101) und alle damaligen Universitätsbibliotheken in Oxford, Cambridge, Dublin, Glasgow, St. Andrews, Edinburgh und Aberdeen (S. 103–121). Weitere Beiträge behandeln bischöfliche Bibliotheken für den höheren Klerus als vorrangige Zielgruppe (S. 122–133), den Archiven nahestehende Bibliotheken für Vergangenheitsforscher und Genealogen (S. 134–157), naturwissenschaftliche und medizinische Spezialbibliotheken (S. 158–172) und Privatbibliotheken in Country Houses wie Chatsworth und Renishaw Hall oder im Besitz von Geistlichen und Gebildeten, die zum Teil nach dem Ende der Herrschaft Cromwells bei der Rückkehr aus dem Exil oder von Reisen kontinentaleuropäische Literatur nach England mitbrachten. Dies ist die Entstehungszeit der qualitätvollen und umfangreichen Sammlungen von Robert und Edward Harley, Thomas Herbert, dem achten Earl von Pembroke, dem Bischof John Moore von Ely und den Ärzten Hans Sloane und Richard Mead. In dieser Zeit professionalisierten sich auch der Buchhandel und die Bibliotheken mit der Entstehung von Spezialbibliographien, Auktionskatalogen und Bibliothekskatalogen wie dem 1674 veröffentlichten, mit über 700 Seiten umfangreichsten Katalog der Bodleian Library in Oxford als präzisen Unterlagen zur Auskunft über den Wert, den Ankauf, Verkauf und Verbleib der Bücher (S. 173–189).

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Legten schon die Besitzer von großen Privatbibliotheken zunehmend Wert auf ein repräsentatives Aussehen und eine angemessene Aufstellung ihrer Sammlungen, so war die funktionale und gleichzeitig ästhetisch ansprechende Unterbringung der wachsenden Zahl von Büchern in anderen Bibliotheken umso dringlicher auch zur Erleichterung der zunehmenden Benutzung. So widmet sich ein eigener mit acht Abbildungen versehener Beitrag der Bibliotheksarchitektur in Großbritannien und Irland zwischen 1590 und 1750 ausgehend vom ältesten als solchem gebauten Bibliotheksraum in Merton College, Oxford, und zeigt die Entwicklung an den Beispielen der St. John‘s College Library und Trinity College Library Library in Cambridge, der St. Paul‘s Cathedral Library in London, der Radcliffe Library und der Codrington Library in All Souls College in Oxford sowie der Bibliotheken in den Herrenhäusern unter anderem von Hatfield House, Ham House, Houghton Hall bis William Kents Bibliothek im Londoner St. James‘s Palace von 1736/37 (S. 190–211).

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Fragen der Auswahl der Bibliothekare, der Bibliotheksverwaltung, der Katalogführung, der Buchsicherung und der Behandlung der Benutzer beschließen den ersten Teil (S. 212–237).

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Engmaschiges Bibliotheksnetz für die wachsende Bevölkerung

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Die drei Beiträge des zweiten Kapitels über die Literaturversorgung auf lokaler Ebene betrachten die Auswirkungen aus der Verdreifachung der Bevölkerung zwischen 1750 und 1850 von etwa 8,5 Millionen auf 27 Millionen und den verbesserten Bildungschancen in den Städten auf das Bibliothekswesen. Die damit einhergehende steigende Zahl von Lesern beförderte in Großbritannien und Irland als neue Erscheinungsform das Aufblühen von Buchklubs und Büchereien auf Subskriptionsbasis (S. 241–263). Die Bibliothekslandschaft von Norwich zeigt exemplarisch das differenzierte Zusammenspiel verschiedener Bibliothekstypen wie der Stadtbibliothek, kirchlichen Bibliotheken, Bibliotheken anderer Einrichtungen und den Büchereien der Buchklubs und ihr Bildungsangebot (S. 264–274); der abschließende Essay ermöglicht den Vergleich mit der Situation in Belfast (S. 275–281).

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Regionale und städtische Spezialbibliotheken

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Das dritte Kapitel über die städtischen und regionalen Bibliotheken zwischen 1750 und 1850 behandelt nach einer Einführung über den gesellschaftlichen, kulturellen und geistesgeschichtlichen Hintergrund (S. 285–300) in neun Beiträgen die Fortentwicklung der Bibliothekstypen des ersten Kapitels und die zunehmende Versorgung auch ärmerer und bildungsfernerer Schichten mit Bibliotheken. Deutlicher als vorher wird zudem das wirtschaftliche und soziokulturelle Umfeld in seiner Wechselwirkung mit den Bibliotheken thematisiert, wie die Beziehung zwischen dem Buchhandel und Bibliotheken vor dem Hintergrund einer vor 1850 ungekannten flächendeckenden Versorgung mit Buchläden und preisgünstigen Büchern, die Rolle der Bibliotheken bei der Lesefähigkeit und Bildung der Massen, die Sammelwut privater Buchkäufer, das Bibliotheksmanagement vor der Institutionalisierung der bibliothekarischen Berufsbildung und die Bedeutung der Bibliotheken für den Kolonialismus und in den britischen Kolonien. Zwei Aufsätze widmen sich speziell der Bibliothek des Britischen Museums, ihrer Geschichte seit der Gründung 1753 und ihrem Stellenwert hundert Jahre später (S. 405–437). Ein Beitrag über die Lage der Bibliotheken in der Übergangszeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts (S. 509–528) bildet die Brücke zum dritten Band.

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Band 3: Von 1850 bis 2000

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Weitere Ausweitung und Diversifizierung, neue Theorien und neue Medien – moderne Bibliotheken zwischen Spaß und Spezialistentum

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Die 50 meist kürzeren, durchschnittlich nur neun bis fünfzehnseitigen Beiträge des dritten Bandes greifen eine noch größere Vielfalt an Themen auf, die nach einer Einleitung einer ebenfalls größeren Anzahl von acht Hauptkapiteln zugeordnet sind. Dieses editorische Strukturierungsprinzip trägt im Vergleich zu den ersten beiden Bänden elegant der Tatsache Rechnung, dass bei hervorragender Quellenlage und einer Fülle bibliothekshistorischer Einzelveröffentlichungen noch der Abstand fehlt, angesichts der Vielzahl der Phänomene alle Aspekte und Entwicklungen zu berücksichtigen oder auch nur die großen Hauptlinien für die Zukunft in jedem Fall eindeutig zu benennen.

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Nach einer Einleitung und einem Gesamtüberblick über die Rolle der Bibliotheken im betrachteten Zeitraum (S. 7–18) beschäftigen sich die Hauptkapitel der Reihe nach mit der Theorie und Praxis der unterschiedlichen Bibliothekstypen, wie z.B. den Öffentlichen Bibliotheken (S. 21–119), den Bibliotheken von Privatleuten und privaten Trägern (S. 123–202), der regionalen Bibliothekslandschaft in Wales, Schottland und Irland im Sinne einer flächendeckenden Bibliotheksversorgung (S. 205–275), der Idee und Verwirklichung der britischen Nationalbibliothek (S. 279–315), den Universitätsbibliotheken (S. 319–401) und ausgewählten Spezialbibliotheken (S. 405–519). Während die ersten sechs Kapitel meist die Fäden aus den ersten beiden Bänden wieder aufgreifen, weiterspinnen und durch neue Farben bereichern, widmen sich die beiden folgenden Kapitel neuen Entwicklungen, nämlich der zunehmenden Professionalisierung des Bibliotheksberufs und der Anwendung neuer Techniken im Bibliotheksalltag (S. 523–608). Nach dem Kapitel über das Berufsbild der Bibliothekare und Fragen der Bibliotheksverwaltung beschließen unter der griffigen Überschrift »The Digital Revolution« des achten Kapitels zwei Beiträge zur Datenverarbeitung im Bibliothekswesen den Band als Brücke ins 21. Jahrhundert (S. 611–653).

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Öffentliche Bibliotheken als Bildungsauftrag für die Massen

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Das erste Kapitel befasst sich in acht Beiträgen mit dem Public Libraries Act von 1850 und seinen Folgegesetzen. Diese waren inspiriert von Theorien über öffentliche Bibliotheken, die unabhängig von Klassenschranken Bildung und ethische Normen zur persönlichen Vervollkommnung vermitteln und damit ganz wesentlich zur Verhinderung politischer und sozialer Spannungen beitragen sollten. Entsprechend der öffentlichen Nachfrage wuchs der Anteil an Belletristik und sonstiger Literatur für die Freizeit, deren Mengenanteil und Niveau jedoch besonders zwischen 1890 und 1914 heftig umstritten waren, bis nach der Stagnation der Bestandsentwicklung im Ersten Weltkrieg aus Geldmangel mit dem Kenyon Report von 1927 zweckfreies Lesen zum Vergnügen als legitim anerkannt wurde. Besonders seit den sechziger Jahren trug die Bestandserweiterung in den Bibliotheken diesem Bedürfnis Rechnung. Weitere Aktivitäten, verbunden mit anderen Freizeitangeboten in räumlicher Nähe, Ausstellungen, Verbreitung des Lesens über Benutzerschulungen und mithilfe von Bibliotheksbussen oder Angebote für ethnische Minderheiten versuchen die öffentlichen Büchereien besser in der Gesellschaft zu verankern, was seit der Konkurrenz neuer Medien für die Freizeitgestaltung immer wichtiger geworden ist. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Bedeutung von Kinder- und Jugendbibliotheken, die die Freude am Buch frühzeitig wecken und fördern (S. 21–119).

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Bibliotheken als Bürgerinitiative

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Das zweite Kapitel behandelt in fünf Aufsätzen Bibliotheken in privater Trägerschaft, deren Häufigkeit und Bedeutung im betrachteten Zeitraum mit der Ausweitung des öffentlichen Bibliothekswesens insgesamt abnahm. Lesezirkel und Bibliotheken auf Subskribentenbasis wie Charles Edward Mudie‘s (1818–90) berühmte »circulating library« (S. 132) blieben jedoch ein Erfolgsmodell wegen der hohen Buchpreise, die um 1850 pro Buch durchschnittlich dem Wocheneinkommen eines Arbeiters entsprachen, nicht zu sprechen von der populären Gattung der dreibändigen Romane, auf deren Ausleihe sich Mudie spezialisiert hatte. Erst mit den preiswerten Penguin-Taschenbüchern, die ab 1935 auf den Markt kamen, und den ersten modernen Buchklubs in den dreißiger Jahren begann sich die Situation zu ändern, bis in den sechziger Jahren das Fernsehen als billige Möglichkeit der Freizeitgestaltung das alte System endgültig zum Untergang verurteilte (S. 123–168). Daneben gab es unabhängige, aber in der Gesamtausrichtung keineswegs politisch radikale Arbeiter- und Genossenschaftsbibliotheken, darunter bis 1939 besonders häufig Bergmannsbibliotheken (S. 169–179). Der abschließende Beitrag dieses Kapitels befasst sich mit zahlreichen bedeutenden Privatsammlungen oft sehr spezieller Ausrichtung, ihrem Verkauf, ihrer Versteigerung oder als Schenkungen, die mit dem Namen ihrer Besitzer in andere Bestände eingingen (S. 180–202).

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Bibliothekslandschaft in Wales, Schottland und Irland

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Die acht Beiträge des dritten Kapitels über die flächendeckende Bibliotheksentwicklung in Großbritannien und Irland ermöglichen eine vergleichende Gesamtschau, beginnend mit der Geschichte des städtischen Bibliotheksnetzes in Newcastle upon Tyne (S. 206–215) über regionale Analysen bis zu komprimierten Einzeldarstellungen. Eigene Aufsätze widmen sich den drei anderen Nationalbibliotheken außerhalb Londons. Die National Library of Wales (S. 227–234) wurde 1907 in Aberystwyth eröffnet, die National Library of Scotland in Edinburgh (S. 245–252) ging aus der 1689 gegründeten Advocates‘ Library hervor, und die National Library of Ireland in Dublin (S. 266–275) steht in der Nachfolge der 1731 von der Royal Dublin Society gegründeten Bibliothek.

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Die britische Nationalbibliothek

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Die drei Beiträge des vierten Kapitels beschäftigen sich anschließend mit der 1973 offiziell als britische Nationalbibliothek designierten British Library und ihrer Vorgängerin, der British Museum Library, die unter Antonio Panizzi de facto schon seit 1857 als Nationalbibliothek fungierte und in ihren Anfängen bis zur Gründung des Britischen Museums 1753 zurückreicht. Schwerpunkte bei der Betrachtung sind der Aufbau des zur Zeit rund 150 Millionen Einheiten umfassenden Bestandes in mehr als 400 Sprachen bei einem heutigen Zuwachs von rund drei Millionen Werken jährlich, der Ausbau der Spezialsammlungen wie der Ostasiatica oder der Papyri, die Vermehrung bedeutender Handschriften durch weitere Ankäufe und der Druck von Faksimileausgaben, große Katalogisierungsunternehmen wie der Schlagwortkatalog für Literatur seit 1880 und der Inkunabelkatalog ab 1908, aber auch Krisenzeiten und Umbrüche wie die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg und der Verlust von fast einer Viertelmillion Bücher, die Diskussionen um den Neubau in St. Pancras, die Umstellung auf die Datenverarbeitung bei drastischen Haushaltskürzungen und der Umzug in das neue Gebäude von 1996 bis zur vollen Inbetriebnahme 1999 (S. 279–315).

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Wissenschaftliche Bibliotheken

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Die fünf Aufsätze des fünften Kapitels betrachten die College- und Universitätsbibliotheken auf den Britischen Inseln im Vergleich der alten Bibliotheken mit der Welle von Neugründungen im 19. Jahrhundert und ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in ihrem Selbstverständnis, ihrer Ausstattung und ihren Benutzungsmodalitäten. Thema eines eigenen Beitrags ist die Gründung der University of London 1836 und die Entwicklung einer komplexen Bibliothekslandschaft der dreiunddreißig Institutionen bis zum Zweiten Weltkrieg sowie die Verdoppelung der Bestände von 1938 bis 1960 trotz einschneidender Kriegsverluste (S. 345–356). Die Bibliotheken der neugegründeten Universitäten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den aufstrebenden Industriestädten wie Manchester (1851), Leeds (1874), Birmingham (1875), Bristol (1876), Liverpool (1879) und Sheffield (1879) bis zur Zwischenkriegszeit in Leicester (1922) und Hull (1926) entwickelten sich im Unterschied zu den Londoner Bibliotheken unabhängig und ganz unterschiedlich (S. 357–376). Die Situation seit 1960 ist unter anderem gekennzeichnet von teils unzulänglichen Bibliotheksneubauten mit hohen Unterhaltskosten, der Einführung der Datenverarbeitung, schwierigen Konditionen bei der Nutzung elektronischer Veröffentlichungen und dem Wandel der Bibliotheken von Buchzentren zu Dienstleistungszentren (S. 377–401).

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Spezialbibliotheken

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Das sechste Kapitel beschäftigt sich in acht Beiträgen mit einer Auswahl verschiedener Spezialbibliotheken, ausgehend von den medizinischen (S. 438–452), juristischen (S. 453–469) und theologischen (S. 470–481) Bibliotheken früherer Jahrhunderte. Im 19. Jahrhundert kamen technisch-naturwissenschaftliche und wirtschaftlich orientierte Bibliotheken, unter anderem Firmenbibliotheken, in größerem Umfang hinzu (S. 494–502), ebenso wie Parlaments- und Ministeriumsbibliotheken (S. 482–493). Ihr Schwerpunkt lag von Anfang an weniger auf dem Sammeln und Bewahren von Büchern, sondern vielmehr bei wachsender Spezialisierung der Forschung und Wissenschaft verstärkt in der Vermittlung aktueller Information und Dokumentation, in einer Ausrichtung, die sich in den anderen Bereichen erst seit Mitte der neunziger Jahre im Zusammenhang mit den elektronischen Dienstleistungen allgemein durchsetzte. Wichtiger als in den Allgemeinbibliotheken waren von Anfang an ein qualitätvoller Zeitschriftenbestand und eine gute Sacherschließung. Am Beispiel der drei Londoner Bibliotheken des Science Museum, der Natural History Library und der Bibliothek des Patentamtes wird der Aufstieg von anfänglich nachrangigen Bibliotheken mit großer Raumnot zu allgemein anerkannter Bedeutung im 20. Jahrhundert gezeigt (S. 423–437). Einen vergleichbaren Aufschwung erlebten die Akademiebibliotheken der Royal Societies in London, Edinburgh und Dublin. Das wachsende Ansehen spiegelt sich auch in der Gründung der Association of Special Libraries and Information Bureaux im Jahr 1925. Einen Sonderfall stellen die seltenen und kostbaren Bücher dar, die (mit Ausnahme von Inkunabeln) erst nach und nach als solche definiert, von den allgemeinen Sammlungen separiert, bibliographisch erfasst und ediert wurden (S. 503–519).

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Professionalisierung des Bibliotheksberufs

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Die acht Beiträge des siebten Kapitels befassen sich mit dem Bibliotheksberuf und der Bibliotheksverwaltung. Die Professionalisierung des Bibliothekars fand in drei Etappen statt. Sie begann 1850–1919 mit der Entwicklung des Berufsbildes und der Ausbildung, 1920 bis 1970 folgte die Konsolidierung, und von etwa 1975 bis 2000 führten die Datenverarbeitung, die Online-Publikationen und das Internet zu einem Wandel des Berufsbildes. 1877 wurde die Library Association gegründet, 1898 erhielt der Bibliotheksverband das ausschließliche Recht der Ausbildung und Prüfung von Bibliothekaren, doch erst in den zehn Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden nach und nach Bibliotheksschulen mit einheitlichen Studiengängen. Bereits ab 1870 stieg der Frauenanteil in nachrangigen Positionen stark an, zog 1921 gleich mit den Männern und verdoppelte sich bis 1951 prozentual zu den männlichen Kollegen. Der lange Weg bis zur Gleichberechtigung in der Bezahlung und den Aufstiegschancen wird in zwei Aufsätzen detailliert geschildert (S. 543–555).

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Eine wichtige Frage des Managements ist seit jeher die Kooperation zwischen Bibliotheken, die im 20. Jahrhundert mit der wachsenden Bücherflut ausgeweitet und institutionalisiert wurde, zunächst 1907 mit dem Austausch der gedruckten Kataloge und der Ausleihe von Büchern zwischen den Londoner Bibliotheken. Ein Meilenstein auf nationaler Ebene war der bereits im Zusammenhang mit den Öffentlichen Büchereien erwähnte Kenyon Report von 1927, der die Kooperation zwischen allen Bibliothekstypen forderte. In den dreißiger Jahren entstanden die Leihverkehrsregionen. Mit dem McColvin Report kam 1941 die Idee der kooperativen Erwerbung hinzu. 1962 wurde die Fernleihzentrale in Boston Spa gegründet, laufend erweitert und mit der Gründung der British Library 1973 umstrukturiert. Die heutigen Online-Kataloge erleichtern die Suche und beschleunigen die Bestellung der Literatur (S. 556–567).

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Die Geschichte der alphabetischen Katalogisierung wird in den Hauptetappen vermittelt, ausgehend von Panizzis Katalogisierungsregeln für die Bücher des Britischen Museums von 1839, der Übernahme der »Anglo-American Cataloguing Rules« (AACR) nach der Pariser Konferenz von 1961, über die Schaffung der »International Standard Bibliographic Description for Monographs« (ISBD(M)) auf der Kopenhagener Konferenz von 1969 bis zur Einführung der AACR2 im Jahr 1978. Die Entwicklung der klassifikatorischen und verbalen Sacherschließung, der Indexierung in Spezialbibliotheken und Probleme der Aufstellung der Bücher werden ebenfalls beleuchtet (S. 568–583).

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Der Bibliotheksneubau von Norwich 1857 läutete bereits in viktorianischer Zeit eine Ära vermehrter Bautätigkeit ein. Neben den oben erwähnten Universitätsneugründungen spielten außerdem philanthropische Stiftungen eine wichtige Rolle, besonders die von Andrew Carnegie, der zwischen 1889 und 1916 rund 3000 Gebäude für Öffentliche Büchereien auf seine Kosten errichten ließ (S. 584–608).

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Bibliotheken im elektronischen Zeitalter

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Die zwei Beiträge des letzten Kapitels greifen über ins 21. Jahrhundert und behandeln die Bedeutung der Automatisierung und der elektronischen Dienstleistungen im heutigen Bibliothekswesen. Die Konversion konventioneller Kataloge, die Verfügbarmachung analoger und digitaler Informationsträger, die Archivierung virtueller Information, die Kommerzialisierung der Dienstleistungen und der verstärkte Stellenwert des Bibliothekars als Benutzerberater sind nur Teilaspekte eines großen Umstrukturierungsprozesses, der viele Fragen offen lässt (S. 611–653).

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Fazit: Ein neues Standardwerk zur Information
und für weiterführende Forschungen

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Trotz des ausdrücklichen Verzichts der Herausgeber auf Vollständigkeit stellt der umfassende geschichtliche Überblick über das Bibliothekswesen in Großbritannien und Irland nicht zuletzt dank der sinnvollen und über die drei Bände hinweg stimmigen Schwerpunktsetzung ein Standardwerk auf dem neuesten Stand der Forschung dar, das seinesgleichen sucht. Die fachkundigen, sorgfältig recherchierten Beiträge mit ihrer Fülle an präzis belegten Details vermitteln in ihrer Gesamtheit ein zusammenhängendes Bild von der Geschichte institutionalisierter Wissensvermittlung auf den Britischen Inseln, auch unter Berücksichtigung des Commonwealth sowie gesamteuropäischer und internationaler Zusammenhänge. Die übersichtliche Periodisierung und die klar formulierten Aufsatztitel erleichtern die Nutzung für weitere bibliothekswissenschaftliche Einzelforschungen ebenso wie für interdisziplinäre Studien. Die Geschichte bedeutender Bücher und Sammlungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge, die an Profil gewinnen durch die Vielzahl konkreter Beispiele und die Zusammenschau mit vielfältigen anderen Strömungen, die aus weit verstreuten Quellen gebündelt und in der Wechselwirkung mit politischen, wirtschaftlichen, sozialen und geistesgeschichtlichen Entwicklungen gezeigt werden. Zusätzlich zu den Texten selbst bieten die zahlreichen Fußnoten ebenso wie die drei umfangreichen Bibliographien am Ende jeden Bandes weiterführendes Material für Forschungen nicht nur im englischsprachigen Raum. Dem in klarem, gut verständlichem Englisch geschriebenen Werk wäre trotz seines stolzen Preises eine weite Verbreitung, eventuell auch durch Übersetzungen in andere Sprachen, zu wünschen.

 
 

Anmerkungen

Neil R. Ker / Watson Andrew G. (Hg.): Medieval Libraries of Great Britain: A Handlist of Surviving Books. 2 Bde. (Royal Historical Society: Guides and Handbooks) London: Offices of the Royal Historical Society. Band 1: 2. Aufl. 1964, XXXII, 424 S. Band 2: Supplement to the second edition. 1987, XVIII, 149 S.   zurück
Helmut Gneuss: Handlist of Anglo-Saxon Manuscripts: A List of Manuscripts and Manuscript Fragments Written or Owned in England Up to 1100. (Medieval & Renaissance Texts & Studies 241) Tempe, Ariz.: Arizona Center for Medieval and Renaissance Studies 2001.    zurück
John Caius: Historia Cantabrigiensis [sic] Academiae ab Urbe Condita. London: Daij 1574, Liber 1.2.   zurück