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Literaturgeschichte - im Katalog

  • Karin Zimmermann / Matthias Miller: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. germ. 304-480. (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 8) Wiesbaden: Harrassowitz 2007. 872 S. 32 Abb. Gebunden. EUR (D) 148,00.
    ISBN: 978-3-447-05229-0.
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Ungewöhnlich zügig schreitet die Neukatalogisierung der Heidelberger Handschriften voran; nunmehr liegt der achte Band der Gesamtreihe, der zugleich der dritte der Codices Palatini Germanici ist, vor. In diesem werden 192 Handschriften, darunter 100 literarische, 53 theologische sowie 17 historische und 15 medizinische, beschrieben. Zurzeit werden die Handschriften digitalisiert und die digitalen Faksimiles über das Internet verfügbar gemacht. 1 Anbei findet sich jeweils in Form einer PDF-Datei eine Beschreibung der Handschriften, die derjenigen des gedruckten Katalogs entspricht. Ganz bewusst verzichtet die Bibliothek nicht auf das gedruckte Buch, denn mit der »Möglichkeit einer kontinuierlichen Lektüre« – aber auch des Querlesens und des zufälligen, sich verzweigenden Lesens – bieten sich »Anregungen, die der punktuellen Recherche in einer Datenbank deshalb verschlossen bleiben, weil dabei immer ganz konkrete Fragestellungen vorausgesetzt werden« (S. VII). Dies sei den Verantwortlichen ausdrücklich gedankt.

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Es sind insbesondere die o.g. im engeren Sinn literarischen Handschriften, die diesen Katalogband für den Germanisten so interessant machen. Darunter eine der beiden ältesten Handschriften des Iwein (Cpg 397) oder der König Rother (Cpg 390); des weiteren die Texte von Eilhart von Oberge (Cpg 346), Wolfram von Eschenbach (Cpg 333, 339, 357, 364 und 404) oder Thomasin von Zerklaere (Cpg 320, 330, 338 und 389). Aber auch seltenere Texte wie die späten Übernahmen von Chanson-de-geste-Stoffen finden sich: Ogier von Dänemark (Cpg 363), Der deutsche Malagis (Cpg 315 und 340), Reinolt von Montelban (Cpg 340 und 399). Kaum eine Edition eines bedeutenderen mittelalterlichen Textes kommt ohne Rückgriff auf eine Handschrift aus der Bibliotheca Palatina aus. Diese eminente Bedeutung der Sammlung für die Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters wurde bereits früh erkannt: Adelung widmete ihr 1796 und 1799 zwei Bände; Ludwig Tieck benutzte die Handschriften 1805/06, als sie noch im Vatikan lagen, doch kamen seine Aufzeichnungen nicht zum Druck. 2 Erst Friedrich Heinrich von der Hagen übernahm die Informationen in seinen mit Johann Gustav Büsching herausgegebenen Grundriss 3 .

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Der erste wissenschaftliche Katalog erschien 1887 4 und der entsprechende Signaturenbereich findet sich auf den Seiten 57–147, umfasst also nicht einmal 100 Seiten. Der quantitative Zuwachs ist im vorliegenden Fall zugleich ein qualitativer. Hatte Bartsch, ganz den Usancen seiner Zeit folgend, nur grundlegende kodikologische Daten aufgeführt, so geschieht dies im neuen Katalog sehr ausführlich. Zugleich werden die erhobenen Daten nutzbar gemacht für provenienzgeschichtliche Hinweise und Datierungen, sofern nicht eine Datierung in der Handschrift selbst vorliegt. Ebenfalls sind in die Beschreibungen, die seit Bartsch 120 Jahre Forschungsgeschichte umfassen, eingearbeitet. Im Einzelnen geschieht dies mit großer Umsicht.

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Zur Anlage des Bandes: Diese folgt dem inzwischen bewährten DFG-Regelwerk 5 mit einigen Abweichungen, die S. XIX–XX erläutert werden. Nach einer Einleitung und Abkürzungs- und Literaturverzeichnis folgen acht Seiten mit schwarz-weiß Abbildungen, die vornehmlich Auszüge mit
Schreiber- /Besitzereinträgen bringen oder beispielsweise einen autographen Vermerk über eine Buchausleihe Siegmund Gossembrots (Abb. 19 zu Cpg 314). Im Anschluss an den Katalog (S. 1–629) finden sich drei Register (S. 631–859) und mehrere Konkordanzen, die ältere Signaturenzuordnungen auflösen.

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Registerführung

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Es sind die Register, die die umfassende Benutzung eines Handschriftenkatalogs erst gewährleisten. Die vorliegenden erweisen sich als sehr sauber und regelgerecht gearbeitet, mit großer Erschließungstiefe bis zu vier Stufen. Mitunter werden dadurch einige der längeren Einträge etwas unübersichtlich, da man oft gezwungen ist, zu suchen, worauf sich der Eintrag bezieht; so z.B. zu den Lemmata »Pfalz« (S. 711–713) oder »Schreibsprachen« (S. 727 f.).

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Das »Personen-, Orts- und Sachregister«, im Folgenden POS-Register (S. 631–749), wird aufgrund seiner herausgehobenen Bedeutung als allgemeiner und in jedem Katalog vorhandener Index in den DFG-Richtlinien als erstes behandelt; es ist das Register, das von den Benutzern am häufigsten zu Rate gezogen wird und sollte deshalb leicht zugänglich sein. Dies würde durch die Endstellung im jeweiligen Katalog wesentlich erleichtert.

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Insgesamt sind die Register gut gearbeitet und bieten keinen Anlass zur Beanstandung; auch wenn z.B. eine Verweisung von Haimonskinder zu Reinolt von Montelban hätte angebracht werden können, war dieser Text doch lange Zeit unter dem ersten Namen bekannt. Spezialregister finden sich für »Hymnen, Verse und Sprichwörter« (S. 751–753) sowie die Initien (S. 755–833), von denen die Gebetsinitien nach dem von Karin Schneider vorgeschlagenen System extragestellt sind (S. 835–859). Aufgrund seines Umfangs hätte der Abschnitt »Handschriften« (S. 669–678) aus dem POS-Register durchaus ausgegliedert werden können, zumal er zum größten Teil auf Verweisungen auf Handschriften der Bibliotheca Palatina besteht.

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Beispielhaftes

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Der Umfang macht es unmöglich, detailliert auf die einzelnen Beschreibungen einzugehen; deshalb nur einige Beispiele.

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Die Sammelhandschrift Cpg 341, die unter den neugezählten 224 Texten u.a. Hartmann von Aues Armen Heinrich enthält, wird hier auf 37 Seiten (S. 129–165) beschrieben. Der ausführliche kodikologische Teil listet u.a. die verbundenen Stellen auf, beschreibt die Einrichtung der Handschrift und deren Schmuck genau. Es folgen die in der wissenschaftlichen Literatur erarbeiten Thesen zu Datierung und Herkunft, die zugleich Beleg für die Angaben in der Schlagzeile sind. Die zu dieser Handschrift verfasste Literatur wird, der zahlreichen Titel wegen, lediglich in Auswahl wiedergegeben. Die Beschreibung der Texte ist wiederum sehr ausführlich mit reichlichen Anmerkungen aus der Forschungsliteratur. Mit eingearbeitet sind Verweisungen auf Parallelüberlieferung gleichartiger Sammelhandschriften.

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Entsprechend detailliert werden auch andere Sammelhandschriften erschlossen. So gleich zu Beginn der Cpg 304 (S. 1–24), einer Sammlung historischer Notizen aus Augsburg und München; gleiches gilt für die Formelbücher Cpg 491–494 (S. 579–626) oder die Liederhandschriften Cpg 343, 349, 350, 357 und 392. Mithilfe derartiger Beschreibungen ist der Benutzer in der Lage, sich einen guten Überblick über den Inhalt einer Handschrift zu verschaffen.

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Unter Cpg 367 (S. 247–250) wird eine aus zwei Teilen zusammengesetzte Sammlung von Chroniken des Deutschen Ordens und einigen anderen, später hinzugefügten Texten beschrieben. Die Auswertung der Literatur sowie Eigenuntersuchungen haben zur Bestätigung der Herkunft aus dem Preußenland und zur Präzisierung der Entstehungszeit (»1415 und später«) geführt. Zudem wird die sukzessive Entstehung der Textsammlung, die sich u.a. an der Verteilung der verschiedenen Hände ablesen lässt, deutlich herausgearbeitet.

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Fazit

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Seit ihrer Wiederentdeckung am Ende des 18. Jahrhunderts sind die Codices Palatini Germanici mehrfach (Adelung, Tieck, Wilken, Bartsch) registriert, vermessen und gesichtet worden. Der neue Katalog gibt den Stand der Forschung auf höchstem Niveau. Darüber hinaus macht die wohl geordnete Fülle der Daten den Katalog zu einem Nachschlagewerk der deutschen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit – über den eigentlichen Bestand hinaus.

 
 

Anmerkungen

Die Hauptseite ist zu erreichen unter der URL: http://palatina-digital.uni-hd.de/ (14.10.2008).   zurück
Vgl. zusammenfassend und mit der weiteren Literatur Ralf G. Päsler: Nachrichten von altdeutschen Gedichten. Anmerkungen zu Ludwig Tiecks Hand­schriften­studien in der Bibliotheca Vaticana. In: E.T.A. Hoffmann-Jahr­buch 4 (1996). S. 69–90.   zurück
Literarischer Grundriss zur Geschichte der Deutschen Poesie von der ältesten Zeit bis in das sechzehnte Jahrhundert durch Friedrich Heinrich von der Hagen und Johann Gustav Büsching, Berlin 1812.   zurück
Die altdeutschen Handschriften der Universitäts-Bibliothek in Heidelberg. Verzeichnet und beschrieben von Karl Bartsch, Heidelberg 1887. Anders als der Katalog von Bartsch umfasst die Neubearbeitung auch die frühneuzeitlichen (vgl. Die deutschen Pfälzer Handschriften des XVI. und XVII. Jahrhunderts der Universitätsbibliothek in Heidelberg, verzeichnet und beschrieben von Jakob Wille, Heidelberg 1903) sowie die nicht-deutschsprachigen Handschriften unter den ›CPGs‹ (im Register unter dem Sammeleintrag »Sprachen« [S. 732] mit entsprechenden Verweisungen zu finden).   zurück
Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. Hg. von der DFG, Unterausschuss für Handschriftenkatalogisierung. Bonn 1992.   zurück